Verfahrensgang
LG Neuruppin (Entscheidung vom 17.11.2005; Aktenzeichen 2 O 441/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 17. November 2005 verkündete Urteil des Landgerichts Neuruppin - Az.: 2 O 441/04 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden der Klägerin auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert für das Berufungsverfahren, zugleich Wert der Beschwer der Klägerin: 478.513,97 EUR
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Rückzahlung von Werklohn wegen einer von ihr behaupteten Überzahlung.
Das ... Autobahnamt schrieb im August 1993 Brückenbauarbeiten aus (Ausschreibungstext Bl. 9 d. A.). Den Zuschlag erhielt die A... GmbH/S... N... GmbH. Die B... GmbH schied auf Grund der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens am 1. April 1996 aus der A... aus. Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der S. N. GmbH.
Die Parteien des Werkvertrags vereinbarten eine Lohngleitklausel (Bl. 15, 16 d. A.). Die Klausel (HVA-StB-Lohngleitklausel 06/92) enthält unter anderem folgende Festlegung: "Maßgebender Lohn ist der Gesamttarifstundenlohn (Tarifstundenlohn und Bauzuschlag) des Spezialbaufacharbeiters gemäß Berufsgruppe III 2, wenn der Auftraggeber in der Leistungsbeschreibung nichts anderes angegeben hat."
Unter Anwendung des Änderungssatzes von 0,214 Promille (Entsprechend dem Schreiben der Beklagten vom 20. September 1993; Bl. 106 d. A.) stellte die Beklagte einen Betrag von 28.981.836,57 DM netto in Rechnung (Schlussrechnung vom 6. Oktober 1998; Bl. 31 d. A.), der von Seiten der Beklagten im Wesentlichen bezahlt wurde. Für die Berechnung der Lohngleitklausel hat die Beklagte den Gesamttarifstundenlohn für den Spezialfacharbeiter der Metall- und Elektroindustrie Berlin und Brandenburg, Tarifgebiet II, angesetzt.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, es sei für die Berechnung der Lohngleitklausel der Gesamttarifstundenlohn der Berufsgruppe III/2 der Bauindustrie im Tarifgebiet West anzusetzen. Weil die Lohnsteigerungen insoweit - unstreitig - geringer ausgefallen sind, hat die Klägerin einen überzahlten Betrag in Höhe von 827.769,15 DM zzgl. Umsatzsteuer errechnet. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Klageschrift (Bl. 1, 6 d. A.) Bezug genommen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 486.716,39 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30. Dezember 2003 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ausgeführt:
Für die Lohngleitklausel sei nicht der Gesamttarifstundenlohn der Berufsgruppe III/2 für das Baugewerbe maßgeblich, sondern der Ecklohn in der Metall verarbeitenden Industrie gemäß dem Tarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie in Berlin (Ost) und Brandenburg, Stand 1. September 1993. Dies sei in dem Vergabegespräch vom 4. Januar 1994 im Einzelnen erläutert und von der Klägerin akzeptiert worden.
Die Beklagte hat ihre Auffassung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der von den Parteien vereinbarte Faktor von 0,214 sei dadurch zu Stande gekommen, dass der mit 12,07 DM/Stunde wesentlich geringere Stundenlohn in die Berechnungsformel eingebracht worden sei. Noch nach dem Zuschlagsschreiben vom April 1994 sei dieses anlässlich einer Besprechung bestätigt worden.
Die Klägerin habe diese Einigung auch als maßgeblich zu Grunde gelegt. Dieses ergebe sich insbesondere aus dem Umstand, dass die Abschlagsrechnungen, in denen - unstreitig - die Lohnsteigerungen nach dem Tarif der Metall- und Elektroindustrie berechnet worden seien, beanstandungslos beglichen habe. Vor dem Hintergrund des Zeitablaufs von fünf Jahren zwischen der Schlusszahlung (1998) und dem Rückforderungsverlangen (2003) hat sich die Beklagte auf Verwirkung berufen.
Hilfsweise hat die Beklagte den Rückzahlungsanspruch der Höhe nach bestritten (Klageerwiderung S. 12 ff.; Bl. 101 ff. d. A. sowie Schriftsatz vom 21. April 2005; Bl. 231 d. A.).
Weiterhin hilfsweise hat die Beklagte für den Fall, dass der Tarif der Bauindustrie maßgeblich sei, geltend gemacht: Die Formulierung der Lohngleitklausel sei insoweit unbestimmt, als nicht deutlich zum Ausdruck komme, ob der Tarif Bau "Ost" oder "West" maßgeblich sein solle. Diese Unklarheit sei gem. § 5 AGBG nicht zu ihren, der Beklagten, Lasten auszulegen.
Aus der Nennung der Berufsgruppe III/2 ließen sich keine Rückschlüsse im Hinblick auf die Frage gewinnen, ob die Klausel auf das Tarifgebiet "Ost" oder "West" Bezug nehme. Im Mai 1992 habe es in beiden Tarifgebieten die Berufsgruppe des Spezialbaufacharbeiters III/2 gegeben, wie sich insbesondere aus § 2 des Überleitungstarifvertrags (Anlage B 17; Bl. 271 d. A.) ergeb...