Leitsatz (amtlich)
Das Aushandeln personenbezogener Tarife für die Beförderung gesetzlich Krankenversicherter mit einem Rettungswagen zwischen den Krankenkassen und den entsprechenden Leistungserbringern bewegt sich im Rahmen des Verhandlungsermessens der Kostenträger bei der Erfüllung ihres öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrages und ist einer Überprüfung durch einen im Wege der Schadensersatzpflicht mittelbar hiervon Betroffenen grundsätzlich nicht zugänglich.
Normenkette
BGB § 249; SGB V §§ 60, 133; SGB X § 116
Verfahrensgang
LG Frankenthal (Pfalz) (Urteil vom 25.06.2003; Aktenzeichen 2 S 52/03) |
AG Bad Dürkheim |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Frankenthal v. 25.6.2003 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, eine Innungskrankenkasse, verlangt von dem Beklagten aus gem. § 116 SGB X auf sie übergegangenem Recht ihres Versicherten Ersatz restlicher Aufwendungen für den Einsatz eines Rettungswagens. Bei einem Verkehrsunfall mit einem Pferd des Beklagten, für den dieser unstreitig einzustehen hat, wurde der Versicherte der Klägerin im Mai 2001 schwer verletzt. Er musste deshalb mit einem Rettungswagen eines Kreisverbandes des Deutschen Roten Kreuzes in Rheinland-Pfalz (im Folgenden: DRK) von der Unfallstelle - zusammen mit einem weiteren Verletzten - in ein Krankenhaus transportiert werden. Für den Transport ihres Versicherten zahlte die Klägerin an das DRK das von diesem berechnete Benutzungsentgelt von 899 DM auf der Grundlage einer für das Jahr 2001 getroffenen Gebührenvereinbarung zwischen verschiedenen Kostenträgern (Krankenkassen) und den Rettungsdiensten (Sanitätsorganisationen) in Rheinland Pfalz, die wiederum auf § 4 Nr. 1 eines Rahmenvertrages zwischen diesen Parteien v. 20.8.1992 beruht. Nach § 6 Nr. 2 dieses Rahmenvertrages wird bei gleichzeitiger Beförderung mehrerer Personen für jeden Patienten das volle Benutzungsentgelt vergütet. Der hinter dem Beklagten stehende Haftpflichtversicherer hält diese Regelung für unwirksam und hat dementsprechend wegen des gleichzeitigen Transports zweier Verletzter lediglich die Hälfte des Benutzungsentgeltes an die Klägerin gezahlt.
Das AG hat der Klage auf Zahlung der restlichen 229,83 EUR stattgegeben. Das LG hat die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt er sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, es komme nicht darauf an, ob der Rahmenvertrag für dessen Vertragspartner Rechtswirksamkeit besitze. Es sei nämlich unstreitig, dass der DRK-Kreisverband, dem das in Anspruch genommene Rettungsfahrzeug gehöre, im Jahr 2001 für die Beförderung jeder verletzten Person im Rettungswagen die sich aus der Gebührenvereinbarung ergebenden Benutzungsentgelte berechnet habe, unabhängig davon, ob das jeweilige Unfallopfer einzeln oder gemeinsam mit anderen Verletzten transportiert worden sei. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Schadensersatzrechts habe der Schädiger denjenigen Zustand der Vermögenslage des Geschädigten (wieder-) herzustellen, der bestehen würde, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Hätte das Pferd des Beklagten nicht den Unfall verursacht, so wären die streitgegenständlichen Transportkosten nicht angefallen. Aus dem Umstand, dass die Klägerin diese Kosten in voller Höhe bezahlt habe, obwohl - die Auffassung des Beklagten und seines Haftpflichtversicherers als zutreffend unterstellt - der Rechnungsbetrag wegen der Unwirksamkeit des Rahmenvertrages durch diesen nicht gerechtfertigt gewesen sei, könnten dem Geschädigten, dessen Schadensersatzanspruch insoweit auf die Klägerin übergegangen sei, keine Rechtsnachteile erwachsen. Dies könnte nur dann der Fall sein, wenn der Geschädigte gegen seine Schadenminderungsobliegenheit verstoßen hätte; das sei jedoch nicht der Fall.
II.
Diese Beurteilung hält im Ergebnis revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
Die Klägerin hat aus gem. § 116 SGB X auf sie übergegangenem Recht ihres Versicherten gegen den Beklagten einen Anspruch aus §§ 833, 249 BGB auf Ersatz des für die Beförderung des Verletzten an das DRK gezahlten Benutzungsentgelts, und zwar in voller Höhe.
Die Revision meint, dass die Klägerin entgegen den gesetzlichen Bestimmungen Verträge mit Leistungserbringern abgeschlossen habe und aus diesem Grunde keinen auf sie übergegangenen Schadensersatzanspruch geltend machen könne. Dieser Auffassung kann aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden.
1. Nach § 116 Abs. 1 SGB X geht ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens auf den Versicherungsträger über, soweit dieser auf Grund des Schadensereignisses (kongruente) Sozialleistungen zu erbringen hat.
Bei Zugrundelegung des von der Beklagten unstreitig gestellten Vorbringens der Klägerin, der Rahmenvertrag sei von einem übergeordneten Rechtsträger (Landesverband) desselben Dachverbandes wie die Klägerin auch mit Wirkung für diese abgeschlossen worden, hat die Klägerin den Rettungstransport gegenüber ihrem Versicherten nach §§ 60, 133 SGB V als Sachleistung erbracht und war verpflichtet, dem DRK das Benutzungsentgelt nach dem Rahmenvertrag i.V.m. der entsprechenden Gebührenvereinbarung zu zahlen.
Das Sachleistungsprinzip gilt grundsätzlich auch im Bereich der Krankentransporte mit Krankenkraftwagen (Notarztwagen, Rettungswagen und Krankentransportwagen) durch Rettungsdienste (vgl. BGHZ 33, 251 [255 f.]; BGH v. 26.11.1998 - III ZR 223/97, BGHZ 140, 102 [104 f.] = MDR 1999, 357 für einen Verlegungstransport; BSG v. 29.11.1995 - 3 RK 32/94, BSGE 77, 119 [128 f.] = MDR 1996, 1272; BSGE 85, 110 [112 f.]; OLG Koblenz v. 21.1.1986 - 3 U 978/84, NJW-RR 1986, 703; Niedersächsisches OVG MdR 2002, 474 [475]; Hencke in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, 19. Aufl., Juli 2003, § 133 SGB V Rz. 5; Höfler in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Lfg. 42, Dezember 2003, § 60 SGB V Rz. 15; Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, 46. Lfg., Juni 2003, § 60 SGB V Rz. 5; ebenso für den Regelfall des § 133 Abs. 1 SGB V Eichendorfer, JZ 1999, 363 [364 f.]; Knittel in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, 46. Lfg., Juni 2003, § 133 SGB V Rz. 2; a.A. Hauk/Haines, SGB V, 2/04 Lfg., April 2004, § 133 Rz. 5 f.; von Maydell, GK-SGB V, 84. Lfg.10.2002, § 133 Rz. 38 m.w.N.).
Gemäß § 60 Abs. 1 S. 1 SGB V "übernimmt" die Krankenkasse die Kosten für Fahrten einschließlich der Krankentransporte nach § 133 SGB V (Fahrkosten), wenn sie im Zusammenhang mit einer (anderen) Leistung der Krankenkasse notwendig sind. Dies ist der Fall, wenn ein in § 60 Abs. 2 SGB V genannter Tatbestand erfüllt wird, worunter u.a. eine Fahrt eines nach einem Unfall schwer Verletzten mit einem Rettungswagen von der Unfallstelle ins Krankenhaus fällt. Welche Fahrkosten im Einzelfall anerkannt werden, regelt § 60 Abs. 3 SGB V. Bei Benutzung eines Krankenkraftwagens oder Rettungsfahrzeugs ist dies grundsätzlich der nach § 133 SGB V berechnungsfähige Betrag (§ 60 Abs. 3 Nr. 3 SGB V). Nach § 133 Abs. 1 S. 1 SGB V schließen die Krankenkassen oder ihre Verbände Verträge über die Vergütung von Leistungen des Rettungsdienstes und über das Entgelt für andere Krankentransporte mit dafür geeigneten Einrichtungen oder Unternehmen, soweit Landesrecht nichts Anderes bestimmt. Für den Streitfall gilt in Rheinland-Pfalz eine § 133 Abs. 1 S. 1 SGB V entsprechende Regelung. § 12 Abs. 2 RettDG RP sieht vor, dass die Benutzungsentgelte auf Landesebene zwischen den Verbänden der Kostenträger - den Krankenkassen - einerseits sowie den Landesverbänden der Sanitätsorganisationen andererseits vereinbart werden. Das auf diese Weise vereinbarte Benutzungsentgelt für den Rettungstransport hat das DRK der Klägerin in Rechnung gestellt (vgl. BSGE 85, 110 [113]) und ist von dieser bezahlt worden. Der Beklagte wendet sich auch nicht gegen das Benutzungsentgelt für die Fahrt als solche, sondern lediglich dagegen, dass dieses bei gleichzeitiger Beförderung mehrerer Personen nicht durch deren Zahl geteilt, sondern nach § 6 Nr. 2 des Rahmenvertrages für jeden Patienten in voller Höhe vergütet wird.
2. Entgegen der Auffassung der Revision handelt es sich insoweit bei dem Rahmenvertrag nicht um einen unzulässigen und damit unwirksamen Vertrag zu Lasten Dritter. Ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter liegt nur dann vor, wenn durch ihn unmittelbar eine Rechtspflicht eines am Vertrag nicht beteiligten Dritten - ohne seine Autorisierung - entstehen soll (vgl. BGH, Beschl. v. 23.1.2003 - V ZB 48/02, BGHReport 2004, 716 = NJW-RR 2003, 577 [578]; LSG Rheinland Pfalz, Urt. v. 9.11.1999 - L 7 U 210/99, Rz. 20; LAG Brandenburg, Urt. v. 29.10.1998 - 3 Sa 229/98, Rz. 46; Gottwald in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 328 Rz. 171; Staudinger/Jagmann, BGB, 13. Aufl., § 328 Rz. 42). Im vorliegenden Fall handelt es sich dagegen um eine vertragliche Vereinbarung der jeweiligen Kostenträger mit den Leistungserbringern über die von den Krankenkassen zu bezahlenden Benutzungsentgelte. Ihre im Ergebnis belastende Wirkung für den Beklagten als Schädiger, der im Rahmen seiner Schadensersatzpflicht gem. §§ 833, 249 BGB für die Transportkosten des schwer verletzten Geschädigten ins Krankenhaus aufkommen muss, stellt lediglich einen - rechtlich insoweit unbeachtlichen - Reflex dar.
3. Der Rahmenvertrag verstößt entgegen der Auffassung der Revision auch nicht gegen kartellrechtliche Vorschriften. Es kann dabei offen bleiben, ob die Krankenkassen und ihre Verbände, die in diesen Rechtsbeziehungen ihren öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag erfüllen, insoweit überhaupt als Unternehmen i.S.d. Privatrechts, einschließlich des Wettbewerbs- und Kartellrechts, handeln (vgl. BGH, Urt. v. 14.3.2000 - KZR 15/98, VersR 2000, 1256 [1258]). Jedenfalls sind die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern durch § 69 SGB V und die dort genannten Vorschriften abschließend geregelt (vgl. BGH, Urt. v. 14.3.2000 - KZR 15/98, VersR 2000, 1256 [1258]).
4. Bei dieser Sachlage kann die Revision auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass das von der Klägerin an das DRK für die Rettungsfahrt gezahlte Benutzungsentgelt nicht dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprochen habe und deshalb ein Schadensersatzanspruch ihres Versicherten nicht nach § 116 SGB X in voller Höhe auf die Klägerin übergegangen sei.
Das Aushandeln personenbezogener Tarife für die Beförderung gesetzlich Krankenversicherter zwischen den Krankenkassen und den entsprechenden Leistungserbringern bewegt sich im Rahmen des Verhandlungsermessens der Kostenträger und ist einer Überprüfung durch einen im Wege der Schadensersatzpflicht mittelbar hiervon Betroffenen grundsätzlich nicht zugänglich. Gäbe es die gesetzlich in § 133 SGB V und den vergleichbaren landesrechtlichen Vorschriften vorgesehene Möglichkeit der Kostenträger nicht, mit den Leistungserbringern von Rettungsdienstleistungen Rahmenvereinbarungen über die Entgelte für Krankentransportleistungen abzuschließen und hierdurch auf die Preise Einfluss zu nehmen, so wäre die Frage, wie der vom Geschädigten in Anspruch genommene Rettungsdienst seine nach den Feststellungen des Berufungsgerichts üblicherweise dafür verlangten Entgelte kalkuliert, einer Überprüfung durch den Schädiger verschlossen. Eine solche Überprüfungsmöglichkeit wird dem Schädiger nicht dadurch eröffnet, dass an dem Zustandekommen der Entgelte für Krankentransportleistungen die Kostenträger beteiligt sind, die ihren Versicherten diese Leistungen im Rahmen des Sachleistungsprinzips zur Verfügung stellen. Mit dem Regelungssystem des § 133 SGB V hat der Bundesgesetzgeber im Bereich der Krankentransporte seine Vorstellungen von der Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven und der Stärkung des Wettbewerbs unter den Leistungserbringern durchsetzen wollen. Die Krankenkassen sollen die Versorgung ihrer Versicherten in möglichst weitem Umfang durch vertragliche Vereinbarung mit den Leistungsanbietern sicherstellen, wodurch diese gezwungen sind ihre Leistungen marktgerecht anzubieten und wodurch die Krankenkassen in die Lage versetzt werden, die Vergütungen nach Maßgabe des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 SGB V, § 133 Abs. 1 S. 7 SGB V) auszuhandeln und die Verträge mit den günstigsten geeigneten Anbietern abzuschließen (vgl. BSGE 85, 110 [115]).
Im Übrigen ist auch nicht erkennbar, dass allein eine fahrtbezogene Abrechnungsweise dem Wirtschaftlichkeitsgebot entspräche, dem die Klägerin kraft ihres gesetzlichen Auftrages verpflichtet ist. Die Klägerin hat - worauf die Revisionserwiderung zutreffend hinweist - in den Tatsacheninstanzen plausibel dargelegt, dass das DRK seine Transportentgelte als kombinierte personenbezogene Pauschalen unter Zugrundelegung der ihm voraussichtlich entstehenden Gesamtkosten kalkuliere, wobei sich die Gesamtkosten eines Krankentransportdienstes nicht in den Kosten der konkreten Einsatzfahrt erschöpften, sondern wesentliche andere Kostenfaktoren wie Investitionskosten und Kosten der Reservevorhaltung gem. § 133 Abs. 2 Nr. 2 SGB V hinzu kämen. Darüber hinaus teilten sich die Patienten im Fall einer Mehrfachbelegung eines Krankentransportes nicht eine Krankenliege, sondern jeder Verletzte belege einen vollen "Platz", der eingerichtet und vorgehalten werden müsse. Schließlich sprächen für die vom DRK gewählte patientenbezogene Abrechnung Gründe der Praktikabilität und zwar auch und gerade aus der Sicht der beteiligten Krankenkassen, weil es für diese einen ganz unwirtschaftlichen Verwaltungsaufwand bedeuten würde, wenn sie in jedem Abrechnungsfall die Anzahl der Transportierten ermitteln müssten.
Da es sich bei dem vorliegend in Frage stehenden personenbezogenen Benutzungsentgelt mithin um das Ergebnis einer Gesamtkalkulation handelt, ist die Auffassung der Revision, dass eine fahrtbezogene Kalkulation bei einer Rettungsfahrt mit zwei Verletzten zu einer Halbierung des Preises führen müsste, keinesfalls zwingend.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1207595 |
NJW 2004, 3326 |
BGHR 2004, 1603 |
MDR 2004, 1414 |
NZV 2004, 519 |
VRS 2004, 326 |
VersR 2004, 1189 |
GesR 2004, 520 |
JWO-VerkehrsR 2004, 276 |