Entscheidungsstichwort (Thema)
Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen Steuerberater bei unrechtmäßig abgeführten Sozialversicherungsbeiträgen für GmbH-Gesellschaftergeschäftsführer
Leitsatz (amtlich)
Hat der für die Lohnbuchhaltung zuständige Steuerberater einen nicht versicherungspflichtigen Geschäftsführer einer GmbH der Einzugsstelle zu Unrecht als versicherungspflichtigen Arbeitnehmer gemeldet und in der Folgezeit für ihn die monatliche Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen veranlasst, beginnt die Verjährung spätestens mit der Bezahlung des ersten Sozialversicherungsbeitrages.
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Selbstveranlagung zur Umsatzsteuer beginnt die Verjährung des Ersatzanspruchs gegen den mitwirkenden Steuerberater mit der Einreichung der Steueranmeldung beim Finanzamt. Für den vergleichbaren Fall der Meldung sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer und der entsprechenden Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen muss Entsprechendes gelten. Im Streitfall waren sämtliche Schadensersatzansprüche verjährt, weil es sich bei den laufenden monatlichen Beitragszahlungen um einen einheitlichen Schaden handelt.
Normenkette
StBerG § 68 a.F.; SGB IV § 28a
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Brandenburg vom 7.11.2006 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Die Klägerin nimmt die Beklagte, ihre Steuerberaterin, wegen fehlerhafter Abführung von Beiträgen zur Bundesanstalt für Arbeit in Anspruch.
[2] Die Klägerin betreibt ein Reisebüro. Gesellschafter und Geschäftsführer sind S. und F. Z. Die verklagte Steuerberaterin war seit 1991 mit der Klägerin im Dauermandat verbunden. Sie führte auch die Lohnbuchhaltung aus. Daneben war sie ständig in privaten Steuerangelegenheiten für die Gesellschafter und Geschäftsführer tätig.
[3] Aufgrund Gesellschaftsvertrags vom 30.4.1984 hielten S. Z. 49 % und F. Z. 51 % der Geschäftsanteile. Die Beklagte meldete S. Z. für die Zeit ab 1.5.1984 als sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmerin der Klägerin und veranlasste die Abführung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Sie erteilte keine Hinweise zur Frage der Sozialversicherungspflicht der Geschäftsführerin.
[4] Nachdem die LVA Brandenburg bei der Klägerin im Zuge einer Betriebsprüfung mit Bescheid vom 16.10.2003 festgestellt hatte, dass die Geschäftsführerin nicht als Arbeitnehmerin im Sinne der Sozialversicherung einzuordnen sei, beantragte die Klägerin am 2.6.2004 die Rückerstattung der gezahlten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung bei der Agentur für Arbeit. Mit Bescheid vom 28.2.2005 stellte diese fest, dass seit 1.5.1984 die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden seien; wegen der Beiträge bis zum 30.11.1999i.H.v. 18.441,86 EUR berief sie sich auf Verjährung. Die später abgeführten Beiträge erstattete sie. Der Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid wurde am 23.5.2005 zurückgewiesen.
[5] Die Klägerin meint, die Beklagte habe sie auf die fehlende Versicherungspflicht oder auf eine insoweit erforderliche Rechtsberatung hinweisen müssen und dadurch ihre Pflicht aus dem Steuerberatervertrag schuldhaft verletzt.
[6] Das LG hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie wegen Verjährung abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe
[7] Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat die Klageforderung zutreffend als verjährt angesehen.
I.
[8] Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klageforderung sei nach § 68 StBerG verjährt. Der Schadensersatzanspruch sei im Mai 1984 mit Anmeldung der Geschäftsführerin der Klägerin als sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmerin bei der Einzugsstelle für die Sozialversicherungsbeiträge entstanden.
[9] Der entstandene Schaden sei als einheitliches Ganzes aufzufassen, für den eine einheitliche Verjährungsfrist zu laufen begonnen habe, als der erste Schaden entstanden sei. Dies sei mit der Zahlung des ersten Sozialversicherungsbeitrages, welche spätestens am 10.6.1984 für Mai 1984 erfolgt sei, der Fall gewesen. Damals habe nicht lediglich ein Schadensrisiko bestanden. Deshalb sei nicht auf den Bescheid abzustellen, in dem die LVA die fehlende Sozialversicherungspflicht der Geschäftsführerin festgestellt habe. Diese habe vielmehr von Anfang an nicht bestanden. Durch eine Rückzahlung der zu Unrecht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge habe lediglich der bereits eingetretene Schaden wieder beseitigt werden können. Deshalb habe die Ermessensentscheidung der Bundesagentur für Arbeit hinsichtlich der Erhebung der Verjährungseinrede keinen Einfluss auf den Lauf der Verjährung gehabt.
[10] Auf eine sekundäre Pflichtverletzung der Beklagten komme es nicht an. Die Beklagte habe erst nach Eintritt der Primärverjährung Kenntnis von ihrer Pflichtverletzung erlangt, nämlich durch den Bescheid vom 16.10.2003. Zuvor habe sie den Fehler nicht erkennen können und müssen, zumal Betriebsprüfungen in den Jahren 1996 und 1999 keinerlei Beanstandungen ergeben hätten.
II.
[11] Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand. Die dagegen erhobenen Rügen der Revision greifen nicht durch.
[12] 1. Das Berufungsgericht hat auf die Verjährung die mit Wirkung vom 15.12.2004 aufgehobene Vorschrift des § 68 StBerG angewendet. Dies ist zutreffend, weil die Verjährung vor dem 15.12.2004 eingetreten ist (Art. 229 § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13, Satz 2 i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1, 3 EGBGB).
[13] 2. Das Berufungsgericht geht weiter zutreffend davon aus, dass der Schadensersatzanspruch der Klägerin mit der Anmeldung der Tätigkeit der Geschäftsführerin bei der Einzugsstelle als sozialversicherungspflichtige Tätigkeit, spätestens mit Zahlung des ersten Sozialversicherungsbeitrages am 10.6.1984, entstanden ist, und dass damit die Verjährungsfrist des § 68 StBerG zu laufen begonnen hatte. Die von der Revision hiergegen erhobenen Rügen greifen nicht durch.
[14] a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass ein Schaden (erst) dann entstanden ist, wenn sich die Vermögenslage des Betroffenen durch die Pflichtwidrigkeit des Beraters gegenüber seinem früheren Vermögensstand objektiv verschlechtert hat. Dafür genügt, dass der Schaden dem Grunde nach erwachsen ist, mag auch die Höhe noch nicht beziffert werden können. Es muss nicht feststehen, dass eine Vermögenseinbuße bestehen bleibt und damit endgültig wird (BGHZ 114, 150, 152 f.; 119, 69, 70 ff.; BGH, Urt. v. 12.2.2004 - IX ZR 246/02, WM 2004, 2034, 2037; Beschl. v. 29.3.2007 - IX ZR 102/05, Rz. 2n.V.). Ist dagegen - objektiv betrachtet - noch offen, ob ein pflichtwidriges, mit einem Risiko behaftetes Verhalten zu einem Schaden führt, ist ein Ersatzanspruch noch nicht entstanden, so dass die Verjährungsfrist noch nicht in Lauf gesetzt wird (BGHZ 119, 69, 71; BGH, Urt. v. 12.2.2004, a.a.O.). Unkenntnis des Schadens und des Ersatzanspruchs hindern den Verjährungsbeginn nach § 68 StBerG nicht (BGHZ 114, 150, 151; BGH, Urt. v. 12.2.2004, a.a.O.).
[15] b) Bei dem Anspruch des Sozialversicherungsträgers gegen den Arbeitgeber auf Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen handelt es sich - wie bei der Erfüllung eines Steuertatbestandes (§ 38 AO) - um eine abstrakte gesetzliche Abgabenschuld (vgl. § 22 Abs. 1 SGB IV). Sie bedarf allerdings für den Regelfall - anders als die Steuererhebung nach den §§ 218, 155 AO - keines Feststellungsbescheides, weil Grund und Höhe der Beitragspflicht von dem Arbeitgeber leicht festgestellt werden können (BGH, Urt. v. 23.9.2004 - IX ZR 148/03, ZIP 2004, 2192). Der Arbeitgeber hat selbständig die entsprechenden Meldungen an die Einzugsstelle zu erstatten und den Gesamtsozialversicherungsbeitrag an diese abzuführen (vgl. § 28a, § 28e SGB IV; zum entsprechenden früheren, mehrfach geänderten Recht vgl. Seewald in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, vor § 28a SGB IV Rz. 2 ff.; Hauck/Haines/Sehnert, SGB IV, Vorbemerkung zu den §§ 28a bis 28r Rz. 1 ff.).
[16] c) Regelmäßig beginnt die Verjährung des vertraglichen Ersatzanspruches gegen den Steuerberater zwar erst mit der Bekanntgabe eines schadensbegründenden Steuerbescheides; auf die Unanfechtbarkeit kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (BGHZ 119, 69, 73; 129, 386, 389; BGH, Urt. v. 10.1.2008 - IX ZR 53/06, WM 2008, 613, 614 Rz. 7; v. 7.2.2008 - IX ZR 198/06, Rz. 14).
[17] Diese Rechtsprechung hat der Senat übertragen auf die Fälle, in denen nicht erfüllte Beitragsansprüche zur Sozialversicherung durch die Einzugsstellen (§ 28b Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SGB IV) oder die prüfungspflichtigen Rentenversicherungsträger (§ 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV) zur Durchsetzung gegen den Arbeitgeber mit Bescheid festgesetzt werden. In diesen Fällen bestehen vor Erlass der Bescheide, mit denen noch zu zahlende Beiträge festgesetzt werden, ähnliche Unsicherheiten wie vor der belastenden Konkretisierung eines Steuerschuldverhältnisses durch Steuerbescheid (BGH, Urt. v. 23.9.2004, a.a.O.).
[18] Solche Ungewissheit hinsichtlich des entstandenen Schadens bestand im vorliegenden Fall aber nicht. Der Revision ist zwar zuzugeben, dass auch im Falle bereits abgeführter Sozialversicherungsbeiträge Unsicherheiten bestehen oder eintreten können, ob die zugrunde liegenden Ansprüche berechtigt waren. Dies betrifft aber die Frage, ob der bereits eingetretene Schaden später wieder entfällt. Dies ist, wie oben ausgeführt, für den Beginn der Verjährung unerheblich (vgl. auch BGHZ 114, 150, 152 f.).
[19] Bei der vergleichbaren Selbstveranlagung zur Umsatzsteuer beginnt die Verjährung des Ersatzanspruchs gegen den mitwirkenden Steuerberater mit der Einreichung der Steueranmeldung beim Finanzamt (BGH, Urt. v. 14.7.2005 - IX ZR 284/01, WM 2005, 2106, 2107). Für den Fall der Meldung sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer und der entsprechenden Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen muss entsprechendes gelten mit der Maßgabe, dass die Verjährung jedenfalls mit der ersten Beitragszahlung beginnt.
[20] d) Ein erster Schaden der Klägerin ist spätestens mit Zahlung des ersten Beitrages an den Sozialversicherungsträger entstanden. Darin lag für das Vermögen der Schuldnerin nicht lediglich ein risikobegründender Umstand. Vielmehr war damit bereits eine reale Minderung des Vermögens der Klägerin eingetreten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich um einen einheitlichen Schaden, weil die Beklagte die Geschäftsführerin für die Klägerin als sozialversicherungspflichtig gemeldet hat und sie sodann fortlaufend als sozialversicherungspflichtig geführt wurde mit der Folge entsprechender monatlicher Beitragszahlung. Dies ist zutreffend und wird von der Revision nicht in Frage gestellt.
[21] Da die Verjährungsfrist demgemäß spätestens am 10.6.1984 zu laufen begonnen hat, ist sie am 10.6.1987 abgelaufen.
[22] 3. Die Klägerin macht nicht geltend, dass die Beklagte bis zu diesem Zeitpunkt Veranlassung gehabt habe zu überprüfen, ob sie durch einen Fehler die Klägerin geschädigt hat. Ein Sekundäranspruch kommt deshalb nicht in Betracht (vgl. hierzu im Einzelnen BGHZ 83, 17, 26 f.; 114, 150, 158; 129, 386, 391; BGH, Teilurteil v. 29.6.2006 - IX ZR 227/02n.V.).
[23] Ein Sekundäranspruch wäre im Übrigen nach weiteren drei Jahren ebenfalls verjährt, also am 10.6.1990, und damit lange vor Klageeinreichung am 13.10.2005.
Fundstellen
Haufe-Index 2011983 |
BFH/NV Beilage 2008, 317 |
DB 2008, 1561 |
DStR 2008, 1404 |
HFR 2008, 1290 |
NWB 2008, 2616 |
BGHR 2008, 954 |
EBE/BGH 2008 |
NJW-RR 2009, 136 |
EWiR 2009, 227 |
FA 2008, 244 |
JurBüro 2008, 613 |
StuB 2008, 732 |
WM 2008, 1416 |
ZIP 2008, 1974 |
MDR 2008, 1036 |
NJ 2008, 557 |
VersR 2010, 79 |
NWB direkt 2008, 10 |
RdW 2008, 543 |
BFH/NV-Beilage 2008, 317 |
GmbH-Stpr 2009, 64 |
SJ 2008, 54 |