Entscheidungsstichwort (Thema)
Vitrinenleuchte
Leitsatz (amtlich)
Der Grundsatz, dass der Umfang des urheberrechtlichen Schutzes eines Werks der angewandten Kunst nicht geringer als bei anderen unter die Richtlinie 2001/29/EG fallenden Werken ist (dazu EuGH, Urteil vom 12. September 2019 - C-683/17, GRUR 2019, 1185 [juris Rn. 35] = WRP 2019, 1449 - Cofemel), besagt allein, dass bei Werken der angewandten Kunst dieselben Ausschließlichkeitsrechte gewährt werden müssen und hinsichtlich der Reichweite dieser Rechte dieselben Rechtsmaßstäbe anzulegen sind wie bei allen anderen Werkkategorien. Auf die im Einzelfall vorzunehmende Bestimmung des konkreten urheberrechtlichen Schutzbereichs eines Werks, der sich aus seiner Gestaltungshöhe ergibt, bezieht sich diese Aussage hingegen nicht.
Normenkette
EGRL 29/2001 Art. 2 Buchst. a; UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, §§ 12, 15-17, 23 Abs. 1 S. 1, § 97
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg - 5. Zivilsenat - vom 25. November 2021 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin ist ein Lichtplanungsbüro und nahm im Jahr 2009 an einem Wettbewerb der Beklagten für die Entwicklung neuer Vitrinenleuchten für die sogenannten M. -Boutiquen teil. Der Geschäftsführer der Klägerin entwarf Anfang 2009 die nachfolgend eingeblendete Leuchte mit der Bezeichnung D. und räumte der Klägerin die ausschließlichen Nutzungsrechte an der Gestaltung ein:
Rz. 2
Im Februar 2009 übergab der Geschäftsführer der Klägerin der Beklagten ein Exposé mit Abbildungen des Leuchtenentwurfs sowie im April 2009 einen Prototyp der Leuchte. Die M. -Boutiquen wurden ab Mai 2010 mit Leuchten des Modells E. der Ma. F. GmbH ausgestattet. Darin erkennt die Klägerin aufgrund der Gestaltung der Leuchten eine Verletzung der ihr eingeräumten urheberrechtlichen Nutzungsrechte an der Leuchte D..
Rz. 3
Die Boutiquen wurden jedenfalls teilweise von Franchisenehmern betrieben, die zwecks einheitlicher Gestaltung verpflichtet waren, die Leuchte E. zu erwerben und in den Boutiquen einzusetzen. Die Verantwortung der Beklagten für den Betrieb der Boutiquen und den Erwerb der Leuchten steht zwischen den Parteien in Streit.
Rz. 4
Mit ihrer Klage hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu Unterlassung, Rückruf, Vernichtung, Auskunft und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten zu verurteilen sowie die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten festzustellen. Der Unterlassungsantrag war bezogen auf ein Vervielfältigen sowie Verbreiten der nachfolgend abgebildeten Leuchten:
Rz. 5
Die erste Abbildung (weißer Hintergrund) ist - wie sich indes erst aus Vortrag der Klägerin nach Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz ergibt - einer Designanmeldung des Geschäftsführers der Ma. F. GmbH entnommen. Die weiteren Abbildungen (dunkler Hintergrund) zeigen den Prototyp (jeweils links in den Abbildungen; kupferfarbener Kopf) sowie ein Serienmodell (jeweils rechts in den Abbildungen; silberfarbener Kopf) der Leuchte E. aus verschiedenen Ansichten.
Rz. 6
Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der für die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten verlangten Zinsen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen, soweit über sie mit Blick auf den in der Berufungsinstanz übereinstimmend für erledigt erklärten Auskunftsantrag noch zu entscheiden war. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Rz. 7
A. Das Berufungsgericht hat die Klage insgesamt für unbegründet erachtet.
Rz. 8
Es hat angenommen, es könne offenbleiben, ob der Entwurf der Leuchte D. als Werk der angewandten Kunst gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG geschützt sei. Vor dem Hintergrund der Aufgabenstellung und dem vorbekannten Formenschatz könne allenfalls aus einer Kombination der einzelnen Gestaltungselemente eine Schöpfungshöhe der Gestaltung abgeleitet werden. Daraus resultiere allenfalls ein enger Schutzbereich, in den die Leuchte des Serienmodells E. nicht eingreife, weil diese nicht die schöpferischen Eigentümlichkeiten, sondern lediglich urheberrechtlich nicht geschützte Elemente übernehme. Mit Blick auf die Leuchte gemäß der ersten Abbildung im Antrag sowie der Leuchte des Prototyps E. fehle es gegenüber der hiesigen Beklagten jedenfalls sowohl an einer Wiederholungs- als auch an einer Erstbegehungsgefahr.
Rz. 9
B. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.
Rz. 10
I. Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die geltend gemachten urheberrechtlichen Ansprüche der Klägerin mit Blick auf die angegriffene Leuchte des Serienmodells E. nicht bestehen.
Rz. 11
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Gestaltung des Leuchtenentwurfs D. weise, falls es sich dabei um ein Werk der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG handele, im konkreten Fall allenfalls einen engen Schutzbereich auf, unterliegt keinen rechtlichen Bedenken.
Rz. 12
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Leuchtenentwurf D. sei vor dem Hintergrund der Aufgabenstellung der Auftraggeberin, dem Umstand der Weiterentwicklung der vorhandenen Vitrinenleuchte "I. " und dem vorbekannten Formenschatz allenfalls in der Kombination aus der Wahl des Größenverhältnisses bzw. der Proportionen aus der Länge des Arms und der des Ständers, der Gestaltung aus zwei Elementen (Arm, Ständer, kein Fuß) und dem Umstand, dass die Gestaltung durch ein weitgehend unsichtbares und stufenlos verstellbares Scharnier technische Elemente nicht erkennen lasse, ein Ausdruck einer kreativen, eigenschöpferischen Leistung eines Urhebers, in dem sich dessen Persönlichkeit widerspiegele. Die übrigen Merkmale - schnörkellose und klare Formensprache, reduzierter optischer Eindruck auf zwei hochglänzende metallene Quader unterschiedlicher Länge, die durch ein weitgehend unsichtbares und stufenlos verstellbares Scharnier miteinander verbunden seien, innerhalb des Gestells verlegtes Stromkabel, glatte und hochpolierte Oberflächengestaltung - seien entweder vorbekannt oder aufgrund der Aufgabenstellung der Auftraggeberin umgesetzt worden, so dass das Klagemuster bei Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls allenfalls ein geringes Maß an Eigentümlichkeit mit der Folge eines engen Schutzbereichs aufweise. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
Rz. 13
b) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG gehören Werke der bildenden Kunst einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst sowie Entwürfe solcher Werke zu den urheberrechtlich geschützten Werken, sofern sie nach § 2 Abs. 2 UrhG persönliche geistige Schöpfungen sind. Eine persönliche geistige Schöpfung ist eine Schöpfung individueller Prägung, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer "künstlerischen" Leistung gesprochen werden kann. Dabei kann die ästhetische Wirkung der Gestaltung einen Urheberrechtsschutz nur begründen, soweit sie auf einer künstlerischen Leistung beruht und diese zum Ausdruck bringt (BGH, Urteil vom 7. April 2022 - I ZR 222/20, GRUR 2022, 899 [juris Rn. 28] = WRP 2022, 729 - Porsche 911, mwN).
Rz. 14
In der Sache entsprechen diese Maßstäbe dem unionsrechtlichen Begriff des urheberrechtlich geschützten Werks im Sinne der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (BGH, GRUR 2022, 899 [juris Rn. 29] - Porsche 911, mwN). Dabei handelt es sich um einen autonomen Begriff des Unionsrechts, der in der gesamten Union einheitlich auszulegen und anzuwenden ist (EuGH, Urteil vom 13. November 2018 - C-310/17, GRUR 2019, 73 [juris Rn. 33] = WRP 2019, 55 - Levola Hengelo; Urteil vom 12. September 2019 - C-683/17, GRUR 2019, 1185 [juris Rn. 29] = WRP 2019, 1449 - Cofemel). Für die Einstufung eines Objekts als Werk müssen zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen muss es sich bei dem betreffenden Gegenstand um ein Original in dem Sinne handeln, dass er eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt (EuGH, GRUR 2019, 73 [juris Rn. 36] - Levola Hengelo; GRUR 2019, 1185 [juris Rn. 29] - Cofemel; EuGH, Urteil vom 11. Juni 2020 - C-833/18, GRUR 2020, 736 [juris Rn. 22] = WRP 2020, 1006 - Brompton Bicycle). Ein Gegenstand ist ein Original, wenn er die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidungen zum Ausdruck bringt. Davon kann nicht ausgegangen werden, wenn die Schaffung eines Gegenstands durch technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge bestimmt wurde, die der Ausübung künstlerischer Freiheit keinen Raum gelassen haben (EuGH, GRUR 2019, 1185 [juris Rn. 30 f.] - Cofemel; GRUR 2020, 736 [juris Rn. 23 f.] - Brompton Bicycle). Zum anderen ist die Einstufung als Werk Elementen vorbehalten, die eine solche Schöpfung zum Ausdruck bringen (EuGH, GRUR 2019, 73 [juris Rn. 36 f.] - Levola Hengelo; GRUR 2019, 1185 [juris Rn. 29] - Cofemel; GRUR 2020, 736 [juris Rn. 22] - Brompton Bicycle).
Rz. 15
Hiermit steht im Einklang, dass bei Werken der angewandten Kunst keine höheren Anforderungen an die Gestaltungshöhe zu stellen sind als bei Werken der zweckfreien Kunst (BGH, Urteil vom 13. November 2013 - I ZR 143/12, BGHZ 199, 52 [juris Rn. 26] - Geburtstagszug). Bei Gebrauchsgegenständen, die durch den Gebrauchszweck bedingte Gestaltungsmerkmale aufweisen, ist lediglich der Spielraum für eine künstlerische Gestaltung regelmäßig eingeschränkt. Deshalb stellt sich bei ihnen in besonderem Maße die Frage, ob sie über ihre von der Funktion vorgegebene Form hinaus künstlerisch gestaltet sind und diese Gestaltung eine Gestaltungshöhe erreicht, die Urheberrechtsschutz rechtfertigt. Eine zwar Urheberrechtsschutz begründende, gleichwohl aber geringe Gestaltungshöhe führt zu einem entsprechend engen Schutzbereich des betreffenden Werkes (BGHZ 199, 52 [juris Rn. 41] - Geburtstagszug, mwN).
Rz. 16
c) Das Berufungsgericht hat in Anwendung dieser Maßstäbe rechtsfehlerfrei eine nur geringe Schöpfungshöhe mit der Folge eines engen Schutzbereichs des Klagemusters angenommen.
Rz. 17
aa) Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht weiche von der "Cofemel"-Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ab. Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union darin ausführt, der Umfang des Schutzes eines Werks der angewandten Kunst sei nicht geringer als bei anderen unter die Richtlinie 2001/29/EG fallenden Werken (EuGH, GRUR 2019, 1185 [juris Rn. 35] - Cofemel), ist damit allein gesagt, dass bei Werken der angewandten Kunst dieselben Ausschließlichkeitsrechte (umfassend die positiven Nutzungsrechte und die negativen Verbietungsrechte) gewährt werden müssen und hinsichtlich der Reichweite dieser Rechte dieselben Rechtsmaßstäbe anzulegen sind wie bei allen anderen Werkkategorien. Gegenstand der Vorlage in der Rechtssache "Cofemel" war allein die Frage, ob bestimmten Erzeugnissen (Werken der angewandten Kunst, Modellen und Designs) der urheberrechtliche Schutz in gleicher Weise zugutekomme wie Werken der Literatur und Kunst (vgl. EuGH, GRUR 2019, 1185 [juris Rn. 24] - Cofemel). Die Aussage des Gerichtshofs der Europäischen Union bedeutet vor diesem Hintergrund, dass der urheberrechtliche Schutz für alle Kategorien von Werken, die den unionsrechtlichen Werkbegriff erfüllen (dazu EuGH, GRUR 2019, 1185 [juris Rn. 29 und 48] - Cofemel), nach demselben rechtlichen Maßstab zu bestimmen ist (vgl. auch EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 - C-145/10, Slg. 2011, I-12533 = GRUR 2012, 166 [juris Rn. 97 f.] - Painer; ferner auch Schlussanträge des Generalanwalts in der Rechtssache C-683/17 vom 2. Mai 2019 Rn. 31). Auf die im Einzelfall vorzunehmende Bestimmung des konkreten urheberrechtlichen Schutzbereichs eines Werks, der sich aus seiner Gestaltungshöhe ergibt, bezieht sich diese Aussage hingegen nicht.
Rz. 18
bb) Die Revision wendet sich weiter ohne Erfolg gegen die tatgerichtliche Würdigung des Berufungsgerichts.
Rz. 19
(1) Ob den Anforderungen, die an schutzfähige Werke zu stellen sind, im Einzelfall genügt ist, bleibt weitgehend eine Frage tatrichterlicher Würdigung (BGH, Urteil vom 27. Januar 1983 - I ZR 177/80, GRUR 1983, 377 [juris Rn. 15] = WRP 1983, 484 - Brombeer-Muster; Urteil vom 10. Dezember 1986 - I ZR 15/85, GRUR 1987, 903 [juris Rn. 27] - Le Corbusier-Möbel; Urteil vom 22. Juni 1995 - I ZR 119/93, GRUR 1995, 581 [juris Rn. 13] = WRP 1995, 908 - Silberdistel). Es ist in der Revisionsinstanz jedoch zu überprüfen, ob die Beurteilung des Berufungsgerichts von den von ihm getroffenen Feststellungen getragen wird. Hierzu muss das Berufungsurteil eine revisionsrechtlich nachprüfbare Begründung enthalten. Erforderlich ist vor allem, dass der für die Feststellung der Schutzfähigkeit entscheidende Gesamteindruck und die ihn tragenden einzelnen Elemente nachvollziehbar dargelegt werden (BGH, Urteil vom 16. April 2015 - I ZR 225/12, GRUR 2015, 1189 [juris Rn. 47] = WRP 2015, 1507 - Goldrapper, mwN). Diesen Anforderungen wird die Entscheidung des Berufungsgerichts gerecht.
Rz. 20
(2) Das Berufungsgericht hat sich hinreichend mit den Gestaltungsmerkmalen auseinandergesetzt, die nach Auffassung der Revision die Schutzfähigkeit begründen.
Rz. 21
Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sämtliche Einzelfallumstände zu berücksichtigen sind, wobei die Klägerseite die Darlegungslast dafür trägt, dass die Vitrinenleuchte D. über individuelle Gestaltungsmerkmale verfügt, die über die Verwirklichung einer technischen Lösung hinausgehen und dadurch den Schutz des Urheberrechts begründen können. Die Klägerseite trägt im urheberrechtlichen Verletzungsprozess die Darlegungslast für das Vorliegen einer persönlichen geistigen Schöpfung. Sie hat daher nicht nur das betreffende Werk vorzulegen, sondern grundsätzlich auch die konkreten Gestaltungselemente darzulegen, aus denen sich der urheberrechtliche Schutz ergeben soll (BGH, Urteil vom 12. Mai 2011 - I ZR 53/10, GRUR 2012, 58 [juris Rn. 23 f.] - Seilzirkus).
Rz. 22
Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass eine hinreichende persönliche geistige Schöpfung von der Klägerin allenfalls in Bezug auf die folgenden Elemente in Kombination dargetan sei: Proportion aus der Länge des Arms und der des Ständers, Gestaltung aus zwei Elementen und der Umstand, dass die Gestaltung durch ein weitgehend unsichtbares und stufenlos verstellbares Scharnier technische Elemente nicht erkennen lasse. Es hat sich hierbei mit der Einengung des Gestaltungsspielraums durch die von Seiten der Beklagten vorgegebene Aufgabenstellung befasst und sich mit der Gestaltung der Vorgängerleuchte sowie auch dem insbesondere von der Beklagten aufgezeigten weiteren vorbekannten Formenschatz auseinandergesetzt. Zutreffend hat es hierbei die lichttechnisch bedingten Eigenschaften außer Betracht gelassen und über die Einzelmerkmale hinaus auch Feststellungen zum Gesamteindruck getroffen, namentlich zu einer besonders schnörkellosen und klaren Formensprache, dem reduzierten optischen Eindruck, der klaren Linienführung, der glatten Oberflächengestaltung sowie den Proportionen der zweigliedrigen Gestaltung.
Rz. 23
(3) Die Revision rügt ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe zwar angenommen, auch der Kombination von Merkmalen könne schöpferischer Gehalt zukommen, sodann habe es allerdings die urheberrechtsbegründenden Merkmale auf drei Merkmale beschränkt. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass es sich bei der schnörkellosen und klaren Formensprache, dem reduzierten optischen Eindruck auf zwei hochglänzende metallene Quader unterschiedlicher Länge, die durch ein weitgehend unsichtbares Scharnier verbunden seien, sowie der durchweg glatten und hochpolierten Oberflächengestaltung teilweise um vorbekannte Elemente handele. Unter Bezugnahme auf den von der Beklagten vorgetragenen Formenschatz hat das Berufungsgericht daraus abgeleitet, dass allenfalls die Kombination der einzelnen (vorbekannten) Elemente und die Verbindung mittels eines unsichtbaren Scharniers als schöpferische Leistung in Betracht kämen. Diese Feststellung zu einer Kombination von Elementen hat das Berufungsgericht erkennbar auch seiner weiteren Würdigung zugrunde gelegt, in deren Rahmen es nicht lediglich isoliert die einzelnen Merkmale, sondern auch deren Zusammenspiel und die Gesamtheit der Merkmale in den Blick genommen hat.
Rz. 24
(4) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht bei seiner Feststellung, Anforderungen der Auftraggeberin hätten den Gestaltungsspielraum zusätzlich beschränkt, den Vortrag der Klägerin hinreichend berücksichtigt. Soweit die Revision auf Vortrag der Klägerin verweist, es seien insgesamt vier sehr unterschiedliche Entwürfe vorgelegt worden, bezieht sich dies auf vier unterschiedliche Vorschläge, die in dem der Beklagten überreichten Exposé enthalten waren. Das Berufungsgericht hat ausdrücklich festgestellt und seiner Subsumtion zu Grunde gelegt, dass der Geschäftsführer der Klägerin mit dem Exposé mehrere Gestaltungen vorgeschlagen hat und somit mehrere Gestaltungsmöglichkeiten bestanden haben. Aus dem Bestehen von Gestaltungsalternativen allein hat das Berufungsgericht jedoch zu Recht keine schöpferische Gestaltungshöhe abgeleitet, vielmehr hat es im Rahmen der anzustellenden Gesamtbetrachtung auch den vorbekannten Formenschatz sowie die Vorgaben der Beklagten berücksichtigt.
Rz. 25
2. Ausgehend von einem allenfalls engen Schutzbereich des Werks hält die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Herstellung und der Vertrieb der Leuchte des Serienmodells E. greife nicht in das der Klägerin eingeräumte ausschließliche Recht zur Vervielfältigung (§ 16 UrhG) und Verbreitung (§ 17 UrhG) der Gestaltung des Leuchtenentwurfs D. ein, der rechtlichen Nachprüfung stand.
Rz. 26
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Gestaltungselemente, die die schöpferische Eigentümlichkeit des Leuchtenmodells D. begründen könnten, seien im Modell E. nicht übernommen worden. Die Proportionen der Leuchten seien unterschiedlich. Das Serienmodell E. weise eine dreiteilige Gestaltung (Arm, Ständer, Fuß) und ein als solches erkennbares Scharnier auf. Ihr Gelenk offenbare funktionale Merkmale wie Schrauben, die Verortung der Drehachse und die Rasterung der Kopfstabilisierung und wirke damit optisch gröber als das Modell D.. Auch sei der Querschnitt von Mittelteil (Ständer) und Leuchtenarm unterschiedlich. Soweit das Landgericht auf eine Übereinstimmung im Gesamteindruck abgestellt habe, beruhe dies nicht auf einer Übernahme von Merkmalen, die den urheberrechtlichen Schutz begründeten. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
Rz. 27
b) Eine Verletzung des Urheberrechts gemäß § 97 UrhG liegt nicht nur bei einer identischen widerrechtlichen Nachbildung eines Werks vor. Aus der Bestimmung des § 23 Abs. 1 Satz 1 UrhG, nach der Bearbeitungen oder andere Umgestaltungen eines Werks nur mit Zustimmung des Urhebers veröffentlicht oder verwertet werden dürfen, ergibt sich, dass der Schutzbereich des Veröffentlichungsrechts im Sinne von § 12 UrhG und der Verwertungsrechte gemäß § 15 UrhG sich - bis zu einer gewissen Grenze - auch auf vom Original abweichende Gestaltungen erstreckt (BGH, GRUR 2022, 899 [juris Rn. 55] - Porsche 911, mwN).
Rz. 28
Bei der Prüfung, ob eine Veränderung eines Werks in den Schutzbereich des Urheberrechts fällt, ist zu berücksichtigen, dass jede Bearbeitung oder andere Umgestaltung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 UrhG, soweit sie körperlich festgelegt ist, zugleich eine Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG darstellt. Zu den Vervielfältigungen zählen nicht nur Nachbildungen, die mit dem Original identisch sind; vom Vervielfältigungsrecht des Urhebers werden vielmehr auch - sogar in einem weiteren Abstand vom Original liegende - Werkumgestaltungen erfasst, wenn die Eigenart des Originals in der Nachbildung erhalten bleibt und ein übereinstimmender Gesamteindruck besteht (vgl. BGH, GRUR 2022, 899 [juris Rn. 56] - Porsche 911, mwN). Allerdings führt nicht jede Veränderung eines Werks zu einer Bearbeitung oder anderen Umgestaltung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 UrhG. In einer nur unwesentlichen Veränderung einer benutzten Vorlage ist nicht mehr als eine Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG zu sehen. Eine Bearbeitung oder andere Umgestaltung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 UrhG setzt daher eine wesentliche Veränderung der benutzten Vorlage voraus. Ist die Veränderung der benutzten Vorlage indessen so weitreichend, dass die Nachbildung über eine eigene schöpferische Ausdruckskraft verfügt und die entlehnten eigenpersönlichen Züge des Originals angesichts der Eigenart der Nachbildung verblassen, liegt keine Bearbeitung oder andere Umgestaltung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 UrhG und keine Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG, sondern ein selbständiges Werk vor, das in freier Benutzung des Werks eines anderen geschaffen worden ist und das nach § 23 Abs. 1 Satz 2 UrhG ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werks veröffentlicht und verwertet werden darf (vgl. BGH, GRUR 2022, 899 [juris Rn. 56] - Porsche 911, mwN).
Rz. 29
Aus diesen Grundsätzen ergibt sich folgende Prüfungsfolge: Zunächst ist im Einzelnen festzustellen, welche objektiven Merkmale die schöpferische Eigentümlichkeit des benutzten Werks bestimmen. Sodann ist durch Vergleich der einander gegenüberstehenden Gestaltungen zu ermitteln, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang in der neuen Gestaltung eigenschöpferische Züge des älteren Werks übernommen worden sind. Maßgebend für die Entscheidung ist letztlich ein Vergleich des jeweiligen Gesamteindrucks der Gestaltungen, in dessen Rahmen sämtliche übernommenen schöpferischen Züge in einer Gesamtschau zu berücksichtigen sind. Stimmt danach der jeweilige Gesamteindruck überein, handelt es sich bei der neuen Gestaltung um eine Vervielfältigung des älteren Werks (vgl. BGH, GRUR 2022, 899 [juris Rn. 57] - Porsche 911, mwN). Weicht hingegen der Gesamteindruck der neuen Gestaltung vom Gesamteindruck des älteren Werks in der Weise ab, dass die den Urheberrechtsschutz des älteren Werks begründenden Elemente im Rahmen der Gesamtschau in der neuen Gestaltung verblassen, also nicht mehr wiederzuerkennen sind, greift die neue Gestaltung nicht in den Schutzbereich des älteren Werks ein (vgl. BGH, GRUR 2022, 899 [juris Rn. 58] - Porsche 911, mwN).
Rz. 30
c) Die vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Annahme, dass der Gesamteindruck der Gestaltung der Leuchte des Serienmodells E. in diesem Sinne nicht mit dem Gesamteindruck der Gestaltung des Leuchtenentwurfs D. übereinstimmt.
Rz. 31
aa) Bei der Feststellung des Gesamteindrucks sowie der Feststellung, in welchem Umfang eigenschöpferische Züge eines Werks übernommen worden sind, handelt es sich um Tatfragen. Die Revision vermag insoweit keinen Rechtsfehler aufzuzeigen. Das Berufungsgericht hat sich mit den jeweiligen Gemeinsamkeiten und Unterschieden der sich gegenüberstehenden Gestaltungen auseinandergesetzt und die tragenden Elemente seiner tatsächlichen Feststellung nachvollziehbar begründet.
Rz. 32
bb) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht insbesondere nicht den jeweiligen Gesamteindruck außer Acht gelassen. Vielmehr hat es ausdrücklich das Kriterium eines übereinstimmenden Gesamteindrucks für maßgeblich erachtet und einen solchen in tatsächlicher Hinsicht verneint. Aus den Ausführungen des Berufungsgerichts zu den Unterschieden und Gemeinsamkeiten ergibt sich hinreichend, worin es den Gesamteindruck jeweils gesehen hat. Das Berufungsgericht ist dabei zutreffend davon ausgegangen, dass bei dem Vergleich des Gesamteindrucks die übernommenen schöpferischen Züge in einer Gesamtschau zu berücksichtigen sind. Insbesondere hat das Berufungsgericht auf die abweichenden konkreten Proportionen und Querschnittsverhältnisse, die abweichende dreiteilige Gestaltung, die abweichende Auffälligkeit des Scharniers sowie einen damit verbundenen optisch gröberen Eindruck abgestellt und angenommen, dass damit gerade diejenigen Elemente, welche angesichts der Vorgaben sowie des vorbekannten Formenschatzes allenfalls eine Schöpfungshöhe begründen könnten, nicht übernommen worden seien. Das Berufungsgericht hat sich nicht lediglich mit den Unterschieden, sondern auch mit den den Gesamteindruck der beiden Gestaltungen mitbestimmenden Gemeinsamkeiten befasst und insoweit in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass diese Gemeinsamkeiten nicht auf einer Übernahme von schöpferischen Zügen beruhen.
Rz. 33
II. Mit Blick auf die weiteren angegriffenen Leuchtengestaltungen hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise eine Begehungsgefahr für eine Urheberrechtsverletzung durch die Beklagte verneint.
Rz. 34
1. Gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, hinsichtlich der Leuchte gemäß der ersten Abbildung im Antrag und des Leuchtenprototyps E. fehle es an einer Wiederholungsgefahr, weil die Beklagte derartige Leuchten nicht an M. -Boutiquen vertrieben habe, wendet sich die Revision zu Recht nicht.
Rz. 35
2. Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe bei der Prüfung einer Erstbegehungsgefahr hinsichtlich der Leuchte gemäß der ersten Abbildung im Antrag unberücksichtigt gelassen, dass diese Abbildung einer Designanmeldung entnommen worden sei und die Registeranmeldung regelmäßig die Vermutung einer Benutzung in naher Zukunft begründe. Der als übergangen gerügte Vortrag zur Designanmeldung rechtfertigt nicht die Annahme einer Erstbegehungsgefahr für eine Urheberrechtsverletzung der Beklagten, weil die Designanmeldung danach nicht von der Beklagten, sondern vom Geschäftsführer der Ma. F. GmbH stammt. Die Revision verweist insoweit zudem lediglich auf einen nach Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz eingereichten nicht nachgelassenen Schriftsatz. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung hat das Berufungsgericht geprüft und rechtsfehlerfrei abgelehnt.
Rz. 36
3. Hinsichtlich des Prototyps E. vermag die Revision ebenfalls nicht aufzuzeigen, dass die Beurteilung des Berufungsgerichts, es fehle an einer Erstbegehungsgefahr für eine Urheberrechtsverletzung der Beklagten, rechtsfehlerhaft ist.
Rz. 37
C. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass sich im Streitfall keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts stellt, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder nicht zweifelsfrei zu beantworten ist (vgl. zum Maßstab EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 [juris Rn. 21] = NJW 1983, 1257 - Cilfit u.a.; Urteil vom 1. Oktober 2015 - C-452/14, GRUR Int. 2015, 1152 [juris Rn. 43] - Doc Generici; Urteil vom 6. Oktober 2021 - C-561/19, NJW 2021, 3303 [juris Rn. 33, 36 und 39 bis 49] - Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi, mwN). Es besteht kein vernünftiger Zweifel daran, dass die Aussage des Gerichtshofs der Europäischen Union, der Umfang des Schutzes eines Werks der angewandten Kunst sei nicht geringer als bei anderen unter die Richtlinie 2001/29/EG fallenden Werken (EuGH, GRUR 2019, 1185 [juris Rn. 35] - Cofemel), sich allein auf den für alle Werkkategorien gleichermaßen geltenden rechtlichen Maßstab bezieht und der im Einzelfall vorzunehmenden Bestimmung des konkreten urheberrechtlichen Schutzbereichs eines Werks unter Berücksichtigung der Gestaltungshöhe nicht entgegensteht. Die Grundsätze, nach denen der Schutzbereich urheberrechtlicher Verwertungsrechte bestimmt wird, hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seinen Entscheidungen "Infopaq International" (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2009 - C-5/08, Slg. 2009, 6569 = GRUR 2009, 1041) sowie "Pelham u.a." (EuGH, Urteil vom 29. Juli 2019 - C-476/17, GRUR 2019, 929 = WRP 2019, 1156) geklärt (vgl. BGH, GRUR 2022, 899 [juris Rn. 100] - Porsche 911). Angesichts der vom Berufungsgericht vorgenommenen Beurteilung des Gesamteindrucks der Leuchtenmodelle stellt sich im Streitfall entgegen der Auffassung der Revision auch nicht die Frage, ob es mit Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG vereinbar ist, wenn das nationale Gericht bei der Prüfung einer Vervielfältigung lediglich die schöpferischen Einzelmerkmale betrachtet, die den Urheberrechtsschutz überhaupt erst begründen, und umgekehrt den Gesamteindruck nicht berücksichtigt.
Rz. 38
D. Danach ist die Revision der Klägerin zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Koch |
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Schwonke |
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Feddersen |
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Schmaltz |
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Odörfer |
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Fundstellen
Haufe-Index 15639076 |
BlPMZ 2023, 398 |
GRUR 2023, 571 |
JZ 2023, 281 |
MDR 2023, 717 |
ZUM 2023, 530 |
GRUR-Prax 2023, 305 |
CIPReport 2023, 68 |