Entscheidungsstichwort (Thema)
Verweis auf nicht verlesene notarielle Niederschrift. Wirksamkeit bei festgestelltem Verzicht der Vertragsparteien auf Verlesen. Darlegungs- und Beweislast
Leitsatz (amtlich)
a) Wird in der Niederschrift auf eine andere notarielle Niederschrift verwiesen, die nach den Vorschriften über die Beurkundung von Willenserklärungen errichtet worden ist, so liegt, wenn diese Niederschrift nicht verlesen worden ist, eine wirksame Beurkundung nur vor, wenn die Beteiligten erklärt haben, dass ihnen der Inhalt der anderen Niederschrift bekannt ist und dass sie auf das Verlesen verzichten. Fehlt entgegen § 13a Abs. 1 S. 2 BeurkG in der Niederschrift die Feststellung, dass diese Erklärungen abgegeben wurden, so steht dies der Wirksamkeit nicht entgegen.
b) Fehlt in der Niederschrift die Feststellung nach § 13a Abs. 1 S. 2 BeurkG, so hat dies auf die allgemeinen Grundsätze über die Darlegungs- und Beweislast in einem Rechtsstreit zwischen den beteiligten Vertragsparteien keinen Einfluss.
Normenkette
BeurkG § 13a Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Urteil vom 02.12.2002) |
LG Ulm |
Tenor
Auf die Revision des Streithelfers der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Stuttgart v. 2.12.2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit Vertrag v. 18.8.1999, der von dem Streithelfer der Beklagten beurkundet wurde, kauften die Klägerin und ihr Ehemann von der Beklagten eine Teileigentumseinheit in einem Geschäftshaus in U. zum Preis von 575.000 DM. Das Geschäftshaus bedurfte zunächst der Sanierung und teilweisen Neuerrichtung. Die Beklagte verpflichtete sich, die dazu erforderlichen Arbeiten gemäß einer von dem Streithelfer zuvor anderweit beurkundeten Baubeschreibung zu erstellen. Die Begründung von Wohn- und Teileigentum sollte auf der Grundlage einer ebenfalls bereits beurkundeten Teilungserklärung nebst Nachträgen erfolgen.
In dem Kaufvertrag heißt es u. a.:
"Auf Baubeschreibung und Teilungserklärung samt Nachträgen hierzu wird unter Verzicht auf nochmaliges Vorlesen und Beifügen zur heutigen Niederschrift verwiesen. Diese Urkunden werden also zum Inhalt der heutigen Niederschrift gemacht."
Die Klägerin, die sich etwaige Ansprüche ihres Ehemannes hat abtreten lassen, verlangt die Rückabwicklung des Kaufvertrages. Sie hat dazu u. a. behauptet, dass sie und ihr Mann bei der Beurkundung nicht erklärt hätten, dass ihnen der Inhalt der in Bezug genommenen notariellen Urkunden über die Baubeschreibung und die Teilungserklärungen bekannt seien. Infolgedessen fehle es an einer wirksamen Beurkundung. Ferner hat sie Mängel des Kaufgegenstands geltend gemacht. Ihrer auf Rückzahlung des Teilkaufpreises von 512.047,41 DM nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Erteilung von Löschungsbewilligungen hinsichtlich Auflassungsvormerkung und eingetragener Grundschuld, gerichteten Klage haben Land- und OLG stattgegeben. Mit der - zugelassenen - Revision erstrebt der Streithelfer der Beklagten weiterhin die Klageabweisung. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hält den notariellen Vertrag für formunwirksam, da er nicht entsprechend den Vorschriften des Beurkundungsgesetzes beurkundet worden sei. Die schlichte Bezugnahme auf die Baubeschreibung und die Teilungserklärung genügten nicht den Anforderungen des § 13a Abs. 1 BeurkG. Eine, im konkreten Fall unterbliebene, Verlesung dieser früheren notariellen Urkunden sei nur entbehrlich gewesen, wenn die Beteiligten erklärt hätten, dass ihnen deren Inhalt bekannt sei und sie auf das Vorlesen verzichteten. Ob eine solche Erklärung abgegeben worden sei, sei nicht festzustellen. Dies gehe zu Lasten der Beklagten. Zwar müsse an sich die Klägerin die Tatbestandsvoraussetzungen für den bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch, mithin auch das Fehlen des Rechtsgrundes, darlegen und beweisen. Bei einem hier vorliegenden Verstoß gegen die Sollvorschrift des § 13a Abs. 1 S. 2 BeurkG komme der Klägerin aber eine Beweislastumkehr zugute. Wegen der Schutzfunktion des Beurkundungsverfahrens könne aus dem Schweigen der Niederschrift darüber, ob die Parteien erklärt haben, den Inhalt der in Bezug genommenen notariellen Urkunden zu kennen, darauf geschlossen werden, dass solche Erklärungen auch nicht abgegeben worden seien. Das Gegenteil müsse der beweisen, der behaupte, die Erklärungen seien gleichwohl erfolgt.
II.
Dies hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
Der auf § 812 Abs. 1 S. 1 BGB gestützte Rückzahlungsanspruch ist nicht begründet, da die Klägerin nicht den ihr obliegenden Beweis dafür erbracht hat, dass der Zahlung auf den Kaufpreis der Rechtsgrund fehlt, weil der Vertrag v. 18.8.1999 formunwirksam und damit nichtig ist.
1. Bei Grundstücksgeschäften wie hier unterliegen dem Beurkundungserfordernis nach § 313 S. 1 BGB a. F. alle Vereinbarungen, aus denen sich nach dem Willen der Vertragsparteien das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft zusammensetzt (BGH BGHZ 63, 359; Urt. v. 12.2.1981 - VII ZR 230/80, WM 1981, 491; st. Rspr.). Da die Parteien im vorliegenden Fall die Baubeschreibung und die Teilungserklärungen zum Inhalt ihrer vertraglichen Vereinbarungen gemacht haben, ist das Berufungsgericht daher zu Recht davon ausgegangen, dass diese Bestandteile des Rechtsgeschäfts mitzubeurkunden waren.
2. Zutreffend ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, dass von einer wirksamen Beurkundung dieser Vertragsbestandteile nur ausgegangen werden kann, wenn die Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 S. 1 BeurkG erfüllt sind, wenn also die bereits vorher beurkundeten Erklärungen, nämlich die Baubeschreibung und die Teilungserklärung mit Nachträgen, zwar nicht vorgelesen worden sind, die Beteiligten aber erklärt haben, dass ihnen der Inhalt der anderen Niederschriften bekannt sei und dass sie auf das Vorlesen verzichteten. Dass die Urkunde entgegen § 13a Abs. 1 S. 2 BeurkG keine Feststellungen hinsichtlich der nach S. 1 der Norm erforderlichen Erklärungen enthält, stünde einer wirksamen Beurkundung nicht entgegen. Es handelt sich insoweit um eine Sollvorschrift. Entscheidend ist, ob die Parteien die Erklärungen abgegeben haben (Winkler, BeurkG, 15. Aufl., § 13a Rz. 48, 75 m. w. N.). Haben sie dies nicht, so ist die Beurkundung unwirksam, und der Vertrag mangelt der vorgeschriebenen Form mit der Nichtigkeitsfolge des § 125 BGB (BGH, Beschl. v. 29.1.1992 - VIII ZR 95/91, GmbHR 1993, 106 = WM 1992, 670).
3. Nach dem von dem Revisionsgericht zu Grunde zu legenden Beweisergebnis steht weder fest, dass die Parteien die nach § 13a Abs. 1 S. 1 BeurkG erforderlichen Erklärungen abgegeben haben, noch dass sie sie nicht abgegeben haben. Soweit die Revisionserwiderung demgegenüber meint, es sei im Laufe des Prozesses unstreitig geworden, dass jedenfalls die Klägerin im Beurkundungstermin nicht erklärt hat, die in Bezug genommenen Urkunden zu kennen, stehen dem die für den Senat bindenden tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts entgegen (§§ 559 Abs. 1, 314 ZPO). Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt daher hinsichtlich des geltend gemachten Bereicherungsanspruchs davon ab, wer die Beweislast für das Vorliegen bzw. Nicht vorliegen der Erklärungen trägt. Dies ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht die Beklagte, sondern die Klägerin.
a) Das Berufungsgericht verkennt an sich nicht, dass grundsätzlich der Kläger, der eine Leistung unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung zurückfordert, den Beweis dafür zu führen hat, dass der Rechtsgrund fehlt (BGH v. 14.12.1994 - IV ZR 304/93, BGHZ 128, 167 [171] MDR 1995, 359; Urt. v. 9.6.1992 - VI ZR 215/91, BGHR BGB § 812 Abs. 1 S. 1 Beweislast 3 m. w. N. = MDR 1992, 803). Danach obliegt vorliegend der Klägerin der Beweis dafür, dass der Kaufvertrag der erforderlichen Form mangelt, weil er nicht ordnungsgemäß beurkundet worden ist.
An diesem Grundsatz sind - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - auch nicht deswegen Zweifel angebracht, weil diese Beweislastverteilung zu unterschiedlichen Ergebnissen führe, je nachdem, ob die eine erbrachte Leistung zurückfordernde Partei die Unwirksamkeit des Vertrages geltend mache oder die die Leistung fordernde Partei die Wirksamkeit. Denn dies ist keine Besonderheit, die sich nur im Zusammenhang mit der Frage stellt, ob eine Beurkundung den Anforderungen des § 13a Abs. 1 S. 1 BeurkG genügt. Vielmehr ergeben sich diese Unterschiede bei der Beweislast stets, wenn um die Wirksamkeit eines Vertrages gestritten wird und die eine Seite eine bereits erbrachte Leistung zurückfordert und die andere Seite den noch ausstehenden Teil einklagt. Es ist unbestritten und sachlich auch gerechtfertigt, dass die Bereicherungsklage nur Erfolg hat, wenn der Kläger das Fehlen des Rechtsgrunds, also die Unwirksamkeit des Vertrags, beweist, und der Vertragserfüllungsklage nur stattgegeben werden kann, wenn das Bestehen des Vertrags erwiesen ist.
b) Für die Klägerin streitet auch nicht die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit einer über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen notariellen Urkunde. Diese Vermutung steht im Zusammenhang mit dem gesetzlichen Beurkundungserfordernis und dessen Reichweite (BGH, Urt. v. 1.2.1985 - V ZR 180/83, WM 1985, 699). Sie erstreckt sich auf alle Vereinbarungen, aus denen sich nach dem Willen der Vertragspartner das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft zusammensetzt und die daher auch dem Beurkundungserfordernis unterliegen. Sie erfasst damit nicht solche Erklärungen der Parteien, die nicht zu den Vereinbarungen zählen und folglich auch nicht der Beurkundung bedürfen (BGH, Urt. v. 1.2.1985 - V ZR 180/83, WM 1985, 699). So verhält es sich hier. Die Erklärung der Parteien, den Inhalt in Bezug genommener Urkunden zu kennen und auf deren Vorlesung zu verzichten, ist nicht Bestandteil der Einigung i. S. d. Veräußerungsgeschäftes. Sie bedurfte daher nicht der Beurkundung nach § 313 S. 1 BGB a. F. Auch das Beurkundungsgesetz hat den Vermerk über die Abgabe dieser Erklärungen nicht zum Wirksamkeitserfordernis erhoben und die Aufnahme in die Niederschrift nur als Sollvorschrift ausgestaltet (§ 13a Abs. 1 S. 2 BeurkG).
c) Nicht weiterführend für den konkreten Fall sind auch die Überlegungen, die das Berufungsgericht im Zusammenhang mit der Rechtsprechung des BGH zu Beweiserleichterungen bei unvollständiger ärztlicher Dokumentation angestellt hat. Es mag sein, dass die hinter dieser Rechtsprechung stehenden Erwägungen in gleicher Weise für einen Prozess gegen einen Notar gelten, der wegen nicht wirksamer Beurkundung (Fehlen der Erklärungen nach § 13a Abs. 1 BeurkG) in Anspruch genommen wird. Macht der Notar demgegenüber geltend, die Erklärungen seien abgegeben worden, er habe dies nur entgegen § 13a Abs. 1 S. 2 BeurkG nicht in die Niederschrift aufgenommen, so kann es gerechtfertigt sein, ihm im Hinblick auf die ihm als Amtspflicht obliegende (Winkler, BeurkG, 15. Aufl., § 13a Rz. 75; BGH, Urt. v. 25.5.1984 - V ZR 13/83, MDR 1985, 132 = NJW 1985, 2077), von ihm aber unterlassene Dokumentation die Beweislast für das Vorliegen der beurkundungsrechtlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen aufzuerlegen (so im Ergebnis Winkler, BeurkG, 15. Aufl., § 13a Rz. 75).
Solche Erwägungen tragen aber entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keine Umkehrung der Beweislast auch im Verhältnis zu der an sich nicht beweisbelasteten Partei. Diese hat auf die Beachtung der Wirksamkeitserfordernisse und deren Niederlegung in der Urkunde nicht mehr Einfluss als die andere Vertragspartei. Es liegt daher fern, sie deswegen mit beweisrechtlichen Nachteilen zu belasten, weil der Notar Sollvorschriften verletzt hat, bei deren Beachtung der Nachweis der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Beurkundung ohne Schwierigkeiten möglich gewesen wäre. Etwas Anderes folgt auch nicht aus der von dem Berufungsgericht für seine Auffassung herangezogenen Senatsentscheidung BGHZ 142, 84 (BGH v. 18.6.1999 - V ZR 40/98, BGHZ 142, 84 = MDR 1999, 1150), die - worauf die Revision zu Recht hinweist - zu dem vorliegenden Sachproblem keine Aussage enthält.
d) Soweit das Beurkundungsgesetz in § 13 Abs. 1 S. 3 selbst eine Vermutung aufstellt, wonach aus der eigenhändigen Unterschrift der Beteiligten der Schluss darauf gerechtfertigt ist, dass die Niederschrift ordnungsgemäß vorgelesen, ggf. zur Durchsicht vorgelegt und genehmigt wurde, so lassen sich daraus für den vorliegenden Fall ebenfalls keine Folgerungen herleiten. Die Norm ist auf ihren unmittelbaren Anwendungsbereich beschränkt (zur erweiternden Auslegung vgl. BGH, Urt. v. 28.1.1994 - V ZR 131/92, MDR 1995, 352 = NJW 1994, 1288) und scheidet als Grundlage für eine Vermutung dahin, dass eine nicht vermerkte Erklärung nach § 13a Abs. 1 S. 1 BeurkG auch nicht abgegeben wurde, aus, lässt im Übrigen auch nicht den gegenteiligen Schluss zu, dass die Bezugsurkunde vorgelesen oder zur Durchsicht vorgelegt wurde (Winkler, BeurkG, 15. Aufl., § 13a Rz. 51).
e) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung rechtfertigt das "Regel-Ausnahme-Prinzip" keine Umkehr der Beweislast.
Zweifelhaft ist schon, ob die Vorlesungspflicht nach § 13 Abs. 1 S. 1 BeurkG inhaltlich die Regel und das Absehen hiervon unter den Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 S. 1 BeurkG die Ausnahme darstellt (so allerdings Eylmann/Vaasen/Limmer, BNotO/BeurkG, § 13a BeurkG Rz. 1). Zwar ist es grundsätzlich so, dass die Niederschrift über das Vereinbarte zu verlesen ist und dass dies - bis zu der Einfügung des § 13a BeurkG durch das Beurkundungs-Änderungsgesetz v. 20.2.1980 (BGBl. I 1980, 157) - nach der seinerzeit geänderten Rechtsprechung des Senats auch für in Bezug genommene notarielle Urkunden galt (BGH, Urt. v. 23.2.1979 - V ZR 99/77, NJW 1979, 1495; Urt. v. 27.4.1979 - V ZR 175/77, NJW 1979, 1498). Daher könnte § 13a Abs. 1 S. 1 BeurkG als Ausnahme von diesem Grundsatz begriffen werden. Andererseits kann die Vorschrift auch als eigenständige Regelung aufgefasst werden, die den Besonderheiten des typisierten Grundstücksverkehrs mit seinen aufeinander aufbauenden Vertragswerken (Bauträgerverträge, WEG-Teilungserklärungen, Hausverwalterverträge u. a.) Rechnung trägt und eine Verweisung auf andere notarielle Urkunden unter bestimmten Voraussetzungen gerade auch im Interesse der Vertragsparteien zuläßt, die durch eine ansonsten die Grenzen der Aufnahmefähigkeit überschreitende und vom Wesentlichen ablenkende langandauernde Verlesung überfordert werden könnten (vgl. Huhn/von Schuckmann, BeurkG, 3. Aufl., § 13a Rz. 2).
Jedenfalls kann aber von einem die Beweislast verteilenden Regel-Ausnahme-Verhältnis nur ausgegangen werden, wenn dies im Gesetz, ausdrücklich oder durch Auslegung gewonnen (vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 15. Aufl., S. 671), zum Ausdruck gekommen ist, wenn - wie zum Teil auch formuliert wird - die beiden Tatbestände als Norm und Gegennorm erscheinen (vgl. Rosenberg, Die Beweislast, 5. Aufl., S. 119 ff., 124 ff.; Leipold, Beweislastregeln und gesetzliche Vermutungen, 1966, S. 53 ff.; Prütting in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 286 Rz. 112, 113). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Die sprachliche Fassung des § 13a Abs. 1 S. 1 BeurkG lässt nicht erkennen, dass der Gesetzgeber diese Regelung als Ausnahme von der in § 13 Abs. 1 BeurkG statuierten Vorlesungspflicht verstanden wissen wollte. Es fehlen die hierfür typischen Wendungen wie "dies gilt nicht", "die Vorschrift ist nicht anzuwenden, wenn", "es sei denn" oder ähnl. (vgl. Prütting in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 286 Rz. 112). Ein solches Verständnis drängt sich auch nicht aus Sachgründen auf. Die Norm regelt, wie zu verfahren ist, wenn auf notarielle Urkunden verwiesen wird und deren Verlesung erspart werden soll. Dabei gibt es keine Sachgründe, unabhängig von Anspruchsnormen, bei denen es auf die Wirksamkeit der Beurkundung ankommt, die Beweislast zu verteilen. Weder spricht die Wahrscheinlichkeit als Grundlage für ein Regel-Ausnahme-Verhältnis (vgl. Leipold, Beweislastregeln und gesetzliche Vermutungen, 1966, S. 56) dafür, dass alles zu verlesen ist, die Bezugnahme demgegenüber der Ausnahmefall ist, noch steht einer der Beteiligten der zu beweisenden Tatsache näher. Dass der Notar die Förmlichkeiten beachtet hat, ist für beide Vertragspartner gleich wahrscheinlich oder zufällig und von dem einen nicht eher beeinflussbar als von dem anderen.
Soweit das Berufungsgericht auf ein Regel-Ausnahme-Verhältnis hinsichtlich der Beachtung der Sollvorschrift des § 13a Abs. 1 S. 2 BeurkG durch den Notar abstellt, verkennt es, dass der Gesetzgeber hier kein Verhältnis von Regel und Ausnahme begründet hat, sondern lediglich dem Notar aufgegeben hat, in jedem Fall in der Niederschrift festzuhalten, dass die Parteien die Erklärungen nach Abs. 1 S. 1 der Norm abgegeben haben. Was dem Berufungsgericht möglicherweise vorgeschwebt hat und worauf auch die Revisionserwiderung die Entscheidung stützen möchte, ist die Überlegung, dass der Notar im Regelfall die Sollvorschrift beachten wird, so dass bei einem Fehlen des Vermerks angenommen werden könne, die Parteien hätten auch nichts erklärt. Dieser Schluss ist aber ebenfalls nicht gerechtfertigt. Da der Gesichtspunkt der Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Urkunde nicht trägt (s.o.), ließe er sich nur auf einen Lebenserfahrungssatz stützen, dass nämlich Notare im Allgemeinen die ihnen auferlegten Pflichten beachten. Abgesehen davon, dass dies nicht zu einer Umkehr der Beweislast, sondern nur zu einem im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigenden Anscheinsbeweis führte (vgl. nur Prütting in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 286 Rz. 51 ff.), gibt es aber auch keinen Erfahrungssatz dieses Inhalts, wie wiederum das Berufungsgericht selbst nicht verkannt hat. Es ist wahrscheinlicher, dass ein Notar das Gesetz beachtet, als dass er dagegen verstößt. Es besteht aber nicht ein solcher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass hierauf eine richterliche Überzeugung gegründet werden könnte.
f) Schließlich lassen sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch aus der Schutzfunktion des Beurkundungsverfahrens keine Gründe für eine Beweislastumkehr herleiten. Die Sollvorschrift des § 13a Abs. 1 S. 2 BeurkG bezweckt den Schutz aller am Beurkundungsverfahren Beteiligten. Aus dem Schweigen der Niederschrift über eine Abgabe der Erklärungen nach Abs. 1 S. 1 der Vorschrift können vor dem Hintergrund des Schutzgedankens keine Schlussfolgerungen für die Beweislast gezogen werden. Es ist nicht gerechtfertigt, wegen des Schutzzwecks, den Beteiligten die Bedeutung der Bezugnahme vor Augen zu führen, demjenigen eine Umkehr der Beweislast zugute kommen zu lassen, der sich auf das Fehlen der nach § 13a Abs. 1 S. 1 BeurkG erforderlichen Erklärung beruft. Er ist nicht schutzwürdiger als sein Vertragspartner, der behauptet, die Erklärung sei abgegeben worden. Eine angemessene Beweislastverteilung ist nur unter Berücksichtigung des jeweils geltend gemachten Anspruchs oder Gegenrechts möglich. Nur als Tatbestandsvoraussetzung für den Anspruch oder den ihm entgegengesetzten Einwand gewinnt die Behauptung, das Wirksamkeitserfordernis für die Inbezugnahme einer fremden notariellen Urkunde fehle, Konturen, an denen sich Beweislastregeln orientieren können. Danach trägt die Klägerin als diejenige, die das Fehlen des Rechtsgrundes für die erbrachte Leistung zu beweisen hat, die Nachteile des non liquet im Hinblick auf die Frage, ob der Vertrag ordnungsgemäß beurkundet worden ist oder nicht.
III.
Der Rechtsstreit ist nicht zur Entscheidung reif, da sich das Berufungsgericht mit dem von der Klägerin im übrigen vorgebrachten Klagegrund der Rückabwicklung des Kaufvertrages unter dem Gesichtspunkt der Mängelhaftung oder des Rücktritts nicht auseinander gesetzt und dazu keine Feststellungen getroffen hat. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 969391 |
DB 2003, 2597 |
BGHR 2003, 1121 |
FamRZ 2003, 1460 |
NJW-RR 2003, 1432 |
JurBüro 2004, 107 |
MittBayNot 2004, 137 |
NZM 2003, 820 |
WM 2004, 195 |
DNotZ 2004, 188 |
MDR 2004, 26 |
ZNotP 2003, 394 |
ZNotP 2003, 429 |
KammerForum 2003, 420 |