Leitsatz (amtlich)
Betriebe des Baugewerbes im Sinne des § 12 a AFG a.F. (heute § 1 b AÜG) sind nur Betriebe des Bauhauptgewerbes nach der Baubetriebe-Verordnung vom 28. Oktober 1980.
Normenkette
BGB § 134; AFG § 12 a.F.: 20. September 1994; AÜG § 1b
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main |
LG Gießen |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 3. Februar 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt ist; jedoch bleibt die Klage abgewiesen, soweit die Klägerin Zinsen aus 12.733,15 DM für die Zeit vor dem 25. Februar 1997 und aus 1.125,25 DM für die Zeit vor dem 9. April 1997 begehrt.
Auf die Berufung der Klägerin und die Anschlußberufung des Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 7. April 1998 weiter abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:
Der Beklagte wird unter Abweisung der Klage im übrigen verurteilt, an die Klägerin 13.854,40 DM nebst 7,5% Zinsen aus 12.733,15 DM seit dem 25. Februar 1997 und aus 1.125,25 DM seit dem 9. April 1997 zu zahlen.
Die weitergehenden Rechtsmittel der Parteien werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Auslegung des Merkmals „Betriebe des Baugewerbes” in § 12a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) a.F. (heute: § 1b Arbeitnehmerüberlassungsgesetz [AÜG] i.d.F. des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594). Die Vorschrift lautete in dem hier maßgeblichen Zeitraum:
Gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung in Betriebe des Baugewerbes für Arbeiten, die üblicherweise von Arbeitern verrichtet werden, ist unzulässig. Sie ist zwischen Betrieben des Baugewerbes gestattet, wenn diese Betriebe von denselben Rahmen- und Sozialkassentarifverträgen oder von deren Allgemeinverbindlichkeit erfaßt werden.
Die Klägerin verfügt über eine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Der Beklagte hat ein Gewerbe im Bereich Handel mit funk- und fernsehtechnischen Geräten einschließlich deren Reparatur angemeldet. Von Januar 1996 bis Oktober 1997 erzielte er Einnahmen jedoch ausschließlich aus der Ausführung von Elektroinstallationsarbeiten auf Baustellen. Fest angestellte Mitarbeiter beschäftigte er nicht.
Auf Anforderung des Beklagten überließ die Klägerin, nachdem sie vom Landesarbeitsamt die Auskunft erhalten hatte, der Beklagte sei nicht als Unternehmer des Bauhauptgewerbes gemeldet, dem Beklagten in der Zeit vom 25. November 1996 bis 21. März 1997 Arbeitskräfte, vor allem Elektriker und Helfer. Die von ihr vorbereiteten Arbeitnehmerüberlassungsverträge unterschrieb der Beklagte nicht. Mit der Klage macht die Klägerin ihre auf 13.854,40 DM berechneten Vergütungsansprüche geltend.
Das Landgericht hat der Klage nur für die Zeit bis zum 31. Dezember 1996 in Höhe von 4.685,10 DM nebst Zinsen stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht den Beklagten zur Zahlung von insgesamt 10.856,37 DM nebst Zinsen verurteilt und dessen mit dem Ziel vollständiger Klageabweisung eingelegte Anschlußberufung bis auf eine geringfügige Zinskorrektur zurückgewiesen. Mit ihren – zugelassenen – Revisionen verfolgen beide Parteien im wesentlichen ihre zweitinstanzlichen Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin hat mit Ausnahme eines Teils des Zinsanspruchs vollen Erfolg. Sie führt zur Verurteilung des Beklagten in der Hauptsache nach dem Klageantrag. Die Revision des Beklagten ist dagegen unbegründet.
A.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Verträge über die Überlassung der von der Klägerin gestellten Arbeitnehmer seien mangels Einhaltung der nach Art. 1 § 12 Abs. 1 Satz 1 AÜG a.F. (jetzt § 12 Abs. 1 Satz 1 AÜG n.F.) erforderlichen Schriftform unwirksam. Unter solchen Umständen hafte der Entleiher zwar bereicherungsrechtlich im allgemeinen auf Wertausgleich nach den üblichen Vergütungssätzen für eine Arbeitnehmerüberlassung einschließlich des darin enthaltenen Gewinnanteils. Das gelte im Streitfall jedoch nur für die zu Büroarbeiten und kaufmännischen Tätigkeiten entliehene Angestellte K. mit einem Betrag von 410,32 DM. Die übrigen Verträge seien nämlich zugleich wegen eines Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot in § 12a Satz 1 AFG a.F. nichtig. Zu den in dieser Vorschrift genannten „Betrieben des Baugewerbes” zählten nicht nur die in § 1 Abs. 2 der Baubetriebe-Verordnung vom 28. Oktober 1980 (BGBl. I S. 2033) aufgeführten Gewerbe, sondern sämtliche Bauleistungen anbietende Unternehmen, sofern darauf mehr als 50% ihrer Tätigkeit entfalle. Diese Voraussetzungen hätten für die Streitjahre auch beim Beklagten vorgelegen. Für die ihm zur Verfügung gestellten Elektriker und Helfer könne die Klägerin aus dem Gesichtspunkt ungerechtfertigter Bereicherung daher nur Erstattung des von ihr gezahlten Arbeitsentgelts verlangen, weil der Beklagte insoweit von einer eigenen, nach (Art. 1) § 10 AÜG fingierten Schuld befreit sei, insgesamt also Zahlung weiterer 10.446,05 DM.
B.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
I.
Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings eine Zahlungspflicht des Beklagten dem Grunde nach bejaht.
1. Der Beklagte nimmt seine Verurteilung zur Leistung in Höhe der mit 410,32 DM berechneten Vergütung der Angestellten K. hin, meint aber, in bezug auf die von der Klägerin hauptsächlich zur Verfügung gestellten Arbeiter (Elektriker und Helfer) sei er auch nicht dadurch bereichert, daß er eigene Lohnzahlungen an diese erspart habe. Bei einer gegen § 12a AFG a.F. verstoßenden Arbeitnehmerüberlassung werde kraft Gesetzes kein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer gemäß (Art. 1) § 10 Abs. 1 AÜG begründet. Deshalb habe die Klägerin mit den an ihre Arbeitnehmer geleisteten Zahlungen keine ihm – dem Beklagten – obliegenden Verbindlichkeiten erfüllt.
2. Ob diese Rechtsauffassung zutrifft, muß der Senat nicht entscheiden. Das Berufungsurteil stellt sich insoweit jedenfalls aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO).
a) Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, daß allein die Formnichtigkeit der abgeschlossenen Arbeitnehmerüberlassungsverträge ([Art. 1] § 12 Abs. 1 Satz 1 AÜG, § 125 BGB) den Zahlungsanspruch der Klägerin letztlich nicht schmälern würde. In einem solchen Fall kann der Verleiher zwar nicht die vereinbarte Verfügung aufgrund eines faktischen Vertragsverhältnisses fordern (so aber OLG Hamburg NJW-RR 1993, 1524; Becker/Wulfgramm, AÜG, 3. Aufl. 1985, Art. 1 § 12 Rn. 16 f.); dafür besteht kein praktisches Bedürfnis (vgl. Schüren, AÜG, 1994, § 12 Rn. 16 f.; Ulber, AÜG, 1998, § 12 AÜG Rn. 29). Er ist aber berechtigt, als Wertausgleich nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung die – hier auch nur begehrte – allgemein übliche Vergütung zu verlangen (§§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 2 BGB). Denn der Entleiher ist unter derartigen Umständen um den Verkehrswert der Arbeitnehmerüberlassung einschließlich des Gewinns des Verleihers bereichert, da der Entleiher eine solche Arbeitnehmerüberlassung regelmäßig nur auf der Grundlage eines mit diesem oder einem anderen Verleiher abzuschließenden formwirksamen Vertrags und damit lediglich gegen Zahlung der vollen Vergütung erreichen kann. Die Höhe dieser vom Verleiher eingesparten Aufwendungen bestimmt den Umfang seiner Bereicherung (BGH, Urteil vom 17. Januar 1984 – VI ZR 187/82, WM 1984, 435, 437 = NJW 1984, 1456; Schüren, § 12 Rn: 19 f.; a.A. Ulber, § 12 AÜG Rn. 30: lediglich in Höhe der ersparten Arbeitskosten).
b) Auf dem Boden des von ihm angenommenen Verstoßes gegen § 12a Satz 1 AFG a.F. ist die weitere Rechtsanwendung des Berufungsgerichts freilich nicht unbedenklich. Das Oberlandesgericht hat sich bei seiner Entscheidung ersichtlich an dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. November 1979 (VII ZR 337/78, BGHZ 75, 299 = NJW 1980, 452; siehe auch Senatsbeschluß vom 30. November 1995 – III ZR 165/94, BGHR AÜG § 9 Bereicherung 1) orientiert. Danach kann, wer Dritten unerlaubt Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung überläßt, aus ungerechtfertigter Bereicherung vom Entleiher zwar nicht Wertersatz für die von den Arbeitnehmern geleisteten Dienste, wohl aber Herausgabe dessen verlangen, was der Entleiher erspart hat, weil nicht er – der Entleiher –, sondern der Verleiher die Leiharbeitnehmer entlohnt hat (§§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 2 BGB i.V.m. § 267 BGB; abw. Schüren, § 9 Rn. 32 f., 40 ff.: Gesamtschuldnerausgleich). Der dort zur Entscheidung stehende Fall lag indes, worauf die Revision des Beklagten zu Recht hinweist, in einem wesentlichen Punkt anders. Seinerzeit fehlte dem Verleiher die nach (Art. 1) § 1 AÜG zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung erforderliche Erlaubnis. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz zieht aus einem Mangel dieser Art die Konsequenz, daß (auch) Verträge zwischen den Verleihern und ihren Arbeitnehmern unwirksam sind ([Art. 1] § 9 Nr. 1) und daß statt dessen ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Arbeitnehmer als zustande gekommen gilt ([Art. 1] § 10 Abs. 1). Im vorliegenden Fall verfügte indes die Klägerin über die notwendige Erlaubnis, es war ihr lediglich die Arbeitnehmerüberlassung in Betriebe des Baugewerbes untersagt. Bei dieser Sachlage wäre – folgt man im Ansatz dem Berufungsgericht – (Art. 1) § 10 AÜG jedenfalls nicht unmittelbar, sondern allenfalls entsprechend anwendbar. Ob ein solcher Analogieschluß möglich ist (offengelassen von BAG NZA 1999, 493, 494 = DB 1999, 386; vgl. im einzelnen Becker/Wulfgramm, Art. 1 § 1 Rn. 98; Schüren, § 1 Rn. 419 ff.; Ulber, § 1b AÜG Rn. 20 ff.; jeweils m.w.Nachw. zum Streitstand), muß der Senat aus den unten zu d) dargestellten Gründen ebensowenig entscheiden, wie die Frage einer vielleicht alternativ denkbaren entsprechenden Anwendung des durch Art. 63 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997 erst mit Wirkung vom 1. April 1997 aufgehobenen § 13 AÜG a.F. (dafür Ulber, § 1b AÜG Rn. 22, § 13 AÜG Rn. 4 f., 24).
c) Das Berufungsgericht hat ferner verkannt, daß – trotz des weit gefaßten Leitsatzes – bei einem Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot auch das Urteil des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 8. November 1979 (aaO) einen Bereicherungsanspruch des Verleihers auf Wertersatz für die von den überlassenen Arbeitskräften geleisteten Dienste (oder für die vom Entleiher insofern ersparten Aufwendungen) zutreffend nicht von vornherein ausschließt, sondern ihn im konkreten Fall lediglich an der Schranke des § 817 Satz 2 BGB scheitern ließ (Ziffer II der Entscheidungsgründe; siehe dazu ferner BGH, Urteil vom 17. Januar 1984, aaO). Ein Wertersatzanspruch der Klägerin in diesem Umfang käme deshalb im Streitfall selbst dann in Betracht, wenn man die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zur Geltung des Verbots einer Arbeitnehmerüberlassung auch für Betriebe des Ausbau- und Bauhilfsgewerbes teilte, zumal das Gesetz eine gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung im Baugewerbe inzwischen auch nicht mehr vollständig unterbinden will (§ 12a Satz 2 AFG i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 20. September 1994, BGBl. I S. 2456). § 817 Satz 2 BGB versagt dem Leistenden, der objektiv gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht schlechthin eine Rückforderung seiner Leistung. Vielmehr muß er sich dieses Verstoßes auch bewußt gewesen sein und ihn trotzdem gewollt (BGHZ 50, 90, 92; 75, 299, 302; 111, 308, 312;118, 182, 193) oder sich zumindest leichtfertig dieser Einsicht verschlossen haben (Senatsurteil vom 15. Juni 1989 – III ZR 9/88, NJW 1989, 3217, 3218; BGH, Urteil vom 15. Juni 1993 – XI ZR 172/92, NJW 1993, 2108). Das dürfte nach den Ausführungen des Berufungsgerichts hier eher fernliegen, kann aber letztlich dahinstehen.
d) Bereits der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts trifft nämlich nicht zu. § 12a AFG a.F. gilt entgegen der im angefochtenen Urteil entwickelten Rechtsansicht nur für Betriebe des Baugewerbes, wie sie in § 1 der auf der Grundlage von § 76 Abs. 2 AFG a.F. (heute § 216 Abs. 2 SGB III) ergangenen Baubetriebe-Verordnung vom 28. Oktober 1980 aufgeführt sind (sog. Bauhauptgewerbe), nicht hingegen für die Betriebe des dortigen Negativkatalogs (§ 2 der Verordnung), zu denen auch das Elektroinstallationsgewerbe gehört (Nr. 6). Das entspricht der in Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend vertretenen Meinung (OLG Hamburg NJW-RR 1993, 1524, 1525; Becker/Wulfgramm, Art. 1 § 1 Rn. 93; Harbrecht, BauR 1999, 1376, 1377; Hennig in Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, Stand November 1995, § 12a Rn. 7, 12; Marschall, NZA 1998, 633, 634; Rademacher in GK-AFG, Stand November 1996, § 12a Rn. 13 ff.; Sahl/Bachner, NZA 1994, 1063, 1064 f.; Sandmann/Marschall, AÜG, Stand Mai 1998, Art. 1 § 1b Anm. 8; Schelter, AFG, Stand November 1998, § 12a Rn. 20; Schüren, § 1 Rn. 385 ff.; a.A.: Hantl-Unthan, AR-Blattei SD 1840, Stand Dezember 1998 Rn. 209a; Düwell in Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd. II 1997, 4.5 Rn. 225 ff.; Paasch, AiB 1988, 107, 108; Ulber, § 1b AÜG Rn. 14) und zugleich der Praxis der nach (Art. 1) § 17 AÜG für die Ausführung des Gesetzes zuständigen Bundesanstalt für Arbeit (dazu Düwell, aaO Rn. 225). Der Senat schließt sich dieser herrschenden Ansicht an. Unter diesen Umständen hat die Klägerin nicht nur Anspruch auf Erstattung ihrer Lohnkosten, wozu das Berufungsgericht den Beklagten verurteilt hat, sondern sogar auf vollen Wertausgleich im Umfang ihrer dem Beklagten erteilten Rechnungen.
aa) Weder der Wortlaut der Vorschrift noch ihr mit der Verwendung des Begriffs „Betriebe des Baugewerbes” ersichtlich gewollter Anschluß an die Bestimmungen der §§ 74 ff. AFG a.F. über eine ganzjährige Beschäftigung in der Bauwirtschaft (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 9/846 Seite 36), erlauben allerdings eine eindeutige Zuordnung. Nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 AFG a.F. (heute gleichbedeutend § 211 Abs. 1 Satz 1 SGB III) sind Betriebe des Baugewerbes solche Betriebe oder Betriebsabteilungen, die überwiegend Bauleistungen erbringen, d.h. Bauarbeiten, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen (§§ 75 Abs. 1 Nr. 3 AFG a.F., § 211 Abs. 1 Satz 2 SGB III). In den Genuß von Leistungen nach diesem Unterabschnitt sollten freilich nur Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Zweigen des Baugewerbes kommen, die der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung durch Rechtsverordnung – die bereits mehrfach erwähnte Baubetriebe-Verordnung vom 28. Oktober 1980 – bestimmte. Ob § 12a AFG a.F. an diesen engeren oder an einen weiteren Begriff des Baugewerbes anknüpfen wollte, läßt sich daraus nicht ersehen. Allerdings sind Ausnahmevorschriften im Zweifel eng auszulegen.
bb) Die Zweckbestimmung des § 12a AFG a.F. mag in einzelnen Punkten eher in die entgegengesetzte Richtung deuten. In der Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks. 9/846 Seite 35 f.) wird ein (vollständiges) Verbot der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung im Baugewerbe damit gerechtfertigt, sie gefährde die Ordnung dieses Teilarbeitsmarkts und die soziale Sicherheit eines Teils der dort Tätigen. Auf Leiharbeitnehmer fänden Tarifverträge der Bauwirtschaft keine Anwendung. Sie blieben daher von deren sozialen Schutzbestimmungen ausgenommen, erhielten insbesondere keine Leistungen aus den Sozialkassen der Bauwirtschaft, der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse und der Zusatzversorgungskasse. Umgekehrt hätten Leiharbeitsunternehmer einen erheblichen Wettbewerbsvorsprung gegenüber Bauunternehmen, die nur Stammarbeitnehmer beschäftigten, weil Verleiher für ihre im Baugewerbe tätigen Arbeitnehmer insbesondere keine Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes entrichteten. Schließlich bringe der vergleichsweise hohe Anteil illegaler Leiharbeitskräfte im Baubereich die Gefahr mit sich, daß auch Verleiher mit einer Erlaubnis illegal dadurch handelten, daß sie Ausländer ohne Arbeitserlaubnis oder Leiharbeitnehmer länger als drei Monate verliehen. Eine Erweiterung der Kontrollrechte und Meldepflichten reiche nicht aus.
Diese Gründe gelten heute schon nicht mehr in vollem Umfang, weil die Kontrollmöglichkeiten der Arbeitsämter seitdem durch die Einführung eines Sozialversicherungsausweises mit dem Gesetz vom 6. Oktober 1989 (BGBl. I S. 1822) bedeutend erweitert worden sind, sowie weit stärker für das Bauhauptgewerbe, das gegenüber Verleihern von Arbeitskräften mit den Mehrkosten der Winterbauförderung belastet ist (vgl. § 186a AFG a.F.), treffen in Teilen aber auch für das Ausbau- und Bauhilfsgewerbe zu. Auch dort finden sich etwa allgemeinverbindliche Tarifverträge, deren Umgehung § 12a AFG a.F. verhindern wollte (vgl. dazu Paasch, AiB 1988, 107, 108). Es läßt sich im übrigen nicht übersehen, daß die Regelungen über eine Winterförderung in der Bauwirtschaft (§ 76 Abs. 2 AFG a.F.) eine andere Zweckrichtung als das Verbot von Leiharbeitsverhältnissen im Baugewerbe hatten und haben und daß es darum eines besonderen Grundes für eine Anlehnung an die im Rahmen der Förderungsbestimmungen getroffene engere Auswahl unter den Zweigen des Baugewerbes bedarf.
cc) Einen derart triftigen Grund sieht der Senat indes entscheidend – in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung – in dem im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers, den dieser seitdem durch „beredtes Schweigen” im Zusammenhang mit der inzwischen mehrfachen Novellierung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes bestätigt hat. Da sich auch die Praxis auf diese Rechtslage seit nunmehr fast zwei Jahrzehnten eingestellt hat, spricht hierfür überdies die Forderung nach Rechtssicherheit. Ob eine einschränkende Interpretation des § 12a AFG a.F. darüber hinaus zur Durchsetzung der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) sogar verfassungsrechtlich geboten wäre (so wohl OLG Hamburg NJW-RR 1993, 1524, 1525 f.), kann offenbleiben.
(1) Das grundsätzliche Verbot der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung in Betriebe des Baugewerbes wurde durch das Gesetz zur Konsolidierung der Arbeitsförderung vom 22. Dezember 1981 (BGBl. I S. 1497) in das Arbeitsförderungsgesetz eingefügt. Bei der Gesetzesberatung stellte der federführende 11. Ausschuß des Deutschen Bundestages nach einem Änderungsvorschlag – Beschränkung des Verbots auf die Tätigkeit von Arbeitern – ausdrücklich fest, insoweit stimme der Geltungsbereich des Verbots mit dem Geltungsbereich der §§ 80, 83 und 186a AFG – a.F. – (Wintergeld, Schlechtwettergeld, Winterbau-Umlage) überein;die dort gültigen Begriffsbestimmungen (§§ 75 Abs. 1 Nr. 2, 76 i.V.m. der Baubetriebe-Verordnung) gälten auch hier (BT-Drucks. 9/966 S. 76; Hervorhebung nicht im Original). Ein Widerspruch gegen dieses Verständnis im weiteren Gesetzgebungsverfahren ist nicht ersichtlich. Jedenfalls der historische Gesetzgeber hatte damit nur die einschränkende Interpretation des § 12a Satz 1 AFG a.F. vor Augen.
In der Folgezeit wurde das Verbot erstmals durch Schaffung des Art. 1 § 1 Abs. 3 AÜG mit dem Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 vom 26. April 1985 (BGBl. I S. 710) und sodann durch das Siebte Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 20. Dezember 1985 (BGBl. I S. 2484) gelockert, nach dem auch die Abordnung von Arbeitnehmern zu einer zur Herstellung eines Werkes gebildeten Arbeitsgemeinschaft unter bestimmten Voraussetzungen nicht mehr als Arbeitnehmerüberlassung gilt ([Art. 1] § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG). Eine zusätzliche Abschwächung erfolgte mit dem Gesetz vom 20. September 1994 (BGBl. I S. 2456), das der Verbotsnorm eine Ausnahmeregelung in Satz 2 anfügte. Schließlich wurde die Vorschrift durch das Arbeitsförderungs-Reformgesetz vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 594) gleichlautend – als neuer § 1b – in das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz übernommen. Bei allen diesen Gesetzesänderungen hat der Gesetzgeber keinen Anstoß an der ihm bekannten, den Überlegungen des 11. Bundestags-Ausschusses folgenden engen Auslegung des Begriffs „Baugewerbe” in § 12a AFG a.F. durch die Praxis der Bundesanstalt für Arbeit genommen. Im Gegenteil gingen auch die Begründung des Fraktionsentwurfs der CDU/CSU und der FDP zum Änderungsgesetz vom 20. September 1994 (BT-Drucks. 12/7564 S. 3) und der anschließende Ausschußbericht (BT-Drucks. 12/7688 S. 7) sowie der Bericht des 11. Bundestagsausschusses zum Ersten SGB III-Änderungsgesetz (BT-Drucks. 13/8994 S. 70) ohne weiteres von diesem Sinngehalt aus. Umgekehrt hat das Arbeitnehmer-Entsendegesetz vom 26. Februar 1996 (BGBl. I S. 227) in seinen Anwendungsbereich § 2 der Baubetriebe-Verordnung ausdrücklich einbezogen (§ 1 Abs. 1 AEntG). Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, daß die Novelle vom 20. September 1994 einer Gesetzesinitiative zur völligen Abschaffung des § 12a AFG zuvorkam (vgl. dazu Sahl/Bachner, NZA 1994, 1063, 1064), muß dieses durchgehende Schweigen des Gesetzgebers als „sprechend” im Sinne einer Billigung der behördlichen Praxis und herrschenden Ansicht gedeutet werden.
(2) Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes angesichts einer langjährigen, an vernünftige Überlegungen anknüpfenden und weithin akzeptierten Verwaltungspraxis bestätigen dieses Ergebnis.
II.
Aus dem Gesagten ergibt sich zugleich, daß die Revision der Klägerin im wesentlichen Erfolg hat. Die Klageforderung ist in der Hauptsache ohne Einschränkung begründet; das kann der Senat aufgrund des festgestellten Sachverhalts selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Die Höhe der Rechnungsbeträge einschließlich der Üblichkeit der ihnen zugrundeliegenden Stundensätze hat der Beklagte nicht bestritten. Demgegenüber hat das Berufungsgericht ohne Rüge der Klägerin den Verzugsbeginn für die im Mahnschreiben vom 18. Februar 1997 geltend gemachten Beträge erst zum 25. Februar 1997 und für die Mahnung vom 30. März 1997 erst zum 9. April 1997 festgestellt. Damit hat es auch für die Revisionsinstanz sein Bewenden.
Unterschriften
Rinne, Streck, Schlick, Kapsa, Galke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 17.02.2000 durch Freitag Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 556252 |
NJW 2000, 1557 |
BGHR |
EBE/BGH 2000, 94 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 785 |
AP, 0 |
SGb 2000, 479 |
VersR 2001, 1513 |
ZfBR 2000, 263 |
NZBau 2000, 290 |