Leitsatz (amtlich)
Übergibt der Grundschuldgläubiger die vollstreckbare Ausfertigung der Grundschuldbestellungsurkunde und den Grundschuldbrief samt einer Löschungsbewilligung an den Schuldner, nachdem dieser die gesicherte Schuld getilgt hat, können sich die Parteien bei Fortbestehen der Grundschuld formlos darüber einigen, dass die Vollstreckung aus dem Titel erneut möglich sein soll. Hiervon ist in aller Regel auszugehen, wenn die Parteien vereinbaren, dass die Grundschuld wiederum eine Darlehensverbindlichkeit sichern soll.
Normenkette
BGB § 1191
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG (Urteil vom 21.11.2013; Aktenzeichen 5 U 135/12) |
LG Kiel (Entscheidung vom 13.09.2012; Aktenzeichen 13 O 71/12) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des OLG Schleswig vom 21.11.2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin bestellte 1975 an ihrem Grundstück zwei Briefgrundschulden zu je 50.000 DM zugunsten der Rechtsvorgängerin der Beklagten und unterwarf sich jeweils der sofortigen Zwangsvollstreckung. Nach Tilgung der gesicherten Forderungen übersandte die Beklagte der Klägerin 1978 die vollstreckbaren Ausfertigungen der Grundschuldbestellungsurkunden sowie die Grundschuldbriefe und Löschungsbewilligungen. In den Jahren 1988, 1996 und 2001 trafen die Parteien neue Sicherungsabreden, wonach die fortbestehenden Grundschulden als Sicherheiten für weitere Darlehen dienten. Nachdem der Beklagten 2003 antragsgemäß weitere vollstreckbare Ausfertigungen der Grundschuldbestellungsurkunden erteilt worden waren, leitete sie - gestützt auf die dinglichen Rechte - die Zwangsversteigerung des Grundstücks ein.
Rz. 2
Die Vollstreckungsgegenklage der Klägerin, mit der sie - soweit von Interesse - die Zwangsvollstreckung aus den vollstreckbaren Ausfertigungen für unzulässig erklären lassen will, hat das LG abgewiesen. Die Erlösverteilung in dem Zwangsversteigerungsverfahren fand während des Berufungsrechtszugs statt. Daraufhin hat die Klägerin einen Hilfsantrag gestellt, mit dem sie die Rechtswidrigkeit der Zwangsvollstreckung feststellen lassen will. Nur dem Hilfsbegehren hat das Berufungsgericht stattgegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision will die Beklagte auch insoweit die Abweisung der Klage erreichen.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 3
Das Berufungsgericht sieht die Feststellungsklage, die in der Revisionsinstanz den alleinigen Streitgegenstand bildet, als zulässig an. Ursprünglich habe die Klägerin zum einen eine auf materiell-rechtliche Einwendungen gestützte Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 Abs. 1 ZPO) und zum anderen eine auf die fehlende Vollstreckbarkeit des Titels bezogene Titelgegenklage erhoben (§ 767 Abs. 1 ZPO analog). Nachdem durch die Beendigung der Zwangsversteigerung das Rechtsschutzbedürfnis entfallen sei, habe die Klägerin jedenfalls aufgrund möglicher Schadensersatzansprüche ein Interesse daran, eine gerichtliche Feststellung zu der Rechtmäßigkeit der Zwangsversteigerung herbeizuführen.
Rz. 4
Die der Titelgegenklage nachfolgende Feststellungsklage sei auch begründet, weil die Vollstreckung aus den Unterwerfungserklärungen unzulässig gewesen sei. Die Aushändigung der Titel und der Grundschuldbriefe nebst Löschungsbewilligungen im Jahr 1978 habe den Titeln die Vollstreckbarkeit genommen. Die Beklagte habe sich durch ihr Verhalten gegenüber der Klägerin dauerhaft dazu verpflichtet, nicht mehr aus den Titeln zu vollstrecken. Die Unterwerfungserklärungen seien durch die späteren Sicherungsabreden nicht wieder aufgelebt, weil sie als Vollstreckungstitel der Form des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO genügen müssten. Schließlich sei die Vollstreckungsgegenklage auch nicht rechtsmissbräuchlich. Zwar sei die Klägerin verpflichtet, sich der dinglichen Vollstreckung zu unterwerfen. Die Beklagte habe sich aber ebenfalls rechtsmissbräuchlich verhalten, indem sie sich mit der objektiv unzutreffenden Behauptung, die Titel verloren zu haben, weitere vollstreckbare Ausfertigungen verschafft habe.
II.
Rz. 5
Über die Revision der Beklagten ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Inhaltlich beruht das Urteil jedoch nicht auf der Säumnis der Klägerin, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urt. v. 4.4.1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 82).
Rz. 6
Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zu Unrecht sieht das Berufungsgericht die Feststellungsklage als zulässig an.
Rz. 7
1. Eine Feststellungsklage muss gem. § 256 Abs. 1 ZPO auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtet sein. Hierzu können auch einzelne Rechte und Pflichten gehören, die sich aus einem Rechtsverhältnis ergeben. Daher ist es zulässig, wenn der Kläger nach der Beendigung der Zwangsvollstreckung feststellen lassen will, dass ein bestimmter Teil der materiell-rechtlichen Schuld nicht bestand (BGH, Urt. v. 23.1.1985 - VIII ZR 285/83, WM 1985, 703 f.). Dagegen können nach der ständigen Rechtsprechung des BGH bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses, reine Tatsachen oder etwa die Wirksamkeit von Willenserklärungen oder die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein (BGH, Urt. v. 3.5.1977 - VI ZR 36/74, BGHZ 68, 331, 332; Urt. v. 19.4.2000 - XII ZR 332/97, NJW 2000, 2280, 2281; Urt. v. 7.6.2001 - I ZR 21/99, NJW 2001, 3789 ff.; Urt. v. 20.2.2008 - VIII ZR 139/07, NZM 2008, 277 Rz. 9; jeweils m.w.N.). Hieran gemessen ist der Hilfsantrag seinem Wortlaut nach unzulässig, weil die Rechtswidrigkeit der Zwangsvollstreckung festgestellt werden soll.
Rz. 8
2. Allerdings ist bei der revisionsrechtlich uneingeschränkt nachprüfbaren Auslegung des Klageantrags zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (st.Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 4.7.2014 - V ZR 298/13, NJW 2014, 3314 Rz. 15 m.w.N.). Dementsprechend ist der Antrag so auszulegen, dass das Bestehen von Bereicherungs- oder Schadensersatzansprüchen dem Grunde nach festgestellt werden soll (vgl. BGH, Urt. v. 7.6.2001 - I ZR 21/99, NJW 2001, 3789 f.). Mit diesem Rechtsschutzziel bezieht sich der Antrag zwar auf ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis. Es fehlt insoweit aber an dem gem. § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse, weil nicht ersichtlich ist, dass die Klägerin die behaupteten Bereicherungs- oder Schadensersatzansprüche nach dem Ende der Zwangsvollstreckung nicht beziffern kann (vgl. zu der sog. verlängerten Vollstreckungsgegenklage BGH, Urt. v. 6.3.1987 - V ZR 19/86, NJW 1987, 3266 f. unter II.1. m.w.N., insoweit in BGHZ 100, 211 ff. nicht abgedruckt). Die Feststellungsklage ist auch nicht ausnahmsweise deshalb zulässig, weil sie zu einer endgültigen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führen könnte (hierzu BGH, Urt. v. 17.6.1994 - V ZR 34/92, NJW-RR 1994, 1272, 1273 m.w.N.), da unklar ist, warum und in welcher Höhe die Beklagte einen ungerechtfertigten Vorteil erlangt haben sollte.
III.
Rz. 9
Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO). Vor der Abweisung der Klage als unzulässig muss die Klägerin zunächst noch Gelegenheit erhalten, entweder zu ihrem Feststellungsinteresse vorzutragen oder ihren Antrag umzustellen, indem sie ihre Ansprüche beziffert (§ 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Von der Aufhebung und Zurückverweisung kann auch nicht deshalb abgesehen werden, weil die Klage ohnehin unbegründet wäre.
Rz. 10
1. Allerdings ist die Klage - ihre Zulässigkeit unterstellt - unbegründet, soweit sich die Klägerin darauf stützt, die Beklagte habe aus den bestehenden Titeln nicht mehr vollstrecken dürfen.
Rz. 11
a) Schon im Ausgangspunkt unzutreffend ist die Annahme des Berufungsgerichts, infolge der Rückgabe der vollstreckbaren Ausfertigungen und der Grundschuldbriefe samt der Löschungsbewilligung werde die Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen dauerhaft ausgeschlossen. Durch die Rückgabe der Titel als solche entfällt deren Vollstreckbarkeit nicht (vgl. BGH, Urt. v. 21.1.1994 - V ZR 238/92, NJW 1994, 1161, 1162). Auch wenn die Parteien - wie es das Berufungsgericht annimmt - hiermit stillschweigend vereinbart haben, dass von den Titeln nicht mehr Gebrauch gemacht werden sollte, konnten sie diese Vereinbarung jederzeit aufheben. Weil eine Rückgewähr der Grundpfandrechte nicht erfolgte, die Klägerin insb. die bewilligte Löschung nicht veranlasste (vgl. § 875 BGB), war die Beklagte weiterhin Grundschuldgläubigerin. Die Parteien konnten sich daher ohne Weiteres darüber einigen, dass die Vollstreckung aus den bestehenden Titeln erneut möglich sein sollte. Von einer solchen Einigung ist in aller Regel auszugehen, wenn die Parteien - wie hier - vereinbaren, dass die Grundschuld wiederum eine Darlehensverbindlichkeit sichern soll.
Rz. 12
b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts bedurfte es keiner neuen notariellen Beurkundung. Die erforderlichen Titel waren vorhanden. Die Auswechslung der gesicherten Forderung berührt die Unterwerfungserklärung - anders als bei der Hypothek - nicht, weil diese auf die Grundschuld (und ggf. ein abstraktes Schuldversprechen), aber nicht auf den gesicherten Anspruch bezogen ist (BGH, Urt. v. 3.6.1997 - XI ZR 133/96, DNotZ 1998, 575, 576; Wolfsteiner in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 794 Rz. 260; Gaberdiel/Gladenbeck, Kreditsicherung durch Grundschulden, 9. Aufl., Rz. 307). Nach der Interessenlage wollte die Klägerin sich gerade die Möglichkeit offen halten, die Grundschulden - wie geschehen - erneut als Sicherungsmittel zu verwenden und auf diese Weise die mit einer erneuten Grundschuldbestellung verbundenen Kosten zu sparen. Eine solche formlose und daher kostengünstige Verwendung der Grundschuld als Sicherheit für andere als die anfänglich gesicherten Forderungen ist ein wesentlicher Grund für die verbreitete Verwendung von Grundschulden als Kreditsicherungsmittel (vgl. nur Epp in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, 4. Aufl., § 94 Rz. 23; Gaberdiel/Gladenbeck, Kreditsicherung durch Grundschulden, 9. Aufl., Rz. 4 ff.).
Rz. 13
c) Weil die Titel weiterhin bestanden, hat sich die Beklagte nicht, wie das Berufungsgericht meint, rechtsmissbräuchlich verhalten, indem sie neue vollstreckbare Ausfertigungen beantragte. Das erforderliche berechtigte Interesse an der Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung (§ 733 ZPO) besteht auch dann, wenn der Gläubiger nach einer Neuvalutierung vollstrecken darf, die Erstausfertigung aber aufgrund der zuvor erfolgten Schuldtilgung bei dem Schuldner verblieben ist (vgl. Wolfsteiner in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 733 Rz. 13).
Rz. 14
2. Nicht geprüft hat das Berufungsgericht jedoch die weiteren Einwendungen der Klägerin, die den Eintritt der Verwertungsreife und die Verjährung der gesicherten Forderungen betreffen; insoweit fehlt es schon an Feststellungen. Dies wäre nachzuholen, falls die Klage nach ergänzendem Vortrag als zulässig anzusehen sein sollte, weil auch diese Einwendungen zu dem in der Revisionsinstanz angefallenen Streitstoff gehören.
Rz. 15
a) Allerdings ist mit dem angefochtenen Urteil allein über eine "verlängerte" Titelgegenklage entschieden worden. Diese stellt einen eigenen, von der Vollstreckungsabwehrklage zu unterscheidenden Streitgegenstand dar (dazu BGH, Urt. v. 19.12.2014 - V ZR 82/13, juris Rz. 6; BGH, Urt. v. 18.11.1993 - IX ZR 244/92, BGHZ 124, 164 ff. jeweils m.w.N.). Wäre die prozessuale Einordnung des Klagebegehrens richtig, hätte das Berufungsgericht eine Entscheidung über die Vollstreckungsabwehrklage unterlassen; insoweit wäre die Rechtshängigkeit nach Ablauf der Frist für eine Urteilsergänzung (§ 321 ZPO) entfallen (vgl. BGH, Urteil vom 21.3.1997 - V ZR 355/95, ZfIR 1997, 260, 262).
Rz. 16
b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat die Klägerin aber (nur) eine Vollstreckungsabwehrklage gem. § 767 ZPO mit einem einheitlichen Streitgegenstand erhoben. Eine Titelgegenklage richtet sich gegen die Vollstreckbarkeit des Titels selbst, etwa weil dieser nicht der materiellen Rechtskraft fähig ist und daher einen nur scheinbar vollstreckungsfähigen Inhalt hat (dazu BGH, Urt. v. 19.12.2014 - V ZR 82/13, juris Rz. 7; BGH, Urt. v. 18.11.1993 - IX ZR 244/92, BGHZ 124, 164 ff.). Solche Einwendungen hat die Klägerin nicht vorgetragen. Sie hat sich vielmehr auf eine vollstreckungsbeschränkende Vereinbarung berufen, weil die Beklagte durch die Rückgabe der vollstreckbaren Ausfertigungen dauerhaft auf die Vollstreckung aus der Grundschuld verzichtet habe. Dies fällt ebenso wie materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Anspruch in den direkten Anwendungsbereich von § 767 ZPO (vgl. BGH, Beschl. v. 26.6.2001 - XI ZR 330/00, NJW-RR 2002, 282, 283).
Rz. 17
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen das hiermit zugestellte Versäumnisurteil des BGH kann die säumige Partei binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung beim BGH E i n s p r u c h einlegen. Der Einspruch muss von einem beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt durch Einreichung einer Einspruchsschrift eingelegt werden.
Die Einspruchsschrift muss enthalten:
1. die Bezeichnung des Urteils, gegen das der Einspruch gerichtet wird;
2. die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde.
Soll das Urteil nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.
In der Einspruchsschrift sind die Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, vorzubringen. Auf Antrag kann der Vorsitzende des erkennenden Senats die Frist für die Begründung verlängern.
Bei Versäumung der Frist für die Begründung ist damit zu rechnen, dass das nachträgliche Vorbringen nicht mehr zugelassen wird.
Im Einzelnen wird auf die Verfahrensvorschriften in §§ 78, 296 Abs. 1, 3, 4, 338, 339 und § 340 ZPO verwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 7940108 |
NJW 2015, 6 |
BauR 2016, 891 |
DWW 2015, 224 |
EBE/BGH 2015, 194 |
NJW-RR 2015, 915 |
EWiR 2015, 365 |
JurBüro 2015, 440 |
JurBüro 2015, 501 |
MittBayNot 2016, 266 |
WM 2015, 1005 |
WuB 2015, 421 |
ZAP 2015, 705 |
ZIP 2015, 1062 |
ZIP 2015, 41 |
ZfIR 2015, 614 |
DGVZ 2015, 249 |
DNotZ 2015, 760 |
JZ 2015, 338 |
JuS 2015, 750 |
MDR 2015, 671 |
Rpfleger 2015, 487 |
GWR 2015, 253 |
NJW-Spezial 2015, 419 |
NotBZ 2015, 466 |
VE 2015, 114 |
ZBB 2015, 205 |
ZNotP 2015, 346 |
FMP 2015, 133 |