Entscheidungsstichwort (Thema)
Remailing. Weltpostvertrag. Unmittelbarer Zahlungsanspruch der Deutschen Post AG gegen inländische Absender. Verjährungsfrist. Non-physical-Remailing. Materieller Absenderbegriff. Erhebliche Wertschöpfung im Ausland
Leitsatz (amtlich)
a) Art. 25 § 3 Satz 1 2. Alternative WPV 1989 gewährt der von Remailing betroffenen nationalen Postverwaltung einen unmittelbaren Zahlungsanspruch gegen den jeweiligen inländischen Absender.
b) Nach Art. 25 §§ 1 und 2 WPV 1989 können auch solche Sendungen von der Beförderungspflicht befreit sein, deren Inhalt durch grenzüberschreitenden elektronischen Datentransfer festgelegt worden ist und die körperlich vollständig im Ausland hergestellt worden sind („non-physical” Remailing).
c) Absender im Sinne des Art. 25 WPV ist, wer nach dem Gesamteindruck der Sendung aus der Sicht eines verständigen Empfängers als derjenige zu erkennen ist, der sich mit einem unmittelbaren Mitteilungsinteresse an den Adressaten wendet; der Absenderangabe auf dem Briefumschlag kommt keine entscheidende Bedeutung zu (materieller Absenderbegriff).
d) Art. 25 WPV ist nicht dahin teleologisch zu reduzieren, daß die Vorschrift nur eine „künstliche Verlagerung von Postströmen ins Ausland” erfaßt, insbesondere nicht anwendbar ist, wenn im Zuge der Herstellung der Sendung eine „erhebliche Wertschöpfung im Ausland” stattfindet.
e) Der Zahlungsanspruch aus Art. 25 § 3 Satz 1 2. Alternative WPV 1989 unterliegt nicht der einjährigen Verjährungsfrist des § 24 Abs. 1 Nr. 1 PostG a.F.
Normenkette
Weltpostvertrag 1989 Art. 25; PostG § 24 Abs. 1 Nr. 1 F.: 14. September 1994
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 20.09.2000) |
LG Düsseldorf (Urteil vom 26.05.1999) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20. September 2000 teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefaßt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 26. Mai 1999 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 327.579,37 EUR nebst 5,5 v.H. Zinsen seit dem 12. Januar 1999 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die klagende Deutsche Post AG, Rechtsnachfolgerin der Deutschen Bundespost POSTDIENST, erbringt flächendeckend Postdienstleistungen im Bundesgebiet. Die Beklagte, ein Unternehmen der europaweit tätigen C. Gruppe, ist ein Kreditkartenunternehmen mit Sitz in R..
Im Verlauf des Jahres 1997 stellte die Klägerin in Deutschland ansässigen Kunden der Beklagten mehr als 900.000 Briefsendungen zu. Die für die inhaltliche Ausgestaltung der Briefsendungen notwendigen Informationen waren im wesentlichen in dem in den Niederlanden befindlichen Rechenzentrum der C. Gruppe gesammelt und weiterbearbeitet worden. Anschließend waren diese Daten auf elektronischem Wege der Firma P., einer Tochtergesellschaft der niederländischen Post, übermittelt worden, die die Briefsendungen sodann ausgedruckt und der niederländischen Post zur Beförderung weitergegeben hatte. Aufgrund dieser Verfahrensweise sind geringere Postgebühren entstanden als angefallen wären, wenn die für die deutschen Kunden der Beklagten bestimmten Briefsendungen unmittelbar der Klägerin zur Beförderung übergeben worden wären.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten für die Zustellung der Briefsendungen Zahlung des vollen Inlandsportos abzüglich der Endvergütungen, die sie von der niederländischen Post für die Weiterbeförderung der Briefe erhalten hat.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht (EWiR 2001, 191) hat sie abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat im wesentlichen Erfolg.
I.
Bezüglich der Geschäftsbeziehungen der in Deutschland ansässigen Beklagten zu ihren Vertragsunternehmen und Kunden sowie des Schriftverkehrs mit den Kunden hat das Berufungsgericht folgende Feststellungen getroffen, die von der Revision nicht angegriffen werden:
Die Beklagte finanziert wie ihre Schwestergesellschaften in den Niederlanden, in Belgien und Österreich Warenkäufe. Interessierte Kunden, die bestimmte Waren auf Kredit erwerben wollen, wenden sich über ein Vertragsunternehmen (Händler) an die Beklagte. Diese prüft die vom Händler an sie übermittelten Kreditanträge. Im Falle der Bewilligung erhält der Kunde nicht nur den Kredit für die gekaufte Ware, sondern eine Kreditkarte mit einem Limit, die weitere Kreditkäufe bei allen Händlern, die mit der Beklagten zusammenarbeiten, ermöglicht. Der Kredit wird in Raten zurückgezahlt, welche im Lastschriftverfahren eingezogen werden.
Die bei Abschluß eines Neugeschäfts benötigten Kundendaten werden bei der Beklagten in einer Datei abgelegt, die allabendlich von dem in den Niederlanden gelegenen Rechenzentrum abgefragt, verarbeitet und anschließend per Standleitung der Beklagten zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt werden. In ähnlicher Weise wird verfahren, wenn sich später die Kundendaten, etwa durch Umzug oder durch eine neue Bankverbindung, ändern oder diesbezüglich Unstimmigkeiten auftreten, die von der Beklagten dem Rechenzentrum mitgeteilt werden.
Die Rückzahlung der Kredite erfolgt dergestalt, daß das Rechenzentrum der Beklagten die diesbezüglichen Daten zu festen Ratenterminen auf einem Magnetband zur Verfügung stellt. Dieses Magnetband leitet die Beklagte an die N. Bank, Niederlassung F., weiter, die die Lastschrifteinzüge durchführt. Die per Lastschrift eingezogenen Beträge werden den Konten der Kunden bei der Beklagten zugeordnet. Diese Zuordnung, aufgrund derer – regelmäßig quartalsweise – die Kontoauszüge der Beklagten erstellt werden, erfolgt ohne Einschaltung der Beklagten im Rechenzentrum. Auch die für die Erstellung des sonstigen Schriftverkehrs notwendige Datenverarbeitung, die im Rahmen der Betreuung der in Deutschland ansässigen Vertragsunternehmen und Kunden der Beklagten anfällt, vollzieht sich im Rechenzentrum. Dies geschieht mit Hilfe englischer Software. Die Umsetzung in deutschsprachige Anschreiben und Kontoauszüge wird von der Firma P. vorgenommen. Die Beklagte, der die im Rechenzentrum gespeicherten Daten zur Einsichtnahme zur Verfügung stehen, ist in diesen Verarbeitungsprozeß nicht eingebunden. Sie selbst wäre, da sie weder über die erforderliche Hard- und Software noch über das notwendige Personal verfügt, nicht in der Lage, die Daten in der Form, in der sie für die körperliche Herstellung der Anschreiben und Kontoauszüge von der Firma P. benötigt werden, an diese direkt weiterzugeben. Sie zahlt für die Dienstleistungen des Rechenzentrums eine Vergütung.
II.
Die Klägerin stützt das Zahlungsbegehren auf Art. 25 § 3 Satz 1 2. Alternative des Weltpostvertrags von Washington vom 14. Dezember 1989 – WPV 1989 – (BGBl. 1992 II S. 749, 785). Dieser Artikel lautet in der amtlichen deutschen Übersetzung:
„Artikel 25
Einlieferung von Briefsendungen im Ausland
- Kein Mitgliedsland ist verpflichtet, Briefsendungen zu befördern oder den Empfängern zuzustellen, die auf seinem Gebiet ansässige Absender im Ausland einliefern oder einliefern lassen, um aus den dort geltenden niedrigeren Gebühren Nutzen zu ziehen. Dies gilt auch für in großer Zahl eingelieferte Sendungen dieser Art, und zwar selbst dann, wenn nicht die Absicht besteht, die niedrigeren Gebühren auszunutzen.
- § 1 gilt ohne Unterschied sowohl für Sendungen, die in dem Land, in dem der Absender wohnt, vorbereitet und anschließend über die Grenze gebracht werden, als auch für Sendungen, die in einem fremden Land versandfertig gemacht worden sind.
- Die betreffende Verwaltung ist berechtigt, die Sendungen an den Einlieferungsort zurückzusenden oder sie mit ihren Inlandsgebühren zu belegen. Wenn sich der Absender weigert, diese Gebühren zu zahlen, kann sie nach ihren Inlandsvorschriften über die Sendungen verfügen.
- Kein Mitgliedsland ist verpflichtet, Briefsendungen anzunehmen, zu befördern oder den Empfängern zuzustellen, die irgendwelche Absender in einem anderen Land als demjenigen, in dem sie ansässig sind, in großer Zahl eingeliefert haben oder haben einliefern lassen. Die betreffenden Verwaltungen sind berechtigt, solche Sendungen an den Einlieferungsort zurückzusenden oder sie den Absendern ohne Erstattung der Gebühr zurückzugeben.”
Nach Meinung des Berufungsgerichts kommt vorliegend diese Bestimmung nicht zum Zuge. Dagegen wendet sich die Revision zu Recht.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß für die Beurteilung des Klagebegehrens allein die Bestimmungen des Weltpostvertrags 1989 maßgeblich sind und nicht (auch) die des Nachfolgevertrags, des Weltpostvertrags von Seoul vom 14. September 1994 – WPV 1994 – (BGBl. 1998 II S. 2082, 2135), durch den Art. 25 WPV nicht unerheblich abgeändert worden ist.
Der Weltpostvertrag 1989, der nach seinem Art. 94 Satz 1 am 1. Januar 1991 in Kraft getreten ist, ist durch das Gesetz zu den Verträgen vom 14. Dezember 1989 des Weltpostvereins vom 31. August 1992 (BGBl. II S. 749) in innerstaatliches Recht umgesetzt worden. Er trat für Deutschland am 10. Dezember 1992 durch Hinterlegung der Ratifikationsurkunde in Kraft (Bekanntmachung vom 9. Februar 1993, BGBl. II S. 229; in den Niederlanden trat dieser Vertrag erst am 15. Februar 1995 in Kraft, vgl. Bekanntmachung vom 7. Juni 1995, BGBl. II S. 536). Demgegenüber ist der Weltpostvertrag 1994 in Deutschland erst am 9. Dezember 1998 in Kraft getreten (Bekanntmachung vom 13. Januar 1999, BGBl. II S. 82). Daraus folgt, daß für die rechtliche Beurteilung der im Jahre 1997 in den Niederlanden aufgegebenen und in der Bundesrepublik Deutschland zugestellten Briefsendungen die Regelungen des Weltpostvertrags 1989 gegolten haben. Dem steht weder entgegen, daß der Weltpostvertrag 1994 nach seinem Art. 60 Satz 1 am 1. Januar 1996 in Kraft getreten ist, noch, daß der Weltpostvertrag 1994 in den Niederlanden bereits am 18. Juli 1996 geltendes Recht geworden ist (Bekanntmachung vom 13. Januar 1999 aaO).
Nach dem Recht der völkerrechtlichen Verträge, wie es im Wiener Übereinkommen vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge – WVK – (vgl. Zustimmungsgesetz vom 3. August 1985, BGBl. II S. 926, 927) kodifiziert worden ist, tritt ein völkerrechtlicher Vertrag für einen vertragschließenden Staat erst dann in Kraft, wenn er die Zustimmung, durch den Vertrag gebunden zu sein, erteilt. Dies gilt auch dann, wenn im Vertrag selbst – wie hier sowohl im Weltpostvertrag 1989 als auch im Weltpostvertrag 1994 – ein vorher liegendes Datum des Inkrafttretens genannt ist (Art. 24 Abs. 3 WVK). Darüber hinaus sind spätere Vertragsänderungen für die vertragschließenden Staaten erst und nur dann verbindlich, wenn jede dieser Parteien der Änderung zugestimmt hat (vgl. Art. 40 Abs. 4 i.V.m. Art. 30 Abs. 4 Buchst. b WVK). Anderes würde nur gelten, wenn – ausnahmsweise – die Vertragsparteien rückwirkend gebunden (vgl. Art. 28 WVK) oder aber die Bestimmungen eines nicht bindenden (Änderungs-)Vertrags vorläufig anwendbar wären (vgl. § 25 WVK). Für eine rückwirkende oder vorläufige Anwendbarkeit der Verträge des Weltpostvereins in Vertragsstaaten, für die diese Verträge noch nicht verbindlich geworden sind, bieten weder die Texte der 1989 und 1994 geschlossenen Verträge oder die Satzung des Weltpostvereins (vollständig abgedruckt in BGBl. 1998 II S. 2085; die Änderungen durch das Fünfte Zusatzprotokoll von Seoul, BGBl. 1998 II S. 2101, können vorliegend vernachlässigt werden) noch die hierzu ergangenen deutschen Zustimmungsgesetze einen Anhalt.
2. Nach Meinung des Berufungsgerichts gewährt Art. 25 § 3 Satz 1 2. Alternative WPV 1989 der betreffenden Postverwaltung einen unmittelbaren Zahlungsanspruch gegen den jeweiligen inländischen Absender. Dieser Auffassung, die von mehreren Oberlandesgerichten geteilt wird (insbesondere OLG Frankfurt am Main, NJWE-WettbR 1997, 162 = WiB 1997, 776; WuW/E DE-R 811; vgl. die weiteren Nachweise bei Freytag, WRP 2001, 1145, 1147 Fn. 26), ist zuzustimmen.
Ob Bestimmungen des Weltpostvertrags nur Rechte und Pflichten zwischen den Vertragsstaaten und ihren Postverwaltungen begründen oder aber auch „Außenwirkung” gegenüber den jeweiligen Postbenutzern entfalten (vgl. Senatsurteil BGHZ 76, 358, 360), ist durch Auslegung zu ermitteln. Hierzu sind die angerufenen deutschen Gerichte ungeachtet des Umstands berufen, daß bei der Auslegung völkerrechtlicher Verträge besondere Grundsätze gelten, die sich nicht völlig mit den bei der Auslegung innerstaatlicher Gesetze zu beachtenden Grundsätzen decken (vgl. BGHZ 52, 216, 219 ff).
a) Nach Art. 25 § 3 Satz 1 WPV 1989 hat die betreffende Postverwaltung das Recht, Sendungen, zu deren Weiterbeförderung oder Zustellung sie nach Art. 25 §§ 1 und 2 WPV 1989 nicht verpflichtet ist, an den Einlieferungsort zurückzusenden oder mit ihrem Inlandsporto zu belegen. Weigert sich der Absender, diese Gebühr zu zahlen, kann die Postverwaltung über die Sendungen nach ihren Inlandsvorschriften verfügen, also sie etwa vernichten (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 1 des nach seinem § 31 am 31. Dezember 1997 außer Kraft getretenen Postgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Juli 1989, BGBl. I S. 1449, mit den dazu ergangenen Änderungen durch Art. 6 des Postneuordnungsgesetzes vom 14. September 1994, BGBl. I S. 2325, 2368, im folgenden: PostG a.F.). Der Gesamtzusammenhang dieser beiden Sätze kann sinnvollerweise nur dahin verstanden werden, daß Satz 2 der Postverwaltung eine weitere Sanktionsmöglichkeit gibt, um auf diesem Wege einen Postbenutzer zur Zahlung bewegen zu können, anstatt einen Rechtsstreit über Gebührennachforderungen führen zu müssen. Würde demgegenüber, wie die Revisionserwiderung für richtig hält, die Postverwaltung nur dann Zahlung der Inlandsgebühren verlangen können, wenn sich der Absender auf entsprechenden Hinweis zur Zahlung dieser Gebühren – um etwa eine drohende Vernichtung der Sendungen zu verhindern – bereit erklärt (so vor allem auch Bechthold/Wagner, WRP 1998, 134, 137), wäre Satz 1 2. Alternative überflüssig. Die Möglichkeit, die Zustellung davon abhängig zu machen, daß sich der Absender zur Zahlung einer besonderen Vergütung bereit erklärt, hätte die Postverwaltung auch ohne besondere Regelung schon deshalb, weil sie bereits nach Art. 25 §§ 1 und 2 WPV 1989 von der Pflicht, die ihr von der jeweiligen nationalen Postverwaltung übergebenen Briefsendungen weiterzuleiten (vgl. Art. 1 § 1 WPV 1989), befreit ist. Ein Recht („droit”), die Sendung mit der Inlandsgebühr zu belegen, hätte ihr nicht eigens zugewiesen werden müssen (so zutreffend OLG Frankfurt am Main, NJWE-WettbR 1997, 162, 164).
b) Art. 25 WPV 1989 will die nationalen Postverwaltungen vor Gebührenverlusten bewahren, die ihnen durch das Ausnutzen des Gebührengefälles innerhalb der Mitglieder des Weltpostvereins entstehen können. Derartige Gebührenverluste werden so effektiv und nachhaltig wie möglich vermieden, wenn der betreffenden Postverwaltung ein Zahlungsanspruch gegen den Absender eingeräumt wird. Andernfalls wäre die nationale Postverwaltung, wenn sie nicht bereit ist, die Einnahmen mindernde massenweise Umleitung von Postströmen sanktionslos hinzunehmen, dazu gezwungen, auf eigene Kosten die zu beanstandenden Briefsendungen zeit- und arbeitsintensiv auszusortieren und zu vernichten (vgl. Stender, Die Deutsche Post AG im EG-Binnenmarkt unter besonderer Berücksichtigung der „Remailing” Problematik, 2001, S. 150 f). Darüber hinaus stünden der geschädigten Postverwaltung auf der Grundlage der von der Revisionserwiderung für richtig gehaltenen Auslegung keinerlei Abwehr- und Sanktionsmittel mehr gegen den Absender zur Verfügung, wenn durch die Aufmachung der Briefsendungen der wahre Absender verschleiert wird und ihr die wirklichen Zusammenhänge und die Zahl der zu beanstandenden Briefsendungen erst bekannt werden, wenn diese bereits den Empfängern zugestellt worden sind (vgl. hierzu Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 28. November 1986, abgedruckt in: Altmannsperger, Postrechtsentscheidungen, 2.07 Nr. 12, S. 24, 31 zu Art. 20 Satz 4 WPV 1974, BGBl. 1975 II S. 1513, 1548).
c) Durch diese Auslegung werden die Interessen der Absender nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt. Es versteht sich, daß das Vertrauen eines Absenders darauf, eine nationale Postverwaltung werde eine Briefsendung, die ihr von einer ausländischen Postverwaltung übergeben worden und zu deren Weiterbeförderung sie nach Art. 25 §§ 1 und 2 WPV 1989 nicht verpflichtet ist, gleichwohl – sei es aus Kulanz, sei es in Unkenntnis der Tatsache, daß es sich um eine derartige (Remailing) Sendung handelt – zustellen, nicht schützenswert ist. Ist aber für die inländische Post offenkundig, daß ein Remailing-Tatbestand vorliegt, und will sie von den ihr durch den Weltpostvertrag 1989 eingeräumten Möglichkeiten Gebrauch machen, so ist regelmäßig den Interessen des Absenders eher dadurch gedient, daß die Sendung – wenn auch nur gegen Nachforderung der Inlandsgebühr – sofort zugestellt wird. Gibt hingegen die Postverwaltung die Sendung zurück oder vernichtet sie diese, so kann der Absender dem Empfänger die gewünschte Mitteilung im Einklang mit den Bestimmungen des Weltpostvertrags nur dadurch zukommen lassen, daß er die Sendung – gegebenenfalls nach nochmaliger Herstellung – der inländischen Postverwaltung erneut und unmittelbar gegen Zahlung der vollen Inlandsgebühr zur Beförderung übergibt; ein Anspruch auf Rückerstattung der zuvor an die ausländische Postverwaltung, im Ergebnis vergeblich, entrichteten Gebühr kommt dabei nicht in Betracht.
d) Art. 25 WPV 1989 ist durch den Weltpostvertrag 1994 wesentlich geändert worden (vgl. nunmehr Art. 43 WPV 1999, BGBl. 2002 II S. 1446, 1470). Ob auch die Nachfolgenorm als Grundlage eines selbständigen, vom Einverständnis des Absenders unabhängigen Zahlungsanspruchs in Frage kommt, braucht nicht entschieden zu werden. Es besteht kein Anhalt dafür, daß die 1994 vorgenommenen Änderungen des Art. 25 WPV nach dem Verständnis der Vertragsstaaten (auch bzw. nur) klarstellenden Charakter haben sollten, mithin die späteren Änderungen insbesondere des § 3 für die Anwendung und Auslegung des Art. 25 § 3 WPV 1989 von Bedeutung sein könnten.
3. Der Zahlungsanspruch nach Art. 25 § 3 Satz 1 2. Alternative WPV 1989 setzt voraus, daß es sich bei der betreffenden Sendung um im Ausland eingelieferte Inlandspost im Sinne des Art. 25 § 1 Satz 1 WPV 1989 handelt, bezüglich derer eine Beförderungspflicht der inländischen Postverwaltung nicht besteht. Inlandspost im Sinne dieser Bestimmung kann, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, auch dann vorliegen, wenn die Sendung – wie hier – körperlich vollständig im Ausland hergestellt worden ist (sogenanntes „non-physical” Remailing). Das ergibt sich aus Art. 25 § 2 WPV 1989.
a) Nach der amtlichen deutschen Übersetzung des Art. 25 § 2 WPV 1989 gilt die Befreiung von der Beförderungspflicht sowohl für Sendungen, die in dem Land, in dem der Absender wohnt, vorbereitet und anschließend über die Grenze gebracht werden, als auch für Sendungen, die in einem fremden Land versandfertig gemacht worden sind. Der Begriff „versandfertig machen” legt die Deutung nahe, daß nur die der eigentlichen Postdienstleistung unmittelbar vorangehenden Tätigkeiten, nämlich das Einkuvertieren, Adressieren, Wiegen, Frankieren und Einliefern des Briefes, erfaßt werden (vgl. Bechthold/Wagner aaO S. 139). Gegen ein derart enges Normverständnis spricht jedoch bereits der Umstand, daß in diesem Falle die zweite Alternative des § 2 ohne eigenen Regelungsgehalt wäre, da eine derartige im Ausland lediglich versandfertig gemachte Sendung nichts anderes als eine im Sinne der ersten Alternative im Inland vorbereitete Sendung wäre (so zutreffend Kießling, WRP 2000, 368, 369; a.A. Bechthold/Wagner aaO S. 140). Darüber hinaus ist zu beachten, daß nach Art. 6 der Satzung des Weltpostvereins nur der französische Text verbindlich ist, so daß allein dieser Text für die Vertragsauslegung maßgeblich ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 1991 – I ZR 193/89 – NJW 1992, 621, 622). Die Bedeutung des im französischen Text verwendeten Begriffs „confectionner”, der sich allgemein mit „herstellen, anfertigen” übersetzen läßt, erlaubt ohne weiteres eine Auslegung des Art. 25 § 2 WPV 1989 dahin, daß auch vollständig im Ausland hergestellte Sendungen Inlandspost im Sinne des § 1 sein können (Stender aaO S. 153; Neu, Marktöffnung im nationalen und internationalen Postwesen, 1999, S. 118).
b) Art. 25 § 2 WPV 1989 geht auf eine Ergänzung des Weltpostvertrags zurück, die auf Initiative der deutschen Delegation in den am 28. Juni 1929 in London abgeschlossenen Weltpostvertrag aufgenommen wurde (Art. III der Schlußniederschrift, RGBl. 1930 II S. 785, 786) und Bestandteil der nachfolgenden Weltpostverträge geblieben ist. Dabei war der Begriff „confectionner” in der amtlichen deutschen Übersetzung des Weltpostvertrags 1929 mit „herstellen”, seit dem Weltpostvertrag 1957 (Art. VI der Schlußniederschrift, BGBl. 1960 II S. 697, 699) mit „versandfertig herstellen” und schließlich 1989 mit „versandfertig machen” übersetzt worden, ohne daß sich dabei der französische Wortlaut geändert hätte (vgl. im einzelnen dazu Freytag aaO S. 1149). Die deutsche Delegation hat im Rahmen der Beratungen des Weltpostvertrags 1929 auf die zunehmende Herstellung von Massedrucksachen im Ausland hingewiesen und zum Schutz der Postverwaltung und der einheimischen Papier- und Druckindustrie erfolgreich auf die Aufnahme des Zusatzes „gleichgültig, ob die Sendungen in dem vom Absender bewohnten Lande vorbereitet und dann über die Grenze geschafft oder in einem fremden Lande hergestellt worden sind” hingewirkt (vgl. zur Entstehungsgeschichte mit Nachweisen Neu aaO S. 109; s. auch die Verhandlungen des Reichstags, IV. Wahlperiode 1928, Band 441, Anlage Nr. 2029, Denkschrift zu den am 28. Juni 1929 in London unterzeichneten neuen Verträgen des Weltpostvereins, S. 4).
c) Vor allem die Entstehungsgeschichte des Art. 25 § 2 WPV 1989 belegt eindeutig, daß nach dem Willen der Vertragsstaaten Art. 25 WPV 1989 nicht voraussetzt, daß die von ihr erfaßten, bei einer ausländischen Postverwaltung eingelieferten Sendungen zuvor im Lande der Postverwaltung, die die Zustellung dieser Sendungen vornehmen soll, in irgendeiner, wenn auch noch so unvollkommenen Form physisch existent geworden sein mußten.
Zwar zeichnet sich die „moderne” Remailing-Problematik typischerweise dadurch aus, daß die zur Herstellung der Briefe erforderlichen Daten auf elektronischem Wege zu demjenigen gelangen, der die Postsendung körperlich herstellt, also auf einem Wege, der den vertragschließenden Mitgliedern des Weltpostvereins des Jahres 1929 unbekannt war. Dies steht jedoch einer Anwendung des Art. 25 WPV 1989 nicht entgegen, da es angesichts der Zielsetzung der Norm, alle Fälle einer Umleitung von Postströmen zu erfassen, grundsätzlich keine Rolle spielt, auf welchem Weg und in welchem Entwicklungsstadium Briefe ins Ausland gelangen (Neu aaO S. 119). Zudem ist nicht zu verkennen, daß aufgrund der neuen technischen Möglichkeiten, eine Vielzahl von Informationen schnell und kostengünstig elektronisch weiterzugeben, der Anreiz, teurere nationale Postdienste zu umgehen, gewachsen ist und dadurch die Gefahr hoher Gebührenverluste dieser Postdienste deutlich gestiegen ist. Dies spricht entscheidend dafür, Art. 25 WPV 1989 auch auf im Wege des grenzüberschreitenden Datentransfers im Ausland hergestellte Briefsendungen anzuwenden (so zutreffend Stender aaO S. 154 f).
4. Der Zahlungsanspruch des Art. 25 § 3 Satz 1 2. Alternative WPV 1989 setzt voraus, daß die Gebühren der ausländischen Postanstalt, bei der die Sendungen eingeliefert werden, – wie hier – niedriger sind als die Gebühren der inländischen Postverwaltung, die die Zustellung der Sendungen an die Adressaten vornehmen soll. Eine Absicht des Absenders, sich das bestehende Gebührengefälle nutzbar zu machen, ist nicht erforderlich, wenn – wie vorliegend – die in Rede stehenden Remailing-Sendungen in großer Zahl eingeliefert werden (Art. 25 § 1 Satz 2 WPV 1989).
5. Allein die Klägerin kommt vorliegend als anspruchsberechtigte Postverwaltung in Betracht.
Der Begriff der Postverwaltung ist von jedem Mitglied des Weltpostvereins nach Maßgabe seines nationalen Rechts zu definieren (Beck'scher PostG-Kommentar/Herdegen, 2000, § 3 PostG Rn. 12). Für die Frage der Anwendbarkeit der Bestimmungen des Weltpostvertrags ist es daher ohne Belang, ob die jeweilige nationale Postverwaltung öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich organisiert ist und ob die Rechtsbeziehungen zu den Postkunden privatrechtlich ausgestaltet sind oder in Ausübung hoheitlicher Gewalt unterhalten werden. Deutsche Postverwaltung war zu dem Zeitpunkt, als der Weltpostvertrag 1989 in Deutschland in Kraft getreten ist, das öffentliche Unternehmen Deutsche Bundespost POSTDIENST (§ 1 des Postverfassungsgesetzes vom 8. Juni 1989, Art. 1 des Poststrukturgesetzes, BGBl. I S. 1026). Zu der Zeit, als die klagegegenständlichen Postzustellungen erfolgten, war es bereits die Klägerin, die nach §§ 2 und 16 des Postumwandlungsgesetzes vom 14. September 1994 (Art. 3 des Postneuordnungsgesetzes, BGBl. I S. 2325, 2339) Rechtsnachfolgerin des Teilsondervermögens Deutsche Bundespost POSTDIENST unter Übergang aller Rechte und Pflichten geworden war.
6. Das Berufungsgericht geht weiter davon aus, daß die im Inland ansässige Beklagte Absenderin der klagegegenständlichen Sendungen ist, die sie bei der niederländischen Post zur Weiterleitung an die Klägerin hat einliefern lassen. Obwohl damit die Beklagte aufgrund der vom Berufungsgericht vorgenommenen Wortlautinterpretation des Art. 25 WPV 1989 an sich zur Zahlung der Inlandsgebühr verpflichtet wäre, gelangt das Berufungsgericht aufgrund einer teleologischen Reduktion der Norm im Ergebnis gleichwohl zu einer Klageabweisung.
a) Das Berufungsgericht meint, Art. 25 § 1 WPV 1989 sei teleologisch dahingehend zu reduzieren, daß nur eine „künstliche Verlagerung von Postströmen” erfaßt werde. Diese künstliche Verlagerung sei gegeben, wenn der Absender die Post nur aus dem Grund aus dem Ausland versendet, weil er die Dienstleistung des inländischen Postdienstes durch die entsprechende Dienstleistung des ausländischen Postdienstes ersetzen will. Gebe es jedoch andere Gründe für die Versendung aus dem Ausland, greife die Bestimmung nicht ein. Ein anderer Grund liege insbesondere dann vor, wenn im Ausland nicht nur die der Versendung unmittelbar vorangehenden Arbeitsschritte erfolgten, sondern eine darüber hinausgehende Wertschöpfung stattfinde. So liege der Fall hier: Die Beklagte habe die Postströme nicht in der Weise künstlich in die Niederlande verlegt, daß sie nur die Dienstleistung der inländischen Postverwaltung durch die der niederländischen ersetzt habe. Vielmehr hätten alle Unternehmen der C. Gruppe, die in verschiedenen Ländern ansässig seien, ihre Datenverarbeitung in dem ebenfalls zur C. Gruppe gehörigen Rechenzentrum in den Niederlanden zentralisiert, um auf diese Weise Synergieeffekte zu erzielen. Darüber hinaus seien die deutschen Texte der Sendungen der Beklagten bei der Firma P. in den Niederlanden erstellt worden. Beides zusammen, die Datenverarbeitung im Rechenzentrum und die anschließende Weiterbearbeitung bei der Firma P., stelle eine so erhebliche Wertschöpfung dar, daß keine künstliche Verlagerung der Postströme gegeben sei.
Dagegen wendet sich die Revision zu Recht.
b) Die vom Berufungsgericht in den Vordergrund seiner Argumentation gestellten Begriffe der künstlichen Verlagerung von Postströmen und der erheblichen Wertschöpfung stellen keine zur Eingrenzung des Tatbestands des Art. 25 WPV 1989 tauglichen Kriterien dar (vgl. auch Freytag aaO S. 1150 f). Dies ergibt sich vor allem aus Art. 31 Abs. 1 WVK („ordinary meaning rule”), dem bei der Auslegung völkerrechtlicher Verträge maßgebende Bedeutung zukommt.
aa) Es versteht sich, daß jedes am wirtschaftlichen Leben teilnehmende Unternehmen die Entscheidung darüber, wie und auf welchen Wegen die für seine Kunden bestimmten Briefsendungen hergestellt und befördert werden sollen, vorrangig unter Kostengesichtspunkten treffen wird. Würde man insoweit mit dem Berufungsgericht jeden vernünftigen, nicht mit der Erbringung der eigentlichen Postdienstleistungen im Zusammenhang stehenden Grund – hier: Ausnutzung von Synergieeffekten durch zentrale Datenverarbeitung im Ausland – ausreichen lassen, um eine künstliche Verlagerung von Postströmen und damit die Anwendbarkeit des Art. 25 WPV 1989 zu verneinen, so blieben letztlich nur noch die Fallgestaltungen übrig, bei denen die Aufgabe von Inlandspost bei einer ausländischen Postverwaltung allein wegen der damit einhergehenden Ersparnis von Postgebühren sinnvoll erscheint. Damit würde aber der Anwendungsbereich des Art. 25 WPV allzu sehr eingeschränkt. Die Absicht, durch die Inanspruchnahme einer ausländischen Postverwaltung Gebühren zu sparen, ist nach Art. 25 § 1 Satz 2 WPV 1989 dann, wenn – wie hier – Sendungen in großer Zahl eingeliefert werden, gerade nicht erforderlich. In diesen Fällen soll die inländische Post vor jeder Gebührenverluste hervorrufenden Verlagerung von Postströmen, nicht nur vor einer „künstlichen”, geschützt werden.
Die Richtigkeit dieser Überlegung wird weiter bestätigt durch die Entstehungsgeschichte des Art. 25 § 2 WPV 1989. Die Einfügung dieser Bestimmung in den Weltpostvertrag 1929 erfolgte, wie ausgeführt, im Interesse sowohl der Postverwaltung als auch der einheimischen (deutschen) Papier- und Druckindustrie. Letztere sollte davor geschützt werden, daß wegen der niedrigeren Kosten ausländische Druckereien mit der Herstellung von Massedrucksachen beauftragt werden. Mit dieser Änderung des Weltpostvertrags sollte also einer Verlagerung von Postströmen entgegengewirkt werden, die nicht vorrangig auf die im Ausland gültigen niedrigeren Postgebühren zurückzuführen war, also, im Sinne des Begriffsverständnisses des Berufungsgerichts, gerade nicht als „künstlich” angesehen werden konnte.
bb) Des weiteren liegt bei dem angeführten Beispiel, das die vertragschließenden Staaten bei der Änderung des Weltpostvertrags 1929 vor Augen hatten, auf der Hand, daß bei der Herstellung von Massedrucksachen im Ausland wegen der dort erheblich niedrigeren Papier- und Druckkosten ein bedeutsamer, wenn nicht gar der überwiegende Teil der Wertschöpfung des Endprodukts auf Arbeitsschritte entfällt, die mit dem Erbringen der eigentlichen Postdienstleistung nichts zu tun haben. Das zeigt, daß auch eine erhebliche, der Postdienstleistung vorgelagerte Wertschöpfung im Ausland der Anwendbarkeit des Art. 25 WPV 1989 nicht entgegenstehen kann.
III.
Die vom Berufungsgericht gegebene Begründung trägt die Entscheidung nicht. Richtigerweise sind in den Fällen, in denen auf Veranlassung eines inländischen Unternehmens im Ausland hergestellte und der dortigen Postverwaltung übergebene Sendungen durch die inländische Post zugestellt werden sollen, die Grenzen des Anwendungsbereichs des Art. 25 WPV 1989 durch die Auslegung der Tatbestandsmerkmale Absender sowie Einliefern oder Einliefern lassen zu bestimmen.
Diese Auslegung ergibt, daß alle Anspruchsvoraussetzungen in der Person der Beklagten erfüllt sind.
1. a) Das Berufungsgericht bestimmt den Absender im Sinne des Art. 25 WPV 1989 in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte nach dem sogenannten materiellen Absenderbegriff. Danach ist Absender, wer nach dem Gesamteindruck, den die Sendung vermittelt, aus der Sicht eines verständigen Empfängers als derjenige zu erkennen ist, der sich mit einem unmittelbaren eigenen Mitteilungsinteresse an den Adressaten wendet; demgegenüber kommt der formalen Absenderangabe auf dem Briefumschlag keine entscheidende Bedeutung zu (OLG Karlsruhe, NJW 1996, 2582, 2583; OLG Frankfurt am Main, NJWE-WettbR 1997, 162, 165; weitere Nachweise bei Freytag aaO S. 1148). Dem ist zuzustimmen. Würde man, wie die Revisionserwiderung für richtig hält, auf die – hier auf C., European Services, Postbus, NL-H. lautende – Absenderangabe auf der Rückseite des Briefumschlags abstellen, wäre einer Umgehung der Bestimmung des Art. 25 WPV 1989 Tür und Tor geöffnet (OLG Frankfurt am Main aaO; Stender aaO S. 147).
Die von der Revisionserwiderung gegen das Abstellen auf den materiellen Absenderbegriff erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch. Der Senat sieht von einer Begründung ab (§ 565 a ZPO a.F.).
b) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, daß nach dem Gesamteindruck der Sendungen die Beklagte deren Absender ist, unbeschadet des Umstands, daß sich auf den Kontoauszügen und den sonstigen Anschreiben neben der Adresse der Beklagten jeweils noch der Hinweis befindet: „Hergestellt durch C. Center, Postbus NL-H.”. Dies läßt keinen Rechtsfehler erkennen und wird von der Revisionserwiderung auch nicht angegriffen.
2. Der Tatbestand des Art. 25 WPV 1989 ist nur erfüllt, wenn der Person, die nach dem äußeren Erscheinungsbild der Sendung als deren Absender in Erscheinung tritt, die Sendung und ihr Inhalt zuzurechnen ist. Dabei kann dahinstehen, ob die objektive Zurechnung vor allem über das Tatbestandsmerkmal des Einlieferns bzw. des Einliefernlassens zu erfolgen hat (in diesem Sinne Freytag aaO S. 1149), oder ob bereits das Tatbestandsmerkmal Absender die maßgeblichen objektiven Zuordnungselemente enthält (so wohl Beck'scher PostG-Kommentar/Herdegen aaO PostG § 3 Rn. 42). Insoweit gilt:
Der gesamte streitgegenständliche Schriftverkehr erfolgte im Rahmen der Begründung, Durchführung und Beendigung der Vertragsbeziehungen der Beklagten zu ihren Vertragsunternehmen und Kunden in Deutschland. Soweit es um die Aufnahme der Vertragsbeziehungen oder eine Änderung der Abläufe im Rahmen der Vertragsdurchführung (Änderung der Adresse, der Bankverbindung etc.) ging, wurden die „sendungsrelevanten” Daten ohnehin von der Beklagten an das Rechenzentrum übermittelt. Soweit es um den Einzug von Lastschriften oder die Erstellung von Kontoauszügen ging, kam zwar der „originäre” Inhalt der Sendung ohne Beteiligung der Beklagten zustande; es wurde also nicht nur das in Worte gefaßt, was die Beklagte „vorgedacht” hatte. Dies ändert aber nichts daran, daß die entsprechenden Abläufe durch die Beklagte bzw. durch die von der Beklagten mit ihren Vertragspartnern getroffenen Abreden im wesentlichen festgelegt, also „vorprogrammiert” waren. Dies reicht aus, auch insoweit die Beklagte und nicht das Rechenzentrum als den eigentlichen Veranlasser der Sendungen anzusehen (a.A. OLG Frankfurt am Main, WuW/E DE-R 811, 815 f mit der Begründung, in einem solchen Falle gehe die im Ausland erfolgte Datenverarbeitung über bloße editorische oder rechnerische Hilfsdienste hinaus).
3. Die vom Senat für richtig gehaltene Auslegung des Art. 25 WPV 1989 steht nicht in Widerspruch zu EG-Recht.
a) Der Europäische Gerichtshof hat durch Urteil vom 10. Februar 2000 (Slg. 2000, I-857 = NJW 2000, 2261) entschieden, daß es grundsätzlich nicht gegen Art. 90 Abs. 1 EGV (jetzt Art. 86 Abs. 1 EG) in Verbindung mit Art. 86 EGV (jetzt Art. 82 EG) und Art. 59 EGV (jetzt Art. 49 EG) verstößt, wenn eine nationale Postverwaltung wie die Klägerin in den von Art. 25 §§ 1, 2 WPV 1989 erfaßten Fällen vom Recht des § 3 dieser Vorschrift Gebrauch macht, Sendungen, die bei Postdiensten eines anderen EG-Mitgliedstaats in großer Zahl eingeliefert werden, mit ihren Inlandsgebühren zu belegen. Dabei hat der Europäische Gerichtshof den rechtlichen Ausgangspunkt des vorlegenden Gerichts, wonach auch „non-physical” Remailing der vorliegenden Art als grenzüberschreitender Postverkehr im Sinne des Art. 25 WPV 1989 qualifiziert werden kann, nicht in Frage gestellt (vgl. insbesondere Tz. 13 und 18, Slg. aaO I-865 f, insoweit in NJW 2000, 2261 nicht abgedruckt).
b) Allerdings hat der Europäische Gerichtshof in dem genannten Urteil ausgesprochen, daß die Ausübung des Rechts aus Art. 25 § 3 Satz 1 2. Alternative WPV 1989 gegen Art. 90 Abs. 1 i.V.m. Art. 86 EGV verstößt, soweit die anspruchsberechtigte Postverwaltung die Inlandsgebühren in voller Höhe erheben kann, ohne die Endvergütungen in Abzug zu bringen, die sie von den anderen Postdiensten für ihre Sendungen erhalten hat (Tz. 61, Slg. aaO S. I-879; NJW aaO S. 2264). Dieser Einschränkung hat jedoch die Klägerin dadurch Rechnung getragen, daß sie bereits bei Klageerhebung die erhaltenen Endvergütungen in Abzug gebracht hatte.
IV.
Der Senat kann aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen in der Sache entscheiden.
1. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 25 § 3 Satz 1 2. Alternative WPV 1989 sind, wie ausgeführt, erfüllt. Der Anspruch ist auch nicht verjährt. Da die Klageschrift im Jahre 1999 zugestellt worden war, käme eine Verjährung der Klageforderung nur in Betracht, wenn der Anspruch aus Art. 25 § 3 Satz 1 2. Alternative WPV 1989 der einjährigen Verjährungsfrist des § 24 Abs. 1 Nr. 1 PostG a.F. unterfallen wäre. Das ist zu verneinen. Diese Vorschrift galt nur für Ansprüche auf die Entrichtung von Leistungsentgelten. Sie erfaßte nur auf vertraglicher Grundlage geschuldete Vergütungen. Der Anspruch des Art. 25 § 3 Satz 1 2. Alternative WPV 1989 ist hingegen ein gesetzlicher Anspruch, da vertragliche Beziehungen des Absenders oder des Einlieferers allenfalls zu der ausländischen Postverwaltung entstanden sein konnten. Auf gesetzliche Ansprüche war jedoch § 24 Abs. 1 Nr. 1 PostG a.F. nicht anwendbar (vgl. Stober/Moelle, in: Stern, Postrecht der Bundesrepublik Deutschland, Teil H, § 24 PostG [Stand: Oktober 1997] Rn. 8 f).
2. Entgegen der Auffassung des Landgerichts stehen der Klägerin jedoch Zinsen erst ab Rechtshängigkeit zu (§ 291 Satz 1 BGB). Vor diesem Zeitpunkt ist die Beklagte nicht in Verzug geraten, da die Klägerin vor Prozeßbeginn von der Beklagten die vollen Inlandsgebühren verlangt hatte (987.332 DM). Darin lag eine erhebliche Zuvielforderung, wobei hinzu kam, daß die Beklagte mangels Kenntnis der von der Klägerin vereinnahmten Endvergütungen der niederländischen Postverwaltung nicht in der Lage war, den wirklich geschuldeten Betrag zu ermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 1990 – XI ZR 217/89 – NJW 1991, 1286, 1288).
Unterschriften
Rinne, Wurm, Schlick, Dörr, Galke
Fundstellen
Haufe-Index 884930 |
BGHZ 2003, 198 |
BGHZ |
BB 2003, 392 |
NJW 2003, 134 |
BGHR 2003, 143 |
BGHR |
EWiR 2003, 603 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2003, 879 |
WRP 2002, 1442 |
K&R 2002, 650 |
LMK 2003, 2 |
TranspR 2003, 83 |