Leitsatz (amtlich)
Auf die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung eines Vertrages, der mangels Geschäftsfähigkeit eines Vertragspartners nichtig ist, findet die Saldotheorie keine Anwendung (im Anschluß an BGHZ 126, 105 ff und unter Aufgabe von BGH, Urt. v. 11. März 1988, V ZR 27/87, NJW 1988, 3011).
Normenkette
BGB § 818 Abs. 3
Verfahrensgang
OLG Oldenburg (Oldenburg) |
LG Oldenburg |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 29. Juli 1999 aufgehoben und das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 29. Dezember 1998 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 230.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 10. Juni 1996 zu zahlen Zug um Zug gegen Bewilligung der Grundbuchberichtigung dahingehend, daß die Beklagte wieder als Eigentümerin des Grundstücks Flur 4, Flurstück 5 der Gemarkung D., verzeichnet im Grundbuch von D. Band 2 Blatt 6, eingetragen werde.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Auslagen der Streithelferin, die diese selbst trägt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit notariellem Vertrag vom 15. September 1995 kaufte der Kläger von der Beklagten ein Hausgrundstück für 230.000 DM, das er mit einem grundschuldgesicherten Darlehen der Streithelferin der Beklagten vom 10. Oktober 1995 finanzierte. Der Notar war angewiesen, aus dem hinterlegten Kaufpreis 30.000 DM an den Sohn der Beklagten zu überweisen.
Der Kläger hat geltend gemacht, er sei bei Vertragsschluß wegen einer geistigen Erkrankung geschäftsunfähig gewesen und hat die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen die Verschaffung des Eigentums verlangt. Das Landgericht hat nach Beweiserhebung der Klage Zug um Zug gegen die lastenfreie Eigentumsverschaffung stattgegeben. Auf die Anschlußberufung des Klägers hat das Oberlandesgericht diese Entscheidung nach weiterer Beweiserhebung teilweise abgeändert und entsprechend dem letzten Antrag des Klägers der Klage ohne Einschränkung stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat nur zu einem geringen Teil Erfolg.
1. Die Auffassung der Revision, der Sachverständige habe einen falschen Ansatzpunkt gewählt und den Rechtsbegriff der Geschäftsunfähigkeit verkannt, trifft nicht zu. Richtig ist zwar, daß der Sachverständige in seinem ersten Gutachten, das sich im wesentlichen nur auf die schriftlichen Krankenberichte der behandelnden Ärzte stützte, eine Formulierung verwendet hat, die auf die Annahme einer auf „größere geschäftliche Vorgänge” beschränkte „wahrscheinliche” Geschäftsunfähigkeit hindeutet. Dies gilt aber nicht für die abschließende Beurteilung vom 19. Juli 1999, die sich auf den gesamten Inhalt der Beweisaufnahme vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht gestützt hat. Der Einwand der Revision, Psychopathien seien in der Regel keine krankhafte Störung der Geistestätigkeit, trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu, da diese Frage nur im Einzelfall nach Art und Umfang der festgestellten Symptome sachverständig zu bewerten ist. Die in der Beweisaufnahme festgestellten Wahnvorstellungen des Klägers über seinen Arbeitsplatz und die norddeutsche Werftindustrie, seine Vorstellungen über die Verfolgung durch internationale Geheimdienste und die Veränderung seiner medizinischen Betreuung und Versorgung vor dem Vertragsabschluß führten zu der Feststellung des Sachverständigen, daß der Kläger sich in dieser Zeit im Zustand eines systematisierten Wahns mit erheblicher Dynamik befunden habe, bei dem eine freie Willensbestimmung nicht mehr möglich gewesen sei. Daraus ergab sich für ihn der Schluß, daß der Kläger bei Vertragsabschluß zu einem realitätsbezogenen und vernunftgeprägten Handeln mit Sicherheit nicht in der Lage gewesen sei. Entgegen der Meinung der Revision geht es insoweit nicht darum, ob diese Wahnvorstellungen sich gerade auf den konkreten Grundstückskauf bezogen haben, sondern nur darum, ob sie Merkmale eines krankhaften Zustands sind, der als Geistesstörung zu bewerten ist. Dies aber hat der Sachverständige eindeutig festgestellt.
2. Zu Unrecht vermißt die Revision eine Prüfung der Prozeßfähigkeit im vorliegenden Verfahren. Dafür gab es keinen Anhaltspunkt, weil der Kläger nach den Feststellungen des Sachverständigen seit 1996 wieder sachgerecht medikamentös behandelt wird, dadurch sein Zustand stabilisiert ist und er auch wieder seinen Beruf als Schiffbauingenieur ausüben kann. Die Revision macht auch nicht geltend, daß sich daran wieder etwas geändert habe.
3. Entgegen der Meinung der Revision mindert sich der Rückzahlungsbetrag nicht um 30.000 DM. Die Vereinbarung über die Weiterleitung dieses Betrages betraf Einrichtungsgegenstände, die der Sohn der Beklagten und seine Lebensgefährtin in dem Kaufobjekt zurücklassen wollten. Insoweit war in der Treuhandvereinbarung festgelegt, daß der Notar diese Summe aus dem hinterlegten Kaufpreis an den Sohn auszahlen sollte. Dies führte aber entgegen der Meinung der Revision nicht dazu, daß der Kläger seine Leistung teilweise an den Sohn zu erbringen hatte. Er schuldete und bezahlte den gesamten Kaufpreis von 230.000 DM nur an seine Vertragspartnerin, deren Absprachen mit ihrem Sohn ihn nicht betrafen.
4. Zu Recht rügt die Revision aber, daß das Berufungsgericht die Beklagte zur uneingeschränkten Zurückzahlung des Kaufpreises verurteilt hat. Nicht zu beanstanden ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt, daß auf die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung eines Vertrages, der mangels Geschäftsfähigkeit eines Vertragspartners nichtig ist, die Saldotheorie keine Anwendung findet (BGHZ 126, 105, 108). Soweit das Urteil des Senats vom 11. März 1988 (V ZR 27/87, NJW 1988, 3011) dem entgegensteht, wird daran nicht festgehalten, weil die die Saldierung rechtfertigende Verknüpfung der beiderseitigen Leistungen durch den Austauschzweck bei fehlender Geschäftsfähigkeit von vornherein nicht eintreten konnte und deswegen auch nicht die Rückabwicklung bestimmen kann. Dies führt aber nicht dazu, daß die geschäftsunfähige Partei die von ihr empfangene und noch vorhandene Leistung (hier die grundbuchmäßige Eigentümerposition) behalten dürfte. Sie muß sie nur nicht von sich aus anbieten, sondern kann abwarten, ob der Vertragspartner insoweit ein Zurückbehaltungsrecht geltend macht (§ 273 BGB). Dies hat die Beklagte getan, wie die Revision zutreffend rügt. Das hat das Berufungsgericht übersehen.
5. Die Sache ist zur Endentscheidung reif (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), da weitere Gegenansprüche der Beklagten, deren Voraussetzungen noch aufzuklären wären, nicht geltend gemacht worden sind. Eine lastenfreie Rückgabe des Grundstücks ist nicht geltend gemacht worden.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1, 92 Abs. 2, 101 Abs. 1 ZPO. In dem Rechtsstreit war zwischen den Parteien nur der Zahlungsanspruch des Klägers, nicht aber ein Grundbuchberichtigungsanspruch der Beklagten streitig (vgl. Hensen, NJW 1999, 395, 396; Thomas/Putzo, ZPO 22. Aufl. § 92 Rdn. 12).
Unterschriften
Wenzel, Vogt, Schneider, Krüger, Klein
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 29.09.2000 durch Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 556287 |
NJW 2000, 3562 |
BGHR |
FuR 2001, 71 |
EWiR 2000, 1105 |
JurBüro 2001, 330 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 2190 |
WuB 2001, 1081 |
ZAP 2001, 63 |
ZIP 2000, 2028 |
ZfIR 2000, 856 |
JA 2001, 177 |
JuS 2001, 185 |
MDR 2000, 1423 |
NotBZ 2000, 410 |
ZNotP 2001, 31 |
ZNotP 2001, 62 |
JURAtelegramm 2001, 96 |
LL 2001, 80 |