Leitsatz (amtlich)
Die Pflicht des Auftragnehmers zum Schadensersatz gemäß § 4 Nr. 7 Satz 2 VOB/B umfaßt die engeren und entfernteren Mangelfolgeschäden, die auf einen Mangel des Werkes oder eine Vertragswidrigkeit des Auftragnehmers zurückzuführen sind.
a) Dem Auftraggeber steht ein Anspruch auf Kostenvorschuß oder auf Ersatz der Fremdnachbesserungskosten auch ohne die Entziehung des Auftrages zu, wenn der Auftragnehmer endgültig die vertragsgemäße Fertigstellung verweigert (Anschluß an BGH, Urteil vom 2. Oktober 1997 – VII ZR 44/97, ZfBR 1998, 31 = BauR 1997, 1027).
b) Der Auftragnehmer verliert sein Recht auf vertragsgemäße Fertigstellung des Werkes, wenn er diese endgültig verweigert; der Auftraggeber kann die vertragsgemäße Fertigstellung verlangen oder die Ersatzvornahme durchführen.
Normenkette
VOB/B § 4 Nr. 7 Sätze 2-3, § 8 Nr. 3 Abs. 1-2
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 9 O 9933/96) |
OLG Nürnberg (Aktenzeichen 13 U 1993/98) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 11. März 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
I.
Der Kläger verlangt restlichen Werklohn in Höhe von 15.930 DM. Der Beklagte rechnet mit Schadensersatzforderungen in Höhe der Klageforderung auf und verlangt mit der Widerklage weiteren Schadensersatz in Höhe von 4.068,78 DM sowie den Ersatz von Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 45.828,97 DM nebst Zinsen.
II.
1. Im Jahre 1992 ließ der Beklagte ein größeres Anwesen in M. sanieren. Mit den Außenputzarbeiten beauftragte der Beklagte den Kläger. Der Kläger verpflichtete sich, Verunreinigungen an anderen Gewerken zu beseitigen, die bei der Herstellung seines Gewerkes entstehen würden. Die VOB/B wurde vereinbart. Nachdem die Dachdecker- und Malerarbeiten fertiggestellt waren, führte der Kläger sein Gewerk im Mai 1992 aus. Die erbrachte Leistung stellte er dem Beklagten mit 27.930 DM in Rechnung. Der Beklagte zahlte einen Teilbetrag von 12.000 DM. Er weigerte sich unter Hinweis auf Mängel der Arbeiten des Klägers, das Werk abzunehmen und den Restwerklohn zu zahlen. Der Kläger bestritt seine Verantwortlichkeit für die Mängel und verweigerte die Nachbesserung, zu der er von dem Beklagten aufgefordert worden war.
2. Der Beklagte hat behauptet, er habe 17.787,78 DM für die Beseitigung der Verschmutzung an anderen Gewerken aufbringen müssen, die der Kläger bei der Ausführung der Außenputzarbeiten verursacht habe. Außerdem habe er für ein Gutachten der Landesgewerbeanstalt B. über die Arbeiten des Klägers, das er zur Prozeßvorbereitung habe erstatten lassen, eine Vergütung in Höhe von 2.210,92 DM bezahlt. Mit den ihm seiner Ansicht nach zustehenden Ersatzansprüchen hat der Beklagte gegenüber der Restwerklohnforderung aufgerechnet.
3. Mit seiner Widerklage hat der Beklagte den nach der Aufrechnung verbleibenden Schadensersatzanspruch in Höhe von 4.068,78 DM sowie einen Anspruch auf einen Kostenvorschuß für die Neuherstellung des nach seinem Vortrag mangelhaften Putzes in Höhe von 45.828,97 DM verlangt. In der Berufungsinstanz hat der Beklagte statt des Kostenvorschusses die Erstattung der Mängelbeseitigungskosten in gleicher Höhe gefordert.
III.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage in Höhe von 4.068,78 DM stattgegeben. Hinsichtlich des in erster Instanz mit der Widerklage verlangten Kostenvorschusses hat es ein Grundurteil zu Lasten des Klägers erlassen.
Das Berufungsgericht hat der Klage in Höhe von 13.719,08 DM nebst Zinsen stattgegeben und die Klage im übrigen sowie die Widerklage abgewiesen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision. Er erstrebt die Abweisung der Klage und die Verurteilung des Klägers auf die Widerklage.
Entscheidungsgründe
I.
Die Revision des Beklagten hat Erfolg, sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
II.
1. Das Berufungsgericht hat den Werklohnanspruch ohne Begründung als fällig behandelt, obwohl das Werk nicht abgenommen worden ist.
2. Die vom Berufungsgericht unterstellte Fälligkeit der Forderung ohne Abnahme ist nicht zu beanstanden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 23. November 1978 – VII ZR 29/78, NJW 1979, 549 = BauR 1979, 152) wird der Werklohn des Auftragnehmers auch ohne Abnahme fällig, wenn der Auftragnehmer die ursprünglich vom Auftraggeber geforderte Nachbesserung abgelehnt hat und der Auftraggeber nicht mehr Mangelbeseitigung, sondern Schadensersatz verlangt. Unter diesen Voraussetzungen sind die der erbrachten Bauleistung entsprechenden Vergütungen des Auftragnehmers und der Schadensersatzanspruch des Auftraggebers endgültig abzurechnen.
Die Voraussetzungen der Abrechnung des Vertragsverhältnisses nach diesen Grundsätzen lagen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vor.
III.
1. Das Berufungsgericht hat die Forderung auf Erstattung der Kosten für die Beseitigung der Verunreinigungen an anderen Gewerken, die nach dem Sachvortrag des Beklagten, der in der Revision als richtig zu unterstellen ist, bei der Ausführung der Außenputzarbeiten entstanden sein sollen, und die Erstattung der Kosten für die Erneuerung des Putzes mit folgenden Erwägungen als unbegründet erachtet:
Der Beklagte könne die Kosten für die Beseitigung der Verunreinigungen an den anderen Gewerken und für die Neuherstellung des Putzes nicht verlangen, weil die Voraussetzungen des § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B nicht gegeben seien.
a) Die Aufwendungen für die Neuherstellung des Putzes und für die Beseitigung der Verunreinigungen seien Kosten der Mängelbeseitigung. Auf die Kosten für die Beseitigung der Verunreinigungen sei § 4 Nr. 7 Satz 2 VOB/B nicht anwendbar, weil es sich nicht um Kosten für die Beseitigung von Mangelfolgeschäden handele. Da der Kläger sich vertraglich verpflichtet habe, etwaige Verunreinigungen an anderen Gewerken zu beseitigen, gehöre die Beseitigung der Verunreinigungen zu dem geschuldeten Werkerfolg des Klägers.
b) Die Erstattung der Fremdnachbesserungskosten könne der Beklagte nicht verlangen, weil er dem Kläger nicht vor der Durchführung der Fremdnachbesserung den Auftrag entzogen habe. Die Entziehung des Auftrags sei auch dann erforderlich, wenn der Auftragnehmer die Nachbesserung verweigere und den Werklohn verlange.
2. Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Dem Beklagten steht ein Anspruch auf Erstattung der Kosten sowohl für die Beseitigung der Verunreinigungen als auch für die Neuherstellung des Putzes zu. Für die Revision ist zugunsten des Beklagten zu unterstellen, daß die Beseitigung der Mängel am Putz nur im Wege der Neuherstellung möglich war. Ob es sich bei den Kosten für die Beseitigung der Verunreinigungen um Kosten der Mängelbeseitigung oder um Kosten für die Beseitigung von Mangelfolgeschäden handelt, auf die § 4 Nr. 7 Satz 2 VOB/B anwendbar wäre, kann dahinstehen. Selbst wenn es sich um Kosten der Mängelbeseitigung handeln sollte, ist der Erstattungsanspruch des Beklagten begründet.
b) Der Auftraggeber muß einem Auftragnehmer, der mit der Mängelbeseitigung in Verzug ist, und der noch Fertigstellungsarbeiten am Bau erbringen muß, den Auftrag nach einer Fristsetzung mit Kündigungsandrohung vor einer Fremdnachbesserung entziehen (§ 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B). Die Entziehung des Auftrages dient in diesem Fall dazu, für die weitere Bauabwicklung unter den Beteiligten klare Verhältnisse zu schaffen, um Streitigkeiten nach Möglichkeit zu verhindern (BGH, Urteil vom 15. Mai 1986 – VII ZR 176/85, ZfBR 1986, 226 = BauR 1986, 573; Urteil vom 2. Oktober 1997 – VII ZR 44/97, ZfBR 1998, 31 = BauR 1997, 1027).
c) Diese Grundsätze sind auf die Fallkonstellation dieses Rechtsstreites nicht anwendbar, weil sie sich von beiden Entscheidungen in relevanten Punkten unterscheidet.
Im Hinblick auf die endgültige Weigerung des Klägers, das Werk vertragsgemäß fertigzustellen, war eine erneute Fristsetzung zur Mängelbeseitigung mit einer Kündigungsandrohung entbehrlich (BGH, Urteil vom 20. April 1978 – VII ZR 166/76, BauR 1978, 306: zu § 13 Nr. 5 VOB/B).
Die Auftragsentziehung durch den Beklagten vor einer Fremdnachbesserung war aufgrund der Besonderheiten der Fallsituation ebenfalls nicht erforderlich. Der Kläger hat die vertragsgemäße Fertigstellung endgültig verweigert. Dadurch hat er sein Recht, die vertragsgemäße Herstellung selbst vorzunehmen, verloren. Bei dieser Fallgestaltung kann es unter den Beteiligten zu unklaren Verhältnissen bei der weiteren Bauabwicklung nicht kommen. Der Auftraggeber kann entweder die vertragsgemäße Fertigstellung verlangen oder die Ersatzvornahme durchführen. Ein Nebeneinander von Auftragnehmer und Drittunternehmer, der zu Streitigkeiten auf der Baustelle führen könnte, ist ausgeschlossen. Unter diesen besonderen Voraussetzungen ist der Auftraggeber ohne vorherige Kündigung des Vertrages oder Benachrichtigung des Auftragnehmers berechtigt, die Mängel durch einen Drittunternehmer beseitigen zu lassen.
Unterschriften
Ullmann, Thode, Kuffer, Kniffka, Wendt
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 20.04.2000 durch Seelinger-Schardt, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539067 |
BB 2000, 1699 |
DB 2000, 2524 |
NJW 2000, 2997 |
NWB 2000, 3038 |
BauR 2000, 1479 |
BauR 2000, 1863 |
IBR 2000, 491 |
JurBüro 2000, 669 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 1899 |
ZAP 2000, 998 |
MDR 2000, 1127 |
ZfBR 2000, 479 |
NZBau 2000, 421 |