Leitsatz (amtlich)
a) Zur kommunalaufsichtlichen Genehmigungspflicht öffentlich-rechtlicher Zusagen des Landkreises hinsichtlich der Belegung und der Pflegesatzhöhe für ein zu errichtendes Altenpflegeheim.
b) Hat der Landkreis einem Investor Zusagen gemacht, die für die Errichtung und den späteren Betrieb eines Altenpflegeheims eine Vertrauensgrundlage bilden sollen, trifft ihn auch die ihm gegenüber dem Empfänger der Zusagen obliegende Amtspflicht, die notwendige Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde einzuholen.
c) Wäre die Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde auf einen entsprechenden Antrag des Landkreises erteilt worden oder zu erteilen gewesen, ist der geschädigte Empfänger der Zusagen nach Amtshaftungsgrundsätzen so zu stellen, als hätte der Landkreis seinen Zusagen entsprochen; wäre die Genehmigung nicht erteilt worden, kommt eine Haftung des Landkreises insoweit in Betracht, als die Zusagen ein haftungsrechtlich relevantes Vertrauen begründeten.
Normenkette
BGB § 839; DDR: KommunalVerf §§ 45, 95
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 303 O 337/95) |
OLG Hamburg (Aktenzeichen 1 U 30/97) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 1. Zivilsenat, vom 18. Dezember 1998 – 1 U 30/97 – aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte ist Eigentümer eines im Oktober 1992 eröffneten Altenpflegeheims in H., das er mit Vertrag vom 17. Januar 1992 zu einem monatlichen Zins von 352.150 DM an die C. GmbH verpachtete. Bevor der Beklagte im April 1991 mit dem Bauvorhaben begann, erhielt er zwei am 26. November 1990 von dem damaligen Landrat des Landkreises H., des Rechtsvorgängers des jetzt klagenden Landkreises, unterzeichnete und mit dem Siegel des Kreises versehene Erklärungen. Die mit „Pflegesatzvereinbarung” überschriebene Erklärung lautet:
„Der vorgeschlagene Pflegesatz von 95 DM täglich wird zum Zeitpunkt der Fertigstellung von der Kreisverwaltung als gerechtfertigt akzeptiert und bezahlt.”
In der anderen, nachfolgend als „Vollbelegungszusage” bezeichneten Erklärung heißt es:
„Der Bedarf an Heimplätzen und Pflegeplätzen, auch im Hinblick auf das Niveau bestehender Seniorenheime ist so groß, daß eine Vollbelegung in einem neu zu bauenden Heim mit 240 Plätzen durch die Kreisverwaltung garantiert wird.”
Zur Finanzierung einer Teilsumme für das Bauvorhaben nahm der Beklagte bei der B. AG im Rahmen des Kommunalkreditprogramms (DDR) einen Kredit über 20 Mio. DM auf, hinsichtlich dessen der Landkreis H. am 8. Januar 1991 eine Ausfallbürgschaft übernahm. Das Ministerium des Inneren des Landes Sachsen-Anhalt genehmigte am 17. Januar 1991 auf Antrag des Kreises die Übernahme der Bürgschaft als Rechtsaufsichtsbehörde.
Weil das Altenpflegeheim nach seiner Eröffnung nicht den Erklärungen des Landkreises entsprechend belegt wurde, Pachtzahlungen der Betreiberin an den Beklagten ausblieben und dieser den aufgenommenen Kredit nicht bediente, wurde der Landkreis von der Bank aus der Ausfallbürgschaft in Anspruch genommen. Gegenstand der auf § 774 BGB gestützten Klage, der das Landgericht zunächst unter Vorbehalt der Entscheidung über die vom Beklagten zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzansprüche entsprochen hat, sind die bis zum 15. November 1993 aufgelaufenen Rückstände in Höhe von 1.323.725 DM nebst Verzugszinsen. Der Beklagte ist der Auffassung, ihm stünden aus eigenem und abgetretenem Recht der C. GmbH Schadensersatzansprüche zu, die mit den Erklärungen vom 26. November 1990 und der unterlassenen ausreichenden Belegung des Altenpflegeheims in Zusammenhang stehen. Das Landgericht hat solche Ansprüche für unbegründet gehalten und das Vorbehaltsurteil für vorbehaltlos erklärt. Die Berufung des Beklagten, mit der er zusätzlich eine auf Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichtete Widerklage erhoben hat, hatte keinen Erfolg. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte seine Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht bewertet die beiden Erklärungen des Landrates als einseitig verpflichtende verwaltungsrechtliche Willenserklärungen in Form öffentlich-rechtlicher Zusagen, die – um Wirksamkeit entfalten zu können – nach §§ 95, 45 Abs. 2 und 3 des Gesetzes über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung – KV) vom 17. Mai 1990 (GBl. I, S. 255) der Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde bedurft hätten. Auch wenn man zugunsten des Beklagten davon ausginge, den Landrat habe die ihm gegenüber dem Empfänger der Zusage obliegende Amtspflicht getroffen, die Genehmigung der zuständigen Behörde einzuholen, sei schon nach dem Vortrag des Beklagten fraglich, ob der Landrat die Aufsichtsbehörde nicht ausreichend über den genannten Vorgang unterrichtet habe. Jedenfalls aber fehle es an einem Nachweis des Beklagten, daß der von ihm behauptete Schaden auf der Nichteinholung der Genehmigung beruhe. Darüber hinaus hätten der Beklagte und die C. GmbH die Genehmigungsbedürftigkeit der Vollbelegungszusage erkennen müssen. Sie müßten sich wegen ihrer Vermögensdispositionen ein derart gravierendes Mitverschulden anrechnen lassen, daß eine etwa wegen der Nichteinholung der Genehmigung begründete Amtshaftung des Klägers verdrängt würde. Dies gelte auch, wenn man dem Landrat vorwerfe, überhaupt unwirksame Zusagen abgegeben zu haben. Eine Vertrauenshaftung begründe dies nicht, weil der Beklagte als Volljurist und die C. GmbH als im Geschäftsleben tätige und aufgrund ihres Geschäftsbereichs gerade im Umgang mit den Behörden vertraute juristische Person bei der gebotenen Sorgfalt die schwebende Unwirksamkeit der Zusagen hätten erkennen können und müssen. Ferner könne der Beklagte nichts daraus herleiten, daß der Kläger nicht durch Einweisung von pflegebedürftigen Personen die in der Vollbelegungszusage „garantierte” Belegung von der Inbetriebnahme des Heims an herbeigeführt habe. Schließlich sei auch der Vorwurf nicht berechtigt, der Kläger habe versucht, ihn bzw. die C. GmbH „kaputtzumachen”.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Nicht zu beanstanden ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, das in Übereinstimmung mit dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 27. März 1996 die hier in Rede stehenden Erklärungen des Landrates als einseitig verpflichtende verwaltungsrechtliche Willenserklärungen in Form öffentlich-rechtlicher Zusagen bewertet. Daß sich der Landrat mit der Pflegesatzvereinbarung und der Vollbelegungszusage nicht nur – wie der Kläger in den Tatsacheninstanzen vertreten hat – unverbindlich zum Bedarf an Heimplätzen und zu den Pflegesätzen geäußert hat, sondern daß er sich gegenüber dem Beklagten und dem (damals vorgesehenen) Betreiber des zu errichtenden Altenpflegeheims zu einer entsprechenden Belegung verpflichten wollte, hat das Berufungsgericht – wie seine Bezugnahme auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts zeigt – insbesondere dem Wortlaut und dem Sinn dieser Erklärungen entnommen; sie bezogen sich ihrem Gegenstand nach mit der Heimunterbringung alter Menschen auf Maßnahmen der Altenhilfe im Sinne von § 75 Abs. 2 Nr. 2 BSHG, die grundsätzlich zu den Aufgaben des örtlichen Sozialhilfeträgers, mithin zum öffentlich-rechtlichen Aufgabenbereich des Landkreises, gehörten. Soweit man trotz des Wortlauts der Vollbelegungszusage bezweifeln mag, ob eine Behörde ohne jede Einschränkung eine „Vollbelegung” garantieren wolle, ist hier vor dem unstreitigen Hintergrund, daß zur damaligen Zeit ein beträchtlicher Bedarf an Pflegeplätzen bestand, weil alte und kranke Menschen im Landkreis völlig unzureichend untergebracht waren und diese Einrichtungen alsbald geschlossen werden sollten, eine Auslegung dieser Erklärung in dem Sinne gerechtfertigt, daß sie jedenfalls für die hier in Streit stehende Zeit unmittelbar nach Fertigstellung des Altenpflegeheims Bedeutung haben sollte.
2. Dem Berufungsgericht ist ferner darin beizutreten, daß die Erklärungen zur Vollbelegung und zu den Pflegesätzen nach §§ 95, 45 Abs. 2 und 3 KV der Genehmigung durch die Rechtsaufsichtsbehörde bedurften. Nach § 45 Abs. 2 KV dürfen Gemeinden – für die Kreiswirtschaft gilt dies nach § 95 KV entsprechend – Bürgschaften und Verpflichtungen aus Gewährverträgen nur zur Erfüllung ihrer Aufgaben übernehmen; die Rechtsgeschäfte bedürfen der Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde, soweit sie nicht im Rahmen der laufenden Verwaltung abgeschlossen werden. Nach § 45 Abs. 3 KV gilt dies sinngemäß auch für solche Rechtsgeschäfte, die denen in Absatz 2 genannten Rechtsgeschäften wirtschaftlich gleichkommen, wobei das Gesetz solche Rechtsgeschäfte hervorhebt, aus denen der Gemeinde in künftigen Haushaltsjahren Verpflichtungen zur Leistung von Ausgaben erwachsen können. Daß die Erklärungen des Landrates, wenn man sie – wie hier – als Zusage zu verstehen hat, als einer Bürgschaft oder einem Gewährvertrag gleichkommende Geschäfte anzusehen sind, die wegen ihrer Auswirkungen für die Finanzkraft des Landkreises über den Rahmen der laufenden Verwaltung hinausgehen, hat das Berufungsgericht daher rechtsbedenkenfrei festgestellt. Dem steht nicht die Überlegung des Beklagten entgegen, die Zusage zu den Pflegesätzen habe letztlich nur dasjenige festgehalten, wozu der Landkreis nach den sozialhilferechtlichen Vorschriften sowieso verpflichtet gewesen sei oder in Zukunft verpflichtet gewesen wäre.
3. Den Landrat traf die Amtspflicht, für die erteilten Zusagen die Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde einzuholen. Der Genehmigungsvorbehalt dient zwar für sich gesehen nicht dem Interesse eines einzelnen, sondern will die kommunale Gebietskörperschaft vor weitreichenden, ihre Leistungsfähigkeit überschreitenden Geschäften schützen (vgl. hierzu BGHZ 142, 51, 54 f; Urteil vom 6. Juni 2000 – XI ZR 235/99 – WM 2000, 1840, 1841). Da die erteilten Zusagen jedoch geeignet und dazu bestimmt waren, für die Errichtung und den späteren Betrieb eines Altenpflegeheims eine Vertrauensgrundlage zu bilden, hatte der Landrat, der verpflichtet war, die Zulässigkeit seiner Verpflichtungserklärungen sorgfältig zu prüfen (vgl. Senatsurteil BGHZ 76, 16, 30), die Genehmigung auch im Interesse der Empfänger der Zusagen einzuholen, also für den Beklagten und den seinerzeit noch vorgesehenen Betreiber des Heims, an dessen Stelle in der Folgezeit die C. GmbH getreten ist.
Daß der Landrat dieser Pflicht nachgekommen wäre, hat das Berufungsgericht – wie die Revision mit Recht rügt – nicht festgestellt. Soweit es unter Bezugnahme auf schriftsätzliches Vorbringen des Beklagten, im Ministerium sei davon die Rede gewesen, daß die vom Landkreis eingegangenen Verpflichtungen überprüft werden müßten und die insofern erforderlichen Genehmigungen wohl erteilt werden würden, für möglich hält, daß der Kläger die Aufsichtsbehörde über die Vollbelegungszusage und die Pflegesatzzusage unterrichtet hatte, besagt dies für die Frage, ob er auch deren Genehmigung beantragt hat, nichts. Gegen eine solche Würdigung spricht im übrigen, daß es offenbar nicht zu einer Entscheidung der Genehmigungsbehörde gekommen ist, über die der Kläger den Beklagten auch dann hätte unterrichten müssen, wenn sie im Sinne seines Vorhabens negativ ausgefallen wäre.
4. Das Berufungsgericht hat – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – keine Feststellungen dazu getroffen, ob dem Landrat ein Verschulden zur Last fiel, weil er nicht die Genehmigung für seine Erklärungen eingeholt bzw. weil er überhaupt Zusagen abgegeben hat, die ohne Vorliegen der Genehmigung keine Wirksamkeit erlangen konnten. Unter Zugrundelegung des objektivierten Sorgfaltsmaßstabes, der im Rahmen des § 839 Abs. 1 BGB gilt, läßt sich nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sachvortrag des Beklagten ein Verschulden des Landrates nicht verneinen. Denn nach diesem Sorgfaltsmaßstab kommt es für die Beurteilung des Verschuldens auf Kenntnisse und Fähigkeiten an, die für die Führung des übernommenen Amts im Durchschnitt erforderlich sind (vgl. Senatsurteil BGHZ 134, 268, 274). Daß ein Landrat seine Befugnisse und seine Grenzen kennen muß, wie sie durch die Kommunalverfassung ausgestaltet worden sind, liegt auf der Hand. Dies gilt auch dann, wenn der Landrat – wie der Kläger hier geltend macht – vor seiner Berufung in dieses Amt als Arzt tätig gewesen ist und über keine Verwaltungspraxis verfügt hat.
5. Soweit der Beklagte im Wege des Schadensersatzes so gestellt werden möchte, wie er bei Erfüllung der Zusagen durch den Kläger stünde, hängt sein Amtshaftungsanspruch davon ab, ob die Zusagen durch die Rechtsaufsichtsbehörde genehmigt worden wären.
a) Mit Recht weist das Berufungsgericht insoweit dem Beklagten die Beweislast zu und hält die Frage mit den wiedergegebenen Äußerungen bei einem Gespräch von Vertretern des Ministeriums für Arbeit und Soziales, des Ministeriums des Inneren, des Regierungspräsidiums, des Amtes für Versorgung und Soziales und des Landkreises am 25. August 1994 noch nicht zu Lasten des Beklagten für beantwortet; denn ob die Zusagen zu genehmigen waren, wäre alsbald nach ihrer Abgabe um die Jahreswende 1990/91, spätestens im Zusammenhang mit der dasselbe Vorhaben betreffenden Ausfallbürgschaft des Klägers zu entscheiden gewesen.
Daß die Zusagen, wie der Kläger in den Tatsacheninstanzen vertreten hat, offensichtlich inhaltlich nicht genehmigungsfähig gewesen seien, ist von ihm nicht näher begründet worden. Es kann jedoch auch umgekehrt nicht – wie die Revision meint – ohne weiteres davon ausgegangen werden, die Zusagen hätten genehmigt werden müssen, weil sie mit Recht und Gesetz vereinbar gewesen seien und der Rechtsaufsichtsbehörde, die lediglich die Rechtmäßigkeit des Verhaltens der beaufsichtigten Körperschaft zu überprüfen gehabt habe, kein Ermessen zugestanden habe. Das ist schon deshalb nicht richtig, weil es – die Vereinbarkeit der Zusagen mit dem geltenden Recht unterstellt – gerade Zweck der einzuholenden Genehmigungen war, die kommunale Gebietskörperschaft vor einer übermäßigen Bindung in haushaltsrechtlicher Hinsicht zu schützen.
b) Eine Klärung der Frage, ob die Zusagen genehmigt worden wären, kann nicht mit der Begründung des Berufungsgerichts unterbleiben, der Beklagte und die C. GmbH hätten die Genehmigungsbedürftigkeit der Vollbelegungszusage erkennen müssen; sie müßten sich die Durchführung des Bauvorhabens und die Eingehung des Pachtvertrages ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer Genehmigung als derart schwerwiegendes Mitverschulden anrechnen lassen, daß eine etwa wegen der Nichteinholung der Genehmigung begründete Amtshaftung des Klägers völlig verdrängt würde. Mit diesen Überlegungen, die im Ansatz davon ausgehen, daß dem Beklagten seinerzeit die Genehmigungsbedürftigkeit der Zusagen nicht positiv bekannt gewesen ist, auch nicht aufgrund der geführten Gespräche im Ministerium, überspannt das Berufungsgericht die Sorgfaltsanforderungen an einen Volljuristen und an eine im Geschäftsleben tätige juristische Person und vernachlässigt den Gesichtspunkt, daß es in erster Linie Sache des Landrates war, sich über seine Befugnisse, den Charakter von ihm abgegebener Erklärungen und deren Genehmigungsbedürftigkeit zu vergewissern. Der Senat hat wiederholt entschieden, der Bürger dürfe im allgemeinen auf Erklärungen und Belehrungen eines Beamten sowie darauf vertrauen, daß die Behörden das ihnen Obliegende richtig und sachgemäß tun (vgl. Senatsurteile vom 23. Februar 1978 – III ZR 97/76 – NJW 1978, 1522, 1524; vom 18. Oktober 1990 – III ZR 260/88 – NVwZ-RR 1991, 171, 173; vom 5. Mai 1994 – III ZR 28/93 – NJW 1994, 2087, 2089). Der Bürger braucht deshalb, solange er nicht hinreichend Anlaß zu Zweifeln hat, nicht anzunehmen, daß die Behörden falsch handeln. Regelmäßig ist daher ein Schuldvorwurf gegen den Bürger nicht begründet, wenn er nicht klüger ist als die mit der Sache befaßten Beamten (vgl. Senatsurteil BGHZ 108, 224, 230).
Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der betroffene Bürger aufgrund seiner Ausbildung oder seiner beruflichen Stellung in der Lage wäre, sich über den der Behörde unterbreiteten Sachverhalt und deren Verhalten eine juristisch begründete Meinung zu bilden. Die Einstandspflicht der Behörde entfällt auch nicht ohne weiteres deshalb, weil auf der Antragstellerseite ein Unternehmen steht, das über rechtliche Kenntnisse und große Erfahrung auf dem in Frage stehenden Gebiet verfügt (vgl. Senatsurteil BGHZ 134, 268, 279 zum atomrechtlichen Genehmigungsverfahren). Der Umstand, daß der Beklagte als Volljurist die bis zur Genehmigungserteilung schwebende Unwirksamkeit der beiden Zusagen hätte erkennen können und müssen, kann daher für sich allein den Vorwurf eines den Amtshaftungsanspruch gänzlich ausschließenden Mitverschuldens nicht begründen. Die Revision beanstandet insoweit auch zu Recht den Sachvortrag des Beklagten als übergangen, er sei mit kommunalverfassungsrechtlichen Fragen beruflich nie befaßt gewesen; er habe insoweit keinerlei Kenntnisse und an die Inhalte seiner diesbezüglichen Ausbildung keine Erinnerung gehabt.
c) Das Berufungsgericht ist der Frage, ob die Genehmigungen erteilt worden wären, nicht nachgegangen, weil es einen hinreichenden Beweisantritt des Beklagten vermißt hat. Insoweit hatte sich der Beklagte, der sich in dieser Sache auf das Zeugnis eines N.N. berufen hatte, in der später anhängig gewordenen Parallelsache, über die das Berufungsgericht aufgrund der mündlichen Verhandlung vom selben Tage wie in dieser Sache entschieden hat, auf das Zeugnis des Dr. W., Ministerium des Inneren, bezogen. Das Berufungsgericht hielt diesen Beweisantritt in der Parallelsache aus den vorstehend zu b) mitgeteilten Gründen für nicht entscheidungserheblich und hatte daher von seinem Standpunkt aus keinen Anlaß, in Bezug auf den unvollständigen Beweisantritt in dieser Sache die naheliegende und nach § 139 Abs. 1 Satz 1 ZPO gebotene Frage zu stellen, ob sich der Beklagte nicht auch in dieser Sache auf das Zeugnis des Dr. W. beziehen wolle. Die Zurückverweisung gibt dem Beklagten Gelegenheit, den entsprechenden Beweis anzutreten.
Diesem Beweisantritt wird nachzugehen sein. Die Revisionserwiderung meint zwar, der Beklagte habe nicht im einzelnen vorgetragen, wie die Rechtsaufsichtsbehörde in gleichgelagerten Fällen entschieden habe oder wie sie hätte entscheiden müssen. Die Revision weist jedoch zu Recht auf die Indizwirkung hin, die der Genehmigung der übernommenen Ausfallbürgschaft innewohnt. Die Rechtsaufsichtsbehörde hatte in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob die Übernahme der Bürgschaft der Erfüllung der Aufgaben des Landkreises diente. Darüber hinaus mußte sie insoweit dessen Leistungsfähigkeit beachten und den wesentlichen Gesichtspunkt in Bedacht nehmen, ob das mit der Bürgschaft geförderte Vorhaben so solide war, daß eine Inanspruchnahme des Landkreises tunlichst vermieden würde. Dies hing aber entscheidend davon ab, ob ein entsprechender Bedarf an Heimplätzen vorlag und ob die öffentliche Hand in der Lage war, die nach Schließung der unzureichenden Einrichtungen anfallenden höheren Kosten für ein den modernen Anforderungen gerecht werdendes neu errichtetes Altenpflegeheim aufzubringen. Damit hatte die Rechtsaufsichtsbehörde aber gerade Vorüberlegungen anzustellen, die Gegenstand der hier abgegebenen Pflegesatz- und Vollbelegungszusage gewesen sind. Es ist naheliegend, daß die Rechtsaufsichtsbehörde die Ausfallbürgschaft nur dann hätte genehmigen dürfen, wenn sie zugleich gegen die vom Landrat abgegebenen Zusagen und deren Verwirklichung keine inhaltlichen Bedenken hatte.
Dem Beweisantritt des Beklagten steht nicht – wie die Revisionserwiderung in der Parallelsache vertreten hat – entgegen, daß die Landesregierung von Sachsen-Anhalt am 27. November 1990 die Bildung von Bezirksregierungen beschlossen hat und der klagende Landkreis dem Regierungsbezirk Magdeburg zugeordnet wurde (MBl. LSA 1991, 6). Offenbar waren die entsprechenden Behördenstrukturen im Januar 1991, als die Bürgschaft durch das Ministerium des Inneren genehmigt wurde, noch nicht eingerichtet. Der Kläger hat in den Tatsacheninstanzen dementsprechend selbst vorgetragen, die Kommunalaufsicht sei seinerzeit im Ministerium des Inneren konzentriert gewesen. Es ist daher nicht zu beanstanden, daß sich der Beklagte auf das Zeugnis des Beamten bezieht, der über die Genehmigung der Bürgschaft entschieden hat.
6. Einem Amtshaftungsanspruch, der darauf gestützt ist, der Landrat habe die Einholung der Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde unterlassen, stünde die vom Kläger erhobene Verjährungseinrede nicht entgegen.
Nach § 852 Abs. 1 BGB verjährt der hier geltend gemachte Amtshaftungsanspruch in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Solange die Zusagen mangels Einholung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung schwebend unwirksam waren und der Betrieb des Heims noch nicht aufgenommen war, war ein Schaden noch nicht eingetreten. Allerdings mußte sich der Beklagte aufgrund des im Schreiben des Klägers vom 10. Juli 1992 angesprochenen Widerrufs der Vollbelegungszusage darauf einstellen, daß die Belegung des Altenpflegeheims nicht wie von ihm vorgesehen verwirklicht würde und damit auch seine Investitionsaufwendungen unrentierlich sein könnten. Gleichwohl kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht davon ausgegangen werden, der Beklagte habe von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Der Senat bestimmt in ständiger Rechtsprechung den für den Verjährungsbeginn im Sinne des § 852 Abs. 1 BGB maßgeblichen Zeitpunkt, in dem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt, dahin, daß diese Kenntnis vorhanden ist, wenn der Geschädigte aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Schadensersatzklage, sei es auch nur eine Feststellungsklage, erheben kann, die bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussicht hat, daß sie ihm zumutbar ist (vgl. Senatsurteil vom 11. Mai 1989 – III ZR 88/87 – NJW 1990, 245, 247). Diese Zumutbarkeit ist beispielsweise verneint worden, solange die aussichtsreiche Möglichkeit bestand, durch Verhandlungen mit der Behörde zwar nicht Schadensersatz im engeren Sinne zu erlangen, wohl aber eine anderweitige Kompensation, durch die die Vermögenseinbuße ausgeglichen wurde, ohne daß es eines Schadensersatzprozesses bedurfte (BGH aaO). Im vorliegenden Fall stellte die am 25. Februar 1993 vor dem Verwaltungsgericht gegen den Kläger dieses Verfahrens erhobene Klage auf Zahlung von Pflegekostenzuschüssen, die der Beklagte unter anderem auf die Zusagen vom 26. November 1990 gestützt hat, ein geeignetes Mittel dar, die im Zusammenhang mit den Erklärungen des Landrates aufgetretenen Streitpunkte einer Lösung zuzuführen. Erst mit dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 27. März 1996 entschied sich für den Beklagten und die Betreiberin des Pflegeheims endgültig, daß ihnen die schwebend unwirksamen Zusagen keine Erfüllungsansprüche vermittelten und sich die getätigten Aufwendungen als unrentierlich erwiesen. Daher erhielt der Beklagte erst durch die endgültige Erledigung dieses Verfahrens diejenigen Kenntnisse, die es ihm im Sinne der Senatsrechtsprechung zumutbar machten, wegen der Amtshaftungsansprüche Widerklage zu erheben (vgl. zu diesen Fragen Senatsurteile BGHZ 122, 317, 324 ff und vom 12. Oktober 2000 – III ZR 121/99 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Dies ist am 3. April 1997, mithin innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist, geschehen. Darüber hinaus hat der Beklagte am 6. Juli 1994 in unverjährter Zeit gegen den im Mai 1994 auf den Kläger übergegangenen Darlehensanspruch aufgerechnet, so daß der Beklagte insoweit zusätzlich den Schutz des § 390 Satz 2 BGB erfährt.
7. Einem Amtshaftungsanspruch des Beklagten können auch keine Einwände aus § 839 Abs. 3 BGB entgegengesetzt werden. Der Beklagte ging nach dem im Revisionsverfahren zu unterstellenden Sachvortrag zunächst davon aus, notwendige Genehmigungen für sein Vorhaben seien erteilt. Daß die Erklärungen des Landrates als Zusagen zu qualifizieren seien, die zu ihrer Wirksamkeit einer Genehmigung bedurften, stellte sich erst zu einem Zeitpunkt deutlicher heraus, als dem Beklagten bereits die ablehnende Haltung der Aufsichtsbehörde zu den Bedingungen, unter denen das Altenpflegeheim betrieben wurde, bekannt war. Zu diesem Zeitpunkt war es dem Beklagten – auch im Hinblick auf das bereits angestrengte verwaltungsgerichtliche Verfahren zu den Pflegekostenzuschüssen – nicht mehr zumutbar, den Kläger darauf in Anspruch zu nehmen, die Genehmigungen der Aufsichtsbehörde einzuholen.
III.
Sollte sich im weiteren Verfahren ergeben, daß die Pflegesatzzusage und die Vollbelegungszusage nicht von der Rechtsaufsichtsbehörde genehmigt worden wären, stehen aufrechenbare Amtshaftungsansprüche des Beklagten unter zwei Gesichtspunkten im Raum:
1. Die Revision ist der Auffassung, der Kläger habe angesichts der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeit, das Heim des Beklagten entsprechend der – schwebend unwirksamen – Vollbelegungszusage vom Beginn der Inbetriebnahme an voll zu belegen, sein Ermessen in diese Richtung ausüben müssen, zumal die Initiative auf Einrichtung des Heims von ihm ausgegangen sei. Der Revision ist zuzugeben, daß die faktische Belegung des Heims mit der Verpflichtung zu einer solchen nicht gleichzusetzen ist und die gesetzlichen Zustimmungs- und Genehmigungserfordernisse nicht notwendig ausgehebelt hätte, solange die Genehmigung noch nicht eingeholt war. Dennoch ist für die von der Revision befürwortete Ermessensreduzierung, auf eine Vollbelegung hinzuwirken, kein Raum. War nämlich die Genehmigung nicht zu erteilen, blieben die Zusagen unverbindlich. Wollte man im Hinblick auf die vom Beklagten geltend gemachte Vorgeschichte eine Reduzierung des Ermessens des Klägers annehmen, das vom Beklagten errichtete Heim ohne Rücksicht auf andere Heimträger vollständig zu belegen, liefe dies auf einen Erfüllungsanspruch hinaus, der dem Beklagten aufgrund der nicht wirksam gewordenen Zusage gerade nicht zustünde (vgl. Senatsurteil vom 22. Juni 1989 – III ZR 100/87 – NVwZ 1990, 403, 406; Senatsbeschluß vom 13. Juli 1993 – III ZR 86/92 – NVwZ 1994, 91). Allerdings besteht im weiteren Verfahren gegebenenfalls Anlaß, dem unter Beweis gestellten Vorbringen des Beklagten nachzugehen, sein Heim sei bei vom Kläger zu vermittelnden bzw. zu veranlassenden Heimunterbringungen von Sozialhilfeempfängern bewußt ausgeklammert worden, 250 Interessenten, die bereits 1990 Anträge auf Aufnahme in ein Alten- und Pflegeheim gestellt hätten, seien nicht auf das Heim des Beklagten hingewiesen worden und Bewohner der in den Jahren 1993 bis 1995 geschlossenen Heime seien vorrangig in andere Heime, darunter den später errichteten und mit höheren Pflegesätzen arbeitenden H. verlegt worden. Insbesondere hinsichtlich des zuletzt genannten Vorbringens kann mangels anderweitiger Feststellungen nicht ausgeschlossen werden, daß der Kläger den Beklagten gezielt benachteiligt hat.
2. Ferner kommt – wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt richtig sieht – als Amtspflichtverletzung in Betracht, daß der Landrat Zusagen gegeben hat, ohne auf deren Genehmigungsbedürftigkeit, das Ausstehen der Genehmigung oder ihre Versagung hinzuweisen. Insoweit ist daran zu denken, daß die Zusagen – jedenfalls nach ihrem objektiven Inhalt – Grundlage für eine weittragende Investitionsentscheidung sein sollten. Ob sie zugleich Grundlage für die Annahme eines haftungsrechtlich schutzwürdigen Vertrauens waren, das den Ersatz des negativen Interesses rechtfertigt, hängt auch von den subjektiven Kenntnissen und sich aufdrängenden Erkenntnismöglichkeiten des Empfängers ab (vgl. Senatsurteil BGHZ 134, 268, 284). Die Überlegung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe als Volljurist und die C. GmbH habe als eine im Geschäftsleben tätige juristische Person bei der gebotenen Sorgfalt die Genehmigungsbedürftigkeit erkennen müssen, steht der Annahme eines schutzwürdigen Vertrauens nicht entgegen. Denn das Berufungsgericht läßt – wie bereits zu II 5 b ausgeführt – den Gesichtspunkt unberücksichtigt, daß es primär Sache des Landrates war, die für ihn geltenden Kompetenzvorschriften und Genehmigungsvorbehalte zu kennen und zu beachten (vgl. BGHZ 142, 51, 65), und daß der Beklagte grundsätzlich darauf vertrauen durfte, der Landrat werde sich rechtmäßig verhalten. Konkrete Feststellungen, die den Schluß erlaubten, der Beklagte habe nicht auf die Wirksamkeit der Zusagen und/oder auf das Vorliegen der Genehmigungen vertrauen dürfen oder er habe die Genehmigungsbedürftigkeit der Zusagen gekannt, hat das Berufungsgericht bisher nicht getroffen, auch nicht, soweit es um das Gespräch im Ministerium vom 15. Januar 1991 geht. Daß die im Zusammenhang mit dem Abschluß des Pachtvertrages nach dem Vortrag des Beklagten über diese Zusagen informierte C. GmbH von deren fehlender Genehmigung überhaupt wußte, ist ebenfalls – wie die Revision mit Recht rügt – nicht festgestellt.
Unterschriften
Wurm, Schlick, Kapsa, Dörr, Galke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 26.10.2000 durch Freitag Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 510828 |
NJW 2001, 2402 |
NWB 2000, 4735 |
BGHR 2001, 18 |
BGHR |
NVwZ 2001, 709 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 147 |
DÖV 2002, 88 |
NJ 2001, 203 |
VersR 2002, 55 |
DVBl. 2001, 80 |