Leitsatz (amtlich)
Ein den Ersatz des Beitragsausfalls zur Rentenversicherung (als Teil seines Erwerbsschadens) betreffender Schadensersatzanspruch des Verletzten geht gemäß § 119 Abs. 1 SGB X in der Regel auch insoweit auf den Sozialversicherungsträger über, als er gegen den Entschädigungsfonds im Sinne des § 12 Abs. 1 PflVG gerichtet ist.
Normenkette
PflVG § 12; SGB X § 119
Verfahrensgang
OLG München |
LG München II |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden – unter Zurückweisung der Anschlußrevision des Beklagten – das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 18. Dezember 1998 und das Urteil des Landgerichts München II vom 10. Dezember 1997 abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin insgesamt 46.499,53 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 24. September 1997 zu zahlen.
Es wird festgestellt, daß der Beklagte der Klägerin Beitragsausfälle zur Rentenversicherung ihres Versicherten P. E., geboren am 29. Oktober 1963, aus dessen Verkehrsunfall am 11. Dezember 1993 für die Zeit ab 1. Juli 1997 im Rahmen der Versicherungssumme zu ersetzen hat, soweit Ansprüche des Versicherten gemäß § 119 SGB X nach Maßgabe der Entscheidungsgründe auf die Klägerin übergegangen sind.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die klagende Landesversicherungsanstalt macht als Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung Ansprüche auf Ersatz von Beitragsausfällen ihres Versicherten Peter E. aus übergegangenem Recht gemäß § 119 Abs. 1 Satz 1 SGB X gegen den beklagten Verein Verkehrsopferhilfe e.V. geltend, dem die Stellung des Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen nach §§ 12, 13 Abs. 2 PflVG zugewiesen ist.
Der Fliesenleger E., der seit 1979 in einem rentenversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis stand, wurde bei einem Verkehrsunfall am 11. Dezember 1993 als Fußgänger durch den schleudernden Anhänger eines Pkw erheblich verletzt und ist seitdem arbeitsunfähig. Fahrer und Halter des Fahrzeuggespanns, das den Unfall verursachte, konnten nicht ermittelt werden; ihre volle Haftung auf Ersatz der Unfallfolgen steht zwischen den Parteien außer Streit.
E. war wegen Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 6 Abs. 4 SGB V versicherungsfrei und hatte sich bei einer Privatkrankenkasse versichert, die ihm nach dem Unfall „Krankengeld” zahlte. Bis zum 23. Januar 1994 erhielt er Lohnfortzahlung durch seinen Arbeitgeber. Seit dem 1. August 1995 bezieht er im Rahmen einer Umschulung Übergangsgeld nach § 25 Abs. 2 SGB VI.
Die Klägerin hat den ihrer Ansicht nach vom Rechtsübergang nach § 119 Abs. 1 Satz 1 SGB X erfaßten Beitragsausfall für die Zeit vom 24. Januar 1994 bis zum 30. Juni 1997 auf insgesamt 46.499,53 DM errechnet und Zahlung dieses Betrages nebst Zinsen vom Beklagten verlangt; ferner hat sie die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für die ab dem 1. Juli 1997 entstehenden Beitragsausfallschäden begehrt.
Der Beklagte ist der Klage unter Berufung auf die Subsidiarität seiner Eintrittspflicht gemäß § 12 Abs. 1 Satz 3 PflVG entgegengetreten. Es gehe der Sache nach um einen nicht ersatzpflichtigen Schaden der Klägerin selbst, nicht einen solchen des Geschädigten, der gegen Beitragsausfälle ausreichend durch rentenrechtliche Anrechnungszeiten geschützt sei. Im übrigen sei dem Geschädigten zuzumuten, einen sich dennoch aus dem Beitragsausfall möglicherweise ergebenden Rentenschaden erst bei Eintritt des Rentenfalles selbst gegenüber dem Beklagten geltend zu machen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist insoweit erfolglos geblieben, als ihr Zahlungs- und Feststellungsbegehren Beitragsausfälle für den Zeitraum vom 1. August 1995 bis zum 31. Dezember 1997 umfaßt; hingegen hat das Oberlandesgericht den Beklagten für den Zeitraum vom 24. Januar 1994 bis zum 31. Juli 1995 zur Zahlung verurteilt und seine Verpflichtung zum Ersatz der Beitragsausfälle ab 1. Januar 1998 festgestellt. Mit ihrer (zugelassenen) Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Verurteilung des Beklagten auch hinsichtlich des Zeitraums vom 1. August 1995 bis zum 31. Dezember 1997 weiter. Der Beklagte begehrt mit seiner (unselbständigen) Anschlußrevision die vollständige Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht geht davon aus, die in § 12 Abs. 1 Satz 3 PflVG geregelte Subsidiarität der Eintrittspflicht des Beklagten stehe einer durch die Klägerin als Sozialversicherungsträger geltend gemachten Ersatzforderung i.S. des § 119 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht von vornherein entgegen. Der in letzterer Vorschrift angeordnete Forderungsübergang betreffe sowohl den (im Interesse des Geschädigten liegenden) fremdnützigen als auch den in Verbindung mit § 62 SGB VI eigennützigen (im Interesse der Versichertengemeinschaft liegenden) Beitragsregreß. Ein Ausgleichsanspruch des Sozialversicherungsträgers scheide nur im Fall des eigennützigen Regresses, bei Fehlen eines Schadens des Versicherten selbst, aus. Ein solcher Fall sei gegeben, wenn die Beitragserstattung als wirtschaftlich unsinnige Leistung anzusehen sei, weil der Geschädigte durch rentenrechtliche Regelungen bereits hinreichend gesichert sei; deshalb müsse im vorliegenden Zusammenhang auf die – ansonsten inzwischen aufgegebene – Rechtsprechung zur „unfallfesten Position” (vgl. z.B. BGHZ 69, 347, 350; 101, 207, 211 m.w.N.) zurückgegriffen werden. Soweit sich später herausstelle, daß trotz Anerkennung beitragsfreier und beitragsgeminderter Zeiten ein Rentenschaden des Geschädigten verbleibe, könne dieser ausgeglichen werden, wenn der Rentenfall eingetreten sei; dann hafte der Beklagte dem Geschädigten unmittelbar.
Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht den Beklagten für verpflichtet erachtet, der Klägerin die Beiträge für den Zeitraum vom 24. Januar 1994 bis zum 31. Juli 1995 zu erstatten. Insoweit gehe es um Zeiten, für die keine Beiträge zur Rentenversicherung des E. bezahlt worden seien und die auch nicht als beitragsfrei oder beitragsgemindert rentenrechtlich Berücksichtigung finden könnten. Die Versicherungspflicht des E. sei unfallbedingt mit dem Ende der Lohnfortzahlung am 23. Januar 1994 nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI entfallen. Da E. kein gesetzliches Krankengeld gemäß § 44 SGB V bezogen habe, habe eine Versicherungspflicht nach § 3 Nr. 3 SGB VI nicht vorgelegen. Ein (möglicher) Antrag auf Aufnahme in die Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 SGB VI sei nicht gestellt worden, so daß es an einer wesentlichen Voraussetzung für die Anerkennung des Zeitraums als Anrechnungszeit gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und 3 SGB VI gefehlt habe. Durch die daher für die Zeit vom 24. Januar 1994 bis 31. Juli 1995 vorliegende Beitragslücke sei dem Geschädigten ein auf 118,25 DM monatlich zu schätzender künftiger Rentenschaden entstanden. Da die von § 119 Abs. 1 SGB X erfaßte Beitragserstattung dem Ausgleich dieses Rentenschadens diene, gehe es insoweit um einen rein treuhänderischen Forderungsübergang auf die Klägerin, dem die Subsidiarität der Eintrittspflicht des Beklagten nicht entgegenstehe. Die Zession werde auch nicht dadurch gehindert, daß der Verletzte E. nicht mehr pflichtversichert gewesen sei; entscheidend sei, daß durch den Unfall eine versicherungspflichtige Beschäftigung unterbrochen worden sei und bereits in diesem Zeitpunkt der mit dem Unfall entstehende Anspruch auf Ausgleich des Beitragsausfalls auf die Klägerin übergegangen sei.
Anders verhalte es sich dagegen für den Zeitraum vom 1. August 1995 bis zum 31. Dezember 1997, da hier jedenfalls teilweise ein eigennütziger Beitragsregreß und nicht nur ein treuhänderischer Übergang eines Schadensersatzanspruchs des Verletzten auf den Rentenversicherungsträger anzunehmen sei. Der Bezug des Übergangsgeldes habe nicht nur eine Beitragszeit gemäß § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI begründet; vielmehr liege auch eine Anrechnungszeit gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 i.V. mit § 252 Abs. 2, Abs. 3 SGB VI vor, da die Klägerin selbst davon ausgehe, daß im Hinblick auf den Bezug von Übergangsgeld als Rehabilitationsmaßnahme ein Antrag gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 1 i.V. mit § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI auf Aufnahme in die Pflichtversicherung gestellt worden sei. Es handele sich hier also um beitragsgeminderte Zeiten, deren rentenrechtliche Bewertung gemäß § 71 Abs. 2 SGB VI zwar erst im Rentenfall möglich sei; eine weitgehende Sicherung des Geschädigten im Hinblick auf die Gesamtleistungsbewertung der beitragsgeminderten Zeiten liege aber nahe. Unter diesen Umständen könne der Beklagte im Hinblick auf die Subsidiarität seiner Eintrittspflicht nicht mehr zur Beitragserstattung herangezogen werden; insoweit seien die vor Inkrafttreten des § 62 SGB VI geltenden Rechtsgrundsätze zur „unfallfesten Position” heranzuziehen. Sollte dem Geschädigten ein Rentenschaden verbleiben, der nicht durch die hier gegebenen Anrechnungszeiten ausgeglichen werde, sei ein Ausgleich noch im Rentenfall möglich.
Wieder anders stelle sich die Lage ab dem 1. Januar 1998 dar. Nunmehr seien die Zeiten, in denen der Versicherte Sozialleistungen (wie hier das Übergangsgeld) erhalten habe, nicht mehr als Anrechnungszeit zu berücksichtigen, sondern nur noch als Beitragszeit (§ 58 Abs. 1 Satz 3, § 252 Abs. 2 und 3 SGB VI). Dies führe wiederum zu einem konkreten Rentenschaden des Versicherten, den der Beklagte bereits jetzt durch Leistung der Beiträge auszugleichen habe.
II.
Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Anschlußrevision des Beklagten stand. Hingegen hat die Revision der Klägerin Erfolg.
A. Zur Anschlußrevision des Beklagten:
Soweit das Berufungsgericht eine Einstandspflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin auf Ersatz von Rentenversicherungsbeiträgen für den verletzten E. gemäß § 119 Abs. 1 Satz 1 SGB X bejaht hat, ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Anschlußrevision greifen nicht durch.
1. Die vorliegend aus §§ 7, 11 und 18 StVG resultierende Pflicht von Halter und Fahrer des Unfallfahrzeugs, den Erwerbsschaden des geschädigten E. auszugleichen, umfaßt auch den Ersatz der ausgefallenen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, wenn – was bei E. der Fall ist – der Verletzte ohne den Unfall rentenversicherungspflichtig erwerbstätig gewesen wäre; der Ersatzanspruch entsteht mit der Beitragslücke und setzt nicht voraus, daß ein späterer Rentenschaden bereits feststeht, da schon die Möglichkeit einer Rentenverkürzung grundsätzlich ausreicht (st.Rspr., vgl. z.B. BGHZ 116, 260, 263; 129, 366, 368; 139, 167, 173).
2. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, daß sich für den Geschädigten aus der Zeit vom 24. Januar 1994 bis zum 31. Juli 1995, in der für ihn keine Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet wurden, ein konkreter Rentenschaden ergibt, den der Beklagte durch Zahlung der hierfür unbeanstandet berechneten Beitragsausfälle in Höhe von 23.160,98 DM an die Klägerin auszugleichen hat. Dieser Rentenschaden des Verletzten gründet sich – auch ohne Heranziehung der normativen Schadensregelung des § 62 SGB VI – darauf, daß für diesen Zeitraum von einer rentenmindernden Beitragslücke auszugehen ist, die nicht durch rentenrechtliche Anrechnungszeiten geschlossen oder auch nur vermindert wird. Die Anschlußrevision stellt die insoweit im Berufungsurteil zu den sozialversicherungsrechtlichen Regelungen angestellten Überlegungen, die einen Rechtsfehler nicht erkennen lassen, ebensowenig in Frage wie die vom Berufungsgericht vorgenommene Schätzung des konkreten Rentenschadens auf monatlich 118,25 DM.
Entsprechende Erwägungen hat das Berufungsgericht beanstandungsfrei auch für den Zeitraum ab dem 1. Januar 1998 angestellt, da nunmehr die Zeit, in der an E. Übergangsgeld gezahlt wird, nicht mehr nach § 252 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI als Anrechnungszeit gilt, die auf das Übergangsgeld zu leistenden Rentenversicherungsbeiträge jedoch nicht ausreichen, die drohende Rentenminderung aufzufangen.
Der den Erwerbsschaden betreffende Schadensersatzanspruch des verletzten E. ist insoweit darauf gerichtet, den aus den genannten Zeiträumen für ihn resultierenden Rentenschaden durch Entrichtung der aus seinem ohne den Unfall voraussichtlich erzielten Arbeitseinkommen berechneten Rentenversicherungsbeiträge auszugleichen, die gemäß § 119 Abs. 3 SGB X als Pflichtbeiträge gelten, da E. im Unfallzeitpunkt in der Rentenversicherung pflichtversichert war.
3. Dieser Schadensersatzanspruch ist gemäß § 119 Abs. 1 Satz 1 SGB X auf die Klägerin übergegangen und richtet sich (auch) gegen den Beklagten. Entgegen der Auffassung der Anschlußrevision steht dem nicht eine entsprechende Heranziehung des Subsidiaritätsgedankens des § 12 Abs. 1 Satz 3 PflVG entgegen.
a) Auch die Anschlußrevision verkennt nicht, daß ein unmittelbarer Anwendungsfall der genannten Subsidiaritätsvorschrift hier nicht vorliegt. § 12 Abs. 1 Satz 3 PflVG läßt die Leistungspflicht des Entschädigungsfonds nur dann entfallen, wenn der Geschädigte anderweit Ausgleich seines Schadens erlangen kann, und sei es auch nur über Leistungen eines Sozialversicherungsträgers. Letzterer kann dann seinerseits nicht (etwa gemäß § 116 SGB X) gegenüber dem Entschädigungsfonds Regreß nehmen.
b) Eine derartige Fallgestaltung ist jedoch vorliegend nicht gegeben. Es geht nicht darum, daß die Klägerin als Sozialversicherungsträger den Beklagten in Regreß für eine von ihr erbrachte Sozialleistung nehmen möchte. Vielmehr handelt es sich hier um einen nicht anderweitig, auch nicht durch Leistungen eines Sozialversicherungsträgers ausgeglichenen Rentenschaden des Verletzten selbst, dem durch die Entrichtung der ausgefallenen Beiträge an die Klägerin begegnet werden soll. Die in § 119 Abs. 1 SGB X angeordnete Legalzession dient dazu sicherzustellen, daß der Schaden des Verletzten, der in der Störung seines Versicherungsverlaufs durch das Ausbleiben von Beitragszahlungen liegt, durch Naturalrestitution ausgeglichen wird, ohne daß es des Umwegs über eine Geltendmachung und anschließende Abführung durch den Versicherten selbst bedarf (vgl. dazu BGHZ 106, 284, 290); dementsprechend gelten die so eingegangenen Versicherungsbeiträge gemäß § 119 Abs. 3 SGB X als Pflichtbeiträge in der Rentenversicherung. Es geht im Rahmen des § 119 SGB X daher grundsätzlich um eine treuhänderische, im Interesse des Verletzten liegende Zession.
c) Angesichts dieser grundlegenden Unterschiede des Rechtsübergangs nach § 116 SGB X einerseits, nach § 119 SGB X andererseits verbietet sich die von der Revision angestellte Schlußfolgerung, die Klägerin, die selbst keine Leistungen an E. erbracht habe, könne erst recht keine Ansprüche gegen den Beklagten erwerben, wenn nach § 12 Abs. 1 Satz 3 PflVG sogar ein Sozialversicherungsträger, der an den Verletzten tatsächlich geleistet habe, keinen Regreßanspruch gegen den Beklagten habe. Ebensowenig greift die Erwägung der Anschlußrevision durch, die Subsidiarität der Einstandspflicht des Beklagten müsse im Ergebnis dazu führen, daß der Entschädigungsfonds nur gegenüber dem Geschädigten selbst, nicht jedoch gegenüber Dritten hafte: Vorliegend geht es gerade um einen Schaden des Verletzten, der durch die Ersatzleistung des Beklagten an die Klägerin als treuhänderischer Zessionarin zum Ausgleich gebracht werden soll.
d) Entgegen der Ansicht der Anschlußrevision vermag auch eine Heranziehung der allgemeinen Erwägungen, die der in § 12 Abs. 1 Satz 2 ff., insbesondere Satz 3 PflVG getroffenen Entscheidung des Gesetzgebers für eine nur subsidiäre Eintrittspflicht des Entschädigungsfonds zugrunde liegen, keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Allerdings war es Sinn der Einrichtung des Entschädigungsfonds und der Ausgestaltung seiner Haftung nach § 12 PflVG, nur die Schäden zu ersetzen, die bei den Geschädigten in erster Linie zu Härten führen und gegen die sich die Betroffenen am wenigsten schützen können (vgl. dazu Senatsurteil BGHZ 69, 315, 318 unter Hinweis auf die amtliche Gesetzesbegründung, BT-Drucks. IV/2252 vom 16. Mai 1964, S. 25). Die insoweit gewollte Subsidiarität hat der Gesetzgeber jedoch durch eine enumerative Aufzählung von Haftungseinschränkungen verwirklicht. Zwar ist darüber hinaus auch eine erweiternde Auslegung und selbst eine Analogie nicht grundsätzlich ausgeschlossen; sie setzt aber eine vergleichbare Interessenlage wie bei den gesetzlich geregelten Fällen voraus. Dementsprechend hat der Senat in bestimmten besonders gelagerten Fällen, in denen es um den Ersatz von Sachschäden ging, die – unmittelbar oder mittelbar – die öffentliche Hand trafen, auf eine derartige entsprechende Heranziehung des Subsidiaritätsgedankens abgestellt (vgl. BGHZ 69, 315, 320 ff.; Senatsurteil vom 27. November 1984 – VI ZR 256/82 – VersR 1985, 185, 187). Im vorliegenden Fall fehlt es hingegen an einer solchen, eine Analogie rechtfertigenden vergleichbaren Interessenlage. Es geht um den Personenschaden eines privat Betroffenen, um eine – wie dargelegt – konkret drohende Minderung seiner Altersrente und damit, gerade auch im Hinblick auf die sich allgemein ständig verschärfende Problematik einer ausreichenden Alterssicherung, um einen für den Geschädigten wichtigen und besonders sensiblen Bereich.
B. Zur Revision der Klägerin:
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann eine Einstandspflicht des Beklagten für ausgefallene Rentenversicherungsbeiträge des Verletzten E. auch für den Zeitraum vom 1. August 1995 bis zum 31. Dezember 1997 nicht verneint werden. Die von der Revision der Klägerin gegen das angefochtene Urteil erhobenen Rügen greifen durch.
1. Die Besonderheit des genannten Zeitraums liegt allerdings – wie im Berufungsurteil rechtsfehlerfrei dargelegt ist – darin, daß nicht nur im Hinblick auf die Zahlung des Übergangsgeldes Rentenversicherungsbeiträge nach Maßgabe der §§ 161 Abs. 1, 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI abzuführen waren, sondern wegen der Regelungen in § 58 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und Abs. 3 SGB VI i.V. mit § 252 Abs. 2 und Abs. 3 SGB VI zugleich eine Anrechnungszeit vorlag; damit gilt dieser Zeitraum im Sinne des § 54 Abs. 3 SGB VI als beitragsgeminderte Zeit, die rentenrechtlich nach § 71 Abs. 2 SGB VI bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen ist. Inwieweit die unfallbedingte Störung der Zahlungen der Rentenversicherungsbeiträge in diesem Zeitraum dann tatsächlich zu einer späteren Rentenminderung führt, kann derzeit nicht ermittelt werden, da die Bewertung der beitragsgeminderten Zeiten gemäß § 71 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI innerhalb der Regelungen zur Rentenberechnung nach §§ 70 ff. SGB VI noch von der späteren „Versicherungsbiographie” des Verletzten im Laufe seines weiteren Erwerbslebens abhängt.
2. Auf der Grundlage des § 62 SGB VI ist schadensersatzrechtlich von einem ausgleichspflichtigen Rentenschaden des Verletzten unabhängig davon auszugehen, ob und inwieweit durch Anrechnungszeiten einer ansonsten tatsächlich drohenden späteren Rentenminderung entgegengewirkt wird. Durch diese gesetzliche Statuierung eines (insoweit teilweise normativen) Schadens des Verletzten ist die frühere Rechtsprechung zur sogenannten „unfallfesten Position” (vgl. BGHZ 69, 347, 350; 101, 207, 211; Senatsurteil vom 8. April 1986 – VI ZR 92/85 – VersR 1986, 914, 915), die in bestimmten Fällen der Berücksichtigung derartiger rentenrechtlicher Zeiten zur Verneinung eines ersatzpflichtigen Beitragsschadens geführt hatte, hinfällig geworden (vgl. BGHZ 116, 260, 267; 129, 366, 369). Schadensersatzrechtlich gesehen kann im Hinblick auf § 62 SGB VI auch im vorliegenden Fall bezüglich des Zeitraums vom 1. Juli 1995 bis zum 31. Dezember 1997 ein ausgleichspflichtiger Schaden beim Verletzten als notwendige Grundlage seines – für einen Forderungsübergang nach § 119 Abs. 1 SGB X konstitutiven – Ersatzanspruchs nicht in Abrede gestellt werden.
3. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, daß die Subsidiarität des Haftungseintritts des Entschädigungsfonds, wie sie der Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 2 ff. PflVG zugrunde liegt, insoweit eine Inanspruchnahme des Beklagten durch die Klägerin für den gemäß § 119 Abs. 1 SGB X auf sie übergegangenen Beitragserstattungsanspruch ausschließt. Dagegen wendet sich die Revision der Klägerin mit Recht.
a) Auch hinsichtlich der hier in Rede stehenden Beiträge für die Zeit vom 1. August 1995 bis zum 31. Dezember 1997 greift § 12 Abs. 1 Satz 3 PflVG nicht unmittelbar ein. Es geht nicht um den Regreß für Leistungen eines Sozialversicherungsträgers, die zum Ausgleich eines Schadens des Verletzten erbracht wurden; die Klägerin hat weder ihrerseits ausgefallene Rentenbeiträge für E. entrichtet noch hat sie solche auf dem Rentenkonto des Geschädigten zur Gutschrift gebracht. In Betracht zu ziehen wäre lediglich eine entsprechende Heranziehung des Subsidiaritätsgrundsatzes, die – wie oben bereits erörtert – bei vergleichbarer Interessenlage grundsätzlich nicht ausgeschlossen ist, da in § 12 PflVG für die vorliegende Fallkonstellation keine spezielle gesetzliche Regelung getroffen worden ist.
b) Der Senat erachtet jedoch eine den im Gesetz enumerativ aufgezählten Fallgruppen der Haftungsbeschränkung zugunsten des Entschädigungsfonds vergleichbare Interessenlage vorliegend auch insoweit nicht für gegeben, als es um Beiträge für einen Zeitraum geht, in dem dem Verletzten bei der Rentenermittlung auf dem Unfallereignis beruhende Anrechnungszeiten zugute kommen.
aa) Ein Zurücktreten der Einstandspflicht des Entschädigungsfonds im Hinblick auf dessen subsidiäre Haftung würde allerdings dann naheliegen, wenn im Hinblick auf die sozialrechtlichen Regelungen über anrechenbare rentenrechtliche Zeiten eine spätere Rentenminderung für den Geschädigten ausgeschlossen werden könnte. Denn dann hätte der Verletzte keinen tatsächlichen Rentenschaden zu erwarten; sein nach § 119 Abs. 1 SGB X auf den Sozialversicherungsträger übergehender Beitragserstattungsanspruch hätte in vollem Umfang lediglich einen normativen Schaden auf der Grundlage des § 62 SGB VI zum Gegenstand, die Legalzession würde ausschließlich den Interessen des Sozialversicherungsträgers und der hinter ihm stehenden Versichertengemeinschaft dienen, für deren Befriedigung der Entschädigungsfonds nach der Intention des Gesetzgebers nicht herangezogen werden soll.
bb) Indessen geht es hier nicht um einen solchen Fall. Das Berufungsgericht hält – rechtlich beanstandungsfrei – einen auf Beitragsausfällen in dem vorliegend relevanten Zeitraum beruhenden Rentenschaden des verletzten E. für durchaus möglich; eine hieraus drohende Rentenminderung wird um so größer ausfallen, je höher (und je näher an der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze) das Einkommen des E. ohne den Unfall gewesen wäre. Dieser möglichen Rentenminderung entgegenzuwirken, sind die über § 119 Abs. 1 SGB X zu erstattenden Versicherungsbeiträge, die gemäß § 119 Abs. 3 SGB X als Pflichtbeiträge gelten, auch in einem solchen Fall bestimmt. Es handelt sich daher hier nicht lediglich um einen eigennützigen Beitragsregreß des Sozialversicherungsträgers, sondern insoweit ebenfalls – im Wege einer treuhänderischen Zession – um einen Schadensausgleich zugunsten des Verletzten, für den gerade auch der Entschädigungsfonds i.S. des § 12 Abs. 1 PflVG zu sorgen hat.
cc) Daß die insoweit zu erstattenden Beiträge, worauf das Berufungsgericht abhebt, zum Teil auch Rentenanrechte betreffen, auf die der Geschädigte bereits aus der sozialrechtlichen Gesamtleistungsbewertung der beitragsgeminderten Zeiten Anspruch hätte, kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Es erscheint nicht als gerechtfertigt, hier auf die Grundsätze der bereits erörterten früheren, zwischenzeitlich hinfällig gewordenen Rechtsprechung zur „unfallfesten Position” zurückzugreifen. Auch abgesehen von der durch die Regelung des § 62 SGB VI normierten Veränderung der Rechtslage beruhte diese Rechtsprechung auf einer inzwischen überholten sozialrechtlichen Regelung zur Rentenermittlung: Anders als nach den seinerzeit geltenden Vorschriften (vgl. z.B. §§ 1255 a Abs. 3, 1258 RVO a.F.) hängt nunmehr die Höhe des durch die anrechnungs- und sonstigen berücksichtigungsfähigen Zeiten erreichbaren Rentenanrechts im Hinblick auf die Gesamtleistungsbewertung nach § 71 SGB VI auch von der zukünftigen „Versicherungsbiographie” des Geschädigten ab, die im Unfallzeitpunkt (und auch in der Zeit der Schadensregulierung) keineswegs absehbar ist. Es ist nicht Sinn der Subsidiarität der Eintrittspflicht des Entschädigungsfonds, dieses Risiko, das um so größer wird, je ungünstiger sich das weitere Arbeitsleben des Geschädigten entwickelt, dem Verletzten aufzubürden.
c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts geht es auch nicht an, dem Geschädigten hier zuzumuten, erst nach Eintritt des Rentenfalles einen ihm dann verbleibenden Rentenschaden gegen den Beklagten geltend zu machen.
Die ständige Rechtsprechung des Senats, den Geschädigten nicht auf den Ausgleich der auf einem Beitragsausfall beruhenden Rentenminderung erst im Rentenfall zu verweisen, sondern ihm Schadensersatz bereits von vornherein durch Ersatz der Versicherungsbeiträge zu gewähren, beruht wesentlich auf der Überlegung, daß die eingetretene Störung im Aufbau der für den Betroffenen in der Regel existentiell wichtigen sozialen Altersvorsorge sofort behoben werden soll (vgl. hierzu z.B. BGHZ 69, 347, 350); dem soll gerade auch die Regelung des § 119 SGB X dienen (vgl. dazu BGHZ 106, 284, 289 f.). Es ist für den Geschädigten keineswegs gleichgültig, ob sein rentenversicherungsrechtlicher Status und seine „Versicherungsbiographie” ungestört fortgeführt werden, und zwar mit allen öffentlich-rechtlichen Ansprüchen (gegebenenfalls auch von Familienangehörigen) gegen den Sozialversicherungsträger, die sich – unter Umständen auch erst aufgrund späterer Gesetzesänderungen – ergeben, oder ob er lediglich im – gegebenenfalls Jahrzehnte später liegenden – Zeitpunkt des Rentenfalles einen Zahlungsanspruch gegenüber einem Dritten in Höhe der ihm dann entstandenen Rentendifferenz hat. Das gilt um so mehr, je schwerer die Höhe eines möglichen Rentenschadens im Unfallzeitpunkt abschätzbar ist, insbesondere dann, wenn der Zeitpunkt des Eintritts ins Rentenalter noch fern liegt. Wenn der Senat im Rahmen seiner mehrfach erwähnten Rechtsprechung zur „unfallfesten Position” in Ausnahmefällen einen Schadensausgleich erst im Rentenfall für zulässig erachtet hat, so kann hierauf nicht mehr zurückgegriffen werden, nachdem diese Rechtsprechung – wie dargelegt – von der sozialrechtlichen Entwicklung überholt und deshalb vom Senat aufgegeben worden ist. Im übrigen darf nicht außer Acht gelassen werden, daß das Interesse eines Geschädigten, vermeidbaren Störungen in seiner rentenversicherungsrechtlichen Position (mögen diese auch zunächst nicht als allzu erheblich erscheinen) von vornherein so weit wie möglich durch einen sofortigen Schadensausgleich entgegenzuwirken, um so mehr zu berücksichtigen ist, je stärker die auf allgemeinen demographischen und finanziellen Entwicklungen beruhenden Probleme und Unwägbarkeiten der sozialen Alterssicherung im Bewußtsein der Gesellschaft hervortreten.
4. Der Beklagte hat daher an die Klägerin auch die ausgefallenen Rentenversicherungsbeiträge für E. bezüglich des Zeitraums vom 1. August 1995 bis zum 31. Dezember 1997 zu erstatten. Soweit die Klägerin diese Beiträge für die Zeit bis zum 30. Juni 1997 – unter Berücksichtigung der auf das Übergangsgeld tatsächlich entrichteten Beiträge – in ihren bezifferten Klageantrag aufgenommen hat, sind diese der Höhe nach vom Beklagten nicht beanstandet worden.
III.
Da somit keine weiteren Feststellungen mehr zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache abschließend entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Groß, Dr. Lepa, Dr. Müller, Dr. Dressler, Dr. Greiner
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 25.01.2000 durch Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 556323 |
BGHZ |
BGHZ, 344 |
BB 2000, 1200 |
NJW 2000, 1338 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 2000, 399 |
DAR 2000, 216 |
MDR 2000, 449 |
NZV 2000, 252 |
SGb 2000, 367 |
SGb 2001, 27 |
SozVers 2001, 25 |
VRS 2000, 333 |
VersR 2000, 471 |
ZfS 2000, 201 |