Entscheidungsstichwort (Thema)
Warentermin- und Optionsgeschäfte. Rückzahlung von Einlagen. Kundenvertrag nach schweizerischem Recht. Deutsche Vermittlungsgesellschaft als Agentin. Wirksame Rechtswahlklausel schweizerischen Rechts. Nicht abdingbarer Anlegerschutz bei Börsentermingeschäften. Günstigkeitsvergleich zwischen deutschem und schweizerischem Recht. Artikel 29 Abs. 1 EGBGB. Richterliche Regeln zum Schutz eines Vertragspartners. Termin- und Differenzeinwand kein Teil des nationalen ordre public
Leitsatz (amtlich)
a) Zu den zwingenden Bestimmungen i.S.d. Art. 29 Abs. 1 EGBGB können auch richterrechtliche Regeln gehören.
b) Zur Frage, bis wann der Termin- und Differenzeinwand gem. §§ 52 ff. BörsG a.F. und § 764 BGB a.F. zum deutschen ordre public gehörte.
Normenkette
BGB § 764 a.F.; EGBGB Art. 6, 29; BörsG § 52 ff. a.F.
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 26.02.2004; Aktenzeichen 16 U 160/03) |
LG Hanau |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 16. Zivilsenats des OLG Frankfurt v. 26.2.2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte zu 2) (im Folgenden: Beklagte), ein in der Schweiz ansässiges Brokerunternehmen, auf Rückzahlung von Einlagen in Anspruch, die er ihr für Warentermin- und Optionsgeschäfte zur Verfügung gestellt hat.
Der Kläger, ein in Deutschland lebender Diplom-Chemiker, wurde von Telefonverkäufern einer in Deutschland ansässigen GmbH, die gewerbsmäßig Termin- und Optionsgeschäfte vermittelte, in Deutschland geworben und erhielt von ihr eine Informationsbroschüre und Vertragsformulare der Beklagten. Am 9.4.1997 unterzeichnete er in Deutschland einen Kunden- und einen Provisionsvertrag. Der Kundenvertrag untersteht nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten schweizerischem Recht. Nach dem Provisionsvertrag hatte der Kläger für den An- und Verkauf jeder Aktienoption eine "Round-Turn-Commission" i.H.v. 90 US-Dollar und für Forex-, d.h. Devisengeschäfte einen "Spread" zu zahlen, von dem die deutsche Vermittlungsgesellschaft 55 % erhalten sollte. Der Kläger bestellte die Vermittlungsgesellschaft zu seiner Agentin und erteilte ihr Vollmacht zum Abschluss von Termin- und Optionsgeschäften. Er zahlte im April 1997 29.000 DM auf ein Konto der Beklagten bei einem deutschen Kreditinstitut ein und erhielt bei Beendigung der Geschäftsbeziehung 4.460 DM zurück.
Seine Klage auf Rückzahlung des Restbetrages i.H.v. 12.547,10 EUR nebst Zinsen ist in den Vorinstanzen, nachdem das LG durch rechtskräftiges Zwischenurteil seine internationale Zuständigkeit festgestellt hat, in der Sache erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt er seinen Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien unterliege auf Grund der vereinbarten Rechtswahlklausel gem. Art. 27 Abs. 1 EGBGB schweizerischem Recht. Nach diesem sei eine Rechtswahlklausel auch in einem Formularvertrag zulässig. Die freie Rechtswahl sei nicht gem. Art. 27 Abs. 3 EGBGB eingeschränkt. Der Sachverhalt sei in dem Zeitpunkt des Rechtsgeschäfts nicht nur mit einem anderen Staat als der Schweiz verbunden gewesen. Vielmehr habe die Beklagte ihren Sitz in der Schweiz.
Der Kläger könne sich nicht auf Art. 29 Abs. 1 EGBGB berufen. Fraglich sei bereits, ob diese Vorschrift gem. Art. 29 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EGBGB unanwendbar sei, weil die Beklagte ihre Dienstleistungen nicht nur in der Schweiz erbringen konnte. Jedenfalls führe die Rechtswahl nicht dazu, dass dem Kläger der durch zwingende Bestimmungen des deutschen Rechts gewährte Schutz entzogen werde. Die §§ 52 ff. BörsG a.F. seien im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil der Kläger keinen Bereicherungsanspruch auf Grund mangels Börsentermingeschäftsfähigkeit unverbindlicher Geschäfte, sondern Schadensersatzansprüche wegen mangelhafter Aufklärung geltend mache. Zwingende Normen über die Haftung eines Vermittlers von Termingeschäften habe das deutsche Recht bis zur Einführung des § 37d Abs. 4 WpHG im Jahre 2002 nicht gekannt. Die Rechtsprechung des BGH zu vertraglichen Aufklärungspflichten bei Termin- und Optionsgeschäften sei keine zwingende Norm i.S.d. Art. 29 Abs. 1 EGBGB. Verbraucherschutznormen seien allerdings die Vorschriften des AGBG gewesen. Die Rechtswahlklausel sei aber weder überraschend i.S.d. § 3 AGBG noch benachteilige sie den Kläger unangemessen i.S.d. § 9 AGBG.
Art. 34 EGBGB sei auf Verträge, die in den Regelungsbereich des Verbraucherschutzes gem. Art. 29 EGBGB fielen, nicht anwendbar. Die Rechtswahlklausel verstoße auch nicht gegen den deutschen ordre public.
Ausführungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten seien entbehrlich, weil das LG diese verneint habe und dessen diesbezügliche Feststellungen in der Berufungsbegründung nicht gerügt worden seien.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
1. Dies gilt zunächst für die Erwägungen zu vertraglichen Ansprüchen des Klägers.
a) Die Begründung, mit der das Berufungsgericht insoweit schweizerisches Recht als maßgeblich angesehen hat, ist rechtlich nicht haltbar.
aa) Rechtsfehlerfrei ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Für die Wirksamkeit einer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Rechtswahlklausel ist nach Art. 31 Abs. 1 EGBGB das Recht maßgebend, das nach der Klausel angewendet werden soll (BGH, Urt. v. 26.10.1993 - XI ZR 42/93, BGHZ 123, 380 [383]; Staudinger/Hausmann, BGB Bearb. 2002, Art. 31 EGBGB Rz. 72, jeweils m.w.N.). Die Entscheidung des Berufungsgerichts, nach schweizerischem Recht sei die Rechtswahlklausel wirksam, unterliegt keiner revisionsrechtlichen Überprüfung (§ 545 Abs. 1, § 560 ZPO). Dass dem Berufungsgericht bei der Ermittlung und Anwendung des schweizerischen Rechts ein Verfahrensfehler unterlaufen ist (BGH v. 30.4.1992 - IX ZR 233/90, BGHZ 118, 151 [162] = MDR 1992, 765, m.w.N.), macht die Revision nicht geltend.
Art. 31 Abs. 2 EGBGB, § 3 AGBG führen zu keinem anderen Ergebnis. Ob der Tatbestand des Art. 31 Abs. 2 EGBGB erfüllt ist, kann dahinstehen. Jedenfalls ist die Wahl schweizerischen Rechts nicht überraschend i.S.d. § 3 AGBG, da die Beklagte ihren Sitz in der Schweiz hat und ihre Vertragsleistungen, zumindest teilweise, von dort aus erbringt (Ulmer/Brandner/Hensen/H. Schmidt, AGBG, 9. Aufl., Anh. §§ 9-11 Rz. 577).
bb) Rechtlich nicht zu beanstanden ist ferner die Auffassung des Berufungsgerichts, die Rechtswahl der Parteien werde durch Art. 27 Abs. 3 EGBGB nicht eingeschränkt. Diese Vorschrift setzt voraus, dass der Sachverhalt, abgesehen von der Rechtswahlklausel, nur mit einem Staat verbunden ist, dessen Recht nicht gewählt worden ist. Dies ist hier nicht der Fall, weil die Beklagte, wie dargelegt, ihren Sitz in der Schweiz hat und ihre Vertragsleistungen, zumindest teilweise, von dort aus erbringt (BGH, Urt. v. 26.10.1993 - XI ZR 42/93, BGHZ 123, 380 [384], m.w.N.).
cc) Rechtsfehlerhaft ist hingegen die Begründung, mit der das Berufungsgericht die Anwendbarkeit des Art. 29 Abs. 1 EGBGB verneint hat. Die Rechtswahl der Parteien führt dazu, dass dem Kläger der durch zwingende Bestimmungen des deutschen Rechts gewährte Schutz entzogen wird. Zu diesen Bestimmungen gehören alle durch Parteivereinbarung nicht abdingbaren Vorschriften, die geeignet und dazu bestimmt sind, einem Vertragspartner Schutz ggü. dem anderen zu gewähren (Staudinger/Magnus, BGB, Bearb. 2002, Art. 29 EGBGB Rz. 102; Martiny in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., Art. 29 EGBGB Rz. 35; Erman/Hohloch, BGB, 11. Aufl., Art. 29 EGBGB Rz. 17; Soergel/v. Hoffmann, BGB, 12. Aufl., Art. 29 EGBGB Rz. 29).
(1) Hierunter fallen die dem Schutz des Anlegers vor der besonderen Gefährlichkeit von Börsentermingeschäften (BGH v. 17.7.2001 - XI ZR 15/01, BGHZ 148, 297 [299] = MDR 2001, 1253 = BGHReport 2001, 830) dienenden §§ 52 ff. BörsG a.F.. Dieser Schutz war, soweit er gem. §§ 55 ff. BörsG a.F. reichte, vertraglich nicht abdingbar.
Das Berufungsgericht hat zwar nicht verkannt, dass die §§ 52 ff. BörsG a.F. zu den zwingenden Anlegerschutzvorschriften des deutschen Rechts gehörten. Es hat sie aber rechtsfehlerhaft im vorliegenden Fall nicht für anwendbar gehalten, weil der Kläger keinen aus einer Unverbindlichkeit der Geschäfte folgenden Bereicherungsanspruch geltend mache. Dies trifft nicht zu. Der Kläger hat, wie die Revision zu Recht rügt, vor dem LG ausdrücklich geltend gemacht, durch die Vereinbarung schweizerischen Rechts werde ihm der Schutz des § 53 Abs. 2 BörsG a.F. entzogen. Darüber hinaus hat er im Verlaufe des Rechtsstreits mehrfach vorgetragen, er sei nicht in einer den Anforderungen des § 53 Abs. 2 BörsG a.F. genügenden Weise aufgeklärt worden. Das Berufungsgericht war gehalten, diesen Tatsachenvortrag unter jedem einschlägigen rechtlichen Gesichtspunkt zu würdigen und deshalb in den gem. Art. 29 EGBGB anzustellenden Günstigkeitsvergleich zwischen deutschem und schweizerischem Recht (Staudinger/Magnus, BGB, Bearb. 2002, Art. 29 EGBGB Rz. 105; Martiny in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., Art. 29 EGBGB, Rz. 37, jeweils m.w.N.) auch Bereicherungsansprüche einzubeziehen.
(2) Rechtlich unhaltbar ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts, das deutsche Recht habe bis zur Einführung des § 37d Abs. 4 WpHG im Jahre 2002 keine zwingenden Normen zur Haftung der Vermittler von Termingeschäften gekannt. Zu den zwingenden Bestimmungen i.S.d. Art. 29 Abs. 1 EGBGB gehören, was das Berufungsgericht verkannt hat, auch richterrechtliche Regeln zum Schutz eines Vertragspartners ggü. dem anderen (Staudinger/Magnus, BGB, Bearb. 2002, Art. 29 EGBGB Rz. 102; Martiny in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., Art. 29 EGBGB Rz. 35; Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, Art. 29 EGBGB Rz. 17, jeweils m.w.N.). Hierunter fallen auch die in der Rechtsprechung des Senats entwickelten Grundsätze über Aufklärungs-, Hinweis- und Warnpflichten ggü. Kapitalanlegern.
b) Ein weiterer Rechtsfehler besteht darin, dass das Berufungsgericht das schweizerische Recht, obwohl es dieses für maßgeblich hält, nicht auf den vorliegenden Fall angewandt hat. Das Berufungsurteil enthält hierfür keine erkennbare Begründung. Sollte sich das Berufungsgericht stillschweigend die Auffassung des LG zu Eigen gemacht haben, dem Vorbringen des Klägers sei nicht zu entnehmen, dass die Beklagte vertragliche Pflichten, die sich nach schweizerischem Recht ergäben, verletzt habe, wäre dies rechtlich nicht haltbar.
Der deutsche Tatrichter hat das maßgebliche ausländische Recht gem. § 293 ZPO von Amts wegen zu ermitteln. Die Parteien trifft keine (prozessuale) Beweisführungslast (BGH v. 3.12.1992 - IX ZR 229/91, BGHZ 120, 334 [342] = MDR 1993, 473). Der Umfang der Ermittlungspflicht kann zwar durch den Vortrag der Parteien beeinflusst werden (BGH v. 30.4.1992 - IX ZR 233/90, BGHZ 118, 151 [164] = MDR 1992, 765). Im vorliegenden Fall war vom Kläger aber kein Vortrag zum Inhalt des schweizerischen Rechts zu erwarten, weil er deutsches Recht für anwendbar hielt und weil nicht ersichtlich ist, dass er über Erkenntnisquellen für einen etwaigen Differenz- und Termineinwand sowie vertragliche Aufklärungspflichten nach schweizerischem Recht verfügte. Es kann auch keine Rede davon sein, der Kläger verfolge nur Ansprüche nach deutschem Recht und nicht nach schweizerischem Recht. Er macht den im Klageantrag bezeichneten Zahlungsanspruch geltend, ohne dieses Begehren durch die seiner Begründung dienenden Rechtsausführungen einzuschränken.
2. Rechtsfehlerhaft ist auch die Behandlung deliktischer Ansprüche. Das Berufungsgericht hat zwar allgemein ausgeführt, das landgerichtliche Urteil halte einer Überprüfung stand. Im Berufungsurteil kommt aber nicht ansatzweise zum Ausdruck, dass das Berufungsgericht deliktische Ansprüche einer eigenen rechtlichen Prüfung unterzogen hat. Das Berufungsgericht hat Ausführungen zu einer deliktischen Haftung vielmehr ausdrücklich als entbehrlich angesehen, weil das LG diese mit detaillierter Begründung verneint habe und dessen diesbezügliche Feststellungen in der Berufungsbegründung nicht angegriffen worden seien.
Damit hat das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht rügt, den Umfang seiner Prüfungspflicht verkannt. Gemäß § 529 Abs. 2 S. 2 ZPO unterliegt das mit der Berufung angefochtene Urteil, von den in § 529 Abs. 2 S. 1 ZPO bezeichneten, hier nicht einschlägigen Mängeln abgesehen, der inhaltlich unbeschränkten, nicht an die geltend gemachten Berufungsgründe gebundenen Überprüfung auf Fehler bei der Anwendung formellen und materiellen Rechts. Das Berufungsgericht hat den Prozessstoff selbständig nach allen Richtungen von neuem zu prüfen, ohne an die rechtlichen Gesichtspunkte der Parteien oder des LG gebunden zu sein (BGH, Urt. v. 8.11.1991 - V ZR 260/90, MDR 1992, 343 = WM 1992, 441; Musielak/Ball, ZPO, 4. Aufl., § 529 Rz. 24; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 529 Rz. 14). Dies hat das Berufungsgericht verabsäumt.
III.
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, war sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 S. 1 ZPO).
1. Das Berufungsgericht wird weitere Feststellungen zur Anwendbarkeit des Art. 29 EGBGB zu treffen haben.
a) Zwar ist bereits nach dem übereinstimmenden Parteivortrag davon auszugehen, dass die Parteien einen Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen und keinen Vertrag über die Lieferung von Wertpapieren, der nicht unter Art. 29 Abs. 1 EGBGB fiele (BGH, Urt. v. 26.10.1993 - XI ZR 42/93, BGHZ 123, 380 [387]), geschlossen haben. Der Vertrag diente auch einem Zweck, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Klägers, sondern seiner privaten Vermögensanlage, zugerechnet werden kann. Zwischen den Parteien ist aber streitig, ob dem Vertragsschluss ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung der Beklagten in Deutschland (Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB) vorausgegangen ist. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, die Beklagte habe die deutsche Vermittlungsgesellschaft gezielt zur Werbung deutscher Kunden eingesetzt und zur Versendung ihrer Informationsbroschüre, u.a. an ihn, den Kläger, veranlasst. Die Beklagte hat zwar eingeräumt, dass die deutsche Vermittlungsgesellschaft ihre Broschüre und ihre Vertragsformulare, die eine Beteiligung der Vermittlungsgesellschaft an den Provisionen vorsah, versandt hat. Sie hat aber bestritten, die Vermittlungsgesellschaft zur Werbung in Deutschland veranlasst oder hiervon zumindest gewusst zu haben. Deshalb sind die hierzu von beiden Parteien angebotenen Beweise zu erheben.
b) Art. 29 Abs. 1 EGBGB ist nicht durch Art. 29 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EGBGB ausgeschlossen, weil die dem Kläger geschuldeten Dienstleistungen nicht ausschließlich in einem anderen Staat als Deutschland erbracht werden mussten. Art. 29 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EGBGB erfasst ganz im Ausland abzuwickelnde Verträge, z.B. Dienstleistungen im Rahmen von Beherbergungsverträgen ausländischer Hotels oder Unterrichtsverträge, wenn sie etwa einen Auslandssprachkurs oder einen im Ausland zu absolvierenden Ski- oder Segelkurs zum Gegenstand haben (Begr. RegE Gesetz zur Neuregelung des IPR, BT-Drucks. 10/504, 80). Auch örtliche Bank- und Brokerdienstleistungen können hierunter fallen (Martiny in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., Art. 29 EGBGB Rz. 16; Soergel/v. Hoffmann, BGB, 12. Aufl., Art. 29 EGBGB Rz. 26). Darum geht es hier aber nicht. Die Beklagte war bei der Erbringung ihrer Dienstleistungen nicht auf die Schweiz beschränkt, sondern durfte nach dem maßgeblichen Vertragsinhalt (Erman/Hohloch, BGB, 11. Aufl., Art. 29 EGBGB Rz. 24) auch an Börsen in anderen Staaten, etwa in Deutschland, Geschäfte tätigen.
2. a) Falls die weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts zu Art. 29 EGBGB ergeben sollten, dass schweizerisches Recht uneingeschränkt anwendbar ist, führt Art. 34 EGBGB zu keinem anderen Ergebnis. Diese Vorschrift ist, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, wegen des Vorrangs von Art. 29 EGBGB nicht anwendbar (BGH, Urt. v. 26.10.1993 - XI ZR 42/93, BGHZ 123, 380 [390 f.]).
b) Art. 6 EGBGB führt, wie das Berufungsgericht ebenfalls rechtsfehlerfrei erkannt hat, zu keiner anderen Beurteilung.
Der Termin- und Differenzeinwand gem. §§ 52 ff. BörsG a.F. und § 764 BGB a.F. gehörte zwar nach früherer Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 4.6.1975 - VIII ZR 232/73, WM 1975, 676 [677]; v. 12.6.1978 - II ZR 48/77, WM 1978, 1203 [1204 f.]; v. 25.5.1981 - II ZR 172/80, MDR 1982, 32 = WM 1981, 758 f.; v. 15.6.1987 - II ZR 124/86, MDR 1988, 121 = WM 1987, 1153 [1154]) zum deutschen ordre public. Daran ist aber nach der Änderung der §§ 53, 58 und 61 BörsG a.F. durch die Börsengesetznovelle 1989 nicht mehr festzuhalten (BGH v. 21.4.1998 - XI ZR 377/97, BGHZ 138, 331 [336 ff.] = MDR 1998, 917). Die §§ 53 ff. BörsG a.F. sind durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz v. 21.6.2002 (BGBl. I, 2010) zum 1.7.2002, d.h. zwischen dem Abschluss des Vertrages der Parteien und dem erstinstanzlichen Urteil im vorliegenden Rechtsstreit, aufgehoben worden. Maßgeblich ist zwar, anders als bei der Entscheidung über die Vollstreckbarkeit eines ausländischen Urteils (BGH v. 21.4.1998 - XI ZR 377/97, BGHZ 138, 331 [335] = MDR 1998, 917), nicht der Zeitpunkt der Entscheidung, sondern der der Vornahme des Rechtsgeschäfts (BGH v. 28.3.2001 - I ZR 182/98, BGHZ 147, 178 [187]). Der Gesetzgeber hat aber bereits vor dem In-Kraft-Treten des 4. Finanzmarktförderungsgesetzes die Termingeschäftsfähigkeit kraft Aufklärung gem. § 53 Abs. 2 BörsG a.F. als "Fremdkörper" im deutschen Rechtssystem angesehen (Begr. RegE 4., FMFG, BT-Drucks. 14/8017, 95). Angesichts dieser Bewertung und der deshalb erfolgten Aufhebung der §§ 53 ff. BörsG a.F. kann der Termin- und Differenzeinwand bereits für den Zeitpunkt des Vertragsschlusses im April 1997 nicht mehr als Teil des nationalen ordre public angesehen werden.
3. Sollten die weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts die uneingeschränkte Anwendbarkeit des schweizerischen Rechts ergeben, wird das Berufungsgericht Feststellungen zu dessen Inhalt zu treffen und ferner deliktische Ansprüche zu prüfen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 1317226 |
BGHR 2005, 648 |
EBE/BGH 2005, 1 |
NJW-RR 2005, 1071 |
EWiR 2005, 823 |
JR 2006, 340 |
WM 2005, 423 |
ZIP 2005, 478 |
MDR 2005, 641 |
RIW 2005, 463 |
ZBB 2005, 144 |
ELF 2005, 70 |
EuLF 2005, 76 |