Leitsatz (amtlich)
Die von der Rechtsprechung entwickelte Toleranzgrenze für betriebsfremde Warenumsätze von 10 % des Gesamtumsatzes erfordert bei einem Großhandelsunternehmen, welches ein breit gestreutes Warensortiment zum Selbstbedienungseinkauf anbietet, geeignete Kontrollmaßnahmen, die den Einkauf betriebsfremder Waren zur Deckung des Privatbedarfs verhindern oder zumindest in den engen Grenzen des Toleranzbereichs halten (BGH GRUR 1979, 411, 413 – Metro II; GRUR 1990, 617, 620 – Metro III). Ergibt sich aber aufgrund nachträglich durchgeführter Rechnungskontrollen, daß der Anteil der Privateinkäufe nur marginal ist, sind staatliche Kontrollmaßnahmen nicht gerechtfertigt. Wird im Prozeß von dem Großhandelsunternehmen ein nur marginaler Anteil der Privateinkäufe (hier: 1,18 % des Gesamtumsatzes) behauptet, ist die Frage der Zuverlässigkeit der von dem Großhandelsunternehmen durchgeführten nachträglichen Rechnungskontrolle und der Anteil betriebsfremder Einkäufe durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens festzustellen.
Normenkette
UWG § 6b
Verfahrensgang
LG Stuttgart |
OLG Stuttgart |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 11. Juni 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der klagende Verein ist eine Interessengemeinschaft des örtlichen Einzelhandels in E.. Zu seinen satzungsgemäßen Aufgaben gehört die Wahrung der gemeinsamen Interessen der Mitglieder sowie „die Erledigung grundsätzlicher, den gesamten Einzelhandel betreffender Fragen”.
Die Beklagte zu 1 (nachfolgend: Beklagte) gehört zur sogenannten Metro-Gruppe. Die Beklagte zu 2 ist deren Komplementärgesellschaft, der die Beklagten zu 3-6 früher als Geschäftsführer angehörten. Die Beklagte betreibt in E. einen den Food- und Non-Food-Bereich umfassenden Selbstbedienungsmarkt mit einem breit gestreuten Warensortiment. Für den Zugang zu ihren Verkaufsstellen erteilt sie an Gewerbetreibende und Großverbraucher Einkaufsausweise, die nur zu einem Erwerb von Waren für den geschäftlichen Bedarf des Kunden berechtigen. Eine Ausgangskontrolle, ob betriebsfremde Waren für den Privatbedarf gekauft werden, findet nicht statt. Die Beklagte nimmt für sich in Anspruch, einen funktionsechten Großhandel zu betreiben und im wesentlichen – bis auf einen unter der Toleranzgrenze von 10 % bleibenden Anteil – keine Verkäufe für betriebsfremden Privatbedarf vorzunehmen.
Die Beklagte informiert ihre Kunden über die Angebote durch die sogenannte „Metro-Post”, in der die Preise ohne und mit Umsatzsteuer in gleich großem Druck angegeben sind.
Der Kläger hat vorgetragen, ihm gehörten als Mitglieder 80 Unternehmen an, die das Warensortiment der Beklagten abdeckten. Er verfüge über die notwendige finanzielle und personelle Ausstattung.
Der Kläger hat geltend gemacht, Privatverkäufe an Gewerbetreibende müsse die Beklagte durch effiziente Maßnahmen verhindern. Daran fehle es auf seiten der Beklagten. Die von ihr praktizierte nachträgliche Rechnungskontrolle sei unzureichend. Ohne ausreichende Kontrollmaßnahmen könne sich die Beklagte nicht auf die von der Rechtsprechung anerkannte Toleranzgrenze von 10 % des Gesamtumsatzes an Verkäufen für betriebsfremden Privatbedarf berufen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen,
an Wiederverkäufer oder gewerbliche Verbraucher gegen Vorlage eines von den Beklagten zu 1 und zu 2 oder einem anderen „Metro”-Unternehmen ausgestellten Einkaufsausweises, der zu einem mehr als einmaligen Einkauf berechtigt, Waren zu verkaufen, die nicht für den Wiederverkauf, die gewerbliche Weiterverarbeitung, den gewerblichen Eigenverbrauch oder eine sonstige gewerbliche Verwertung bestimmt und nicht in der jeweiligen gewerblichen Tätigkeit dieser Personen verwendbar sind,
und/oder
- im geschäftlichen Verkehr gegenüber Wiederverkäufern oder gewerblichen Verbrauchern, die Waren erwerben, die nicht für den Wiederverkauf, die gewerbliche Weiterverarbeitung, den gewerblichen Eigenverbrauch oder eine sonstige gewerbliche Tätigkeit dieser Personen verwendbar sind, in Prospekten für ihr Angebot an Waren in der Weise zu werben, daß den für die Waren geforderten Nettopreisen, denen ein kleineres Sternchen hinzugefügt ist, das auf der ersten bzw. der letzten Seite der Prospekte in einer Größe bis zu 3 mm als „Preis ohne gesetzliche Mehrwertsteuer” erläutert wird, Preise einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer gegenübergestellt werden, deren Ziffern in gleich großem Druck wie bei den Nettopreisen wiedergegeben werden.
Die Beklagten sind dem entgegengetreten. Sie haben sich darauf berufen, daß die Verkäufe betriebsfremden Privatbedarfs im SB-Großmarkt in E. allenfalls bei 3 % des Gesamtumsatzes lägen. Dies sei durch repräsentative Untersuchungen in ausgewählten Metro-SB-Großmärkten unter anderem auch in E. belegt. Die jährlichen Untersuchungen, bei denen eine nachträgliche Rechnungsprüfung erfolgt sei, seien in dieser Form zwischen dem Hauptverband des deutschen Einzelhandels und der Metro-Gruppe vereinbart worden. Kontrollen im Ausgangsbereich auf die betriebliche Verwendbarkeit der von den Kunden erworbenen Waren seien danach nicht erforderlich.
Die Beklagten haben sich zudem gegen die Ansicht gewandt, durch die beanstandete Gegenüberstellung der Nettopreise und der Preise einschließlich Umsatzsteuer gegen die Preisangabenverordnung verstoßen zu haben.
Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben.
Mit der Revision verfolgen die Beklagten weiter die Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat den Unterlassungsanspruch zu 1 nach § 6b UWG und den Unterlassungsanspruch zu 2 wegen eines Verstoßes gegen die Preisangabenverordnung bejaht. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Der Kläger erfülle die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Die satzungsgemäßen Ziele, die der Kläger auch tatsächlich verfolge, umfaßten die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Zu den Mitgliedern des Klägers gehöre eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden, die Waren gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertrieben. Der Kläger verfüge auch über die notwendige finanzielle und personelle Ausstattung i.S. von § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG.
Die Beklagten verstießen gegen § 6b UWG, weil sie gegen Vorlage von Bescheinigungen, die nicht nur zum einmaligen Einkauf berechtigten und einzeln ausgegeben würden, Waren auch an Letztverbraucher verkauften. Dem entsprechenden Verbot seien die Beklagten nicht dadurch enthoben, daß ihre Verkäufe an Letztverbraucher unter der sogenannten Toleranzgrenze von 10 % des Umsatzes blieben. Ein SB-Großhandelsunternehmen betätige sich auf der Stufe des geschäftlichen Verkehrs mit dem Letztverbraucher, wenn es ein breit gestreutes Warensortiment mit auch kleinen, für den privaten Gebrauch geeigneten Gebinden anbiete und keine Verwendungskontrolle beim Warenausgang oder sonstige geeignete Maßnahmen treffe, um den Verkauf von Waren zu unterbinden, die nicht zur betrieblichen Verwendung des Gewerbetreibenden bestimmt seien. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall gegeben. Auf die sogenannte Toleranzgrenze von 10 % könnten sich die Beklagten nicht berufen, weil sie nicht durch geeignete Kontrollmaßnahmen alles Zumutbare unternähmen, um die Deckung reinen Privatbedarfs zu unterbinden. Dazu reichten die nachträglichen Verwendungsprüfungen nicht aus. Es spreche ein Anscheinsbeweis kraft Lebenserfahrung dafür, daß die Beklagte keinen funktionsgerechten Großhandel betreibe, wenn – wie vorliegend – durch keine Ausgangskontrollen eingeschränkte Einkaufsmöglichkeiten beständen. Die von den Beklagten vorgelegten Privatgutachten, die zu Umsatzanteilen an Privatkäufen zwischen weniger als 2 % und 8 % kämen, seien methodisch nicht überzeugend.
Der mit dem Antrag zu 2 verfolgte Verstoß gegen die Preisangabenverordnung folge aus der gleichen Druckgröße der Netto- und Bruttopreise; die unterschiedliche farbliche Gestaltung sei nicht ausreichend, um die Endpreise i.S. von § 1 Abs. 6 PAngV hervorzuheben.
Schranken aus dem Gemeinschaftsrecht stünden unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften den Verboten ebenfalls nicht entgegen.
II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß die Voraussetzungen der Prozeßführungsbefugnis des Klägers nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG erfüllt sind.
Bei der Prozeßführungsbefugnis gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes um eine Prozeßvoraussetzung, deren Vorliegen in jeder Lage des Verfahrens, also auch vom Revisionsgericht, von Amts wegen geprüft werden muß (vgl. BGH, Urt. v. 9.10.1997 – I ZR 122/95, GRUR 1998, 417 = WRP 1998, 175 – Verbandsklage in Prozeßstandschaft; Urt. v. 27.4.2000 – I ZR 287/97, GRUR 2000, 1093, 1094 = WRP 2000, 1275 – Fachverband; Urt. v. 13.7.2000 – I ZR 203/97, GRUR 2000, 1084, 1085 = WRP 2000, 1253 – Unternehmenskennzeichnung).
a) Das Berufungsgericht ist aufgrund der Mitgliederlisten zutreffend davon ausgegangen, daß dem klagenden Verein eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden angehört, die Waren gleicher oder ähnlicher Art auf demselben Markt vertreiben.
Im Ergebnis ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Berufungsgericht habe die Angaben in den Mitgliederlisten seiner Beurteilung nicht zugrunde legen dürfen. Zwar haben die Beklagten die Angaben in den Mitgliederlisten des Klägers mit Nichtwissen bestritten. Dies reichte jedoch nicht aus. In dem Vorprozeß mit der Gesellschaft der Metro-Gruppe, die seinerzeit den Großmarkt in E. betrieb, hat der klagende Verein mit Schriftsatz vom 15. Dezember 1994 nachgewiesen, daß eine Vielzahl seiner Mitglieder im direkten Wettbewerb mit dem Metro-SB-Großmarkt in E. standen. Die Richtigkeit dieser Angaben hat der klagende Verein im Revisionsverfahren I ZR 43/94 gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 30. Dezember 1993 (2 U 100/93) durch sein Vorstandsmitglied eidesstattlich versichert (Schriftsatz v. 27.6.1995 nebst eidesstattlicher Versicherung v. 19.6.1995, S. 103 ff. Beiakte I ZR 43/94). Die Akten sind vom Berufungsgericht beigezogen worden. Dies reichte zum Nachweis der Prozeßvoraussetzungen im Rahmen des Freibeweises aus (vgl. BGH, Beschl. v. 16.5.1991 – IX ZB 81/90, NJW 1992, 627, 628; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 4.6.1998 – 1 BvR 2652/95, GRUR 1999, 247 – Metro). Das nicht näher konkretisierte Bestreiten der Richtigkeit der Mitgliederliste des klagenden Vereins im vorliegenden Streitfall durch die Beklagten genügt nicht, weil die jetzt vorgelegte Mitgliederliste weitgehend mit der im Vorprozeß vorgelegten Mitgliederliste übereinstimmt. Darauf hat die Revisionserwiderung zutreffend hingewiesen, ohne daß die Revision rechtserhebliche Abweichungen aufgezeigt hat.
b) Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht auch angenommen, daß der Kläger über die erforderliche personelle, sachliche und finanzielle Ausstattung verfügt, um seine satzungsgemäße Aufgabe zu erfüllen, den unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen. Es ist davon ausgegangen, daß zu den satzungsmäßigen Aufgaben des Klägers die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs gehört und er dieses Ziel auch tatsächlich verfolgt. Dagegen wendet sich die Revision nicht.
Zu Recht ist das Berufungsgericht entgegen der Annahme der Revision auch von einer ausreichenden finanziellen Ausstattung des Klägers ausgegangen. Seine Bilanzen für 1997 und 1998 weisen Bankguthaben von 50.085,24 DM und 41.998,98 DM und ein Eigenkapital von 26.071,29 DM und 33.204,08 DM aus. Das Bankguthaben des Jahres 1997 ist durch Kopie des Kontoauszugs der V.bank E. ausreichend belegt. Entgegen der Ansicht der Revision reichte das bloße Bestreiten der Beklagten unter den gegebenen Umständen nicht aus.
2. Die Annahme des Berufungsgerichts, es liege ein Verstoß gegen § 6b UWG vor, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Nach der Vorschrift des § 6b UWG kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs an letzte Verbraucher gegen Vorlage von Bescheinigungen Waren verkauft, es sei denn, daß diese nur zum einmaligen Einkauf berechtigen und für jeden Einkauf einzeln ausgegeben werden. Die Vorschrift des § 6b UWG dient dem Verbraucherschutz (BVerfG GRUR 1999, 247, 249 – Metro). Sie ist erlassen worden, um die mit dem Kaufscheinhandel typischerweise verbundene, im Einzelfall nur schwer nachweisbare Irreführung der Verbraucher über eine vermeintliche Vorzugsstellung und eine angeblich besonders vorteilhafte Preisgestaltung zu verhindern (vgl. BGHZ 57, 216, 218 – Kunden-Einkaufsdienst). Die Vorschrift stellt einen abstrakten Gefährdungstatbestand dar; auf die Feststellung der Gefahr einer Irreführung im konkreten Fall kommt es nicht an (vgl. BGH, Urt. v. 26.1.1979 – I ZR 18/77, GRUR 1979, 411, 412 = WRP 1979, 298 – Metro II; BGHZ 74, 215, 220 – Kaufscheinwerbung; BGH, Urt. v. 30.11.1989 – I ZR 55/87, GRUR 1990, 617, 623 = WRP 1990, 488 – Metro III). Dem Verbot des § 6b UWG unterliegt auch, wer Einkaufsausweise an Letztverbraucher ausgibt und diese gegen Vorlage der Ausweise zum Einkauf in seinen Verkaufsstätten zuläßt (vgl. BGH GRUR 1979, 411, 412 – Metro II, m.w.N.). Zum geschäftlichen Verkehr mit dem letzten Verbraucher rechnet nicht nur der Handel mit dem privaten Endabnehmer, hierzu zählt auch der Absatz betriebsfremder Waren an gewerbliche Abnehmer zur Deckung des Privatbedarfs (vgl. BGHZ 70, 18, 28 – Metro I; BGH GRUR 1979, 411, 412 – Metro II). Als betriebsfremd sind solche Waren anzusehen, die im Betrieb des gewerblichen Abnehmers nicht verwendbar sind (vgl. BGH GRUR 1990, 617, 619 – Metro III). Dabei ist ein objektivierender Maßstab anzulegen, der auch der im Handel üblichen Sortimentsdiversifikation Rechnung trägt. Auf die Feststellung, ob der gewerbliche Abnehmer die betrieblich verwendbare Ware tatsächlich im geschäftlichen Bereich oder zur Deckung seines Privatbedarfs verwendet, kommt es nicht an. Eine dahingehende Kontrolle der jeweiligen Verwendung wäre nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes unerträglich und deshalb nicht hinzunehmen (vgl. BGH GRUR 1990, 617, 619 – Metro III). Sie wäre mit dem Schutzzweck des § 6b UWG nicht zu vereinbaren, eine Irreführung des Verbrauchers über eine vermeintliche Vorzugsstellung und eine angeblich besonders vorteilhafte Preisgestaltung zu unterbinden. Der Gefahr dieser Irreführung unterliegt der gewerbliche Abnehmer in der Regel weit weniger in dem ihm grundsätzlich vertrauten Bereich betrieblich verwendbarer Waren als bei Einkäufen außerhalb dieses Bereichs für den rein privaten Bedarf (vgl. BGHZ 70, 18, 28 f. – Metro I; BGH GRUR 1990, 617, 623 – Metro III; GroßKomm./Piper, § 6b UWG Rdn. 12; ders. in: Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., § 6b Rdn. 7; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 6b UWG Rdn. 7 b).
Die Verpflichtung, Einkäufe letzter Verbraucher zu unterbinden, stößt allerdings auf praktische Schwierigkeiten, wenn Gewerbetreibende Waren für den betriebsfremden Eigenbedarf miterwerben. Dem hat die Rechtsprechung Rechnung getragen. Nimmt der Erwerb für den Eigenbedarf, der einer ständigen, seit jeher üblichen Geschäftspraxis entspricht und auch nicht gänzlich verhindert werden kann, kein ins Gewicht fallendes Ausmaß an, ist der Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes nicht wesentlich tangiert. Das rechtfertigt es, in solchen (relativ geringfügigen) Warenumsätzen keinen geschäftlichen Verkehr mit dem letzten Verbraucher zu erblicken (vgl. Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., § 6a Rdn. 20 und § 6b Rdn. 7). Davon ist der Bundesgerichtshof bereits in der zum Ladenschlußgesetz ergangenen Entscheidung „Ratio” ausgegangen und hat einen Umsatzanteil betriebsfremder Wareneinverkäufe von 10 % des Gesamtumsatzes eines Großhandelsunternehmens als unbedenklich angesehen (BGHZ 45, 1, 7 f.). Diese Rechtsprechung hat er in den zu §§ 6a und 6 b UWG ergangenen Entscheidungen „Metro I – III” fortgesetzt (vgl. BGHZ 70, 18, 31 – Metro I; BGH GRUR 1979, 411, 413 – Metro II; 1990, 617, 620 f. – Metro III).
Diese Toleranzgrenze ist nicht Element eines funktionsgerechten Großhandels, von dem die Rechtsordnung in den Vorschriften der §§ 6a und 6b UWG und der Preisangabenverordnung ausgeht, sondern soll umgekehrt verdeutlichen, welche Nebenumsätze eines durch ausreichende Kontrollmaßnahmen gesicherten Selbstbedienungsgroßhandels nach der Art der Beklagten die Funktionsechtheit als Großhandelsunternehmen unberührt lassen und dessen Privilegierung gegenüber dem Einzelhandel nicht in Frage stellen. Von einem hinnehmbaren Toleranzbereich läßt sich nur sprechen, wenn das Großhandelsunternehmen, welches ein breit gestreutes Warensortiment zum Selbstbedienungseinkauf anbietet, geeignete Kontrollmaßnahmen ergreift und durchführt, die den Einkauf betriebsfremder Waren zur Deckung des Privatbedarfs verhindern (BGH GRUR 1990, 617, 620 – Metro III, m.w.N.) oder zumindest in den engen Grenzen des Toleranzbereichs halten (vgl. BGH GRUR 1979, 411, 413 – Metro II).
Allerdings ist es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfassungsrechtlich problematisch, den Toleranzbereich von 10 % betriebsfremder Umsätze gewerblicher Abnehmer dem Großhandelsunternehmen wegen fehlender Kontrollmaßnahmen zu versagen, wenn feststeht, daß auch ohne solche Kontrollmaßnahmen der Privatverkauf nur marginal ist. Denn Kontrollen im privaten Geschäftsverkehr nach Art. 12 Abs. 1 GG dürfen vom Staat ausschließlich insoweit gefordert werden, als sie zur Erreichung von Gemeinwohlbelangen unerläßlich sind (vgl. BVerfG GRUR 1999, 247, 249 – Metro). Auf die Beklagte bezogen bedeutet dies, daß die Rechtsprechung Ausgangs-/Verwendungskontrollen nur insofern fordern darf, als diese für die Aufrechterhaltung des funktionsgerechten Großhandels vonnöten sind, weil die Funktionsechtheit des Großhandels seinerseits wieder Voraussetzung für den Dispens von den wettbewerbsrechtlichen Verbraucherschutzvorschriften ist. Bestehen an der Funktionsechtheit des Großhandels angesichts tatsächlich nur marginaler Privateinkäufe keine Zweifel, läßt sich ein staatliches Kontrollverlangen nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr rechtfertigen. Ob eine solche „Marginalgrenze” notwendig mit der in der bisherigen Rechtsprechung anerkannten „Toleranzgrenze” harmonieren muß oder unter Umständen von den Zivilgerichten auch unterhalb einer Schwelle von 10 % des Gesamtumsatzes verortet werden kann, hat das Bundesverfassungsgericht offengelassen (BVerfG GRUR 1999, 247, 249 f. – Metro).
b) Im rechtlichen Ansatz zutreffend ist hiervon auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat jedoch angenommen, daß bei einem von der Beklagten geltend gemachten Umsatzanteil der Privatverkäufe von 2,5 % bis 3 % oder bei 1,81 % – richtig 1,18 % – die vom Bundesverfassungsgericht erörterte Marginalgrenze nicht erreicht wäre. Diese Marginalgrenze im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts setze, so hat das Berufungsgericht ausgeführt, nicht nur einen bestimmten geringfügigen Umsatzanteil voraus, sondern es müsse auch zweifelsfrei feststehen, daß die Marginalgrenze nicht überschritten sei. Dies könne aufgrund der von der Beklagten vorgelegten Privatgutachten der F. und der G. nicht festgestellt werden.
aa) Das Berufungsgericht hat die Zuordnung zu Prüffeldern einer Matrix mit 35 Warengruppen und 27 Kundengruppen in den Privatgutachten der F. zur Feststellung betriebsfremden Umsatzes für zu ungenau gehalten, was sich anhand von Beispielen aufzeigen lasse. Es seien zu stark generalisierende Gruppen gebildet. Dies gelte auch für den von der Beklagten vorgelegten 89 Warengruppen umfassenden „Warengruppenplan NON FOOD”, der ebenfalls keine zuverlässige Zuordnung ermögliche. Auch die Einzelrechnungsauswertung in Form einer nachträglichen Rechnungskontrolle sei nicht ausreichend zuverlässig. Die der Zuordnung zugrundeliegenden Kriterien seien nicht nachvollziehbar. Auch die Beobachtungen im Kassenbereich, bei denen die Kunden nicht angesprochen worden seien, böten keine Richtigkeitsgewähr.
Von den methodischen Bedenken abgesehen, seien die Privatgutachten zur Festlegung des Anteils betriebsfremder Waren ungeeignet, weil sie ausschließlich vom „grünen Tisch” ohne Kundenkontakte zustande gekommen seien. Es fehle an einer Warnfunktion und Sanktionsandrohung gegenüber den Kunden, um Privateinkäufe zu verhindern. Nachträgliche Verwendbarkeitskontrollen ohne direkte Kundenberührung stellten keine ausreichenden Kontrollen dar.
Auch das Privatgutachten der G. gewährleiste keine zuverlässige Abgrenzung zwischen betrieblichem und privatem Bedarf. Es bediene sich einer nachträglichen Rechnungskontrolle, bei der Erwägungen der Bearbeiter aus dem Berufs- und Branchenprofil eingeflossen seien, die keine eindeutige Zuordnung erlaubten. Mit diesen Privatgutachten und den angebotenen Sachverständigengutachten sei nicht zu beweisen, daß im Großmarkt in E. die Toleranzgrenze von 10 % oder eine darunterliegende Marginalgrenze eingehalten werde.
bb) Dem kann nicht gefolgt werden. Das Berufungsgericht hat an die Darlegungs- und Beweislast der Beklagten zu hohe Anforderungen gestellt. Die in den Privatgutachten der F. vorgenommene Zuordnung zu den Prüffeldern der Matrix mit 35 Warengruppen und 27 Kundengruppen weist zwar die vom Berufungsgericht aufgezeigten Ungenauigkeiten auf. Mit Recht ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, daß die Beobachtungen im Kassenbereich, bei denen keine Kunden angesprochen wurden, keine Gewähr für eine Richtigkeit der Feststellungen bieten. Diese Beurteilung des Berufungsgerichts greift die Revision auch nicht an.
Die Beklagten haben jedoch das – nach Erlaß des Urteils des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 30. Dezember 1993 – 2 U 100/93 (dazu Beschluß des BGH vom 16.11.1995 – I ZR 43/94 – und Beschluß des BVerfG vom 4.6.1998 – 1 BvR 2652/95) erstellte – Privatgutachten der G. vom 28. April 1999 vorgelegt, in dem der Gutachter die an einem Tag im SB-Großmarkt in E. angefallenen 1.650 Rechnungen mit einem Gesamtumsatz von 497.000,– DM anhand einer Einzelrechnungsprüfung auf den Anteil betrieblich nicht verwendbarer Waren untersucht und diesen Anteil mit – richtig – 1,18 % ermittelt hat. Die Richtigkeit dieses Ergebnisses haben die Beklagten durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellt.
Zu Recht macht die Revision geltend, das Berufungsgericht habe dem Beweisantritt nachgehen müssen. Denn bei einem Anteil der Privateinkäufe von 2,5 % bis 3 %, wie sie die Privatgutachten der F. ausweisen, erst recht bei einem Anteil von 1,18 % nach dem G.-Gutachten, wäre die Marginalgrenze, bei deren Unterschreitung staatliche Kontrollmaßnahmen nicht gerechtfertigt sind, nicht erreicht.
Der Vortrag der Beklagten unter Vorlage des G.-Gutachtens, daß der Anteil betrieblich nicht verwendbarer Privateinkäufe im Großmarkt in E. 1,18 % beträgt, ist ausreichend substantiiert. Allein der Umstand, daß der Privatgutachter sich einer nachträglichen Rechnungskontrolle bediente, die nach Meinung des Berufungsgerichts keine eindeutige Zuordnung der Waren zu betrieblich verwendbaren sowie privaten Einkäufen erlaubt, rechtfertigt es nicht, die Prüfungsmethode ohne Einschaltung eines gerichtlichen Sachverständigen als ungeeignet zu verwerfen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts läßt sich ohne Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens nicht die Feststellung treffen, eine nachträgliche Rechnungskontrolle ohne Kundenbefragung ermögliche keine hinreichend sichere Zuordnung der Waren in betrieblich verwendbare Waren und betriebsfremde Privateinkäufe gewerblicher Abnehmer. Der Bundesgerichtshof hat in der Metro-II-Entscheidung (GRUR 1979, 411, 413) nachträgliche Überprüfungen der Belege als geeignete Maßnahmen der Ausgangskontrolle angeführt und diese auch in der Metro-III-Entscheidung nicht ausgeschlossen (GRUR 1990, 617, 621). Dem steht die Feststellung des Berufungsgerichts nicht entgegen, daß anhand der Ware nicht erkennbar sei, ob sie gewerblich oder privat verwendet werde. Der Privatgutachter (G.) hat nach eigenen Angaben eine dreistufige Prüfung der Rechnungen gewählt, wobei zunächst anhand der Branchenzugehörigkeit eines Kunden jeder Rechnungsposten darauf hin geprüft wurde, ob die jeweilige Ware zum Wiederverkauf oder für den Ge- oder Verbrauch geeignet war. Wurde diese Frage verneint, wurde analysiert, ob ein Rechnungsposten als Investitions- oder Produktivgut bzw. zu Bewirtungs- oder Repräsentationszwecken verwendbar war. Konnte hierüber keine Gewißheit erlangt werden, wurde die Metro auf der Grundlage ihres Kundeninformationssystems um Aufklärung gebeten. Ergaben sich aus der Kundendatenbank keine entlastenden Hinweise, wurde die Rechnung als betriebsfremder Privatbedarf erfaßt.
c) Das Berufungsgericht wird daher im erneut eröffneten Berufungsrechtszug ein Sachverständigengutachten zur Richtigkeit der Ermittlungen der betrieblich nicht verwendbaren Waren durch eine nachträgliche Rechnungskontrolle und zu dem Anteil betriebsfremder Einkäufe einzuholen haben. Sollte sich nach Einholung des Sachverständigengutachtens eine ausreichende Zuverlässigkeit einer nachträglichen Rechnungskontrolle zur Ermittlung des Umsatzanteils betrieblich nicht verwendbarer Waren ergeben, ist von marginalen Privateinkäufen, die ein staatliches Kontrollverlangen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht rechtfertigen (vgl. BVerfG GRUR 1999, 247, 249 – Metro), erst bei einer unterhalb der Toleranzgrenze von 10 % liegenden Quote auszugehen. Zu Recht hat das Berufungsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes angenommen, daß sich auf die Toleranzgrenze für Umsatzgeschäfte zur Deckung betriebsfremden Eigenbedarfs nicht mit Erfolg berufen kann, wer, wie die Beklagte, durch ein warenhausartiges Sortimentsangebot eine dahingehende Bedarfsdeckung ermöglicht und nicht durch geeignete Kontrollmaßnahmen eine solche zu verhindern sucht. Nachträgliche stichprobenartige Rechnungskontrollen, die für die Kunden, die betrieblich nicht verwendbare Waren erwerben, ohne Folgen bleiben und nur der Ermittlung des entsprechenden Anteils dieser Einkäufe am Gesamtumsatz dienen, stellen keine geeigneten Kontrollmaßnahmen dar, um den Erwerb betriebsfremder Waren für den Privatbedarf weitestgehend auszuschließen (vgl. hierzu BGH GRUR 1990, 617, 621 – Metro III). Soll gleichwohl auf Ausgangskontrollen oder andere annähernd gleich geeignete Kontrollmaßnahmen verzichtet werden, setzt dies einen unter 10 % liegenden Anteil an Privatverkäufen voraus. Bei welchem prozentualen Anteil die Marginalgrenze überschritten ist, ist im Streitfall nicht zu entscheiden. Bei dem von den Beklagten geltend gemachten Anteil von 1,18 % bis 3 % ist dies jedenfalls nicht der Fall.
3. Nicht frei von Rechtsfehlern ist auch die Beurteilung des Berufungsgerichts, es liege ein Verstoß gegen § 1 Abs. 6 PAngV vor.
a) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, daß die Angabe des Nettopreises im gleichen Schriftbild und in gleicher Schrifthöhe wie der Bruttopreis auch bei der farblich unterschiedlichen Gestaltung der Preisangaben grundsätzlich nicht ausreicht, um von einer Hervorhebung des Endpreises i.S. von § 1 Abs. 6 Satz 3 PAngV auszugehen.
b) Von einer Verpflichtung, bei Preisangaben den Endpreis nach § 1 Abs. 6 Satz 3, § 1 Abs. 1, § 7 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 PAngV hervorzuheben, ist jedoch nicht auszugehen, wenn nach der vom Berufungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme feststeht, daß die betrieblich nicht verwendbaren Einkäufe nur so marginal sind, daß Kontrollmaßnahmen unterbleiben können. Aus der Vorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 PAngV ergibt sich, daß die Bestimmungen der Preisangabenverordnung anwendbar sind, wenn der geschäftliche Verkehr mit dem Letztverbraucher in der Weise erfolgt, daß Gewerbetreibende betriebsfremde Waren zur Deckung ihres Privatbedarfs verwenden. Auf eine Toleranzgrenze kommt es nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 PAngV nicht an, wenn nicht durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge getragen ist, daß die gewerblichen Abnehmer nur die in ihrer jeweiligen Tätigkeit verwendbaren Waren kaufen. Die Kontrollmaßnahmen müßten darauf angelegt sein, die Deckung betriebsfremden Eigenbedarfs nach Möglichkeit auszuschließen (vgl. BGH GRUR 1990, 617, 623 – Metro III). Ist der Anteil betriebsfremder Waren am Gesamtumsatz derart gering, daß an der Funktionsechtheit des Großhandels keine Zweifel bestehen und ein staatliches Kontrollverlangen nach Art. 12 Abs. 1 GG nicht gerechtfertigt ist, sind die Vorschriften der Preisangabenverordnung allerdings nicht anwendbar.
III. Danach war das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Erdmann, Starck, Bornkamm, Pokrant, Büscher
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 14.12.2000 durch Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 604643 |
DB 2001, 1989 |
NJW 2001, 3707 |
BGHR 2001, 658 |
BGHR |
GRUR 2001, 846 |
Nachschlagewerk BGH |
GewArch 2001, 488 |
MDR 2001, 1128 |
WRP 2001, 926 |