Leitsatz (amtlich)
Übersendet eine Bildagentur einem Kunden „leihweise” Original-Diapositive zur Auswahl und gegebenenfalls zur urheberrechtlichen Nutzung mit der Maßgabe, daß die Diapositive innerhalb einer bestimmten Frist zurückzugeben sind, ist Leistungsort für die Rückgabeverpflichtung des Kunden in der Regel der Sitz der Bildagentur. Dies hat zur Folge, daß der Kunde im Fall, daß die Diapositive im Zuge der Rücksendung verloren gehen, für ein Verschulden des Transportunternehmens nach § 278 BGB haftet und sich insofern nach § 280 Abs. 1, § 282 BGB entlasten muß.
In dem Umstand, daß die Bildagentur weder Kopien noch Kontaktabzüge der übersandten Original-Diapositive zurückbehält, liegt kein mitwirkendes Verschulden an dem durch den Verlust eingetretenen Schaden. Doch wirkt sich die dadurch begründete Ungewißheit über die verlorengegangenen Bilder im Rahmen der Schätzung eines Mindestschadens nach § 287 ZPO zu Lasten der Bildagentur aus.
Normenkette
BGB § 269 Abs. 1, § 604 Abs. 1, §§ 278, 280, 282, 254; ZPO § 287
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin und die Anschlußrevision der Beklagten wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 24. August 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien – die Klägerin betreibt eine Bildagentur in München, die Beklagte eine Werbeagentur in Düsseldorf – stehen seit mehreren Jahren in Geschäftsbeziehungen. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen des Verlustes von Diapositiven.
Die Klägerin räumt ihren Kunden im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs das Recht zur einmaligen Vervielfältigung und Verbreitung von Bildmaterial ein. Dabei geht sie im allgemeinen so vor, daß sie eine Auswahl von Originaldiapositiven zu einem bestimmten Thema gegen eine Bearbeitungsgebühr von 80 DM zusammenstellt und dem Kunden übersendet. Der Kunde kann nun auswählen, welche Bilder er verwenden möchte. Für jedes verwendete Bild fällt nach den „Liefer- und Zahlungsbedingungen” der Klägerin eine Vergütung an. Die Klägerin bleibt dabei Eigentümerin der Diapositive, die ihr zurückgegeben werden müssen. Dem Kunden wird lediglich das Recht zur einmaligen Verwendung der ausgewählten Bilder eingeräumt.
Bei früheren Bestellungen hatte die Klägerin der Beklagten jeweils eine Auswahl von Originaldiapositiven in der beschriebenen Weise übersandt. Auf dem der Sendung beigefügten Lieferschein war jeweils auf die umseitig abgedruckten „Liefer- und Zahlungsbedingungen” der Klägerin hingewiesen worden. Diese enthalten u.a. folgende Regelungen:
I. Urheberrecht und Haftung
Das von uns gelieferte Photo- und Pressematerial ist und bleibt Eigentum der Bildagentur H. [Klägerin]. Das Material wird nur leihweise zur Verfügung gestellt und ist wieder zurückzugeben. …
Vom Empfang der Sendung bis zum Wiedereintreffen bei uns haftet der Besteller für Beschädigungen und Verlust.
…
III. Zahlungsbedingungen
Jede Verwendung unseres Materials ist honorarpflichtig. Das Honorar muß vor Veröffentlichung vereinbart werden und gilt nur für die einmalige Verwendung und zum angegebenen Zweck. …
IV. Gebühren
Für die Zusammenstellung von Material wird eine Bearbeitungsgebühr berechnet, die sich nach Arbeitsaufwand und Umfang richtet, mindestens jedoch DM 80 beträgt.
Portokosten werden wie folgt berechnet:
- DM 30 bei Einschreib-/Eilbotensendungen
- DM 40 bei Auslandssendungen
Kuriersendungen gehen zu Lasten des Empfängers.
V. Vertragsstrafen
…
Bei Totalverlusten bemißt sich die Schadensersatzforderung der Bildagentur H. [Klägerin] nach dem Wegfall der Nutzungsmöglichkeiten eines Bildes. Sie gilt jedenfalls mit DM 3.000 pro Bild als vereinbart, ohne daß die Bildagentur insoweit die Höhe des Schadens nachzuweisen hat. Doch bleibt die Bildagentur berechtigt, im Einzelfall weitergehende Schadensersatzforderungen auf der Basis des 3- bis 10fachen Betrages der vereinbarten oder üblichen Lizenzgebühren geltend zu machen.
…
Am 17. Juni 1996 bestellte die Beklagte bei der Klägerin eine Bildauswahl zum Thema „Landschaft und Natur”. Die Klägerin schickte der Beklagten noch am selben Tag eine Auswahl von 33 Originaldiapositiven. Auf dem beigefügten Lieferschein heißt es: „Sie erhalten zu den umseitigen Liefer- und Geschäftsbedingungen KB-Dias, Anzahl 33 Originale”. Ferner war eine „Leihdauer” von vier Wochen und ein Honorar von „mindestens DM 300 pro Bild” vermerkt. Die Bilder trafen bei der Beklagten ordnungsgemäß ein.
Nachdem die Klägerin zweimal wegen der Rücksendung der Bilder gemahnt hatte, teilte die Beklagte mit, sie habe die Bilder am 19. Juni 1996, ohne sie für eine Veröffentlichung zu nutzen, per Einschreiben zurückgesandt; wie ihr die Deutsche Post bestätigt habe, sei die Sendung verlorengegangen. Die Deutsche Post zahlte der Beklagten für den Verlust 50 DM.
Die Klägerin hat behauptet, ihr sei wegen des Verlustes ein Schaden in Höhe von 2.000 DM pro Bild entstanden. Der Nutzwert eines Bildes ergebe sich daraus, daß es mindestens acht- bis zehnmal verwendet werden könne. Die Herstellung gleichwertiger Aufnahmen verursache darüber hinausgehende Kosten. Sie hat der Beklagten für jedes übersandte Originaldiapositiv 2.000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer, insgesamt 70.620 DM, in Rechnung gestellt. Diesen Betrag zuzüglich Zinsen macht sie mit ihrer Klage geltend. Die Beklagte ist der Klage, soweit sie den von der Deutschen Post erstatteten Betrag von 50 DM übersteigt, entgegengetreten.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 50 DM zuzüglich Zinsen verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagte unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung zur Zahlung von 10.593 DM zuzüglich Zinsen verurteilt.
Hiergegen wendet sich die Revision der Klägerin, mit der sie ihren Klageantrag, soweit ihm das Berufungsgericht nicht stattgegeben hat, weiterverfolgt. Die Beklagte tritt der Revision entgegen. Mit ihrer Anschlußrevision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, möchte sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat der Klägerin einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 300 DM für jedes der 33 nicht zurückgegebenen Diapositive zugesprochen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Der Anspruch der Klägerin ergebe sich aus § 280 Abs. 1, § 278 BGB. Zwischen den Parteien sei ein Vertrag zustande gekommen, der verschiedene Elemente enthalte. Hinsichtlich der Überlassung der Diapositive sei von leihvertraglichen Elementen auszugehen, so daß sich die Rückgabepflicht der Beklagten aus § 604 BGB ergebe. Nach dieser Bestimmung treffe den Entleiher eine am Wohnsitz des Verleihers zu erfüllende Bringschuld. Damit hafte die Beklagte für das Verschulden des von ihr eingesetzten Erfüllungsgehilfen, also für das Verschulden der von ihr mit der Rücksendung beauftragten Deutschen Post, die die Unmöglichkeit der Rückgabe an die Klägerin zu vertreten habe.
Den der Klägerin entstandenen Schaden hat das Berufungsgericht nach § 287 ZPO auf mindestens 300 DM pro Diapositiv geschätzt. Einen Schaden in Höhe von 2.000 DM pro Diapositiv habe die Klägerin nicht dargetan; aus ihrem Vortrag ergebe sich nicht, ob die übersandten Bilder acht- bis zehnmal hätten verwendet werden können. Da die Klägerin zu den verlorengegangenen Bildern nichts habe vortragen können, fehle es auch an den notwendigen Anknüpfungstatsachen für ein Sachverständigengutachten.
Auf die Bestimmung in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach der sie bei Verlust einen Schaden bis zu 3.000 DM pro Bild nicht nachweisen müsse, könne sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen. Denn diese Klausel sei auch im kaufmännischen Verkehr nach § 9 AGBG unwirksam.
II. Die Angriffe der Anschlußrevision der Beklagten, die sich gegen die Bejahung des Schadensersatzanspruchs dem Grunde nach richten, haben keinen Erfolg. Dagegen führen sowohl die Anschlußrevision der Beklagten als auch die Revision der Klägerin, soweit sie sich gegen die Höhe des angenommenen Schadens wenden, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus § 280 Abs. 1, § 278 BGB bejaht.
a) Die die Beklagte treffende Verpflichtung, die ihr überlassenen Diapositive zurückzugeben, ergibt sich aus Vertrag.
Die zwischen den Parteien bestehende Geschäftsverbindung war dadurch gekennzeichnet, daß die Beklagte zuweilen Fotografien aus dem Agenturbestand der Klägerin verwendete. Hierfür wurden der Beklagten – gleichgültig, ob es sich um Lichtbildwerke i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 UrhG oder um lediglich durch ein Leistungsschutzrecht geschützte Lichtbilder nach § 72 UrhG handelte – die entsprechenden urheberrechtlichen Nutzungsrechte eingeräumt. Darin erschöpften sich die vertraglichen Bindungen der Parteien jedoch nicht. Vielmehr kam zwischen den Parteien bereits durch die telefonische Bestellung einer Bildauswahl ein Vertragsverhältnis zustande, durch das dreierlei geregelt wurde: die Auswahl geeignet erscheinender Fotografien durch die Klägerin, die Überlassung der entsprechenden Diapositive einschließlich der Übersendung und Rücksendung sowie die Einräumung urheberrechtlicher Nutzungsrechte für den Fall, daß die Beklagte eines oder mehrere Bilder verwenden wollte.
b) Auf die Verpflichtung der Beklagten, die ihr überlassenen Diapositive zurückzugeben, ist entgegen der Auffassung der Anschlußrevision die leihvertragliche Bestimmung des § 604 Abs. 1 BGB anzuwenden.
Die Komponente des Vertragsverhältnisses, die die Überlassung der Diapositive betrifft, wird am ehesten durch den Vertragstyp der Leihe erfaßt. Bei einem gemischten Vertrag, der keinem gesetzlichen Vertragstyp entspricht, sind grundsätzlich für die einzelnen Leistungen die Rechtsnormen heranzuziehen, die für den fraglichen Vertragsbestandteil maßgebend sind. Dies sind vorliegend die Bestimmungen über die Leihe (§§ 598 ff. BGB; so auch Habel/Meindl, ZUM 1993, 270, 272; OLG Hamburg ZUM 1998, 665, 667). Denn es handelt sich bei diesem Bestandteil des Vertrages darum, daß die Klägerin der Beklagten den Gebrauch der Diapositive für eine bestimmte Zeit gestatten sollte; anders als die Bildauswahl und die Einräumung eines Nutzungsrechts sollte diese Gebrauchsüberlassung unentgeltlich sein.
Die Anschlußrevision der Beklagten steht demgegenüber auf dem Standpunkt, zwischen den Parteien sei – entsprechend einem Kaufvertrag auf Probe oder auf Besicht nach §§ 495, 496 BGB – eine urheberrechtliche Nutzungsrechtseinräumung unter der aufschiebenden Bedingung der Billigung vereinbart worden. Da die Beklagte keine der übersandten Fotografien als geeignet erachtet habe, sei der zunächst bedingt abgeschlossene Lizenzvertrag nicht zustande gekommen. Diese Erwägung betrifft jedoch lediglich die urheberrechtliche Nutzungsrechtseinräumung, die – dies ist der Anschlußrevision einzuräumen – bereits zum Zeitpunkt der ursprünglichen telefonischen Bestellung aufschiebend bedingt vereinbart worden sein mag. Die weiteren rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen der Parteien – also die Auswahl geeignet erscheinender Fotografien durch die Klägerin sowie die Überlassung der entsprechenden Diapositive – sind dagegen unbedingt getroffen worden. Sie sollten unabhängig davon Geltung haben, ob Nutzungsrechte eingeräumt werden; von der Erwägung, die Lizenzvereinbarung sei aufschiebend bedingt geschlossen worden, werden sie nicht berührt.
c) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, daß die die Beklagte treffende Rückgabeverpflichtung am Sitz der Klägerin in München zu erfüllen war (Bringschuld), daß es also die Beklagte nicht lediglich übernommen hatte, für eine angemessene Rücksendung der Diapositive an die Klägerin Sorge zu tragen (Schickschuld). Wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, entspricht es der allgemeinen Auffassung, daß es sich bei der leihvertraglichen Rückgabeverpflichtung in der Regel um eine Bringschuld handelt (vgl. OLG Köln DB 1972, 2392; Staudinger/Reuter, BGB, Bearbeitung 1995, § 604 Rdn. 2; RGRK/Gelhaar, BGB, 12. Aufl., § 604 Rdn. 3; Soergel/Kummer, BGB, 12. Aufl., § 604 Rdn. 1; Erman/Werner, BGB, 10. Aufl., § 604 Rdn. 2; MünchKomm.BGB/Kollhosser, 3. Aufl., § 604 Rdn. 6; Palandt/Putzo, BGB, 60. Aufl., § 604 Rdn. 1). Allerdings kann sich aus der Vereinbarung oder aus der Art des Vertragsverhältnisses etwas anderes ergeben. So kann den Entleiher im Einzelfall lediglich eine (an seinem Sitz zu erfüllende) Versendungspflicht treffen (Schickschuld). Dies mag, worauf die Anschlußrevision der Beklagten mit Recht hinweist, gerade dann naheliegen, wenn die Gebrauchsüberlassung – etwa im Zuge von Vertragsanbahnungen – überwiegend im wirtschaftlichen Interesse des Verleihers erfolgt (vgl. Soergel/Kummer aaO; MünchKomm.BGB/Kollhosser aaO; Erman/Werner aaO § 601 Rdn. 2 u. § 604 Rdn. 1).
Entgegen der Ansicht der Anschlußrevision der Beklagten deutet die Interessenlage im Streitfall nicht auf eine solche abweichende Regelung hin. Die Überlassung der Diapositive an die Beklagte liegt gleichermaßen im wirtschaftlichen Interesse der Klägerin wie der Beklagten. Sie kann nicht ohne weiteres allein den Akquisitionsbemühungen der Klägerin zugerechnet werden. Hierauf deutet auch hin, daß die Klägerin eine Bearbeitungsgebühr für die Auswahl geeignet erscheinender Fotografien sowie Portokosten für die Übersendung der Diapositive an die Kunden in Rechnung stellt.
d) Die „Liefer- und Zahlungsbedingungen” der Klägerin bestätigen diese Beurteilung.
Die Bedingungen, die die Klägerin bei Übersendung der Diapositive mitgeschickt hat, sind zum Bestandteil des Vertrages geworden. Da die Beklagte ein kaufmännisches Unternehmen ist, brauchen vorliegend die Voraussetzungen nach § 2 AGBG nicht vorzuliegen (§ 24 Nr. 1 AGBG a.F.); vielmehr ist eine stillschweigende Unterwerfung ausreichend, wenn der Vertragspartner aufgrund der bestehenden Geschäftsverbindung weiß oder wissen muß, daß der Vertragsgegner allgemeine Bedingungen zugrunde zu legen pflegt (BGHZ 42, 53, 55; BGH, Urt. v. 6.12.1990 – I ZR 138/89, NJW-RR 1991, 570, 571). Im Streitfall waren der Beklagten die „Liefer- und Zahlungsbedingungen” der Klägerin aufgrund der früheren Übersendungen von Diapositiven bekannt. Dabei reichte der Abdruck der Geschäftsbedingungen auf dem bei Übersendung der Diapositive anliegenden Lieferschein aus; denn nach den Umständen ist anzunehmen, daß der für die Bestellung zuständige Mitarbeiter der Beklagten die „Liefer- und Zahlungsbedingungen” zur Kenntnis genommen hat.
In den „Liefer- und Zahlungsbedingungen” der Klägerin ist festgehalten, daß die Diapositive „nur leihweise zur Verfügung gestellt” werden. Ferner ist geregelt, daß der Besteller vom Empfang der Sendung bis zum Wiedereintreffen bei der Klägerin für Beschädigungen und Verlust haftet. Auch wenn hierin, wie das Berufungsgericht betont hat, keine Vereinbarung darüber liegt, wo die Beklagte die Rückgabeverpflichtung erfüllen sollte, wird doch deutlich, daß die Parteien nichts vereinbart haben, was darauf hindeuten könnte, die Rückgabeverpflichtung der Beklagten solle bereits mit Rücksendung der Diapositive erfüllt sein. Vielmehr deuten auch die im Streitfall getroffenen Vereinbarungen auf eine Bringschuld der Beklagten hin.
e) Der Beklagten ist die Erfüllung ihrer Rückgabeverpflichtung unmöglich geworden. Diese Unmöglichkeit hat die Beklagte auch zu vertreten (§ 280 Abs. 1 BGB).
Hatte die Beklagte ihre Rückgabeverpflichtung am Sitz der Klägerin zu erfüllen, so hat sie sich der Deutschen Post als eines Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB bedient und für deren Verschulden (bzw. für das ihrer Mitarbeiter) einzustehen. Nach § 282 BGB wäre es Sache der Beklagten gewesen darzutun, daß ihr die Rückgabe der Diapositive aufgrund eines von ihr nicht zu vertretenden Umstandes unmöglich geworden ist. Entsprechendes hat die Beklagte nicht vorgetragen.
2. Mit Erfolg wendet sich die Revision der Klägerin dagegen, daß das Berufungsgericht von einem Schaden in Höhe von maximal 300 DM pro Diapositiv ausgegangen ist. Unter den gegebenen Umständen hätte das Berufungsgericht die erforderliche Schätzung der Schadenshöhe nicht ohne Inanspruchnahme sachverständiger Hilfe vornehmen dürfen.
a) Fehl geht allerdings die Rüge, die Forderung in Höhe von 2.000 DM pro Diapositiv sei schon deshalb begründet, weil in den „Liefer- und Zahlungsbedingungen” der Klägerin eine „Vertragsstrafe” in Höhe von mindestens 3.000 DM für jedes verlorengegangene Diapositiv vereinbart worden sei. Das Berufungsgericht hat in dieser Klausel – entgegen der Bezeichnung als Vertragsstrafe – eine Schadenspauschalierung gesehen, weil es der Klägerin der Sache nach nicht um eine Vertragsstrafe, sondern darum gegangen sei, Schwierigkeiten bei der Schadensberechnung zu vermeiden. Dies nimmt die Revision – als ihr günstig – hin. Sie wendet sich jedoch gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klausel sei auch als Schadenspauschalierung nicht wirksam, weil der Beklagten der Beweis abgeschnitten sei, im Einzelfall sei kein oder ein geringerer Schaden entstanden (§§ 9, 11 Nr. 5 lit. b AGBG). Diese Rüge ist indessen unbegründet.
Nach der grundsätzlichen Wertung des Gesetzgebers muß eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Schadenspauschalierung dem Vertragspartner den Einwand erlauben, daß in Wirklichkeit kein oder ein wesentlich niedrigerer Schaden entstanden ist. Die in § 11 Nr. 5 lit. b AGBG zum Ausdruck kommende Bewertung des Gesetzgebers ist grundsätzlich auch im kaufmännischen Verkehr (§ 24 Satz 1 Nr. 1 AGBG a.F.) anwendbar. Denn eine derartige Klausel, die dem Vertragspartner die Möglichkeit des Beweises eines niedrigeren Schadens abschneidet, benachteiligt diesen nach § 9 AGBG in unangemessener Weise (BGHZ 113, 55, 61 f.; BGH, Urt. v. 12.1.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060, 1068, insoweit nicht in BGHZ 124, 351). Dem kann die Revision nicht mit Erfolg entgegenhalten, eine Klausel wie die verwendete sei branchenüblich; hierauf müsse angemessen Rücksicht genommen werden (§ 24 Satz 2 AGBG). Denn den besonderen Schwierigkeiten, die bei Fotografien hinsichtlich des Schadensnachweises bestehen, wird durch eine Schadenspauschalierung, die den Gegenbeweis nicht abschneidet, ebenfalls Rechnung getragen. Die Branchenübung kann daher auch durch eine den Wertungen des Gesetzes entsprechende Vereinbarung angemessen berücksichtigt werden.
Entgegen der von der Revision in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht ist auch davon auszugehen, daß die in Rede stehende Klausel den Eindruck einer den Gegenbeweis ausschließenden Festlegung erweckt. Zwar braucht dem Vertragspartner das Recht zum Gegenbeweis nicht ausdrücklich vorbehalten zu werden (BGH, Urt. v. 16.6.1982 – VIII ZR 89/81, NJW 1982, 2316, 2317). Aus der gewählten Formulierung darf sich jedoch nicht ergeben, daß der Gegenbeweis ausgeschlossen sein soll. Einen solchen – konkludenten – Ausschluß hat die Klägerin aber in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgenommen, indem sie die Nutzungsmöglichkeiten „jedenfalls mit DM 3.000 pro Bild” bezeichnet und sich einen entsprechenden Schadensersatz hat versprechen lassen (BGH, Urt. v. 8.11.1984 – VII ZR 256/83, NJW 1985, 632). Noch verbleibende Zweifel, die diese Formulierung möglicherweise zuläßt, gehen nach der auch im kaufmännischen Verkehr anwendbaren Regelung des § 5 AGBG (vgl. BGH, Urt. v. 29.9.1987 – VI ZR 70/87, NJW-RR 1988, 113, 114) zu Lasten des Verwenders, hier also der Klägerin.
b) Kann sich die Klägerin hinsichtlich der Schadenshöhe nicht auf ihre „Liefer- und Zahlungsbedingungen” stützen, kann sie nur den nachgewiesenen Schaden geltend machen. Im Rahmen der gebotenen Schadensschätzung (§ 287 ZPO) und -berechnung hat das Berufungsgericht die für eine einmalige Verwendung vorgesehene Mindestlizenzgebühr in Höhe von 300 DM zugrunde gelegt. Zwar hat das Berufungsgericht nicht verkannt, daß diese Mindestlizenzgebühr möglicherweise mehrfach verdient wird. Es hat jedoch Vortrag der Klägerin dazu vermißt, daß dies auch gerade bei den 33 übersandten und später verlorengegangenen Bildern der Fall gewesen wäre.
Hiergegen wendet sich die Revision der Klägerin mit Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an den Klagevortrag überspannt. Da die fraglichen Originale verlorengegangen sind, ist es der Klägerin unmöglich gemacht worden, Einzelheiten über die Möglichkeiten der Verwertung dieser konkreten Bilder vorzutragen. Der Klägerin stand danach kein anderer Weg offen, als auf die Zahl der allgemein üblichen Verwertungen zu verweisen und darzutun, ob und inwieweit für die verlorengegangenen Bilder etwas anderes gegolten hätte. Dem ist sie, worauf die Revision verweist, dadurch nachgekommen, daß sie vorgetragen hat, auch hinsichtlich der in Rede stehenden Bilder sei von einer durchschnittlichen Zahl von Verwertungen – diese Zahl liege bei acht bis zehn Verwertungen – auszugehen. Die Klägerin hatte ferner, worauf die Revision ebenfalls abstellt, ein in einem anderen Verfahren eingeholtes gerichtliches Gutachten vorgelegt, in dem der Sachverständige allgemeine Erwägungen zu dem Wert der von der Klägerin verwalteten Bilder angestellt hatte.
Die Revision rügt mit Erfolg, daß dieses Vorbringen das Berufungsgericht dazu hätte veranlassen müssen, das von der Klägerin beantragte Sachverständigengutachten über die Höhe des Schadens einzuholen. Dies hat das Berufungsgericht mit der Begründung abgelehnt, die Klägerin habe zum Inhalt der verlorengegangenen Diapositive keine konkreten Angaben gemacht, so daß es an den für ein Sachverständigengutachten erforderlichen Anknüpfungstatsachen fehle. Damit hat das Berufungsgericht jedoch nicht hinreichend berücksichtigt, daß die Klägerin – wie sie mit ihrer Revision rügt – bereits in erster Instanz im einzelnen unter Beweisantritt vorgetragen hatte, um was es sich bei den verlorengegangenen Bildern gehandelt habe (Name des Fotografen, Motiv etc.; Schriftsatz der Klägerin vom 7.7.1997, S. 6 = GA 22). Auf diesen Vortrag hat die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung in zulässiger Weise Bezug genommen (Schriftsatz vom 25.2.1998, S. 3 = GA 68). Unter diesen Umständen hätte ein Sachverständiger zwar keine Aussagen zu dem Wert der konkreten Bilder machen können; er hätte jedoch weitere Anhaltspunkte für eine Schätzung nach § 287 ZPO liefern können. Hätte der Sachverständige auf dieser Grundlage zu Angaben über den Wert derartiger Fotografien gelangen können, hätte das Berufungsgericht den verbleibenden Unsicherheiten im Rahmen der gebotenen Schätzung eines Mindestschadens Rechnung tragen können.
c) Die Verneinung eines höheren Schadens als 300 DM pro Bild läßt sich auch nicht mit dem in anderem Zusammenhang erhobenen Einwand der Revisionserwiderung begründen, der Beklagten seien unaufgefordert Originale statt – wie branchenüblich – Duplikate überlassen worden. Ob eine solche Branchenübung besteht, erscheint zweifelhaft, bedarf aber keiner weiteren Klärung. Denn den getroffenen Feststellungen ist zu entnehmen, daß die Klägerin stets Originaldiapositive versendet und auch an die Beklagte im Rahmen der bestehenden Geschäftsbeziehung schon mehrfach Originaldiapositive zur Auswahl geschickt hat. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Übersendung von Originalen im Streitfall abredewidrig war.
3. Das Berufungsurteil kann auch insoweit keinen Bestand haben, als die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt worden ist. Mit der Höhe der Lizenzgebühr für eine einmalige Verwendung eines Bildes läßt sich weder ein höherer Schaden verneinen noch ein Schaden jedenfalls in dieser Höhe begründen. Insoweit hat die Anschlußrevision Erfolg, auch wenn sie sich in erster Linie dagegen gewandt hat, daß eine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten überhaupt bejaht worden ist. In der Anknüpfung an die vereinbarte Lizenzgebühr für eine urheberrechtliche Nutzung der Bilder liegt ein Fehler des sachlichen Rechts, der vom Revisionsgericht auch ohne Rüge zu berücksichtigen ist.
III. Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben. Die Sache ist zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird zu klären sein, um was für Bilder es sich bei den verlorengegangenen Fotografien gehandelt hat. Gegebenenfalls werden die Grundlagen für eine Schadensschätzung durch ein Sachverständigengutachten zu ermitteln sein. Dabei wird sich das Berufungsgericht auch mit dem Einwand der Beklagten auseinanderzusetzen haben, die Klägerin habe die ihr obliegenden Sicherungspflichten dadurch in hohem Maße verletzt, daß sie nicht einmal Kopien der Diapositive zurückbehalten habe. Dieser Einwand zielt indessen nicht auf ein Mitverschulden der Klägerin ab (§ 254 BGB); denn der durch Verlust der Originale eingetretene Schaden hätte durch eine derartige Dokumentation weder vermieden noch gemindert werden können. Gleichwohl wird sich der Umstand, daß die Klägerin über die verlorengegangenen Diapositive nur allgemeine Angaben machen und keine Kopien oder Kontaktabzüge vorlegen kann, zu ihren Lasten auswirken. Denn das Berufungsgericht wird die verbleibende Ungewißheit über die verlorengegangenen Bilder in Rechnung stellen und bei der Ermittlung des Mindestschadens berücksichtigen müssen.
Unterschriften
Erdmann, v. Ungern-Sternberg, Starck, Bornkamm, Pokrant
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 19.09.2001 durch Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BGHR 2002, 180 |
BGHR |
NJW-RR 2002, 1027 |
GRUR 2002, 282 |
JurBüro 2002, 387 |
Nachschlagewerk BGH |
AfP 2002, 215 |
JA 2002, 441 |
WRP 2002, 105 |
ZUM 2002, 141 |
K&R 2002, 199 |
KUR 2002, 27 |