Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrssicherungspflicht: Zulässigkeit eines Grundurteils; Pflichten im Rahmen des Winterdienstes im Bereich einer Haltestelle

 

Normenkette

BGB § 839; GG Art. 34; ZPO § 304; StrG BB § 49a Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Potsdam (Urteil vom 22.11.2013; Aktenzeichen 4 O 191/11)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird, unter Zurückweisung ihres weiter gehenden Rechtsmittels, das Urteil des LG Potsdam vom 22.11.2013 - 4 O 191/11, aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG Potsdam zurückverwiesen.

2. Dem erstinstanzlichen Gericht bleibt auch die Entscheidung über die Kosten der Berufung vorbehalten.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt materiellen und immateriellen Schadensersatz aus einem von ihr behaupteten Glatteisunfall am 11.2.2010 im Bereich der Bus- und Straßenbahnhaltestelle ... platz/Park ... in ...

Die Klägerin hat behauptet, sie sei am 11.2.2010 gegen 13:45 Uhr an der Haltestelle ... platz/Park ... in P. aus dem Bus der Linie ... ausgestiegen und in Richtung Einstieg des Busses gegangen. Dabei habe sie zwischen den Leuten, die an der Haltestelle gestanden hätten, längs gehen und sich ein "bisschen durchdrängeln" müssen. Im Bereich der Anzeigentafel sei sie aufgrund des dort vorhandenen Glatteises ausgerutscht und habe einen Spiralbruch des rechten Unterschenkels erlitten, der einer im Einzelnen dargestellten Behandlung bedurft hätte. Hierdurch seien ihr - ebenfalls im Einzelnen bezifferte - Schäden entstanden.

Die Beklagte sei - insoweit unstreitig - als Eigentümerin der Verkehrsfläche im Haltestellenbereich gem. § 1 der Straßenreinigungssatzung der Beklagten für den Winterdienst verantwortlich. Diese Pflicht habe sie nicht, jedenfalls nicht wirksam auf die V ... GmbH. (im Weiteren "V ...") bzw. die S. GmbH (im Weiteren "S.") übertragen. Denn die Übertragung der Aufgaben müsse klar und eindeutig vereinbart sein, um die Ausschaltung von Gefahren zuverlässig sicherzustellen. Selbst wenn eine Übertragung des Winterdienstes - letztlich - auf die S. erfolgt sei, handele Letztere als Verwaltungshelferin, mithin als Beamtin im haftungsrechtlichen Sinn. Für Pflichtverletzungen müsse dann die Körperschaft einstehen. Jedenfalls träfen die Beklagte Kontroll- und Überwachungspflichten, die sie verletzt habe. Schließlich sei die Übertragung auf die V ... schon deshalb nicht haftungsbefreiend, weil die V ... als Mobilitätsdienstleister keine geeignete Winterdienstfachfirma darstelle.

Der Winterdienst sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Der Bereich, an dem sich der Unfall ereignet habe, sei entgegen § 4 Nr. 5 der Straßenreinigungssatzung winterdienstlich nicht behandelt worden bzw. abstumpfende Mittel hätten ihre Wirkung verloren. Der gesamte Haltestellenbereich wie auch der Gehwegbereich bis zur Gaststätte "..." sei mit einer Schnee- und Eisdecke überzogen gewesen. Am 10.2.2010, dem Tag vor dem Unfall, sei der Schnee aufgrund der Sonneneinstrahlung angetaut. Der Schneematsch sei in der Nacht und am Unfalltag erneut gefroren. Dies habe zum Sturz geführt. Für den daraus entstandenen Schaden hafte die Beklagte.

Die Klägerin hat beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11.538,46 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus 11.460,56 EUR seit dem 8.2.2011 und aus 77,90 EUR seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin jeweils zum 01.01., 01.04., 01.07. und 01.10. eines jeden Jahres, beginnend ab dem 1.4.2011, eine Rente auf den erlittenen Haushaltsführungsschaden i.H.v. 2.273,24 EUR zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 25.000 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 8.2.2011 zu bezahlen.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, letztere, soweit sie nach der letzten mündlichen Verhandlung entstehen, aus dem Unfall am 11.2.2010 gegen 13:45 Uhr an der Haltestelle ... platz in ... zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

5. Die Beklagte wird ferner verurteilt, die Klägerin von Gebührenansprüchen der Kanzlei Rechtsanwälte ... i.H.v. 1.307,81 EUR freizuhalten.

Die Beklagte und die Streithelferin haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, im Bereich der Sturzstelle nicht für den Winterdienst verantwortlich gewesen zu sein. Der Sturzbereich sei eindeutig der Haltestelle zuzuordnen und vom dahinter liegenden Gehweg klar abgegrenzt. Für den Haltestellenbereich, der allein dem öffentlichen Nahverkehr gewidmet sei, übe die V. Anliegerfunktion aus. Die Zuständigkeit für den Winterdienst sei zudem, wie der Übernahmebeleg vom 3.8.2010 rückwirkend zum 1.1.2009 zeige, auf die V. übertragen worden. Hierüber ha...

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