Entscheidungsstichwort (Thema)
Europäisches Patent. Schutzbereich des deutschen Teils des Patentanspruchs. Patentverletzende Ausführung durch gleichwertiges Ersatzmittel. Prüfungsumfang. Gesamtheit des Ersatzmittels
Leitsatz (amtlich)
Zur Beantwortung der Frage, ob eine als patentverletzend beanstandete Ausführung trotz Abweichung vom Wortsinn in den Schutzbereich eines Patentanspruchs fällt, reicht es nicht aus, nur hinsichtlich einzelner Merkmale des Patentanspruchs zu prüfen, ob bei der beanstandeten Ausführung ein gleichwertiges Ersatzmittel vorhanden ist. Diese Ausführung muss - soweit ihre Gestaltung im Hinblick auf die patentgemäße Lösung von Bedeutung ist - als Gesamtheit erfasst werden; hiervon ausgehend ist zu entscheiden, ob diese Gesamtheit als solche eine auffindbar gleichwertige Lösung darstellt.
Normenkette
EPÜ Art. 69; PatG § 14
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das am 23.12.2004 verkündete und durch Beschluss vom 12.1.2005 berichtigte Urteil des 6. Zivilsenats des OLG München aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Verfahrens vor dem BGH - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Die Parteien streiten um die Verletzung des deutschen Teils des am 26.9.1987 angemeldeten, in englischer Sprache erteilten europäischen Patents 309 596 (Klagepatents). Dieses Patent umfasst zwölf Patentansprüche, von denen Anspruch 1 wie folgt lautet:
"A pumping apparatus for delivering liquid at a high pressure at which compressibility of the liquid becomes noticable, and at a selectable flow rate, comprising
a) a first piston (10) for reciprocation in a first pump chamber (7), the first pump chamber having an inlet port and an outlet port,
b) a second piston (20) for reciprocation in a second pump chamber (18), the second pump chamber having an inlet port and an outlet port,
c) a conduit connection (12, 14) between the outlet port of the first pump chamber and the inlet port of the second pump chamber,
d) an inlet valve (4) connected to the inlet port of the first pump chamber for allowing flow of liquid into the first pump chamber and for inhibiting flow in the opposite direction,
e) an outlet valve (13) connected to the outlet of the first pump chamber for allowing flow of liquid into the second pump chamber and for inhibiting flow in the opposite direction,
f) drive means (30, 34; 31, 33; 32, 36) for reciprocating the first and the second piston,
g) wherein the liquid in the first pump chamber is compressed to a high pressure before delivery of the compressed liquid into the second pump chamber, characterised by control means (41, 42, 43, 44, 35) coupled to the drive means (30, 34; 31, 33; 32, 36) for adjusting the stroke lengths of the pistons (10, 20) between their top dead centre and their bottom dead centre, respectively, in response to the desired flow rate of the liquid delivered at the outlet of the pumping apparatus, with the stroke volume (i.e., the amount of liquid displaced during a pump cycle) being decreased when the flow rate is decreased and vice versa, such that pulsations in the flow of the liquid delivered to the output of the pumping apparatus are reduced."
[2] Das Klagepatent war Gegenstand einer Nichtigkeitsklage, über die der Senat am 22.10.2002 abschließend entschieden hat (X ZR 115/99). Patentanspruch 1 hatte in der erteilten Fassung Bestand.
[3] Die Klägerin hat in Prozessstandschaft und gestützt auf abgetretenes Recht Patentverletzungsklage gegen die Beklagten erhoben, weil diese in der Bundesrepublik Deutschland unter der Bezeichnung A.-System-Hochdruckpumpen gemäß den Anl. K 5, 5a vertreiben. Diese Geräte weisen zwei hintereinander geschaltete, unabhängig voneinander angetriebene Kolben auf, wobei der erste Kolben einen konstanten oberen Totpunkt hat, während der zweite Kolben linear verstellt werden kann. Bei dem Gerät 2690, das Untersuchungsgegenstand des sog. Weissgerber-Berichts (Anl. K 6) war, können laut dieses Berichts die Flussraten von 0,1 ml/min bis zu 10 ml/min variieren. In der Betriebsart "Auto" ändert sich über diese Variationsbreite hiernach die Hublänge des Primärkolbens in fünf Stufen (Schritten). Der Hub bis zum oberen Totpunkt beträgt bei zunehmender Flussrate 25 50 100 120 oder 130 und umgekehrt. Die Hublänge des zweiten Kolbens (Akkumulatorkolbens) ändert sich laut des Berichts in ähnlicher Weise, wobei sie auf den einzelnen Stufen jeweils etwas abnimmt (bei zunehmender Flussrate) bzw. zunimmt (bei abnehmender Flussrate). Nach jedem Kolben hat die Vorrichtung einen Drucksensor, von denen der letzte den Systemdruck feststellt. Die Anpassung der Hublänge erfolgt jedoch unabhängig vom Systemdruck. Laut Bedienungsanleitung gemäß Anl. K 5a ist es möglich, über eine Software die Vorkompression so zu gestalten, dass die Drücke ausgeglichen werden (to balance pressures, providing the smooth, ripple-free flow).
[4] Nach Einholung eines Gutachtens und mündlicher Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. S. hat das LG die Beklagten antragsgemäß zu Unterlassung und Auskunft verurteilt und die Verpflichtung der Beklagten zu Schadensersatz festgestellt.
[5] Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG den bereits vom erkennenden Senat in der Patentnichtigkeitssache als gerichtlichen Sachverständigen hinzugezogenen Prof. Dr. M. mit einer schriftlichen Begutachtung betraut und mündlich angehört. Das Berufungsgericht hat sodann unter Aufhebung des landgerichtlichen Urteils die Klage abgewiesen.
[6] Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vom Senat zugelassenen Revision, wobei sie hauptsächlich begehrt,
das Urteil des OLG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des LG München I vom 18.12.2002 in der Fassung des Beschlusses vom 29.1.2003 zurückzuweisen.
[7] Die Beklagten treten diesem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe
[8] Die zulässige Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
[9] 1. Nach Patentanspruch 1 betrifft das Klagepatent eine Pumpeinrichtung mit wählbarer Flussrate zum Fördern von Flüssigkeiten unter hohem Druck. Solche Vorrichtungen werden insb. in der Flüssigkeitschromatographie eingesetzt, um die bewegliche Phase durch die Trennsäule hindurchzuführen. Dabei soll einerseits die Flussrate einstellbar sein, andererseits die eingestellte Flussrate zur Vermeidung von Messfehlern möglichst konstant (schwankungsfrei) gehalten werden. Ein relativ gleichmäßiger Förderstrom ergibt sich bereits, wenn die Einrichtung zwei mit Phasenabstand angetriebene Pumpen aufweist, die mit gleichbleibendem Hubvolumen arbeiten und bei denen nur die Hubfrequenz verändert wird.
[10] Bei den in der Hochleistungsflüssigkeitschromatographie auftretenden hohen Drücken bildet jedoch die Kompressibilität der Flüssigkeit eine zusätzliche Quelle für Flusspulsationen. Denn bei jedem Kompressionszyklus der Pumpe muss der erste Kolben vor Beginn der Förderung der Flüssigkeit erst einen bestimmten Weg zurücklegen, um die Flüssigkeit auf den endgültigen Förderdruck zu bringen. Das führt zu Flusspulsationen entsprechend der Pumpenfrequenz, die sich insb. bei niedrigen Flussraten und kleinen Spitzen (Peaks) im Chromatogramm bemerkbar machen.
[11] Hieraus ergibt sich, wie in der Klagepatentschrift weiter angegeben ist, das technische Problem, eine Pumpeinrichtung zur Verfügung zu stellen, die es mit konstruktiv einfachen Mitteln erlaubt, innerhalb eines breiten Bereichs von Flussraten nachteilige Auswirkungen von Pulsationen auf die chromatographischen Messergebnisse weitgehend zu vermeiden.
[12] Nach Patentanspruch 1 des Klagepatents soll dies mit folgender Merkmalskombination erreicht werden:
Pumpeinrichtung zum Fördern von Flüssigkeit unter hohem Druck, bei dem sich die Kompressibilität der Flüssigkeit bemerkbar macht, mit einer wählbaren Flussrate, umfassend
1. eine erste Pumpenkammer (7),
1.1 in der ein erster Kolben (10) eine Hubbewegung vollführt und
1.2 die eine Einlassöffnung und eine Auslassöffnung aufweist,
2. eine zweite Pumpenkammer (18),
2.1 in der ein zweiter Kolben (20) eine Hubbewegung vollführt und
2.2 die eine Einlassöffnung und eine Auslassöffnung aufweist,
3. eine Verbindungsleitung (12, 14) zwischen der Auslassöffnung der ersten Pumpenkammer und der Einlassöffnung der zweiten Pumpenkammer,
4. ein Einlassventil (4)
4.1 das an die Einlassöffnung der ersten Pumpenkammer angeschlossen ist und
4.2 durch das ein Flüssigkeitsstrom in die erste Pumpenkammer eintreten kann und eine Strömung in entgegengesetzter Richtung verhindert wird,
5. ein Auslassventil (13),
5.1 das an den Auslass der ersten Pumpenkammer angeschlossen ist und
5.2 durch das Flüssigkeit in die zweite Pumpenkammer einströmen kann und eine Strömung in entgegengesetzter Richtung verhindert wird,
6. Antriebsmittel (30, 34; 31, 33; 32, 36)
6.1 für die Hubbewegung des ersten und des zweiten Kolbens,
6.2 wobei die Flüssigkeit in der ersten Pumpenkammer auf einen hohen Druck komprimiert wird, bevor die komprimierte Flüssigkeit in die zweite Pumpenkammer gefördert wird,
7. mit den Antriebsmitteln (30, 34; 31, 33; 32, 36) gekoppelte Steuermittel (41, 42, 43, 44, 35)
7.1 zur Einstellung der Hublängen der Kolben (10, 20) zwischen ihrem jeweiligen oberen und unteren Totpunkt
7.2 in Abhängigkeit von der gewünschten Flussrate der geförderten Flüssigkeit am Ausgang der Pumpenvorrichtung,
7.3 wobei das Hubvolumen (d.h. die während eines Pumpzyklus verdrängte Flüssigkeitsmenge) mit abnehmender Flussrate verringert wird und umgekehrt,
7.4 derart, dass Pulsationen in dem an den Ausgang der Pumpeinrichtung geförderten Flüssigkeitsstrom verringert werden ("such that pulsations ... are reduced").
[13] Patentgemäß wird also die Flussrate sowohl durch Veränderung der Hubfrequenz als auch durch Veränderung des Hubvolumens beeinflusst. Daraus ergeben sich zwei Vorteile:
- Zum einen wird mit - bei kleinerer Flussrate - kleiner werdendem Hubvolumen auch das Volumen kleiner, das vor Beginn des Förderns auf den Enddruck zu komprimieren ist, was die Kompressionsphase verkürzt und zu geringeren Pulsationen führt.
- Zum anderen bedeutet ein geringeres Hubvolumen eine höhere Hubfrequenz und damit eine entsprechend höhere Frequenz der verbleibenden Pulsationen. Diese wirkt sich günstig aus, weil hochfrequente Pulsationen eher wie ein gleichmäßiges Hintergrundsignal wirken, welches das gesamte Chromatogramm im Wesentlichen gleichmäßig beeinflusst.
[14] 2. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass bei dem mit der Klage beanstandeten A.-System die unter den Nr. 1 bis 6 aufgegliederten Merkmale vorhanden sind. In Streit steht allein die Verwirklichung der Merkmalsgruppe 7.
[15] 3. Insoweit geht das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit ständiger Rechtsprechung des Senats davon aus, dass eine patentgeschützte Lehre von einem zur Benutzung der Erfindung nicht berechtigten Dritten entweder in wortsinngemäßer Weise oder unter Verwendung vom Wortsinn abweichender Mittel verletzt werden kann. Im Streitfall hält es jedoch keine dieser Alternativen für gegeben.
[16] Die mit den Antriebsmitteln gekoppelten Steuermittel des A.-Systems dienten zwar zur Einstellung der Hublängen der Kolben zwischen ihrem jeweiligen oberen und unteren Totpunkt (Merkmale 7, 7.1). Da bei dem A.-System das Hubvolumen in drei bzw. fünf Stufen der geänderten Flussrate angepasst werden könne, erfolge die Steuerung aber nicht in Abhängigkeit von der gewünschten Flussrate (Merkmal 7.2). Denn der als Sachverständiger hinzugezogene Prof. Dr. M. habe angegeben, der Durchschnittsfachmann verstehe dieses Merkmal dahin, dass Frequenz und Hubvolumen mit der Flussrate so geändert würden, dass es zu einer stetigen (nicht notwendigerweise linearen) Funktion komme. Merkmal 7.3 sei nicht wortsinngemäß verwirklicht, weil nach den Ausführungen von Prof. Dr. M. dann, wenn die patentierte Idee mit einfachen steuerungstechnischen Mitteln genutzt werden solle, vom Kern der geschützten Lehre nur Gebrauch gemacht werde, wenn sich die in Fig. 5 der Klagepatentschrift gezeigte Kurve a von der Kurve b löse und oberhalb dieser liege. Das sei aber schon dann nicht der Fall, wenn das Hubvolumen - wie bei dem A.-System - jedenfalls abschnittsweise konstant bleibe. Merkmal 7.4 sei schließlich nicht verwirklicht, weil nach den Angaben von Prof. Dr. M. für die patentgemäßen Mittel kennzeichnend sei, die Pulsationen - entsprechend der beispielhaften Fig. 6 des Klagepatents - nur reduzieren zu können, Zweck und Grundlage des A.-Systems aber die Eliminierung der Pulsationen sei.
[17] Den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen sei zu folgen, weil sie von Sachverstand geprägt seien, gegen die fachliche Kompetenz von Prof. Dr. M. keine vernünftigen Einwände vorgebracht werden könnten und der in erster Instanz als gerichtlicher Sachverständiger hinzugezogene Prof. Dr. S. deshalb zu einem anderen Ergebnis (wortsinngemäße Verwirklichung aller Merkmale) gekommen sei, weil er unrichtigerweise auf das Verständnis eines Anwenders, nicht aber auf die Sicht des Durchschnittsfachmanns abgestellt habe, als der nach den Feststellungen des BGH im Patentnichtigkeitsverfahren und den Ausführungen von Prof. Dr. M. ein Diplomingenieur anzusehen sei, der an einer Fachhochschule, einer Technischen Hochschule oder eine Universität ausgebildet worden sei und der vertiefte Kenntnisse im Bereich der Feinmechanik, der Hochdrucktechnik und der Steuerungstechnik sowie Erfahrungen auf dem Gebiet der Entwicklung und Konstruktion von Flüssigkeitschromatographen habe. Diesem Anforderungsprofil entspreche Prof. Dr. M. als Direktor des Instituts für Fluidtechnische Antriebe und Steuerungen der ... ohne Weiteres. Dessen Feststellungen werde deshalb gefolgt.
[18] Daher scheide auch eine äquivalente Verwirklichung aus. Denn nach den Ausführungen von Prof. Dr. M. sei das A.-System seiner Funktionsweise nach dem im Nichtigkeitsverfahren entscheidungserheblichen Stand der Technik (Saito) nachgebildet, womit bereits eine Einteilung in drei/fünf Bereiche offenbart gewesen sei. Was das Merkmal 7.2 anbelange, stehe das A.-System somit für den Durchschnittsfachmann näher bei Saito als beim Klagepatent. Was die Merkmale 7.3 und 7.4 betreffe, scheide eine äquivalente Benutzung hingegen deshalb aus, weil das A.-System wie Saito zum Ziel habe, Pulsationen gänzlich zu vermeiden und somit seine Aufgabe nicht deckungsgleich mit der des Klagepatents sei.
[19] 4. Mit dieser Begründung kann die Abweisung der Klage keinen Bestand haben, weil dem Urteil weder eine Auslegung des Klagepatents durch das Berufungsgericht zugrunde liegt, noch dessen Ausführungen zur Frage der Verwendung abgewandelter Mittel frei von Rechtsfehlern sind und die bislang getroffenen Feststellungen eine abschließende Entscheidung nicht erlauben, ob das mit der Klage beanstandete A.-System die Lehre nach Anspruch 1 des Klagepatents wortsinngemäß oder mittels abweichender Gestaltung in einer in dessen Schutzbereich fallenden Weise verwirklicht.
[20] a) Das Berufungsgericht ist zwar in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Senats davon ausgegangen, dass es zur Beurteilung der Frage, ob eine Patentverletzung vorliegt, zunächst der Befassung mit der technischen Lehre bedarf, die sich aus dem angeblich benutzten Patentanspruch ergibt. Die Art und Weise, wie das Berufungsgericht sich den dann seinem Urteilsauspruch zugrunde gelegten Sinngehalt von Patentanspruch 1 erschlossen hat, war aber nicht rechtsfehlerfrei. Denn die Ermittlung hat der vom Berufungsgericht hinzugezogene Sachverständige vorgenommen und die angefochtene Entscheidung lässt nicht erkennen, dass für die im Urteil wiedergegebenen Ausführungen zum Wortsinn eine eigene Würdigung des Berufungsgerichts maßgeblich war. Das widerspricht ständiger Rechtsprechung, die sich auf Urteile des Senats gründet, die bereits vor Erlass der angefochtenen Entscheidung des Berufungsgerichts ergangen sind. Denn hiernach betrifft die Auslegung eines Klagepatents eine Rechtsfrage (BGHZ 160, 204 - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung, m.w.N.; vgl. auch die nach Erlass des angefochtenen Urteils ergangenen Senatsentscheidungen BGHZ 166, 305, 311 - Vorausbezahlten Telefongespräche; v. 13.2.2007 - X ZR 74/05, Tz. 18 - Kettenradanordnung, für BGHZ bestimmt). Sie ist deshalb von dem angerufenen Gericht eigenständig zu leisten und darf nicht dem gerichtlichen Sachverständigen überlassen werden, wie der Senat in seinem Urteil vom 11.12.2005 (X ZR 76/04, BGHReport 2006, 312 = GRUR 2006, 131 - Seitenspiegel) bestätigt hat. Das Verständnis eines oder der in den Tatsacheninstanzen hinzugezogenen Sachverständigen vom Patentanspruch genießt als solches bei der richterlichen Auslegung grundsätzlich auch ebenso wenig Vorrang wie das Verständnis einer Partei (Senat, Urt. v. 13.2.2007 - X ZR 74/05, BGHReport 2007, 515 = Tz. 18 - Kettenradanordnung, für BGHZ bestimmt). Denn es kommt nicht darauf an, wie einzelne Angehörige der Fachwelt oder eine Mehrzahl von Fachleuten den Patentanspruch verstehen. Das Gericht hat vielmehr selbst mittels eines wertenden Akts zu bestimmen, wie der Patentanspruch zu verstehen ist, wenn das auf dem betreffenden Gebiet der Technik übliche allgemeine Fachwissen sowie die durchschnittlichen Kenntnisse, Erfahrungen und Fähigkeiten der dort tätigen Fachwelt zur Erfassung des Wortlauts des Patentanspruchs und dessen hiermit festgelegten Sinns herangezogen und auf diese Weise fachmännischer Sicht Rechnung getragen wird (BGHZ 160, 204 - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung).
[21] b) aa) Bei der Verneinung der Frage, ob das A.-System als vom Wortsinn abweichende Ausführung der Lehre des Patentanspruchs 1 in dessen Schutzbereich fällt, hat das Berufungsgericht eine zergliedernde Betrachtung vorgenommen, indem es sich nur hinsichtlich einzelner Merkmale des Patentanspruchs die Frage vorgelegt hat, ob insoweit bei der beanstandeten Ausführung ein gleichwertiges Ersatzmittel vorhanden ist. Schon das genügt nicht den rechtlichen Anforderungen, die nach ständiger Rechtsprechung des Senats darüber entscheiden, ob eine Ausführung trotz vorhandener Abweichung vom Wortsinn den Patentanspruch verwirklicht. Ebenso wie bei der Bestimmung, welcher Sinngehalt den Merkmalen des Patentanspruchs zukommt, stets dessen Gesamtzusammenhang in den Blick zu nehmen ist und eine Erforschung des Inhalts einzelner Merkmale nur dazu dienen kann, schrittweise den allein maßgeblichen Wortsinn des Patentanspruchs als Einheit zu ermitteln (vgl. BGH v. 3.6.2004 - X ZR 82/03, BGHZ 159, 221 = BGHReport 2004, 1430 - Drehzahlermittlung), ist auch die angegriffene Ausführung, soweit ihre Gestaltung im Hinblick auf die patentgemäße Lösung von Bedeutung ist, als Gesamtheit zu erfassen; hiervon ausgehend ist zu entscheiden, ob diese Gesamtheit als solche trotz der vorhandenen Abwandlung eines oder mehrerer patentgemäßer Lösungsmittel eine auffindbar gleichwertige Lösung darstellt.
[22] bb) Der Senat hat im Interesse der Rechtssicherheit für die Prüfung, ob das so ist, einen Fragenkatalog erarbeitet (u.a. BGH v. 12.3.2002 - X ZR 168/00, BGHZ 150, 149 = BGHReport 2002, 735 - Schneidmesser I), dessen Beantwortung regelmäßig geboten ist. Eine Aussage darüber, ob eine abweichende Ausführung in den Schutzbereich fällt, kann danach regelmäßig nur dann als auf ausreichender Grundlage beruhend angesehen werden, wenn die Entscheidung erkennen lässt, dass der Tatrichter sich mit den betreffenden Fragen befasst hat und - bei Verneinung der Zugehörigkeit - an welcher Voraussetzung es fehlen soll.
[23] Auch diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.
[24] (1) Damit eine vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichende Ausführung in dessen Schutzbereich fällt, muss nämlich regelmäßig dreierlei erfüllt sein. Die Ausführung muss das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit (zwar abgewandelten, aber) objektiv gleichwirkenden Mitteln lösen. Seine Fachkenntnisse müssen den Fachmann befähigen, die abgewandelte Ausführung mit ihren abweichenden Mitteln als gleichwirkend aufzufinden. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen schließlich derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen (wortsinngemäßen) Lösung gleichwertige Lösung in Betracht zieht.
[25] (2) Die vom Berufungsgericht aus dem Sachverständigengutachten von Prof. Dr. M. im Hinblick auf das Merkmal 7.2 übernommene Feststellung, dass die Lösung des A.-System für den Durchschnittsfachmann näher beim Stand der Technik (Saito) liege als beim Klagepatent, betrifft hiernach keinen Gesichtspunkt, der darüber entscheidet, ob die mit der Klage beanstandete Ausführung in den Schutzbereich des Patentanspruchs 1 des Klagepatents fällt. Welcher der drei vom Senat herausgearbeiteten Voraussetzungen die angebliche Nähe zum Stand der Technik entgegenstehen soll, hat das Berufungsgericht auch nicht dargelegt. Entgegen der Erwiderung der Beklagten lässt die allgemeine und letztlich nur eine Behauptung darstellende Aussage des Berufungsgerichts weder erkennen, dass hiermit die dritte Voraussetzung verneint werden sollte, noch wäre sie überhaupt geeignet, das Fehlen derselben zu begründen. Da diese Voraussetzung auf konkrete Überlegungen abstellt, ist eine derart allgemeine Darlegung, wie sie das Berufungsgericht für ausreichend gehalten hat, insoweit völlig unbrauchbar.
[26] (3) Sollte das Berufungsgericht jedoch gemeint haben, hieraus folge die Berechtigung des von den Beklagten erhobenen Einwands, das A.-System stelle mit Rücksicht auf den Stand der Technik keine patentfähige Erfindung dar, beruhte auch das nicht auf einer rechtsfehlerfreien Rechtsanwendung. Denn auch zur Darlegung und zum Nachweis dieses sog. Formstein-Einwands genügt nicht eine vergleichsweise größere Nähe der als patentverletzend beanstandeten Ausführung zum Stand der Technik. Es kommt vielmehr darauf an, dass die Lehre zum technischen Handeln, die diese Ausführung verkörpert, sich nicht durch Neuheit oder erfinderische Tätigkeit vom Stand der Technik unterscheidet. Denn zum Erfolg des sog. Formstein-Einwands ist es nötig, dass die Gesamtheit derjenigen Merkmale der als patentverletzend beanstandeten Ausführung, deretwegen festgestellt werden kann, dass diese in den Schutzbereich des Patentanspruchs fällt, als gegenständliche Lehre zum technischen Handeln den gesetzlichen Anforderungen für einen Patentschutz nicht genügt hätte, wenn sie zum Prioritätszeitpunkt des erteilten Patents angemeldet worden wäre (BGHZ 98, 21 f. - Formstein; BGH v. 4.2.1997 - X ZR 74/94, BGHZ 134, 353, 357 f. - Kabeldurchführung I).
[27] (4) Auch die hinsichtlich der Merkmale 7.3 und 7.4 getroffene Feststellung des Berufungsgerichts, deren äquivalente Verletzung scheide aus, weil das A.-System zum Ziel habe, Pulsationen gänzlich zu vermeiden, und damit bei ihm ein Umstand gegeben sei, auf den es nach der Lehre des Klagepatents nicht ankomme, füllt keine der maßgeblichen Voraussetzungen aus. Mit dieser Feststellung ist zunächst einmal nur ein Mehr an Leistung im Vergleich zu dem angesprochen, was ausweislich Merkmal 7.4 die nach Patentanspruch 1 geschützte Lehre ausmachen soll. Ein Leistungsüberschuss einer vom Wortsinn abweichenden Ausführung schließt aber deren Einbeziehung in den Schutzbereich eines Patentanspruchs nicht aus. Dies gilt insb., wenn die als patentverletzend beanstandete Ausführung über die Gesamtheit der Merkmale hinaus, die im Hinblick auf die Einbeziehung dieser Ausführung in den Schutzbereich von Bedeutung sind, zusätzliche Gestaltungsmittel aufweist, weil dann deren Existenz für eine weitere Leistungssteigerung verantwortlich sein kann. Gerade das war im Streitfall zu klären, weil die Klägerin sich insoweit unter Hinweis auf den Prospekt gemäß Anl. K 5a auf das Vorhandenseins eines Druckwandlers und einer softwaregesteuerten Vordruckregelung berufen hat. Die damit aufgezeigte Möglichkeit, dass auch das A.-System über das Hubvolumen so gesteuert wird, dass Pulsationen in dem an den Ausgang der Pumpeneinrichtung geförderten Flüssigkeitsstrom verringert werden, und dieses System zur Beseitigung noch verbleibender Pulsationen nur durch zusätzliche Maßnahmen befähigt ist, wird jedoch durch den bloßen Hinweis des Berufungsgerichts nicht ausgeräumt, nach den Ausführungen von Prof. Dr. M. sei aus dem sog. Weissgerber-Bericht (Anl. K 6) nicht ersichtlich, wie sich die Regelung von Primär- und Systemdruck auf die Pulsation auswirke, um den vom A.-System beanspruchten "ripple-free flow" nachzuweisen.
[28] cc) Damit ist bisher (auch) die Frage der Gleichwirkung des A.-Systems ungeklärt geblieben. Hierbei handelt es sich um eine Frage, deren Beantwortung tatrichterlicher Feststellung und Würdigung bedarf (Senat, Urt. v. 22.11.2005 - X ZR 81/01, MDR 2006, 702 = BGHReport 2006, 665 = GRUR 2006, 313 - Stapeltrockner). Jedenfalls das macht die ausgesprochene Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht notwendig.
[29] 5. Im weiteren Verfahren wird das Berufungsgericht Folgendes zu bedenken haben:
[30] a) Maßgebliche Grundlage dafür, was durch ein europäisches Patent unter Schutz gestellt ist, ist gem. Art. 69 Abs. 1 Satz 1 EPÜ der Inhalt der Patentansprüche. Die Frage, ob eine bestimmte Anweisung zum Gegenstand eines Anspruchs des Patents gehört, entscheidet sich deshalb danach, ob sie in dem betreffenden Patentanspruch Ausdruck gefunden hat. Das verleiht dem in dem betreffenden Patentanspruch gewählten Wortlaut entscheidende Bedeutung. Was bei sinnvollem Verständnis - ggf. unter Berücksichtigung der Erläuterungen in Beschreibung und Zeichnungen - mit ihm nicht so deutlich einbezogen ist, dass es als zur Erfindung gehörend erkannt wird, kann den Gegenstand dieses Patentanspruchs nicht kennzeichnen (BGHZ 160, 204 - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung).
[31] b) Hiernach wird im Streitfall zu berücksichtigen sein, dass das Patent davon ausgeht, dass die Pumpeinrichtung die Wahl mehrerer Flussraten erlaubt (wählbare Flussrate, gewünschte Flussrate Sp. 1 Z. 47 der Beschreibung), dass also der Betreiber im Rahmen der Förderkapazität der Einrichtung einstellen kann, welche Flüssigkeitsmenge am Ausgang der Pumpeinrichtung zur Verfügung steht. Da andererseits die Anzahl der wählbaren Flussraten im Patentanspruch 1 nicht angegeben und dort auch nicht vorgegeben ist, wie sie sich unterscheiden sollen, könnte deshalb sogar ausreichen, wenn die Einrichtung die Einstellung von mindestens zwei Flussraten innerhalb der förderbaren Flüssigkeitsmengen erlaubt. Die Einstellbarkeit in drei oder fünf Stufen würde ebenfalls genügen und die gewünschte Flussrate wäre patentgemäß immer nur eine der Flüssigkeitsmengen, die entsprechend der jeweiligen Herrichtung der Vorrichtung jeweils zur Abgabe eingestellt werden kann.
[32] Bei diesem Verständnis kommt es zur Flussrate, die aus den nach der Herrichtung der Vorrichtung möglichen ausgewählt wird, weil patentgemäß sowohl die Hubfrequenz der angetriebenen Kolben als auch die während eines Pumpzyklus verdrängte Flüssigkeitsmenge geräteseits gesteuert werden. Die Einstellung der Hublängen der Kolben zwischen den beiden Totpunkten, die diese Menge bestimmen, erfolgte dabei nach der Merkmal 7.2 zugrunde liegenden Anweisung geräteseits in Abhängigkeit von der eingestellten Flussrate. Die mit den Antriebsmitteln gekoppelten Steuermittel sorgten hiernach automatisch für eine Einstellung der Hublänge je nachdem, welche der möglichen Einstellungen der Flussrate der Betreiber gerade gewählt hat. Wird eine mögliche Flussrate eingestellt, müsste das System für eine bestimmte Hublänge beider Kolben unter verschiedenen möglichen sorgen. Im Fall einer Änderung der Flussrate (Verringerung oder Erhöhung auf einen anderen einstellbaren Wert) bedeutete das, dass auch dann eine automatische Einstellung der Hublänge zu erfolgen hätte.
[33] Was hierbei zu geschehen hat, besagten die Merkmale 7.3 und 7.4. Weder bei einer Erhöhung der Flussrate noch bei einer Verringerung der Flussrate darf danach das Hubvolumen gleich bleiben. Eine Änderung der Einstellung der Flussrate muss vielmehr auch eine Änderung des Hubvolumens nach oben oder unten zur Folge haben. Ausgehend von dem eingangs erwähnten Verständnis müsste daher die Einrichtung jeder vom Betreiber einstellbaren Flussrate dadurch Rechnung tragen, dass ein dieser Flussrate eigenes Hubvolumen gepumpt wird, das sich von dem Hubvolumen unterscheidet, mit der bei der nächst höheren oder nächst niedrigeren einstellbaren Flussrate gearbeitet wird. Hinsichtlich des Maßes der Verringerung oder Erhöhung des Hubvolumens bei geänderter Einstellung einer der möglichen Flussraten schreibt Merkmal 7.4 schließlich die Orientierung an dem dort vorgegebenen Ziel vor.
[34] c) Die vorstehend skizzierte Auslegung führt jedoch nicht ohne Weiteres zur Feststellung, dass das A.-System Patentanspruch 1 des Klagepatents nicht wortsinngemäß verwirklicht. In der Rechtsprechung des Senats ist anerkannt, dass über die Verletzungsfrage nicht allein die Form entscheidet, die eine als patentverletzend beanstandete Ausführung bei Berücksichtigung aller ihrer Gestaltungsmerkmale in ihrer konkreten Form hat (BGHZ 112, 140 - Befestigungsvorrichtung II; BGH v. 17.3.1994 - X ZR 16/93, BGHZ 125, 303 = MDR 1995, 64 - Zerlegvorrichtung für Baumstämme; BGH v. 18.5.1999 - X ZR 156/97, BGHZ 142, 7 = CR 2000, 303 - Räumschild), und dass letztlich die objektive Eignung maßgeblich ist, die sich bei einer Sache daraus ergibt, wie sie benutzt werden kann, und nicht daraus, wie sie im Einzelfall oder üblicherweise benutzt wird (Senat, Urt. v. 13.12.2005 - X ZR 14/02, BGHReport 2006, 665 = GRUR 2006, 399, 401 - Rangierkatze). Im Streitfall könnte es deshalb darauf ankommen, ob das A.-System nach seiner vorrichtungsmäßigen Ausgestaltung unter Beschränkung auf die drei oder fünf Flussraten bedient werden kann, bei denen eine Umstellung des Hubvolumens erfolgt. Bejahendenfalls könnten jedenfalls die Merkmale 7.2 und 7.3 verwirklicht sein und es könnte nur noch die wortsinngemäße Verwirklichung von Merkmal 7.4 in Frage stehen, zu dem dann auch auf der Grundlage der vorstehend erörterten Auslegung von Patentanspruch 1 ebenfalls noch weitere Feststellungen des Berufungsgerichts notwendig wären.
[35] 6. Sollte das Berufungsgericht nach erneuter Prüfung, die nach den vorstehenden Ausführungen den gesamten Prozessstoff zu umfassen hat, zu dem Ergebnis gelangen, dass Ansprüche wegen Patentverletzung bestehen, wird eine Zurückweisung der Berufung insoweit nicht in Betracht kommen, als das LG festgestellt hat, die Beklagten hätten den der Klägerin entstandenen oder noch entstehenden Schaden zu ersetzen. Denn die Klägerin klagt nicht aus eigenem Recht.
Fundstellen
Haufe-Index 1774105 |
BGHR 2007, 975 |
EBE/BGH 2007 |
GRUR 2007, 959 |
CIPReport 2007, 58 |
IIC 2008, 832 |
Mitt. 2007, 414 |