Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch des Nutzers auf Bestellung eines Wegerechts nach § 116 SachenRBerG setzt nicht voraus, daß dieser den Weg angelegt hat.
Normenkette
SachenRBerG § 116
Verfahrensgang
Brandenburgisches OLG |
LG Frankfurt (Oder) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 31. März 1999 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger sind seit 1981 im Grundbuch als Eigentümer eines Wohngebäudes eingetragen, das auf einem in S. belegenen Seegrundstück steht. Eigentümer des Grundstücks war bis zu dessen Überführung in Volkseigentum im Jahr 1975 der inzwischen verstorbene Vater des Beklagten. Das vom Beklagten mit dem Ziel der Rückübertragung des Grundstücks betriebene Restitutionsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Der Beklagte ist Eigentümer an das Seegrundstück angrenzender Flurstücke, über die seit Jahrzehnten ein von einer öffentlichen Straße abzweigender Weg führt, den die Kläger zur Erreichung ihres Wohnhauses nutzen und unterhalten. Ein Mitbenutzungsrecht an den Flurstücken des Beklagten ist den Klägern nicht eingeräumt worden.
Die Kläger haben von dem Beklagten die Bestellung einer Grunddienstbarkeit mit dem Inhalt eines Wegerechts sowie in zweiter Instanz auch eines Leitungsrechts zu Lasten seiner Flurstücke verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr hinsichtlich des Wegerechts Zug um Zug gegen eine monatliche Rente von 50 DM entsprochen. Mit der – zugelassenen – Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Ein Anspruch der Kläger auf Bewilligung einer Grunddienstbarkeit folge aus § 116 Abs. 1 SachenRBerG. Zwar sei der Weg nicht von ihnen errichtet, sondern mit Beginn der Nutzung des Wohngebäudes bereits vorgefunden worden. Einer Errichtung sei aber die fortlaufende Nutzung des Weges gleichzustellen. Die Nutzung sei für die Erschließung des Wohngebäudes der Kläger erforderlich.
II.
Dies hält den Angriffen der Revision stand.
1. Entgegen der Auffassung der Revision setzt der Bereinigungsanspruch der Kläger nach § 116 Abs. 1 SachenRBerG nicht voraus, daß diese den über die Flurstücke der Beklagten verlaufenden Weg selbst angelegt haben. Entscheidend ist auch nicht, worauf das Berufungsgericht zusätzlich abhebt, daß der Weg von den Klägern unterhalten worden ist. Die Vorschrift verlangt nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte (vgl. dazu BT-Drucks. 12/5992 S. 179) und Sinn nur, daß vor dem Beitritt eine für die Erschließung oder Entsorgung des eigenen Grundstücks oder Bauwerks erforderliche Nutzung begründet wurde (§ 116 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SachenRBerG). Das Eigentum der Kläger an dem Bauwerk, dessen Erschließung der Bereinigungsanspruch dient, ist in den Tatsacheninstanzen nicht in rechtlich erheblicher Weise bestritten worden (zum Eigentum als „juristische Tatsache” vgl. Senat, Urt. v. 2. Juni 1995, V ZR 304/93, ZPO § 138 Abs. 1, Tatsache, juristische 1). An eine Investition des Nutzers knüpft § 116 Abs. 1 SachenRBerG, anders als andere Bereinigungstatbestände (vgl. z.B. § 5 Abs. 1 Nr. 3, § 7 Abs. 2 Nr. 2, Nr. 4 SachenRBerG), nicht an. Dies wird durch das negative Tatbestandsmerkmal des § 116 Abs. 1 Nr. 3 SachenRBerG bestätigt, wonach die Begründung eines Mitbenutzungsrechts nach den §§ 321 und 322 ZGB unterblieben sein muß. Wurde ein Mitbenutzungsrecht begründet, bedarf es des Bereinigungsanspruchs nicht. Denn dieses besteht, soweit es der Erschließung oder Entsorgung dient, nach Art. 233 § 5 EGBGB als Recht an dem belasteten Grundstück regelmäßig fort. Der Bereinigungsanspruch, der an die Stelle des nicht zustande gekommenen Mitbenutzungsrechts tritt, setzt, wie dieses, keine Investition des Berechtigten, sondern lediglich dessen berechtigtes Interesse voraus. Nach § 321 Abs. 2 ZGB konnte die Eintragung eines Mitbenutzungsrechtes verlangt werden, wenn dies im Interesse der ordnungsgemäßen Nutzung benachbarter Grundstücke erforderlich war. § 116 Abs. 1 Nr. 2 SachenRBerG greift den Maßstab der Erforderlichkeit auf und konzentriert ihn auf die Zwecke der Erschließung oder Entsorgung. Liegen sie vor, verleiht der Bereinigungsanspruch der über das Notwegrecht (§§ 917 f BGB) hinausgehenden Stellung des Mitbenutzers über den zeitlichen Geltungsbereich des § 321 ZGB hinaus Bestand. Sollte, wozu das Berufungsurteil keine Feststellungen trifft, der Weg noch unter der Geltung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der DDR angelegt worden sein, so wäre der Mitbenutzer jedenfalls mit Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches der DDR am 1. Januar 1976 (§ 1 EGZGB) in die Rechtsstellung hineingewachsen, an die § 116 Abs. 1 SachenRBerG anschließt. Dies steht nicht in Widerspruch zu der in § 1 Abs. 1 SachenRBerG getroffenen Bestimmung über die Gegenstände der Bereinigung, nach dessen Nr. 4 Rechtsverhältnisse an Grundstücken erfaßt sind, auf denen andere Personen als der Eigentümer bauliche Erschließungs-, Entsorgungs- oder Versorgungsanlagen ohne Sicherung durch ein Mitbenutzungsrecht errichtet haben. Die Vorschrift hebt darauf ab, daß die Investition nicht auf den Grundstückseigentümer zurückgeht, schließt dagegen den Nutzer nicht deshalb aus, weil er nicht zugleich der Errichter der Anlage ist (ebenso KG, VIZ 1999, 356; vgl. auch Czub, in: Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz, SachenRBerG, § 1 Rdn. 136, 141; Keller, Rpfleger, 1966, 231, 232).
2. Der in § 116 Abs. 1 Nr. 2 SachenRBerG verwendete Begriff des Bauwerks erfaßt auch Wohn- und Einfamilienhäuser, nicht nur Wochenendhäuser. Die von der Revision im letzteren Sinne geforderte Einschränkung entspricht weder dem Wortgebrauch des Gesetzes (vgl. § 12 Abs. 3 SachenRBerG) noch findet sie in den früheren Vorschriften über die Mitbenutzungsrechte eine Grundlage.
3. Die Rüge der Revision, die Kläger seien als „restitutionsbelastete Gebäudeeigentümer” nicht anspruchsberechtigt, geht am Tatbestand des Berufungsurteils, der den Senat nach §§ 561, 314 ZPO bindet, vorbei. Die von dem Beklagten mit dem Restitutionsantrag erstrebte Rückübertragung des Grundeigentums berührt die Rechtsstellung der Kläger als Gebäudeeigentümer, die Grundlage des Bereinigungsanspruchs ist, nicht. Ob der Erwerb des Gebäudeeigentums, worauf die Revision unter Hinweis auf § 30 Abs. 1 SachenRBerG zusätzlich abstellt, unredlich war, kann dahinstehen. Im Falle der Unredlichkeit des Erwerbs hätte der Beklagte, wenn im übrigen ein Restitutionstatbestand vorlag oder die Voraussetzungen des Art. 233 § 4 Abs. 5 EGBGB gegeben sind, die Möglichkeit gehabt, das Gebäude zurückzufordern und damit dem jetzt geltend gemachten Bereinigungsanspruch die Grundlage zu entziehen. Dies ist nicht geschehen. Im übrigen kann ein Grundstückseigentümer die Einrede nach § 30 Abs. 1 Satz 1 SachenRBerG nur dann erheben, wenn er auch die Aufhebung des Nutzungsrechts beantragt (§ 30 Abs. 1 Satz 2 SachenRBerG). Dies ist hier ebenfalls nicht geschehen.
Unterschriften
Wenzel, Vogt, Tropf, Schneider, Lemke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 25.02.2000 durch Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 556281 |
BGHZ, 25 |
BGHR |
EBE/BGH 2000, 114 |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 2000, 366 |
WM 2000, 1163 |
ZAP-Ost 2000, 301 |
NJ 2000, 542 |
NotBZ 2000, 155 |
OVS 2000, 176 |