Leitsatz (amtlich)
a) Wird auf Auszahlung des aus der Abrechnung einer Forderung mit Gegenforderungen sich ergebenden Saldos oder eines Teils davon geklagt, so sind die zwischen den Parteien umstrittenen Gegenforderungen rechtlich unselbstständige Abrechnungsposten und keine selbstständigen Streitgegenstände.
b) Gibt das Berufungsgericht dem Zahlungsantrag in vollem Umfang statt, weist es aber dennoch in Verkennung des Streitgegenstandes die Klage teilweise ab, so ergibt sich daraus eine Beschwer des Klägers, die er mit der Revision beseitigen kann.
Normenkette
ZPO § 546 a.F.
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 10. Zivilsenats des OLG Hamburg v. 24.1.2002 aufgehoben, soweit es die Klage abgewiesen und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen hat.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 6. Zivilkammer des LG Hamburg v. 3.7.1998 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5 % Zinsen jährlich aus 766.937,82 Euro auch für die Zeit v. 7.1.1998 bis zum 13.11.2000 zu zahlen.
Die Beklagte hat auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger begehrt als Konkursverwalter von der beklagten Bank die Auskehrung eines Übererlöses aus der Zwangsversteigerung von Grundstücken.
Die Beklagte gewährte der Immobilienbesitzgesellschaft B. mbH (im Folgenden: Gemeinschuldnerin) in den Jahren 1990 bis 1992 für die Errichtung eines Einkaufszentrums Kredite von insgesamt 58.500.000 DM. Im Februar 1994 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Konkursverwalter bestellt. Ende 1994 schrieb die Beklagte auf Grund der Zwangsversteigerung des Grundbesitzes der Gemeinschuldnerin deren Darlehenskonto 94.051.011,88 DM gut. Sie erteilte dem Kläger eine vorläufige Abrechnung, in der sie diesem Betrag angebliche eigene Forderungen i. H. v. insgesamt 94.817.937,77 DM gegenüberstellte. Darin enthalten sind mehrere Forderungen, deren Berechtigung der Kläger nicht anerkennt, darunter ein Betrag von 379.500 DM wegen der Bezahlung einer Rechnung des Rechtsanwalts Dr. T. sowie ein weiterer Betrag von 2.850.000 DM wegen einer Vorauszahlung an die C. mbH (im Folgenden: C.).
Der Kläger stützt seine Teilklage auf den seiner Meinung nach zu Gunsten der Gemeinschuldnerin bestehenden Saldo des Darlehenskontos. Das LG hat die zunächst auf Zahlung von 160.000 DM nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat der Kläger seine Klage auf Zahlung von 1.660.000 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 7.1.1998 erweitert. Das Berufungsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 848.744,52 Euro nebst 5 % Zinsen auf 81.806,70 Euro seit dem 7.1.1998 sowie auf 766.937,82 Euro seit dem 14.11.2000 verurteilt, wegen des weiter gehenden Zinsanspruchs die Klage abgewiesen und im Übrigen die Berufung zurückgewiesen. Gegen das Berufungsurteil haben beide Parteien Revision eingelegt. Der erk. Senat hat nur die Revision des Klägers angenommen, mit der dieser seine Zinsforderung in voller Höhe weiterverfolgt und die Zurückweisung der Berufung im Übrigen bekämpft.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat - soweit für die Revision des Klägers von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:
Dem Kläger stehe gegenüber der Beklagten der im Wege der Teilklage geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 848.744,52 Euro zu, und zwar hinsichtlich der der Gemeinschuldnerin von der Beklagten in Rechnung gestellten Vorauszahlungen an die C.. Den von ihm vorrangig der Teilklage zugeordneten Forderungsbetrag von 379.500 DM betreffend die Rechnung des Rechtsanwalts Dr. T. könne der Kläger indes nicht verlangen, weil die Beklagte diesen Betrag zu Recht in ihre Abrechnung über den Versteigerungserlös eingestellt habe. Da der vom Kläger geltend gemachte Anspruch sich auf mehrere Einzelforderungen beziehe, sei die von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgegebene Reihenfolge der zur Entscheidung gestellten Teilforderungen zu beachten. Mangels einer ausdrücklichen Saldoanerkennung seitens des Klägers seien die von ihm geltend gemachten Forderungen nicht in einer Gesamtsaldoforderung aufgegangen, sondern bestünden als Einzelansprüche fort.
Der Zinsanspruch rechtfertige sich in der zugesprochenen Höhe aus § 291 BGB i. V. m. § 352 HGB. Der weiter gehende Zinsantrag sei zurückzuweisen, weil hinsichtlich des klagerhöhenden Betrages Rechtshängigkeit erst seit dem 14.11.2000 bestehe und der Kläger einen Verzugsschaden nicht dargetan habe.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Die Revision des Klägers ist in vollem Umfang zulässig; insbesondere ist er durch das Berufungsurteil in einem Ausmaß beschwert, das die Revision statthaft macht.
a) Da die letzte mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 29.11.2001 stattgefunden hat, finden auf die Revision nach § 26 Nr. 7 EGZPO die bis zum 31.12.2001 geltenden Vorschriften der Zivilprozessordnung weiterhin Anwendung. Nach § 546 Abs. 1 S. 1 ZPO a. F. ist in Rechtsstreitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche die Revision - von dem hier nicht vorliegenden Fall einer Zulassung im Berufungsurteil abgesehen - nur eröffnet, wenn der Wert der Beschwer durch das Berufungsurteil 60.000 DM übersteigt.
Das Berufungsgericht hat den Wert der Urteilsbeschwer nur für die Beklagte, entgegen § 546 Abs. 2 S. 1 ZPO a. F. jedoch nicht für den Kläger festgesetzt. Daraus folgt für den erkennenden Senat als Revisionsgericht die Aufgabe, in eigener Zuständigkeit zu prüfen, ob die Urteilsbeschwer des Klägers die Wertgrenze des § 546 Abs. 1 S. 1 ZPO a. F. übersteigt (vgl. BGH, Beschl. v. 6.11.1990 - VI ZR 117/90, MDR 1991, 427 = WM 1991, 381 [382]; Urt. v. 28.11.1990 - VIII ZR 362/89, MDR 1991, 525 = WM 1991, 409 [410]). Diese Prüfung ergibt, dass die Urteilsbeschwer des Klägers die Wertgrenze von 60.000 DM übersteigt. Das folgt bereits daraus, dass die Teilabweisung des Zinsanspruchs angesichts der vollumfänglichen Zuerkennung der Hauptforderung bei der Bemessung der Urteilsbeschwer zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Urt. v. 28.11.1990 - VIII ZR 362/89, MDR 1991, 525 = WM 1991, 409 [410]) und einen Betrag von mehr als 60.000 DM ausmacht.
b) Eine Beschwer des Klägers, wie sie unabhängig von den Anforderungen des § 546 ZPO a. F. Voraussetzung für die Zulässigkeit jedes Rechtsmittels ist, muss auch insoweit anerkannt werden, als der Kläger mit der Revision die im Berufungsurteil ausgesprochene Aberkennung seiner Rechte hinsichtlich des für die Bezahlung einer Rechnung des Rechtsanwalts Dr. T. aufgewandten Betrages von 379.500 DM bekämpft. Diese Aberkennung geht zwar, wie im Einzelnen noch zu zeigen sein wird (unten unter 2. b), ins Leere und kann keine materielle Rechtskraftwirkung entfalten. Sie erweckt jedoch den Anschein, das Berufungsgericht habe insoweit die Klage abgewiesen bzw. die klageabweisende Entscheidung des LG bestätigt. Auch ein solcher Anschein einer Beschwer eröffnet der mit dem insoweit unrichtigen Urteil belasteten Partei die Möglichkeit, den Fehler in der Rechtsmittelinstanz zu beseitigen (BGH, Urt. v. 10.3.1993 - VIII ZR 85/92, MDR 1993, 511 = WM 1993, 845 [847]).
2. Die Revision des Klägers ist auch begründet.
a) Den Zinsanspruch des Klägers hat das Berufungsgericht zu Unrecht teilweise abgewiesen. Die Revision rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht § 353 HGB unbeachtet gelassen hat. Da sowohl die Gemeinschuldnerin als Gesellschaft mit beschränkter Haftung als auch die Beklagte als Aktiengesellschaft den für Kaufleute geltenden Vorschriften unterliegen (§ 6 Abs. 1 HGB, § 13 Abs. 3 GmbHG, § 3 Abs. 1 AktG), ist die aus der Verwertung einer von der Gemeinschuldnerin zur Absicherung eines Darlehens gestellten Sicherheit durch die Beklagte herrührende Forderung der Gemeinschuldnerin nach §§ 343, 344 Abs. 1 HGB eine solche aus einem beiderseitigen Handelsgeschäft. Diese Forderung war seit ihrer Entstehung Ende 1994 fällig (§ 271 Abs. 1 BGB). Der Gemeinschuldnerin stehen daher nach § 353 S. 1 HGB i. V. m. § 352 Abs. 1 S. 1 HGB die vom Kläger geltend gemachten Zinsen für die Zeit ab 7.1.1998 in vollem Umfang zu.
b) Ebenfalls zu Unrecht hat das Berufungsgericht dem Kläger einen Anspruch hinsichtlich der Kosten für die Bezahlung des Rechtsanwalts Dr. T. aberkannt und die Berufung insoweit zurückgewiesen.
Der Kläger hat einen solchen Anspruch nicht geltend gemacht. Er hat vielmehr die Auszahlung eines Teils des seiner Meinung nach bestehenden Überschusses des Versteigerungserlöses über die Gegenforderungen der Beklagten begehrt und in diesem Zusammenhang u. a. die Berechtigung der Gegenforderung bestritten, die die Beklagte aus der Begleichung einer Rechnung des Rechtsanwalts Dr. T. ableitet. Allein die vom Kläger geltend gemachte Saldoforderung ist Gegenstand seiner Klage. Die genannte Gegenforderung und alle anderen in die Saldoberechnung eingegangenen Gegenforderungen der Beklagten sind demgegenüber nur unselbstständige Berechnungsposten. Dass die Klageforderung in der vom Kläger geltend gemachten Höhe von 1.660.000 DM existiert, stand für das Berufungsgericht - und steht jetzt aufgrund der Nichtannahme der Revision der Beklagten rechtskräftig - bereits deshalb fest, weil das Berufungsgericht die Gegenforderung der Beklagten von 2.850.000 DM im Zusammenhang mit einer Vorauszahlung an die C. als nicht berechtigt angesehen hat. Über die Berechtigung der weiteren von der Beklagten in ihre Saldoberechnung eingestellten Gegenforderung im Zusammenhang mit der Bezahlung des Rechtsanwalts Dr. T. hatte das Berufungsgericht daher nicht zu entscheiden. Daran ändert es nichts, dass der Kläger auf gerichtliche Aufforderung eine Reihenfolge genannt hatte, in der er die verschiedenen umstrittenen Gegenforderungen der Beklagten zur Überprüfung stellen wollte.
Auch aus § 322 Abs. 2 ZPO lässt sich keine Rechtfertigung dafür herleiten, dass das Berufungsgericht über die Berechtigung der von der Beklagten in ihre Abrechnung eingestellten Gegenforderung im Zusammenhang mit der Bezahlung des Rechtsanwalts Dr. T. entschieden hat. Die genannte Vorschrift ermöglicht der Rechtskraft fähige gerichtliche Entscheidungen nur über zur Aufrechnung gestellte Gegenforderungen der Beklagtenseite. Sie ist auf Gegenforderungen, die lediglich als Rechnungsposten im Rahmen einer Abrechnung in Betracht kommen, weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar (BGH, Urt. v. 13.1.1993 - XII ZR 212/90, MDR 1993, 543 = WM 1993, 849 [852]; Beschl. v. 10.4.1997 - VII ZR 266/96, NJW-RR 1997, 1157, jeweils m. w. N.).
Das Berufungsurteil ist in diesem Punkt bereits deshalb unrichtig, weil das Berufungsgericht über die genannte Gegenforderung der Beklagten nicht zu entscheiden hatte. Auf die Frage, ob diese Gegenforderung berechtigt ist, und auf die insoweit gegen das Berufungsurteil gerichteten Angriffe der Revision kommt es deshalb nicht an.
III.
Das Berufungsurteil war daher aufzuheben, soweit darin zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist (§ 564 Abs. 1 ZPO a. F.). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a. F.).
Fundstellen
Haufe-Index 1117364 |
BGHR 2004, 688 |
EBE/BGH 2004, 2 |
NJW-RR 2004, 1715 |
WM 2004, 466 |
WuB 2005, 175 |
ZAP 2004, 528 |
ZfIR 2004, 262 |
MDR 2004, 702 |
ZBB 2004, 154 |
ProzRB 2004, 145 |