Verfahrensgang
OLG München (Entscheidung vom 04.05.2004) |
Tatbestand
Mit Notarvertrag vom 14. Dezember 2001 verkaufte der Kläger den Beklagten für 1.600.000 DM (810.067 EURO) ein Grundstück. In dem Vertrag heißt es u.a.:
"Voraussetzungen für die Fälligkeit des Kaufpreises sind, daß die Auflassungsvormerkung für den Käufer im Grundbuch eingetragen ist und das Negativzeugnis der Stadt München bezüglich gesetzlicher Vorkaufsrechte dem Notar vorliegt und die Lastenfreistellung von allen nicht übernommenen Belastungen gesichert ist. Der Notar wird beauftragt, die Beteiligten vom Vorliegen der Fälligkeitsvoraussetzungen zu verständigen.
Der Kaufpreis ist binnen zehn Tagen nach Absendung der vorgenannten Mitteilung, die einer Zahlungsaufforderung des Verkäufers gleichsteht, zur Zahlung fällig. ...
Zahlt der Käufer den Kaufpreis ganz oder teilweise nicht rechtzeitig, so ist der offene Kaufpreis ab Fälligkeit mit jährlich fünf Prozent über dem Basiszinssatz zu verzinsen".
Die Beklagten zahlten den Kaufpreis in Teilbeträgen zwischen dem 22. April 2002 und dem 19. März 2003 und leisteten auf die vereinbarten Zinsen 3.843,49 EURO. Der Kläger hat behauptet, die für die Fälligkeit des Kaufpreises vereinbarten Voraussetzungen hätten am 13. Februar 2002 vorgelegen. An diesem Tage habe der Urkundsnotar die Anzeige der Fälligkeit an die Beklagten abgesandt. Die Beklagten haben den Zugang der Anzeige in Abrede gestellt und behauptet, ihnen sei der Eintritt der Fälligkeitsvoraussetzungen erst durch Telefax des Notars vom 28. März 2002 mitgeteilt worden.
Mit der Klage verlangt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 7.280,83 EURO Zinsen auf den Kaufpreis zuzüglich Zinsen aus dem Zinsbetrag.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt er den Zahlungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, daß es an einem Zulassungsgrund gem. § 543 Abs. 2 ZPO fehlt. Die von dem Berufungsgericht als Zulassungsgrund gewertete Auslegung des Kaufvertrags ist dem Tatrichter vorbehalten und kann von dem Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüft werden (st. Rechtspr., vgl. BGHZ 135, 269, 273; Senat, Urt. v. 14. Oktober 1994, V ZR 196/93, WM 1995, 263; BGH, Urt. v. 5. Juli 1990, IX ZR 10/90, WM 1990, 1549, 1551; Urt. v. 29. März 2000, VIII ZR 297/98, NJW 2000, 2508, 2509 u. v. 13. März 2003, IV ZR 199/00, NJW 2003, 2235, 2236). Hieran ändert sich nicht dadurch etwas, daß die auszulegenden Regelungen einem Formularbuch entnommen sind und in gleicher oder ähnlicher Weise allgemeine Verwendung finden. Auch die Auslegung von Formularklauseln ist ein Fall der tatrichterlichen Würdigung, die der revisionsrechtlichen Prüfung nur eingeschränkt zugänglich ist. Trotz Fehlens eines Zulassungsgrundes ist der Senat an die erfolgte Zulassung jedoch gebunden, § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
II. Das Berufungsgericht verneint einen Zahlungsanspruch des Klägers. Es meint, bei den vereinbarten Zinsen handele es sich um Fälligkeitszinsen. Die Auslegung der vertraglichen Vereinbarung ergebe, daß zum Eintritt der Fälligkeit die Absendung der Fälligkeitsanzeige durch den Notar nicht genüge. Erforderlich sei vielmehr, daß die Anzeige auch zugehe. Daß es sich so vor dem 28. März 2002 verhalten habe, habe der Kläger, den die Beweislast hierfür treffe, nicht bewiesen.
Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
III. Die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob die Fälligkeit des Kaufpreises mit der Absendung der Anzeige des Notars oder erst mit ihrem Zugang eintrat, und die weitere Frage, ob sich aus dem Vertrag eine besondere Regelung der Beweislast für den Zugang der Anzeige ergibt, sind durch Auslegung des Kaufvertrags zu beantworten. Soweit das Berufungsgericht den Vertrag selbst ausgelegt hat, kann dies nach ständiger Rechtsprechung (vgl. statt aller BGHZ 135, 269, 273) von dem Senat nur darauf überprüft werden, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemein anerkannte Erfahrungssätze verletzt worden sind oder ob die Auslegung auf einem im Revisionsverfahren gerügten Verfahrensfehler beruht. Solche Fehler liegen nicht vor.
1. Anerkannte Auslegungsregel ist zwar, daß bei der Auslegung von dem von den Parteien gewählten Wortlaut auszugehen ist (st. Rechtspr., vgl. BGHZ 121, 13, 16; BGH, Urt. v. 31. Januar 1995, XI ZR 56/94, NJW 1995, 1212, 1213 u. v. 27. November 1997, IX ZR 141/96, NJW 1998, 900, 901). Hiernach ist die Fälligkeit des Kaufpreises und damit der Beginn der Verzinsungspflicht an die "Absendung der Mitteilung" des Eintritts der Fälligkeitsvoraussetzungen durch den Urkundsnotar und nicht an den Zugang dieser Mitteilung geknüpft. Das hat das Berufungsgericht entgegen der Meinung der Revision jedoch nicht verkannt. Es hat der Wahl des Wortes "Mitteilung" entnommen, daß die bloße Absendung der Anzeige durch den Notar nicht hinreichen soll, den Eintritt der Fälligkeit des Kaufpreises herbeizuführen, weil hierdurch den Beklagten als Käufern nichts mitgeteilt werde. Das gelte insbesondere im Hinblick darauf, daß nach der vertraglichen Regelung die Mitteilung der Fälligkeitsvoraussetzungen durch den Urkundsnotar einer "Zahlungsaufforderung" des Verkäufers gleichstehe und eine Zahlungsaufforderung ohne einen Zugang bei den Käufern keine Wirkungen auslösen könne.
Daß die Pflicht zur Zahlung von Zinsen nach dem Kaufvertrag zehn Tage nach der Absendung der Mitteilung des Notars beginne, bedeute lediglich eine Vereinbarung zur Bestimmung des Fristbeginns. Der Vertrag lasse erkennen, daß die Parteien übereinstimmend davon ausgegangen seien, daß die Mitteilung des Notars die Beklagten alsbald nach ihrer Absendung erreiche. Daß der Zugang der Mitteilung nach dem Willen der Parteien ohne Bedeutung sein solle, sei dem Vertrag ohne ausdrückliche Regelung nicht zu entnehmen.
Das ist nicht zu beanstanden.
2. Die Auslegung des Berufungsgerichts, die streitige Regelung stelle lediglich eine Angabe zur Fristberechnung dar, verstößt auch nicht gegen die Denkgesetze. Daß die zinsfrei bleibende Frist vor dem Eintritt der Fälligkeit beginnt, hat bei einer Frist von zehn Tagen zur Zahlung keine nachhaltige Belastung des Käufers zur Folge, weil ihm bei üblicher Postlaufzeit eine Woche Zeit zur Bewirkung seiner Leistung bis zum Beginn der Verzinsungspflicht verbleibt.
Ebenso wenig bedeutet es einen Verstoß gegen die Regeln des logischen Schließens, daß der Fall eines Verlustes der Fälligkeitsanzeige nach der Auslegung durch das Berufungsgericht nicht geregelt ist. Die Wahrscheinlichkeit des Verlustes einer ordnungsgemäß aufgegebenen Sendung ist so gering, daß die Notwendigkeit der Regelung dieses Falles in der Vertragsgestaltung eher fern liegt.
3. Dem Berufungsgericht kann auch nicht mit Erfolg vorgeworfen werden, daß es sich bei der gewählten Formulierung um eine notariell beurkundete Erklärung handelt, bei welcher im Zweifel davon auszugehen ist, daß sie dem materiellen Gehalt des Vertrags und dem Willen der Parteien entspricht (Senat, Urt. v. 18. September 1992, V ZR 86/91, NJW 1993, 324, 326 und v. 1. Oktober 1999, V ZR 112/98, NJW 2000, 71). Das Berufungsgericht geht von der Auslegungsfähigkeit und der Auslegungsbedürftigkeit der vereinbarten Regelung aus und hat die zur Entscheidung notwendige Auslegung vorgenommen. Diese ist von dem Wortlaut der Vereinbarung gedeckt.
4. Das Berufungsurteil ist auch nicht deshalb zu beanstanden, weil es dem Kaufvertrag nicht entnimmt, daß die Beklagten den Beweis dafür zu führen hätten, die Anzeige des Notars vom 13. Februar 2002 nicht erhalten zu haben. Für eine solche Auslegung ist dem Vertrag nichts zu entnehmen.
Ist eine Regelung für den Fall des Verlustes der Fälligkeitsanzeige auf dem Postweg nicht getroffen, so enthält der Vertrag eine Lücke. Diese ist im Wege der ergänzenden Auslegung durch diejenige Regelung zu schließen, die die Parteien billigerweise getroffen hätten, wenn sie die Regelungsbedürftigkeit der nicht geregelten Frage erkannt hätten. Insoweit kann nicht angenommen werden, daß sie das Verlustrisiko den Beklagten auferlegt hätten. Die Beklagten wären andernfalls der Gefahr ausgesetzt, die Kaufpreisforderung verzinsen zu müssen, ohne den Eintritt der Fälligkeit zu kennen. Darüber hinaus würde ihnen der Beweis einer negativen Tatsache auferlegt, der kaum zu erbringen ist, während der Beweis des Zugangs der Fälligkeitsanzeige bei einer entsprechenden Versendungsart ohne weiteres geführt werden kann.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2962033 |
MittBayNot 2005, 395 |