Leitsatz (amtlich)
Mußte der Gläubiger einer formularmäßig verlängerten Bürgschaft wegen der bisherigen Gestaltung des Rechtsverhältnisses nicht mit einer – in der früheren Bürgschaftsurkunde nicht enthaltenen – Haftungsausschlußklausel rechnen, entfällt der Überraschungscharakter der Klausel nicht schon durch die Verwendung von Fettdruck. Vielmehr bedarf es hier grundsätzlich eines individuellen Hinweises des Bürgen an den Gläubiger.
Normenkette
BGB § 765; AGBG § 3
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) |
OLG Celle |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 20. Januar 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin erteilte am 1. November 1995 der S. H. GmbH (i. f.: H. GmbH oder Auftragnehmerin oder Streithelferin) den Auftrag, zum Pauschalpreis von 670.000 DM ein Gebäude zu sanieren und zu modernisieren. Die Geltung der VOB war vereinbart. In dem Vertrag, der nicht ausgeführt wurde, verpflichtete sich die Auftragnehmerin zur Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 10 % der Auftragssumme.
Am 29. November 1995 übernahm die verklagte Bank im Auftrag der H. GmbH zugunsten der Klägerin eine bis zum 30. Juni 1996 befristete Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 67.000 DM. Daneben verbürgte sich die Beklagte unter dem 21. Dezember 1995, befristet bis zum 31. März 1996, gegenüber einer KS … GmbH (i. f.: KS GmbH), deren Gesellschafter teilweise identisch sind mit Gesellschaftern der Klägerin, in Höhe von 300.000 DM für die Vertragserfüllung durch die H. GmbH. An diese floß im Januar 1996 von einem Konto der KS GmbH ein Betrag von 324.300 DM. Ob die Zahlung im Auftrag und für Rechnung der Klägerin als Vorauszahlung auf die Vergütung aus dem Bauvertrag vom 1. November 1995 geleistet wurde, ist zwischen den Parteien streitig.
Die Commerzbank, eine Kreditgeberin sowohl der Klägerin als auch der KS GmbH, erbat mit Schreiben vom 16. April 1996 von der Beklagten eine Verlängerung der Bürgschaft vom 21. Dezember 1995. Nachdem die hierzu befragte H. GmbH ihr Einverständnis mitgeteilt hatte, erteilte die Beklagte unter dem 26. April 1996 der KS GmbH eine bis zum 31. Juli 1996 verlängerte und ansonsten mit der Bürgschaft vom 21. Dezember 1995 inhaltlich übereinstimmende neue Bürgschaft. Unter dem 29. Mai 1996 teilte die Commerzbank der Beklagten mit, sie habe nunmehr erfahren, daß die H. GmbH den Bauvertrag nicht mit der KS GmbH, sondern mit der Klägerin geschlossen habe. Im Hinblick darauf reiche sie die Bürgschaft vom 26. April 1996 zurück mit der Bitte, als Auftraggeber die Klägerin statt der KS GmbH aufzuführen. Im Einverständnis der H. GmbH stellte die Beklagte daraufhin unter dem 12. Juni 1996 eine wunschgemäß veränderte Bürgschaftsurkunde zur Verfügung. Mit Schreiben vom 11. Juli 1996 bat die Commerzbank die Beklagte unter Beifügung der Urkunden vom 29. November 1995 (über 67.000 DM) und vom 12. Juni 1996 (über 300.000 DM) darum, die Bürgschaften abermals zu verlängern und anschließend zurückzusenden. Mit Zustimmung der Auftragnehmerin erteilte die Beklagte daraufhin unter dem 16. Juli 1996 zwei Bürgschaften mit verlängerter Laufzeit. Hierfür verwendete sie neue Formulare, die erstmals die – im Fettdruck hervorgehobene – Klausel enthielten: „Diese Bürgschaft umfaßt nicht Ansprüche auf Rückzahlung geleisteter Vorauszahlungen und Überzahlungen, sowie auf fristgerechte Erfüllung der dem Auftragnehmer obliegenden Mängelgewährleistungen”.
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus den beiden Bürgschaften auf Zahlung von zuletzt noch 324.300 DM in Anspruch. Sie behauptet, an die Auftragnehmerin, welche die Erfüllung des Bauvertrages ernsthaft und endgültig ablehne, die Klagesumme als Vorauszahlung geleistet zu haben. Die in den beiden Bürgschaftsurkunden vom 16. Juli 1996 enthaltenen Ausschlußklauseln, die seinerzeit ihrer Aufmerksamkeit entgangen seien, erfaßten ihren Rückzahlungsanspruch nicht. Falls dies aber doch so sei, handele es sich um überraschende und unangemessene Klauseln (§§ 3, 9 AGBG). Die H. GmbH ist dem Rechtsstreit als Streithelferin der Beklagten beigetreten. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
Das Berufungsgericht hat sein Urteil wie folgt begründet:
Für den – unterstellten – Anspruch der Klägerin gegen die Streithelferin auf Rückzahlung der geleisteten Vorauszahlung habe die Beklagte nicht als Bürgin einzustehen. Zwar decke eine Vertragserfüllungsbürgschaft normalerweise den Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung und damit auch den Anspruch auf Ersatz nutzlos geleisteter und sich als Mindestschaden darstellender Vorauszahlungen. Insoweit habe die Beklagte ihre Bürgenhaftung aber durch die Klauseln, daß die Bürgschaften Ansprüche auf Rückzahlung geleisteter Vorauszahlungen nicht umfaßten, ausgeschlossen. Es sei nicht ersichtlich, daß diese Klauseln gegen § 3 AGBG verstießen. Sie seien nämlich ohne weiteres verständlich und durch Fettdruck hervorgehoben, so daß eine Kenntnisnahme durch den Kunden zu erwarten sei. Die für die Klägerin tätig gewordene Commerzbank hätte die Klauseln auf jeden Fall bemerken müssen. Daß die Commerzbank zuvor unter Zurücksendung der Originalurkunden vom 29. November 1995 und vom 12. Juni 1996 um Verlängerung der Bürgschaften gebeten habe, sei unerheblich. Einen anderweitigen, nicht auf der Vorauszahlung beruhenden Schaden habe die Klägerin nicht dargetan.
II.
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Ob die tatrichterliche Auslegung, wonach der Ausschluß der Bürgenhaftung auch den Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung geleisteter Vorauszahlungen erfaßt, den Angriffen der Revision standhält, kann offen bleiben. Selbst wenn der Ansicht des Berufungsgerichts in diesem Punkt zu folgen sein sollte, kann sich die Beklagte auf die Ausschlußklauseln nicht berufen. Diese sind jedenfalls im vorliegenden Fall überraschend und deshalb nicht wirksame Bestandteile der Bürgschaftsverträge geworden (§ 3 AGBG).
1. Ob die Klauseln aufgrund allgemeiner Umstände, insbesondere wegen einer Abweichung von dem Vertragstyp „Vertragserfüllungsbürgschaft” ungewöhnlich waren, kann dahinstehen. Der für die Anwendung des § 3 AGBG vorausgesetzte Überrumpelungseffekt kann sich auch daraus ergeben, daß der Vertragspartner nach den individuellen Begleitumständen des Vertragsschlusses vernünftigerweise nicht mit einer solchen Klausel rechnen mußte (BGHZ 102, 152, 159; 109, 197, 201; 130, 150, 154; BGH, Urt. v. 17. März 1994 – IX ZR 102/93, NJW 1994, 1656, 1657). Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Klausel wesentlich von dem abweicht, was der Vertragspartner des Verwenders als seine Vorstellungen und Absichten bei den Verhandlungen zum Ausdruck gebracht hat, ohne daß ihm darin widersprochen wurde (BGH, Urt. v. 17. März 1994 – IX ZR 102/93, aaO). Dabei beurteilt sich die Abweichung von dem Erwartungshorizont des Vertragspartners nach einem durch die konkreten Umstände überlagerten generellen Maßstab (BGHZ 109, 197, 202; BGH, Urt. v. 9. April 1987 – III ZR 84/86, NJW 1987, 2011; Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG 9. Aufl. § 3 Rn. 13a). Entscheidend ist das bei dem Vertragspartner individuell vorhandene oder ihm individuell mögliche Umstandswissen; welche Schlüsse aus diesen Erkenntnismöglichkeiten zu ziehen waren, bestimmt sich demgegenüber nach einem objektiv-typisierenden Maßstab (Lindacher, in: Wolf/Horn/Lindacher, AGBG 4. Aufl. § 3 Rn. 37; vgl. BGHZ 102, 152, 159; 130, 150, 154; BGH, Urt. v. 24. September 1980 – VIII ZR 273/79, NJW 1981, 117, 118; v. 9. April 1987 aaO).
Daß die Bürgschaften bei Wirksamkeit der fraglichen Klauseln völlig entwertet wären, weil sie nach Sachlage überhaupt nur zur Absicherung der – gemäß der Unterstellung des Berufungsgerichts geleisteten – Vorauszahlung dienen konnten, hat hierbei außer Betracht zu bleiben. Ob eine Klausel für den Vertragspartner überraschende Wirkung hat, muß im Lichte der für den Verwender erkennbaren Umstände des Vertragsschlusses gesehen werden (BGH, Urt. v. 8. Oktober 1975 – VIII ZR 81/74, NJW 1977, 195, 197; Staudinger/Schlosser, BGB 13. Bearb. § 3 AGBG Rn. 13). Die Parteien haben nicht vorgetragen, daß die Beklagte von der Vorauszahlung wußte. Indessen hat das Berufungsgericht – wie die Revision mit Recht rügt – die Vorgeschichte der beiden streitgegenständlichen Bürgschaften, namentlich das Schreiben der Commerzbank vom 11. Juli 1996, nicht hinreichend berücksichtigt. Beide Bürgschaften stellten sich faktisch als Verlängerung bzw. Neufassung der früheren Bürgschaften dar. Der streitgegenständlichen Bürgschaft vom 16. Juli 1996 über 300.000 DM waren die – jeweils befristeten – Bürgschaften vom 21. Dezember 1995, 26. April 1996 und 12. Juni 1996 vorausgegangen. Vor Ablauf der Befristung war – einem Wunsch der Gläubigerseite entsprechend – die Bürgschaft vom 21. Dezember 1995 durch diejenige vom 26. April 1996 ersetzt worden. Diese wiederum war durch die Bürgschaft vom 12. Juni 1996 abgelöst worden, nachdem der Beklagten bedeutet worden war, daß die Klägerin anstelle der KS GmbH Gläubigerin sein sollte. Die Bürgschaft vom 16. Juli 1996 sollte diejenige vom 12. Juni 1996 verlängern, die am 31. Juli 1996 auslief. Der ebenfalls streitgegenständlichen Bürgschaft über 67.000 DM vom 16. Juli 1996 war eine gleichartige Bürgschaft vom 29. November 1995 vorausgegangen. Diese war zwar bereits am 30. Juni 1996 ausgelaufen. Es war jedoch klar, daß auch die neu zu übernehmende Bürgschaft inhaltlich der früheren entsprechen sollte. Dies wurde darüber hinaus durch das Anforderungsschreiben der Commerzbank vom 11. Juli 1996 deutlich. Darin heißt es:
„…wir nehmen bezug auf das… am 11.07.1996 geführte Telefonat und senden Ihnen als Anlage die Original-Bürgschaftsurkunden über DM 300.000,– und DM 67.000,– zurück. Über diese Bürgschaften dürfen Sie nur verfügen, wenn sichergestellt ist, daß diese Bürgschaften für ein weiteres Jahr verlängert werden und anschließend an die Commerzbank … gesandt werden.
Nach den Informationen unseres Kreditnehmers wurde mit dem Bauvorhaben bisher noch nicht begonnen.”
Wenn die Beklagte daraufhin kommentarlos zwei neue Bürgschaftsurkunden übersandte, in denen die Geltungsdauer der Bürgschaften bis zum 30. Juni 1997 erstreckt wurde, hatten weder die Klägerin noch die für diese auftretende Commerzbank Anlaß zu der Annahme, die Beklagte könnte – erstmals – die Gelegenheit benutzt haben, den Urkundentext zum Nachteil der Gläubigerseite zu verändern. Insbesondere deshalb, weil die Commerzbank die Urkunden der Beklagten zu treuen Händen überlassen hatte und sie aus der bedeutenderen Bürgschaft – nämlich derjenigen über 300.000 DM, deren Geltungsdauer noch nicht abgelaufen war – ohne weiteres Rechte hätte herleiten können, wenn die Beklagte diese Bürgschaft nicht oder nur mit inhaltlichen Änderungen verlängert hätte, durfte sie erwarten, daß die Beklagte etwaige Absichten in dieser Richtung deutlich verlautbarte. Zwar hat die Beklagte in der Revisionsverhandlung darauf hingewiesen, daß der Geschäftsführer der H. GmbH nach dem eigenen (bestrittenen) Vortrag der Klägerin schon im Mai/Juni 1996 die Vertragserfüllung abgelehnt hatte. Dieser Hinweis ist jedoch unerheblich. Die angebliche Erfüllungsverweigerung berührt das Valutaverhältnis und nicht das Leistungsverhältnis zwischen den Prozeßparteien. Selbst wenn die Klägerin davon ausgegangen sein sollte, daß die Beklagte die Leistungsverweigerung kannte, durfte sie – zumal in dem Schreiben vom 11. Juli 1996 darauf aufmerksam gemacht worden war, daß „mit den Bauarbeiten noch nicht begonnen” worden war – eine ausdrückliche Erklärung der Beklagten erwarten, falls diese aus der Leistungsverweigerung der H. GmbH Konsequenzen ableiten wollte. Das mußte auch der Beklagten klar sein. Die Klauseln, wonach die Bürgschaft für den Anspruch auf Rückzahlung von Vorauszahlungen nicht gelten sollte, liefen diesem berechtigten Erwartungshorizont der Gläubigerseite zuwider.
2. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die überraschende Wirkung der Klauseln sei ausgeschlossen, weil sie drucktechnisch so gestaltet seien, daß die Beklagte mit ihrer Kenntnisnahme durch die Gläubigerseite habe rechnen können, kann nicht geteilt werden.
Allerdings können Allgemeine Geschäftsbedingungen, mit denen der Gegner des Verwenders nicht von vornherein rechnen mußte, die Eignung zur Überrumpelung verlieren, wenn der Verwender durch einen eindeutigen Hinweis auf sie aufmerksam macht. Hinsichtlich der Intensität dieses Hinweises ist jedoch zu differenzieren zwischen Allgemeinen Geschäftsbedingungen, mit denen lediglich die Erwartung des Gegners des Verwenders auf eine vertragstypkonforme und gebräuchliche Rechtsgestaltung enttäuscht wird, und solchen, die der durch individuelle Umstände des Vertragsschlusses begründeten Erwartung der Gegenseite widersprechen (vgl. Lindacher, aaO § 3 AGBG Rn. 37). Dies hat das Berufungsgericht nicht beachtet.
Der Überraschungscharakter einer allgemein ungewöhnlichen – etwa nicht vertragstypkonformen – Klausel entfällt, wenn sie inhaltlich ohne weiteres verständlich und drucktechnisch so hervorgehoben ist, daß erwartet werden kann, der Gegner des Verwenders werde von ihr Kenntnis nehmen (BGHZ 130, 150, 155; BGH, Urt. v. 6. Dezember 1984 – IX ZR 115/83, NJW 1985, 848, 849; v. 22. Mai 1991 – IV ZR 232/90, VersR 1991, 911, 912; v. 14. Dezember 1994 – IV ZR 3/94, NJW 1995, 784, 785; vgl. auch BGHZ 121, 107, 112).
Dagegen entfällt bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen, mit denen der Gegner des Verwenders wegen der dem Vertragsschluß vorausgegangenen konkreten Umstände nicht rechnen muß, die überraschende Wirkung grundsätzlich nur dann, wenn der Gegner einen individuellen Hinweis erhält; gegenüber dem Normaldruck stärkere Drucktypen sind allein nicht geeignet, ihn hinreichend über die von dem Verwender angestrebte Änderung ins Bild zu setzen (BGHZ 99, 203, 206; 131, 55, 59; vgl. ferner BGH, Urt. v. 24. September 1980 – VIII ZR 273/79, NJW 1981, 117, 118; v. 17. März 1994 – IX ZR 102/93, NJW 1994, 1656, 1657; ebenso Lindacher, aaO § 3 AGBG Rn. 41).
Dies macht insbesondere der vorliegende Fall deutlich. Weil die Gläubigerseite davon ausgehen durfte – und ersichtlich auch davon ausging –, die neu hereingereichten Bürgschaftsurkunden unterschieden sich lediglich hinsichtlich des Ablaufdatums von denen, die durch sie ersetzt wurden, sah sie keinen Anlaß, sich auch den übrigen Text der neuen Urkunden näher anzusehen oder sogar mit dem der früheren zu vergleichen. Sie hatte, falls sie sich von den früheren keine Fotokopien gemacht hatte, nicht einmal die Möglichkeit dazu, weil sie die Originalurkunden an die Beklagte zurückgegeben hatte.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ändert daran nichts, daß die Klägerin bei der Abwicklung der Bürgschaftsangelegenheit von einer in Kreditsicherungsgeschäften erfahrenen Stelle, der Commerzbank, betreut wurde und sich dieser als Verhandlungsgehilfin bediente. Gleichgültig ist, ob der Klägerin die Erkenntnismöglichkeiten der Commerzbank in entsprechender Anwendung des § 166 BGB zugerechnet werden können (vgl. BGHZ 83, 293, 296 f; 102, 316, 320; BGH, Urt. v. 7. Dezember 2000 – IX ZR 330/99, WM 2001, 734, 735). Diejenigen der Commerzbank waren nicht besser als die der Klägerin. Die Commerzbank kannte nicht mehr und nicht weniger Umstände als diese. Die Aufmerksamkeit, mit welcher die neuen Bürgschaftsurkunden zu überprüfen waren, richtete sich nach dem Grad des Vertrauens, das der Beklagten hinsichtlich der Umsetzung des ihr Aufgetragenen berechtigterweise entgegengebracht wurde. Die individuellen Umstände vor der Unterzeichnung der neuen Urkunden mußte eine geschäftserfahrene Bank nicht anders werten als ein mit Kreditsicherheiten weniger vertrauter Teilnehmer am Rechtsverkehr. Da diese Umstände das Vertrauen rechtfertigten, es gehe nur um eine Haftungsverlängerung, hatte auch die Commerzbank von sich aus keinen Anlaß, die von der Beklagten neu ausgestellten Bürgschaftsurkunden daraufhin zu überprüfen, ob sie über die erbetene Änderung hinaus weitere Abweichungen, und zwar solche zu Lasten des Gläubigers, enthielten.
III.
Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO), weil sie noch nicht entscheidungsreif ist. Zwar ist der für Januar 1996 behauptete Geldfluß zuletzt unstreitig geworden. Die Beklagte hat aber in Abrede gestellt, daß es sich dabei um eine Vorauszahlung der Klägerin auf den Werklohn gemäß dem Vertrag vom 1. November 1995 gehandelt habe. Dem wird das Berufungsgericht nunmehr nachgehen müssen.
Unterschriften
Stodolkowitz, Kirchhof, Fischer, Zugehör, Ganter
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 21.06.2001 durch Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 625270 |
BB 2001, 2019 |
DB 2001, 2240 |
NWB 2001, 3302 |
BGHR 2001, 622 |
BGHR |
BauR 2001, 1628 |
NJW-RR 2002, 485 |
EWiR 2001, 841 |
IBR 2001, 614 |
KTS 2001, 591 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 1520 |
WuB 2001, 1153 |
ZAP 2001, 1184 |
ZIP 2001, 1408 |
ZfIR 2001, 631 |
MDR 2001, 1306 |
ZfBR 2002, 44 |
ZBB 2001, 379 |