Leitsatz (amtlich)
Der Schuldner kann seinen Widerspruch gegen den angemeldeten, nicht titulierten Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung bereits vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens mit der negativen Feststellungsklage gegen den Gläubiger weiter verfolgen.
Der eigenverwaltende Schuldner kann seinen Widerspruch auf den Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beschränken.
Normenkette
InsO §§ 184, 283 Abs. 1 S. 2, § 302 Nr. 1; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
Brandenburgisches OLG (Urteil vom 19.12.2012; Aktenzeichen 13 U 18/11) |
LG Potsdam (Urteil vom 30.12.2010; Aktenzeichen 11 O 131/10) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 13. Zivilsenats des OLG Brandenburg vom 19.12.2012 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Mit Urteil des zuständigen OLG vom 12.11.2009 wurde der Kläger verurteilt, an die Beklagte Trennungsunterhalt i.H.v. monatlich 1.943 EUR für die Zeit von Juni bis Dezember 2003 und monatlich 2.405 EUR für die Zeit ab Januar 2004 bis Februar 2009 abzgl. bis einschließlich Februar 2009 monatlich gezahlter 1.300 EUR zu zahlen. Am 13.1.2010 beantragte der Kläger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen und legte den Entwurf eines Insolvenzplans vor. Am 24.2.2010 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Beschluss vom 28.4.2010 wurde Eigenverwaltung angeordnet. Die Beklagte meldete titulierten Unterhalt i.H.v. 101.871 EUR zur Tabelle an. Am 16.6.2010 meldete sie hierfür nachträglich den Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung an. Die Forderung als solche wurde zur Tabelle festgestellt; der Kläger widersprach jedoch der beantragten Ergänzung zum Rechtsgrund. Der Insolvenzplan, der keine Ausnahmeregelungen für Forderungen aus unerlaubter Handlung vorsah, wurde mit Beschluss vom 9.7.2010 bestätigt. Die Beklagte legte sofortige Beschwerde ein, über die - nachdem der Senat den der Beschwerde stattgebenden Beschluss des LG mit Beschluss vom 19.7.2012 (IX ZB 250/11) aufgehoben und die Sache an das LG zurückverwiesen hat - noch nicht abschließend entschieden worden ist.
Rz. 2
Der Kläger hat beantragt festzustellen, dass die angemeldete Forderung i.H.v. 101.871 EUR im Insolvenzverfahren über sein Vermögen nicht aus dem Forderungsgrund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung herrührt. Das LG hat antragsgemäß entschieden. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.
Entscheidungsgründe
Rz. 3
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Rz. 4
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der negativen Feststellungsklage fehle das Feststellungsinteresse. Der Kläger habe in seiner Eigenschaft als Verfahrensschuldner dem Schuldgrund der unerlaubten Handlung widersprochen. Da dieser Schuldgrund nicht tituliert sei, obliege es der Beklagten, den Widerspruch mit einer Feststellungsklage zu beseitigen. Solange dies nicht geschehen sei, hindere der Widerspruch die Vollstreckung aus der Tabelle; die Beklagte könne sich bis zur gerichtlichen Feststellung des Rechtsgrundes auch nicht auf den Ausnahmetatbestand des § 302 Nr. 1 InsO berufen.
II.
Rz. 5
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das rechtliche Interesse des Klägers daran, dass alsbald über die Berechtigung seines Widerspruchs entschieden wird (§ 256 Abs. 1 ZPO), folgt aus § 302 Nr. 1 InsO.
Rz. 6
1. Durch die Restschuldbefreiung wird der Schuldner nach Maßgabe der §§ 287 bis 303 InsO von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit (§ 286 InsO). Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung werden jedoch von der Erteilung der Restschuldbefreiung nicht berührt, sofern der Gläubiger die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Abs. 2 InsO angemeldet hat (§ 302 Nr. 1 InsO); die Tatsachen, die nach Einschätzung des Gläubigers den Schluss auf eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung tragen, können gem. § 177 Abs. 1 Satz 3 InsO nachgemeldet werden (BGH, Urt. v. 17.1.2008 - IX ZR 220/06, NZI 2008, 250 Rz. 12). Widerspricht der Schuldner dem angemeldeten Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 18.9.2003 - IX ZB 44/03, WM 2003, 2342, 2343; Urt. v. 18.1.2007 - IX ZR 176/05, NZI 2007, 416 Rz. 10), kann der Gläubiger bereits während des laufenden Insolvenzverfahrens Klage auf Feststellung dieses Rechtsgrundes erheben (BGH, Urt. v. 18.5.2006 - IX ZR 187/04, NZI 2006, 536 Rz. 8 ff.; v. 25.6.2009 - IX ZR 154/08, NZI 2009, 612 Rz. 8; v. 2.12.2010 - IX ZR 247/09, BGHZ 187, 337 Rz. 8). Das Feststellungsinteresse folgt aus dem Widerspruch als solchen. Der Streit, ob die betroffene Forderung nach § 302 Nr. 1 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist, ist nach Anmeldung zur Tabelle und Widerspruch des Schuldners früher oder später zu erwarten. Es besteht kein sachlicher Grund dafür, diesen Streit auf die Zeit nach der Erteilung der Restschuldbefreiung zu verschieben, im Ergebnis also die Austragung des Streits einer Vollstreckungsgegenklage des Schuldners nach § 767 ZPO zu überlassen (BGH, Urt. v. 2.12.2010, a.a.O.).
Rz. 7
2. Ebenso wie der Gläubiger ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Feststellung hat, dass seine Forderung nach § 302 Nr. 1 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist, hat der Schuldner ein Interesse an der Feststellung, dass dies nicht der Fall ist. Dass diese Feststellung "alsbald", also bereits vor der Erteilung der Restschuldbefreiung getroffen wird, liegt typischerweise ebenso im Interesse des Schuldners wie des Gläubigers (BGH, Urt. v. 18.5.2006, a.a.O., Rz. 10; v. 18.1.2007 - IX ZR 176/05, NZI 2007, 416 Rz. 11; v. 18.12.2008 - IX ZR 124/08, NZI 2009, 189 Rz. 12). Der Schuldner, der die gegen alle Insolvenzgläubiger wirkende Restschuldbefreiung anstrebt (§ 301 InsO), tritt die pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge für die Zeit von sechs Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder ab (§ 287 Abs. 2 Satz 1 InsO). Von der Aufhebung des Insolvenzverfahrens an (vgl. BGH, Beschl. v. 18.12.2008 - IX ZB 249/07, NZI 2009, 191 Rz. 8 ff.) bis zum Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung treffen ihn zudem die Obliegenheiten des § 295 InsO. Für ihn würde es eine erhebliche Härte bedeuten, wenn er erst nach dem Ablauf der Wohlverhaltensperiode erführe, dass eine Forderung, die unter Umständen sogar seine wesentliche Verbindlichkeit ausmacht, von der Restschuldbefreiung ausgenommen wäre. Aus diesem Grund ordnet § 174 Abs. 2 InsO in der Fassung des Gesetzes vom 26.10.2001 (BGBl. I, 2720, 2712) an, dass der Gläubiger, der sich auf § 301 Nr. 1 InsO berufen will, seine Forderung als solche aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung anzumelden hat; das Insolvenzgericht hat den Schuldner sodann auf die Rechtsfolgen des § 302 InsO und auf die Möglichkeit des Widerspruchs hinzuweisen (§ 175 Abs. 2 InsO i.d.F. des Gesetzes vom 26.10.2001, a.a.O.; vgl. BT-Drucks. 14/5680, 27).
Rz. 8
3. Endgültige Gewissheit kann der Schuldner dann, wenn eine Forderung als Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung angemeldet worden ist, nur durch ein rechtskräftiges Urteil gegen (oder für) den jeweiligen Insolvenzgläubiger erlangen. Er hat zwar die Möglichkeit des Widerspruchs gegen den angemeldeten Rechtsgrund. Der Widerspruch wird in die Tabelle eingetragen (§ 178 Abs. 2 Satz 2 InsO). Gleichwohl könnte der Gläubiger aus dem vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erwirkten Titel (vgl. BGH, Urt. v. 18.5.2006, a.a.O., Rz. 9; v. 11.7.2013 - IX ZR 286/12, WM 2013, 1563 Rz. 9) oder aus der Eintragung in die Tabelle (§ 201 Abs. 2 Satz 1 InsO, die Zwangsvollstreckung betreiben. Der Schuldner muss sich dann im Wege der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) zur Wehr setzen. Der Widerspruch gegen die Anmeldung ist damit gegenüber der Feststellungsklage der einfachere, schnellere und kostengünstigere Weg. Anders als die Revisionserwiderung meint, bietet er jedoch nicht den gleichen effektiven Rechtsschutz.
Rz. 9
4. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts (ebenso OLG Hamm ZIP 2003, 2311 f.; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 13. Aufl., § 184 Rz. 9; Schumacher in MünchKomm/InsO, 2. Aufl., § 184 Rz. 8; Braun/Specovius, InsO, 5. Aufl., § 184 Rz. 6; HmbKomm-InsO/Herchen, 4. Aufl., § 184 Rz. 18; a.A. - die Zulässigkeit der negativen Feststellungsklage bejahend - etwa OLG Celle, NZI 2009, 329, 330; LG Osnabrück, Urt. v. 28.2.2012 - 8 S 537/11, nv; K. Schmidt/Jungmann, InsO, 18. Aufl., § 184 Rz. 16; Graf-Schlicker, InsO, 3. Aufl., § 184 Rz. 10; HK-InsO/Depré, 6. Aufl., § 184 Rz. 5) ist die negative Feststellungsklage nicht durch die Vorschriften des § 184 Abs. 1 und 2 InsO ausgeschlossen. Grundsätzlich obliegt es dem Gläubiger, Klage auf Feststellung der Forderung gegen den Schuldner zu erheben, wenn der Schuldner die Forderung wirksam bestritten hat (§ 184 Abs. 1 InsO). Liegt für eine solche Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, so obliegt es dagegen dem Schuldner, den Widerspruch zu verfolgen; für diese Klage gilt eine Frist von einem Monat ab Prüfungstermin oder mit dem Bestreiten im schriftlichen Verfahren (§ 184 Abs. 2 InsO). Diese Bestimmungen hat der Senat entsprechend auf den Widerspruch gegen den Rechtsgrund der vorsätzlichen unerlaubten Handlung angewandt (BGH, Urt. v. 18.5.2006 - IX ZR 187/04, NZI 2006, 536 Rz. 10). Ist nicht nur die Forderung selbst, sondern auch ihr Rechtsgrund in einem vollstreckbaren Schuldtitel festgestellt worden, ist der Widerspruch innerhalb der Frist des § 184 Abs. 2 InsO vom Schuldner zu verfolgen; ist dies nicht der Fall, trifft die Feststellungslast den Gläubiger. "Tituliert" i.S.v. § 184 Abs. 2 InsO ist der Anspruch jedoch nur dann, wenn der Schuldner nicht nur zur Zahlung verurteilt, sondern auch der Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung festgestellt worden ist; nur dann obliegt es dem Schuldner, den Widerspruch innerhalb der Monatsfrist des § 184 Abs. 2 InsO zu verfolgen (BGH, Urt. v. 2.12.2010 - IX ZR 41/10, ZIP 2011, 39 Rz. 12 f.). Für die ergänzende Feststellungsklage des Gläubigers gilt § 184 Abs. 2 InsO nicht; diese Klage ist vielmehr an keine Frist gebunden und unterliegt nicht den Verjährungsvorschriften (BGH, Urt. v. 2.12.2010 - IX ZR 247/09, BGHZ 187, 337 Rz. 12 ff.).
Rz. 10
5. Ob der Schuldner außerhalb des Anwendungsbereichs des § 184 Abs. 2 InsO negative Feststellungsklage gegen den Insolvenzgläubiger erheben darf, ist in § 184 Abs. 2 InsO nicht geregelt. Dem Berufungsgericht ist zuzugeben, dass die Insolvenzordnung Klagen des Schuldners, die dessen Nachhaftung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens betreffen, überwiegend nicht vorsieht. Die nach § 240 ZPO unterbrochenen Passivprozesse des Schuldners können gem. § 86 InsO nur ausnahmsweise und nur vom Verwalter oder vom Gegner aufgenommen werden (BGH, Beschl. v. 27.10.2003 - II ZA 9/02, NZI 2004, 54; Jaeger/Windel, InsO, § 86 Rz. 21). Der klagende Insolvenzgläubiger muss seine Forderung im Übrigen nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahrens verfolgen (§ 87 InsO). Im Anmeldeverfahren (§§ 174 ff. InsO) wird die angemeldete Forderung zur Tabelle festgestellt, wenn weder vom Verwalter noch von einem anderen Insolvenzgläubiger Widerspruch erhoben wird (§ 178 Abs. 1 Satz 1 InsO). Wird die Forderung bestritten, hat der Gläubiger die Feststellung der Forderung gegen den Bestreitenden zu betreiben (§ 179 Abs. 1 InsO); liegt für die Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, obliegt es dem Bestreitenden, den Widerspruch zu betreiben (§ 179 Abs. 2 InsO). Dieses Verfahren dient zunächst der Klärung der Frage, ob die fragliche Forderung an der Verteilung teilnimmt (vgl. § 189 InsO). Die Beseitigung des Widerspruchs ist jedoch auch Voraussetzung für die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung der Tabelle (§ 201 Abs. 2 Satz 2 InsO), aus welcher der Gläubiger nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben kann (§ 201 Abs. 1 InsO). Gleichwohl kann der Schuldner bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens nur Widerspruch erheben, welcher der Feststellung des Anspruchs zur Tabelle nicht entgegen steht (§ 178 Abs. 1 Satz 2 InsO), aber die spätere Vollstreckung aus dem beglaubigten Tabellenauszug hindert. Eine rechtskräftige Entscheidung über den Bestand der Forderung kann er hingegen auf diese Weise nicht herbeiführen (§ 184 Abs. 1 Satz 2 InsO; vgl. Jaeger/Gerhardt, InsO, § 184 Rz. 18; K. Schmidt/Jungmann, InsO, 18. Aufl., § 184 Rz. 6).
Rz. 11
Durch die Vorschrift des § 184 Abs. 2 InsO hat dieser Grundsatz allerdings bereits eine gewisse Durchbrechung erfahren. Nach dieser Vorschrift obliegt es dem Schuldner, seinen Widerspruch gegen eine titulierte Forderung innerhalb einer Frist von einem Monat ab dem Prüfungstermin zu verfolgen, also während des laufenden Verfahrens. Diese Vorschrift dient zwar eher den Interessen des Gläubigers als denjenigen des Schuldners. Es erschien unbillig, dass der Gläubiger trotz eines erstrittenen Titels nochmals prozessieren musste und Gefahr lief, wegen der wirtschaftlichen Situation des Schuldners seine Kostenerstattungsansprüche nicht oder nur schwer durchsetzen zu können (Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 2.11.2006, BT-Drucks. 16/3227, 21 zu Nr. 23). Die Befristung dient - ebenfalls vorrangig im Interesse des Gläubigers - dazu, alsbald Rechtsklarheit über die Wirkung des Widerspruchs zu erhalten (a.a.O.). Die Frage der Nachhaftung des Schuldners nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens hat mit der Einführung der Vorschriften über die Restschuldbefreiung (§§ 286 ff. InsO, vgl. auch § 1 Satz 2 InsO) wesentlich an Bedeutung gewonnen. Der Umfang der nach Aufhebung des Konkursverfahrens verbleibenden Schulden dürfte aus Sicht des weiterhin wirtschaftlich nicht leistungsfähigen Schuldners oft von untergeordneter Bedeutung gewesen sein; ob der mit der (vollständigen) Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung beabsichtigte wirtschaftliche Neubeginn gelingen kann, ist dagegen regelmäßig von existentieller Bedeutung. Aus Sicht des Gläubigers mag es sinnvoll sein, mit der Erhebung der titelergänzenden Feststellungsklage zuzuwarten, bis abzusehen ist, ob sich der mit dem weiteren Rechtsstreit verbundene zusätzliche Aufwand an Zeit und Kosten lohnt, zumal der Anspruch des Gläubigers auf Feststellung des Rechtsgrundes nicht nach den Vorschriften verjährt, welche für die Verjährung des Leistungsanspruchs gelten (BGH, Urt. v. 2.12.2010 - IX ZR 247/09, BGHZ 187, 337 Rz. 12 ff.). Dieses Interesse übersteigt jedoch nicht dasjenige des Schuldners an einer alsbaldigen Klärung der Rechtslage.
Rz. 12
6. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte den Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung in zulässiger Weise nachträglich zur Tabelle angemeldet (§ 177 Abs. 1 Satz 3 InsO; vgl. hierzu BGH, Urt. v. 17.1.2008 - IX ZR 220/06, NZI 2008, 250 Rz. 12). Der Kläger hat der Anmeldung auf den Rechtsgrund beschränkt widersprochen. Hierzu war er auch als Eigenverwalter (§ 270 Abs. 1 Satz 1 InsO) berechtigt. Die Vorschrift des § 283 Abs. 1 InsO steht dieser Annahme nicht entgegen. Nach § 283 Abs. 1 InsO führt das Bestreiten des eigenverwaltenden Schuldners zwar dazu, dass die Forderung als nicht festgestellt gilt. Dem Widerspruch dieses Schuldners kommt danach die nämliche Wirkung zu wie demjenigen des Verwalters oder eines Insolvenzgläubigers. Ob der Schuldner sein Widerspruchsrecht "spalten", insb. eine Forderung als Eigenverwalter für die Zwecke des Insolvenzverfahrens anerkennen, als Schuldner hinsichtlich seiner Nachhaftung dagegen bestreiten kann, ist in der Literatur umstritten (für ein doppeltes Widerspruchsrecht etwa Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rz. 8.16; Schumacher in MünchKomm/InsO, 2. Aufl., § 178 Rz. 30; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, § 283 Rz. 4; dagegen Wittig in MünchKomm/InsO/Tetzlaff, a.a.O., § 283 Rz. 11; Landfermann in HK/InsO, 6. Aufl., § 283 Rz. 5; K. Schmidt/Undritz, InsO, 18. Aufl., § 283 Rz. 2; Graf-Schlicker, InsO, 3. Aufl., § 283 Rz. 5; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 283 Rz. 2; HmbKomm-InsO/Fiebig, 4. Aufl., § 283 Rz. 3; Pape in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2011, § 283 Rz. 19).
Rz. 13
Für ein mehrfaches Widerspruchsrecht sprechen die unterschiedlichen Auswirkungen, welche "der Widerspruch" des eigenverwaltenden Schuldners nach sich ziehen kann. Im Insolvenzverfahren hat der nicht beseitigte Widerspruch zur Folge, dass die Forderung des betroffenen Gläubigers nicht an der Schlussverteilung teilnimmt (§§ 283 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, 187 ff. InsO). Mit der Nachhaftung des Schuldners und der Möglichkeit des Gläubigers, aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den früheren Insolvenzschuldner zu betreiben (§ 201 Abs. 2 Satz 1 InsO), hat das nichts zu tun. Ein widersprüchliches Verhalten kann man dem Schuldner, der ein und dieselbe Forderung zur Tabelle feststellt, aber zur Meidung seiner persönlichen Nachhaftung bestreitet, jedenfalls dann nicht vorwerfen, wenn Gegenstand der Feststellung nur das Recht des Gläubigers auf Teilnahme an der Verteilung ist, nicht aber der Bestand der Forderung (vgl. Jaeger/Gerhardt, InsO, § 178 Rz. 31, 67 ff. mit Nachweisen auch der gegenteiligen Ansicht; ebenso Gomille, KTS 2013, 174, 175 unter 2). Unabhängig von der dogmatischen Einordnung der Feststellung zur Tabelle kann der Schuldner ein rechtlich unbedenkliches Interesse daran haben, durch die rein auf das Verfahren bezogene Anerkennung der Forderung unnötige Verzögerungen zu vermeiden, um das Verfahren endgültig zum Abschluss zu bringen, die persönliche Nachhaftung aber von einer gerichtlichen Prüfung der Forderung abhängig zu machen. Ob eine Forderung eine solche aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung ist, wirkt sich ebenfalls nicht im Insolvenzverfahren aus, sondern erlangt Bedeutung erst nach erteilter Restschuldbefreiung (§ 302 Nr. 1 InsO). Jedenfalls insoweit ist der Schuldner befugt, sein Bestreiten auf den Rechtsgrund und damit auf die Frage der Nachhaftung nach erteilter Restschuldbefreiung zu beschränken, unabhängig davon, ob das Vorsatzdelikt notwendige Voraussetzung des geltend gemachten Zahlungsanspruch ist oder nicht.
Rz. 14
7. Die Befugnis des Klägers, den Widerspruch im Wege der negativen Feststellungsklage zu verfolgen, ist hier schließlich auch nicht wegen des bereits eingeleiteten Planverfahrens ausgeschlossen. Ob der Plan in der vorgelegten Fassung bestätigt und das Insolvenzverfahren aufgehoben werden wird, so dass es auf den Rechtsgrund der Forderung der Beklagten nicht ankommt, steht derzeit noch nicht fest.
III.
Rz. 15
Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, wird sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Dieses wird sich nunmehr mit dem Rechtsgrund des zur Tabelle angemeldeten Anspruchs befassen müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 5647392 |
DB 2013, 2558 |
DB 2013, 6 |
DStR 2013, 12 |
EBE/BGH 2013 |
FamRZ 2014, 32 |
FuR 2014, 301 |
EWiR 2014, 17 |
WM 2013, 2077 |
WuB 2014, 211 |
ZIP 2013, 2265 |
ZIP 2013, 85 |
DZWir 2014, 178 |
JZ 2013, 679 |
MDR 2014, 428 |
NZI 2013, 1025 |
NZI 2013, 5 |
ZInsO 2013, 2206 |
InsbürO 2013, 495 |
InsbürO 2013, 504 |
KSI 2014, 41 |
NJW-Spezial 2014, 54 |
ZVI 2014, 57 |
VIA 2014, 19 |