Leitsatz (amtlich)
a) Zu den Beratungspflichten eines Rechtsanwalts, der eine Klage aus abgetretenem Recht in Erwägung zieht, obwohl der Vertrag des Zedenten mit dem Schuldner ein formularmäßiges Abtretungsverbot enthält.
b) Sieht es der Rechtsanwalt, der von einer GmbH den Auftrag erhält, deren Forderung durchzusetzen, als notwendig an, daß der Geschäftsführer seiner Mandantin im Rechtsstreit als Zeuge zur Verfügung steht, so hat er sie jedenfalls dann auf andere Möglichkeiten hinzuweisen, dieses Ziel zu erreichen, wenn die Forderung möglicherweise nicht wirksam abgetreten werden kann.
Normenkette
BGB § 675
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 01.02.2002) |
LG Darmstadt (Urteil vom 18.06.1999) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 13. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 1. Februar 2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 18. Juni 1999 wird insgesamt zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die H. AG (nachfolgend: H. ) beauftragte die B. GmbH (fortan: GmbH) durch schriftlichen Vertrag vom 27. Mai 1994 mit der Durchführung von Arbeiten für ein Bauvorhaben. Der Vertrag enthält einen Ausschluß von Forderungsabtretungen für Leistungen und gelieferte Materialien.
Die GmbH beauftragte im Jahre 1995 den beklagten Rechtsanwalt, eine Restforderung von 399.671,51 DM gegenüber der H. geltend zu machen. Damals war der Ehemann der Klägerin Geschäftsführer der GmbH. Er allein hatte den Vertrag geschlossen und die Durchführung der Arbeiten überwacht. Der Beklagte wies den Ehemann der Klägerin darauf hin, daß der Prozeß gegen die Auftraggeberin ohne eigene Zeugen sehr schwierig zu führen sein werde, weil der Gegenseite der Architekt sowie der Bauleiter als Zeugen zur Verfügung ständen, und schlug eine Abtretung vor, um dem Geschäftsführer der GmbH die Zeugenstellung im Prozeß zu verschaffen. Gleichzeitig wies er daraufhin, daß die Abtretung wegen der Verbotsklausel im Bauvertrag „nicht ganz unproblematisch” sei, weil ein eindeutiges Urteil des Bundesgerichtshofs noch nicht vorliege.
Die GmbH trat ihre Forderung an die Klägerin ab. In deren Namen machte der Beklagte die Werklohnforderung geltend. Die Klage wurde mangels Aktivlegitimation abgewiesen. Die Klägerin nahm die Berufung gegen dieses Urteil zurück, nachdem sie anderweitigen Rechtsrat eingeholt hatte. Mit Gesellschafterbeschluß vom 5. Januar 1998 wurde der Ehemann der Klägerin als Geschäftsführer der GmbH abberufen und die Klägerin zum Geschäftsführer bestellt. Anschließend reichte die GmbH eine neue Klage ein. Der Rechtsstreit wurde durch Vergleich erledigt. Die H. verpflichtete sich, 132.600 DM zuzüglich 5 % Zinsen seit dem 28. Juni 1995 zu zahlen und 41 % der Verfahrenskosten zu übernehmen.
Die Klägerin ist der Auffassung, der vom Beklagten erteilte Rat zur Abtretung der Forderung sei rechtlich verfehlt gewesen. Sie verlangt die ihr entstandenen Prozeßkosten als Schadensersatz sowie die Erstattung einer den Gebührenanspruch des Beklagten übersteigenden Honorarzahlung, insgesamt 37.910,47 DM. Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang, das Berufungsgericht nur in Höhe eines Bereicherungsanspruchs von 2.724,61 EUR zuzüglich Zinsen stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg; der geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist begründet.
I.
Das Berufungsgericht meint, es könne dahingestellt bleiben, ob die Klägerin überhaupt Adressatin der Rechtsberatung des Beklagten gewesen sei; diesem falle jedenfalls keine Pflichtverletzung zur Last. Es sei nicht zu beanstanden, daß er eine Abtretung der Forderung an die Klägerin vorgeschlagen habe; denn eine endgültige Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Frage der Zulässigkeit des Vollabtretungsverbots in AGB der Baubranche habe damals noch nicht vorgelegen. In der Literatur werde ein solches Abtretungsverbot teilweise als unwirksam angesehen. Der Beklagte habe auch hinreichend auf die bestehenden Risiken und den offenen Ausgang des Rechtsstreits hingewiesen.
Die Abberufung des Geschäftsführers der GmbH, um diesem eine Zeugenstellung zu verschaffen, habe der Beklagte damals nicht in Betracht ziehen müssen. Die Auswechslung des Geschäftsführers berge allgemeine Risiken in sich, die oftmals unübersehbar und unkalkulierbar seien. Ein entsprechender Hinweis im Rahmen des Mandats, einen Bauprozeß zu führen, sei daher nicht geboten gewesen.
II.
Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zu Recht macht die Revision geltend, daß der Beklagte schon nach dem unstreitigen Sachverhalt seine ihm der Klägerin gegenüber obliegenden Pflichten aus dem Anwaltsvertrag schuldhaft nicht ordnungsgemäß erfüllt hat.
1. Das Berufungsgericht zieht zu Unrecht in Zweifel, daß der Beklagte vertraglich auch der Klägerin Beratung schuldete. Zwar hat ihm zunächst die GmbH das Mandat erteilt. Mit ihr hat der Beklagte offenbar die gesamte Korrespondenz bis zur Beendigung seines Auftrags geführt. Nachdem die Abtretung vollzogen war, hat der Beklagte jedoch die Klägerin im Rechtsstreit gegen die H. vertreten. Die Klägerin hatte ein eigenes Interesses daran, über das Risiko des von ihr zu führenden Rechtsstreits umfassend informiert zu werden, weil im Falle der Klageabweisung Kostenerstattungsansprüche gegen sie persönlich entstanden. Der Beklagte schuldete daher in Vorbereitung dieses Rechtsstreits der Klägerin die gleiche Beratung wie der GmbH. Die Frage, ob die Klägerin schon in den Schutzbereich des Anwaltsvertrages zwischen dem Beklagten und der Gesellschaft einbezogen war, kann daher auf sich beruhen.
2. Bereits die Aufklärung über die aus dem Abtretungsverbot herrührenden Risiken einer Klage aus abgetretenem Recht entsprach nicht dem, was die Klägerin nach dem Inhalt des Anwaltsvertrages erwarten durfte.
a) Der Rechtsanwalt hat den Mandanten in seiner Rechtssache grundsätzlich umfassend und möglichst erschöpfend rechtlich zu beraten. Insbesondere sind Zweifel und Bedenken, zu denen die Sach- oder Rechtslage Anlaß gibt, sowie mögliche mit der Einleitung eines Rechtsstreits verbundene Risiken darzulegen. Erscheint eine beabsichtigte Klage wenig aussichtsreich, so muß der rechtliche Berater hierauf sowie auf die damit verbundenen Gefahren hinweisen (BGHZ 97, 372, 380; BGH, Urt. v. 20. Oktober 1994 – IX ZR 116/93, WM 1995, 398, 399 f; v. 13. März 1997 – IX ZR 81/96, WM 1997, 1392, 1393; v. 27. November 1997 – IX ZR 141/96, NJW 1998, 900, 901).
b) Der Beklagte hat vor Einreichung der Klage erklärt, die Wirksamkeit der Abtretung sei im Hinblick auf das im Werkvertrag vereinbarte Abtretungsverbot problematisch. In einem weiteren an den Ehemann der Klägerin gerichteten Schreiben vom 14. Dezember 1995 führt der Beklagte aus, die Abtretung sei nicht ganz unproblematisch, weil ein eindeutiges Urteil des Bundesgerichtshofs nicht vorliege. In der baurechtlichen Literatur werde ein Abtretungsverbot ohne Zustimmungsvorbehalt für unwirksam erachtet. Abschließend merkt der Beklagte an, eine hundertprozentige Sicherheit gebe es in einem Rechtsstreit niemals. Aus dieser Darstellung war für die Klägerin zwar zu erkennen, daß die Rechtsprechung die Abtretung möglicherweise nicht als wirksam ansehen werde, weil die Gültigkeit eines formularmäßigen Abtretungsausschlusses höchstrichterlich noch nicht geklärt sei. Die Darstellung des Beklagten vermittelte seiner Partei jedoch den Eindruck, die Frage sei offen, so daß sie annehmen durfte, die Aussichten, in diesem Punkt zu obsiegen, seien jedenfalls nicht ausgesprochen ungünstig.
c) Die Darstellung des Beklagten entsprach jedoch nicht dem Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Zeitpunkt seiner Beratung.
Damals waren schon mehrere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ergangen, die sich damit befaßten, ob der formularmäßige Abtretungsausschluß nach § 9 AGBG unwirksam sei. Das Urteil vom 3. Dezember 1987 hatte über Werklohnforderungen gegen eine Verbandsgemeinde zu befinden. Der BGH bezeichnete darin eine Vereinbarung, wonach die Abtretbarkeit nicht gänzlich ausgeschlossen ist, sondern von der Zustimmung des Klauselverwenders abhängt, als grundsätzlich zulässig (BGHZ 102, 293, 300). Das Urteil des VII. Zivilsenats vom 15. Juni 1989 betraf demgegenüber einen generellen Abtretungsausschluß in einem Reisevertrag. Der BGH erklärte zunächst ausdrücklich, eine solche Klausel sei im allgemeinen als wirksam anzusehen. Der Abtretungsausschluß führe an sich zu keiner unangemessenen Benachteiligung des Gläubigers und schütze die berechtigten Interessen des Schuldners an der Klarheit und Übersichtlichkeit der Vertragsabwicklung (BGHZ 108, 52, 54 f). Im entschiedenen Fall wurde das Abtretungsverbot allerdings beanstandet, jedoch nur deshalb, weil die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Reiseveranstalters zugleich vorsahen, daß bei einer mehrere Personen betreffenden Reise die Ansprüche aller Reisenden aus dem Vertrag nur vom Anmelder geltend gemacht werden konnten und dadurch die Belange vor allem der Mitreisenden unbillig beeinträchtigt wurden (BGHZ 108, 52, 55 ff). Diese auf die spezifische Interessenlage bei Abschluß eines Reisevertrages mit mehreren Personen abstellende Begründung enthält keine Hinweise, die geeignet waren, die Rechtsauffassung zu bestätigen, die der Beklagte in dem für die Klägerin geführten Prozeß vertreten hat. Die weiteren Urteile vom 9. Februar 1990 (BGHZ 110, 241, 243) und vom 30. Oktober 1990 (IX ZR 239/89, WM 1990, 554, 556) nahmen jeweils auf die vorgenannten Entscheidungen Bezug und führten übereinstimmend aus, daß das formularmäßige Abtretungsverbot allenfalls dann unwirksam ist, wenn kein schützenswertes Interesse des Verwenders an einem Abtretungsverbot besteht oder die berechtigten Belange des Vertragspartners, die Forderung übertragen zu können, das entgegenstehende Interesse des Verwenders überwiegen. Anhaltspunkte für einen solchen Ausnahmefall wurden jeweils ohne weiteres verneint.
d) Die Vorschrift des § 354a HGB war noch nicht in Kraft getreten, als der Bauvortrag geschlossen wurde. Anhaltspunkte dafür, daß die Rechtsprechung den Rechtsgedanken dieser Vorschrift bei der Auslegung von § 9 AGBG gleichsam vorwirkend berücksichtigen werde, hatte der Beklagte nicht. Insoweit bestand allenfalls eine vage Hoffnung auf ein der Mandantschaft günstiges Ergebnis.
e) Die Hinweise und Belehrungen des rechtlichen Beraters haben sich an der jeweils aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung auszurichten, dies sogar dann, wenn er selbst deren Ansicht nicht teilt (BGHZ 145, 256, 263; BGH, Urt. v. 7. Mai 1992 – IX ZR 151/91, NJW-RR 1992, 1110, 1112; v. 3. Juni 1993 – IX ZR 173/92, NJW 1993, 2799). Die im Zeitpunkt der Beratung veröffentlichte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs enthielt keine Hinweise für die Annahme, daß bei der rechtlichen Beurteilung der Klausel eine Differenzierung danach in Betracht kam, ob die Abtretung generell ausgeschlossen oder von der Zustimmung des Verwenders der Allgemeinen Geschäftsbedingungen abhängig gemacht worden war. Vielmehr deutete alles daraufhin, daß die Klage nur dann Aussicht hatte, nicht am Abtretungsverbot zu scheitern, wenn es aufzuzeigen gelang, daß sie hier in Widerspruch zu den berechtigten Interessen des Werkunternehmers stand. Eine solche besondere, nicht generell bei jedem Abtretungsausschluß gegebene Interessenlage hat der Beklagte damals weder seiner Mandantschaft aufgezeigt noch im Prozeß darzulegen vermocht. Daher hat er jedenfalls vor Klageerhebung die Klägerin über die Risiken eines Rechtsstreits nicht ausreichend aufgeklärt. Bei sachgerechter Auswertung der damals schon vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung hätte er seine Mandantin darauf hinweisen müssen, daß allenfalls geringe Aussichten bestanden, diesen Rechtsstreit zu gewinnen. Da die Aufklärung, die die Klägerin erhalten hat, dem nicht entsprach und dies für den Beklagten bei fachgerechter sorgfältiger Auswertung der höchstrichterlichen Rechtsprechung erkennbar war, hat er schon in diesem Punkt schuldhaft gehandelt.
3. Infolge der geringen Erfolgsaussichten einer auf fremdes Recht gestützten Klage – im übrigen auch in Anbetracht der selbst erkannten Prozeßrisiken – war der Beklagte verpflichtet, die Klägerin ebenso wie die Gesellschaft darüber zu belehren, daß der damalige Geschäftsführer auch bei einer Klage der GmbH als Zeuge vernommen werden konnte, sofern er zuvor von seinem Posten abberufen worden war.
a) Der Beklagte ist selbst davon ausgegangen, daß aus Beweisgründen kaum Aussichten für eine erfolgreiche Klage gegen die H. bestanden, wenn der Ehemann der Klägerin nicht als Zeuge vernommen werden durfte. Jener konnte außer durch Abtretung der Forderung an einen Dritten auch durch Abberufung als Geschäftsführer der Forderungsinhaberin die Stellung eines Zeugen erlangen. Im letzteren Falle erübrigte sich eine Abtretung; denn die Gesellschaft brauchte dann bei einer Klage aus eigenem Recht keine prozeßrechtlichen Nachteile zu befürchten.
Kommen verschiedene Wege zu dem erstrebten Ergebnis in Betracht, so muß der Rechtsanwalt seinen Mandanten über die Alternativen und die mit ihnen verbundenen Vor- und Nachteile belehren. Sind mehrere Wege gangbar, hat der Anwalt denjenigen vorzuschlagen, der am ehesten zu dem erstrebten Erfolg zu führen verspricht und die geringsten Gefahren aufweist (BGH, Urt. v. 6. Februar 1992 – IX ZR 95/91, WM 1992, 742, 743; v. 20. Januar 1994 – IX ZR 46/93, WM 1994, 948, 949; v. 20. Oktober 1994 – IX ZR 116/93, WM 1995, 398, 399 f; v. 4. Juni 1996 – IX ZR 51/95, NJW 1996, 2648, 2649). Nach einer Abweisung der Klage aus fremdem Recht – die von Anfang an mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten war – stellte sich ohnehin die Frage, wie die GmbH die Forderung noch würde durchsetzen können. Dann blieb als erfolgversprechender Weg allein die Klage im eigenen Namen. Diese war selbst dann, wenn der Ehemann der Klägerin wegen seiner Stellung als Geschäftsführer nicht als Zeuge vernommen werden durfte, nicht von vornherein aus Beweisgründen ohne ernsthafte Erfolgsaussicht. Im Rahmen der Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Beweisergebnisses kann auch einer Parteierklärung, selbst wenn sie außerhalb der förmlichen Parteivernehmung erfolgt ist, der Vorzug vor den Bekundungen eines Zeugen gegeben werden (BGHZ 122, 115, 121; BGH, Urt. v. 8. November 1989 – I ZR 14/88, BGHR ZPO § 141 Anhörung 2). Davon abgesehen hatte die GmbH es in der Hand, dem Ehemann der Klägerin durch die Abberufung als Geschäftsführer die Zeugenstellung zu verschaffen. Wegen des hohen – vom Beklagten im Ansatz auch erkannten – Risikos einer Klage aus abgetretenem Recht hätte ein sachgerecht arbeitender Rechtsanwalt bei dieser Situation die Mandantschaft sogleich über die in Betracht kommenden alternativen Vorgehensweisen belehren müssen, zumal die Aussichten, auf anderem Wege die Werklohnforderung durchzusetzen, wesentlich günstiger waren.
b) Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts durfte der Beklagte nicht deshalb davon absehen, den Weg für eine möglicherweise erfolgreiche Klage der GmbH aufzuzeigen, weil die Auswechslung des Geschäftsführers für die Gesellschaft mit unkalkulierbaren Risiken verbunden sein kann. Ob und in welchem Maße eine solche Gefahr besteht, hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalles ab. Die Verpflichtung des Rechtsanwalts, dem Mandanten diese Möglichkeit aufzuzeigen und zu erläutern, entfällt nicht schon deshalb, weil sich ungünstige Auswirkungen einer Abberufung des Geschäftsführers für die allgemeinen wirtschaftlichen Belange der GmbH vorher nie mit Sicherheit ausschließen lassen. Die Entscheidung, ob eine solche Maßnahme in Anbetracht der übrigen Interessen der GmbH sachgerecht erscheint, darf der Anwalt, der nur den Auftrag erhalten hat, eine Werklohnforderung geltend zu machen, ohne weiteres seiner Partei überlassen. Seine vertragliche Verpflichtung besteht lediglich darin, dem Auftraggeber die möglichen Alternativen aufzuzeigen und ihm zu erläutern, welcher Weg zur Durchsetzung des Anspruchs aussichtsreicher erscheint. Da der Beklagte dies unterlassen und allein eine Abtretung der Forderung an die Klägerin vorgeschlagen hat, trifft ihn auch insoweit der Vorwurf einer schuldhaften Verletzung seiner Beratungspflichten.
III.
Das angefochtene Urteil beruht daher auf einem Rechtsfehler; es ist aufzuheben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden; denn der geltend gemachte Anspruch erweist sich in dem jetzt noch streitigen Umfang auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts als begründet (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.).
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist entsprechend den Grundsätzen des Anscheinsbeweises davon auszugehen, daß der Mandant unter verschiedenen Entscheidungsmöglichkeiten diejenige gewählt hätte, die bei vernünftiger Betrachtungsweise aus damaliger Sicht eindeutig vorzugswürdig gewesen wäre (BGHZ 123, 311, 318; 126, 217, 224). Das ist im Streitfall die Klage der GmbH aus eigenem Recht, weil aus den dargelegten Gründen kaum zu erwarten war, daß die Abtretung an die Klägerin von den Gerichten als wirksam angesehen werden würde, und keine Umstände dargetan sind, die für die GmbH die Führung des Rechtsstreits im eigenen Namen und gegebenenfalls den Wechsel in der Geschäftsführung untunlich erscheinen ließen. Diese Wertung wird im übrigen durch den tatsächlichen Verlauf, den die Sache später genommen hat, bestätigt. Nach Einholung anderweitigen Rechtsrats hat die Gesellschaft die Klägerin anstelle ihres Ehemannes als Geschäftsführerin eingesetzt, anschließend selbst geklagt und durch Vergleich einen Teilerfolg errungen.
2. Die geltend gemachten Prozeßkosten sind der Höhe nach unstreitig. Sie wären nicht angefallen, wenn der Beklagte sachgerecht beraten hätte; denn in diesem Fall hätte die Klägerin selbst keinen Rechtsstreit gegen die H. geführt. Ihr selbst wären dann keine und der GmbH lediglich die Kosten entstanden, die durch den späteren Prozeß ohnehin angefallen sind.
3. Der Anspruch ist nicht durch ein Mitverschulden der Klägerin gemindert; denn der Beklagte hat, solange er den Rechtsstreit geführt hat, den Beteiligten keinen Parteiwechsel empfohlen. Ob der wegen der Durchführung der Berufung konsultierte neue Anwalt einen solchen Rat hätte erteilen müssen, kann dahingestellt bleiben; denn dessen eventuelles Verschulden braucht sich die Klägerin im Verhältnis zum Beklagten nicht nach §§ 254, 278 BGB anrechnen zu lassen (vgl. BGH, Urt. v. 17. Juni 1993 – IX ZR 206/92, NJW 1993, 2797, 2799; v. 21. September 1995 – IX ZR 228/94, NJW 1996, 48, 51 f).
Unterschriften
Kreft, Kirchhof, Fischer, Ganter, Kayser
Fundstellen
Haufe-Index 943163 |
DB 2003, 2596 |
BGHR 2003, 949 |
BauR 2003, 1216 |
EBE/BGH 2003, 204 |
NJW-RR 2003, 1212 |
EWiR 2003, 911 |
IBR 2003, 429 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2003, 1628 |
MDR 2003, 928 |
VersR 2004, 736 |
ArbRB 2003, 259 |
BrBp 2003, 244 |
BRAK-Mitt. 2003, 165 |
KammerForum 2003, 283 |