Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 30.11.2008; Aktenzeichen 9 N 05.112) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. November 2008 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
Rz. 2
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.
Rz. 3
1.1 Der Antragsteller ist der Auffassung, die Fragen, ob
es mit Art. 12 i.V.m. Art. 16 der FFH-RL vereinbar ist, wenn durch eine länger andauernde „Schwarzbrache” von Ackerflächen im Lebensraum des Feldhamsters (streng geschützte Art nach Anhang IV) zielgerichtet dessen Nahrungsquelle entzogen wird, damit sich die dort lebenden Tiere selbständig einen anderen Lebensraum suchen (sog. „Vergrämung”)
sowie darauf aufbauend, ob
diese als „landwirtschaftliche Bewirtschaftung” von den Verboten des Art. 12 der Richtlinie bzw. von der Verträglichkeitsprüfung nach Art. 16 der Richtlinie ausgenommen werden kann,
stellten sich, weil das Normenkontrollgericht die von der Regierung von Unterfranken erteilten Befreiungen für Vergrämungsmaßnahmen inzident auf ihre inhaltliche Rechtmäßigkeit habe überprüfen müssen und sich dieser Prüfung nicht unter Hinweis auf die Bestandskraft der Genehmigungen habe entziehen dürfen (Beschwerdebegründung S. 7-10).
Rz. 4
Soweit in erster Linie mit beiden Fragen geltend gemacht wird, das Normenkontrollgericht habe inzident prüfen müssen, ob die Voraussetzungen des Art. 16 der FFH-RL vorliegen (Beschwerdebegründung S. 9), wird nicht beachtet, dass die angefochtene Entscheidung auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt ist. Im Übrigen wird kein Klärungsbedarf aufgezeigt.
Rz. 5
Ist die vorinstanzliche Entscheidung – wie hier – auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt (stRspr, vgl. nur Beschluss vom 9. Dezember 1994 – BVerwG 11 PKH 28.94 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4). Wenn nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben ist, kann diese Begründung nämlich hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert.
Rz. 6
Das Normenkontrollgericht hat zwar auch darauf abgestellt, dass hinsichtlich der Sonderbauflächen und der Trasse der rückwärtigen Entlastungsstraße Befreiungen gemäß § 62 BNatSchG a.F. erteilt worden seien, die bestandskräftig und auch nicht nichtig seien, sodass sie Tatbestandswirkung entfalteten, an die das Gericht gebunden sei (UA S. 18 Rn. 45). Es hat sich jedoch nicht hierauf beschränkt. Es hat vielmehr zur Begründung, dass Verwirklichungshindernisse dem Vollzug des Bebauungsplans nicht entgegen stünden, des Weiteren – selbstständig tragend – ausgeführt, dass die im Sondergebiet und auf der Trasse der rückwärtigen Erschließungsstraße vorgesehenen Vorhaben vor Inkrafttreten des Bebauungsplans bereits verwirklicht worden seien und jedenfalls die zwischenzeitlich errichtete Bebauung einen Totalverlust der Flächen als Lebensraum für den Feldhamster zur Folge gehabt habe, und dass hinsichtlich der übrigen Flächen eine objektive Befreiungslage gegeben sei, in die die Antragsgegnerin habe „hineinplanen” können (UA S. 17 Rn. 41). Hinsichtlich dieser Flächen, auf denen der Feldhamster bisher weder faktisch vergrämt wurde noch aufgrund der Befreiungen rechtmäßig vergrämt werden durfte, insbesondere also hinsichtlich der bisher noch unbebauten Gewerbeflächen (UA S. 21 Rn. 51), ist das Normenkontrollgericht in eben jene von der Beschwerde vermisste voll umfängliche Prüfung der Voraussetzungen für das objektive Vorliegen einer Befreiungslage eingetreten (UA S. 21 Rn. 52). Es hat dabei ausdrücklich Art. 16 Abs. 1 Buchst. c FFH-RL seiner Prüfung zugrunde gelegt und das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Abweichung aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses bejaht (UA S. 22 Rn. 53 ff.). Inwiefern es unter diesen Umständen einer Klärung des „Absichtsbegriffs” bedürfte (Beschwerdebegründung S. 8 f.), erschließt sich aus der Beschwerde nicht. Im Übrigen erschöpft sich der Vortrag in Angriffen auf die tatrichterliche Würdigung, die der Antragsteller als „falsch” erachtet.
Rz. 7
Die zweite Frage stellt sich bereits deswegen nicht, weil das Normenkontrollgericht die mündlich erteilte und schriftlich bestätigte Befreiung dahingehend ausgelegt hat, dass sie „erforderlichenfalls auch die Vergrämung durch Schwarzbrache und deren Aufrechterhaltung bis zum Baubeginn umfassen sollte” (UA S. 20 Rn. 48). Das Normenkontrollgericht ist damit nicht – wie mit der Frage vorausgesetzt – davon ausgegangen, dass es sich bei der Vergrämung um eine „landwirtschaftliche Bewirtschaftung” gehandelt habe. Das scheint auch die Beschwerde zu erkennen, wenn sie im Zusammenhang mit ihrer Divergenzrüge ausführt, das Gericht habe dabei klargestellt, dass die Zulassung der Vergrämung nicht Landwirtschaftszwecken, sondern eindeutig der Vorbereitung der Bauleitplanung bzw. des Bauvorhabens „H.-Baumarkt” dienen sollte (Beschwerdebegründung S. 37). Es entspricht insofern nicht den Feststellungen des Normenkontrollgerichts, dass die Befreiungen „unter Vorschub ‚landwirtschaftlicher Zwecke’” (Beschwerdebegründung S. 10) erteilt worden sind.
Rz. 8
Die unter 4.1.1.2, 4.1.1.3, 4.1.1.4, 4.1.1.5 und 4.1.1.7 aufgeworfenen Fragen beruhen ebenfalls auf der Annahme des Antragstellers, das Normenkontrollgericht habe Art. 16 Abs. 1 Buchst. c FFH-RL nicht geprüft (Beschwerdebegründung S. 10, 12, 14, 16 und 21). Der Sache nach rügt der Antragsteller aber nicht in erster Linie eine vermeintlich unterlassene Inzidentprüfung, sondern macht Klärungsbedarf zum Anwendungsbereich des Art. 16 Abs. 1 Buchst. c FFH-RL geltend. Auch diese Rügen bleiben indes erfolglos. Im Einzelnen ist dazu festzuhalten:
Rz. 9
1.2 Die unter 4.1.1.2 aufgeworfene Frage zum „Umgriff des Untersuchungsgebiets für den Erhaltungszustand einer Population” (Beschwerdebegründung S. 10-13) ist nicht klärungsbedürftig. Die Beschwerde blendet mit der Frage, ob „die Untersuchung zum Erhaltungszustand einer Population des Feldhamsters … auf diejenigen Flächen zu beschränken (ist), auf denen ein Eingriffsvorhaben verwirklicht werden soll” (Beschwerdebegründung S. 10 f.), aus, dass das Normenkontrollgericht davon ausgegangen ist, dass sich der Erhaltungszustand der von den Vergrämungsmaßnahmen betroffenen Feldhamster-Population nicht verschlechtert, mithin der Erhaltungszustand der betroffenen lokalen Population günstig bleibt, weil die Beeinträchtigung des Lebensraums des Feldhamsters durch Kompensationsmaßnahmen, die im Zeitpunkt der Beeinträchtigung tatsächlich bereits zur Verfügung standen, wirksam ausgeglichen werde (UA S. 27 Rn. 69). Auf der Grundlage dieser tatsächlichen Feststellung besteht kein Klärungsbedarf, denn in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt: Bleibt der Erhaltungszustand der betroffenen lokalen Population günstig, so steht damit zugleich fest, dass keine negativen Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der Art in ihrem überörtlichen Verbreitungsgebiet zu besorgen sind (Urteil vom 12. März 2008 – BVerwG 9 A 3.06 – BVerwGE 130, 299 Rn. 249).
Rz. 10
1.3 Die unter 4.1.1.3 aufgeworfene Frage zum „Unterlassen einer Alternativenprüfung bei ‚Umsiedlung’” (Beschwerdebegründung S. 12-14) erschöpft sich in schlichter Urteilskritik. Das Normenkontrollgericht hat erkannt, dass Art. 16 Abs. 1 FFH-RL die Prüfung von Standortalternativen fordert (UA S. 25 Rn. 64). Der Antragsteller wendet sich letztlich nur dagegen, dass das Normenkontrollgericht unter Anlegung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu der Einschätzung gekommen ist, dass es keine zumutbaren Standort- und Gestaltungsalternativen gegeben habe (UA S. 25 Rn. 65 und 66).
Rz. 11
1.4 Bei den unter 4.1.1.4 aufgeworfenen (zwei) Fragen zur „Umsiedlung” (Beschwerdebegründung S. 14-15) unterstellt die Beschwerde mit dem Hinweis, die Umsiedlungsflächen müssten langfristig tauglich sein, und dem Einwand der praktischen „Sättigung” der Umsiedlungsflächen einen Sachverhalt, den das Normenkontrollgericht nicht festgestellt hat. Das Normenkontrollgericht hat ausgeführt, dass der Kompensationsbedarf berechnet und Kompensationsmaßnahmen in Form von Ausgleichs- bzw. Ersatzflächen nach Größe, Qualität und Eignung festgelegt worden seien und dass die tatsächlich bereitgestellten Ausgleichsflächen deutlich über dem ermittelten Ausgleichsbedarf hinausgingen (UA S. 27 Rn. 69). Es hat mithin zugrunde gelegt, dass die Umsiedlungsflächen „tauglich” sind. Im Übrigen beurteilt es sich nach den Umständen des Einzelfalls, ob Kompensationsmaßnahmen dazu führen, dass eine Population der geschützten Art entsprechend dem Erfordernis des Art. 16 Abs. 1 FFH-RL in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet in einem günstigen Erhaltungszustand verweilt. Soweit die Beschwerde meint, das müsse „geprüft” und fachlich „gesichert” sein und geltend macht, gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse fehlten (Beschwerdebegründung S. 15), folgt daraus kein Klärungsbedarf. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass der zuständigen Behörde (auch) hinsichtlich der Bewertung von Maßnahmen, mit denen neue Habitatflächen für die betroffenen Arten zur Verfügung gestellt werden, ein naturschutzfachlicher Einschätzungsspielraum eingeräumt ist (Urteil vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 242; Beschluss vom 13. März 2008 – BVerwG 9 VR 9.07 – juris Rn. 45; ebenso zu Art. 5 Buchst. d VRL, Urteil vom 21. Juni 2006 – BVerwG 9 A 28.05 – BVerwGE 126, 166 Rn. 44). Darauf hebt das Normenkontrollgericht ab, wenn es ausführt, der Antragsgegnerin komme im Übrigen bei der fachlich schwierigen Frage eines Verweilens der betroffenen Feldhamsterpopulation in einem günstigen Erhaltungszustand eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zu (UA S. 28 Rn. 71).
Rz. 12
1.5 Die unter 4.1.1.5 aufgeworfene Frage, mit der thematisiert wird, ob ein Vorhaben in der geplanten Größenordnung als „zwingender Grund des überwiegenden öffentlichen Interesses” angesehen werden könne (Beschwerdebegründung S. 16-18) und zu der darauf hingewiesen wird, dass der geplante Einzelhandel in Konkurrenz zu einer bereits ausreichenden Versorgung mit Baumärkten in der Region stehe und die Region zu den besonders günstigen Regionen Bayerns und Deutschlands zähle, ist auf einen Sachverhalt gemünzt, den das Normenkontrollgericht nicht festgestellt hat. Es ist weder der Frage nachgegangen, ob die Region Unterfranken bereits ausreichend mit Baumärkten „versorgt” ist, noch hat es sich dem Thema gewidmet, ob – bejahendenfalls – das Einkaufszentrum aus Gründen der Wirtschaftsförderung gerechtfertigt ist. Die Antragsgegnerin leitet daraus ab, dass das Normenkontrollgericht von einem fehlerhaften Verständnis des Begriffs der zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses ausgegangen ist (Beschwerdebegründung S. 17). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt die Zulassung der Grundsatzrevision freilich nicht in Betracht, wenn die Vorinstanz eine Tatsache nicht festgestellt hat, die für die Entscheidung der angesprochenen Rechtsfrage erheblich sein würde, sondern lediglich die Möglichkeit besteht, dass die Rechtsfrage nach Zurückverweisung der Sache aufgrund weiterer Sachaufklärung entscheidungserheblich werden könnte (vgl. Beschlüsse vom 28. Dezember 2008 – BVerwG 9 B 197.98 – juris und vom 28. November 2005 – BVerwG 4 B 66.05 – ZfBR 2006, 159).
Rz. 13
1.6 Die unter 4.1.1.6 aufgeworfenen zwei Fragen, in denen es um einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht und den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz des effet utile geht, und in der zur Begründung auf das Problem einer „Salamitaktik” hingewiesen wird (Beschwerdebegründung S. 18-20), beschränken sich auf Einwände gegen die Annahme einer Bindung auf Grund der Tatbestandswirkung der erteilten Befreiung und die Frage nach deren Anfechtbarkeit (Beschwerdebegründung S. 19). Die Fragen stellen sich angesichts der – wie dargelegt – selbstständig tragenden Mehrfachbegründung nicht, weil die Rügen, mit denen Fragen zu Art. 16 Abs. 1 Buchst. c FFH-RL aufgeworfen werden, erfolglos bleiben.
Rz. 14
1.7. Das gilt auch für die Frage unter 4.1.1.7,
ob ein Bebauungsplan, der bei seinem Inkrafttreten bzw. später im Laufe des Normenkontrollverfahrens „abschließend” durch Bebauung vollzogen ist, noch aufgehoben werden kann, weil eine zwingende Voraussetzung für den Bebauungsplan, nämlich die Zulässigkeit des mit dem Vollzug des Bebauungsplans verbundenen Eingriffs in den Lebensraum einer streng geschützten Art nach Anhang IV der FFH-RL nicht gegeben war,
die ausweislich der Beschwerdebegründung auf die Frage zielt, ob es über § 214 BauGB hinaus „faktische” Unbeachtlichkeitsgründe für Rechtsfehler gibt (Beschwerdebegründung S. 21). Die Beschwerde knüpft damit an die – hinsichtlich der Sonderbauflächen und der Trasse der rückwärtigen Erschließungsstraße – selbstständig tragende Begründung des Normenkontrollgerichts, das davon ausgegangen ist, artenschutzrechtliche Hindernisse stünden auch deshalb nicht mehr entgegen, weil diese Flächen bei Beginn der Baumaßnahmen und beim Inkrafttreten des Bebauungsplans feldhamsterfrei gewesen seien und jedenfalls die zwischenzeitlich errichtete Bebauung einen Totalverlust der Flächen als Lebensraum für den Feldhamster zur Folge gehabt hätten (UA S. 21 Rn. 50). Da sämtliche Grundsatzrügen zu Art. 16 der FFH-RL erfolglos bleiben, kann mit dieser Frage ein Zulassungsgrund nicht begründet werden. Abgesehen davon wird mit der Frage vorausgesetzt, dass – entgegen der Auffassung des Normenkontrollgerichts – „eine zwingende Voraussetzung für den Bebauungsplan … nicht gegeben war” (Unterstreichung durch den Senat).
Rz. 15
1.8 Soweit der Antragsteller unter 4.1.1.8 eine Grundsatzrüge zur „Unentbehrlichkeit der Alternativenprüfung” formuliert, unterstellt er mit der Umschreibung „Alternativen, die zu keinem oder einem wesentlich geringeren Eingriff führen werden” einen Sachverhalt, den das Normenkontrollgericht nicht festgestellt hat. Das Normenkontrollgericht hat ausgeführt, dass Standortalternativen – entgegen der vom Antragsteller vertretenen Auffassung – „wegen der spezifischen städtebaulichen Ziele des Bebauungsplans von vornherein nur in sehr eingeschränktem Umfang in Betracht” kämen und festgestellt, „dass eine zukunftsträchtige Ansiedlung großflächiger Fachmärkte überhaupt nur im Plangebiet oder im Gewerbegebiet H. stattfinden” könne (UA S. 25 Rn. 65). Der allein in Betracht kommende Standort H., der nach Darlegungen der Antragsgegnerin seinerseits eine FFH- und naturschutzrechtlich ebenfalls problematische Situation ausgelöst hätte, hätte aber bereits hinsichtlich der Verwirklichung des Teilziels „Fachmarktzentrum” deutliche Abstriche bei der Zielverfolgung und überdies erhebliche Mehrkosten zur Folge gehabt; das Ziel einer verkehrlichen Entlastung des Stadtteils L. wäre gänzlich verfehlt worden (UA S. 26 Rn. 65). Danach liegen keine – wie mit der Frage vorausgesetzt – „Alternativen (vor), die zu keinem oder einem wesentlich geringeren Eingriff führen werden”.
Rz. 16
Soweit der Antragsteller im Zusammenhang mit der Entscheidungserheblichkeit der Frage vorträgt, in dem angefochtenen Urteil sei „verfahrensrechtswidrig” im Tatbestand nicht aufgenommen worden, dass eine Standortalternativenprüfung unterblieben sei (Beschwerdebegründung S. 24), fehlt es jedenfalls an einer Auseinandersetzung mit der Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts, dass „ein insoweit möglicher Fehler”, dass die Alternativenprüfung im Bauleitplanverfahren nicht dokumentiert worden sei, jedenfalls nach der Planerhaltungsvorschrift des § 214 Abs. 3 BauGB a.F. nicht beachtlich sei (UA S. 29 Rn. 76). Im Übrigen muss sich der Antragsteller entgegenhalten lassen, dass er hinsichtlich eines solchen Verfahrensfehlers einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung hätte stellen können (§ 119 Abs. 1 VwGO) und er nicht vorgetragen hat, warum er an der Stellung eines solchen Antrags gehindert gewesen sei. Unrichtigkeiten des Tatbestandes können nicht statt durch den dafür vorgesehenen Berichtigungsantrag mit der Revision als Verfahrensmangel geltend gemacht werden (Beschlüsse vom 22. November 1979 – BVerwG 7 B 146.78 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 180 und vom 13. April 1989 – BVerwG 1 B 21.89 – juris).
Rz. 17
1.9 Die Frage unter 4.1.1.9,
ob unter maßgeblicher Übernahme beschlossener städtischer Entwicklungskonzepte das Vorliegen „zwingender Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses” bei Standortwahl und/oder Eingriffsrechtfertigung bejaht werden kann, wenn diese städtebaulichen Entwicklungskonzepte selbst keine Standortprüfung am Maßstab des Art. 16 Abs. 1 der FFH-RL enthalten (Beschwerdebegründung S. 24-27),
beruht auf der Annahme des Antragstellers, die Rahmenkonzepte der Antragsgegnerin setzten „Zwangspunkte” im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Buchst. c FFH-RL (Beschwerdebegründung S. 26). Davon ist das Normenkontrollgericht nicht ausgegangen. Der Antragsteller scheint die Ausführungen des Normenkontrollgerichts misszuverstehen. Das Normenkontrollgericht hat zwar bei der Prüfung der Erforderlichkeit (§ 1 Abs. 3 BauGB) auf das Rahmenkonzept und den Masterplan der Antragsgegnerin hingewiesen (UA S. 13 Rn. 30 f.). Es hat jedoch nicht die Auffassung vertreten, das Rahmenkonzept sei entgegen § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB (§ 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 10 BauGB a.F.) nicht in die Abwägung einzustellen, sondern zwingend und ohne Berücksichtigung entgegenstehender artenschutzrechtlicher Belange in der Bauleitplanung umzusetzen. Auf schlichte Urteilskritik läuft der Vortrag zur Alternativenprüfung und zur verkehrlichen Situation hinaus.
Rz. 18
1.10 Die unter 4.1.1.10 zur „Auslegung des ‚günstigen Erhaltungszustandes der Population’” aufgeworfenen vier Fragen (Beschwerdebegründung S. 28-32) stellen sich nicht. Wie bereits unter 1.2 ausgeführt, ist das Normenkontrollgericht davon ausgegangen, dass sich der Erhaltungszustand der von den Vergrämungsmaßnahmen betroffenen Feldhamster-Population nicht verschlechtert, mithin der Erhaltungszustand der betroffenen lokalen Population günstig bleibt. Im Übrigen wird auf die Ausführungen unter 1.4 verwiesen.
Rz. 19
1.11 Mit der unter 4.1.1.11 aufgeworfenen Frage zu „Art. 16 Abs. 1 der FFH-Richtlinie als zwingende Anforderung der Bauleitplanung” (Beschwerdebegründung S. 32-33) macht der Antragsteller geltend, das Normenkontrollgericht habe die gemeinschaftsrechtlichen Belange des Artenschutzes nicht im Rahmen der Abwägungskontrolle prüfen dürfen. Er scheint dabei zu verkennen, dass das Normenkontrollgericht die Voraussetzungen für eine objektive Befreiungslage „vollumfänglich” geprüft hat; von „Anwendungseinschränkungen” (Beschwerdebegründung S. 32) kann keine Rede sein.
Rz. 20
1.12 Die vom Antragsteller hilfsweise geltend gemachte Umdeutung der Grundsatzrügen in Divergenzrügen kommt nicht in Betracht (vgl. zur Umdeutung nur Beschluss vom 21. Februar 2000 – BVerwG 9 B 57.00 – juris Rn. 6; BVerfG, Beschluss vom 21. Januar 2000 – 2 BvR 2125/97 – juris Rn. 34). Die Umdeutung setzt voraus, dass die Beschwerde die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache dargelegt hat, die von ihr aufgeworfene Frage aber zwischenzeitlich in der höchstrichterlichen Rechtsprechung andernorts geklärt worden ist. Eine solche Fallgestaltung liegt hier nicht vor.
Rz. 21
2. Die Divergenzrügen führen ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision.
Rz. 22
2.1 Die unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats vom 16. März 2006 – BVerwG 4 A 1075.04 – (BVerwGE 125, 116 Rn. 562) geltend gemachte Divergenz (Beschwerdebegründung S. 34-37) scheitert unabhängig von den Darlegungsanforderungen daran, dass das Normenkontrollgericht – wie ausgeführt – nicht allein auf die Bestandskraft der erteilten Befreiungen abgestellt hat. Eine hilfsweise Umdeutung scheitert schon aus diesem Grunde.
Rz. 23
2.2 Die pauschal geltend gemachte Abweichung von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs genügt nicht ansatzweise den Darlegungsanforderungen gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Rz. 24
3. Auch die Verfahrensrügen bleiben erfolglos.
Rz. 25
3.1 Als Verfahrensfehler rügt der Antragsteller eine überlange Verfahrensdauer nach Ende der mündlichen Verhandlung (Beschwerdebegründung S. 38-41). Er macht geltend, nach der Verhandlung am 16. Juli 2007 sei ein Zeitraum von mindestens 17 Monaten bis zur Entscheidung vom 30. November 2008 vergangen, ohne dass es Gründe aus der Sache oder nach dem Verhalten der Beteiligten gegeben habe, die die Verzögerung rechtfertigten.
Rz. 26
In der mündlichen Verhandlung am 16. Juli 2007 bzw. im Nachgang zu der Verhandlung hatten die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Wege gemäß § 101 Abs. 2 VwGO erteilt. Das Normenkontrollgericht hatte in der Folgezeit – wie auch der Antragsteller erkennt (Beschwerdebegründung S. 38) – zunächst Schriftsatzfristen eingeräumt; der letzte Schriftsatz des Antragstellers datiert vom 23. November 2007.
Rz. 27
Ob der Umstand, dass ein Verfahren, das erst nach Ablauf von 12 Monaten nach dem Zeitpunkt entschieden wird, zu dem es als „ausgeschrieben” angesehen werden kann, überhaupt den Vorwurf der überlangen Verfahrensdauer zu begründen vermag, kann dahin gestellt bleiben. Die Rüge der überlangen Verfahrensdauer ist als solche generell nicht geeignet, die Zulassung der Revision oder eine Entscheidung nach § 133 Abs. 6 VwGO zu rechtfertigen (Beschluss vom 21. Juli 2008 – BVerwG 8 B 26.08 – juris Rn. 2). Wird die Verletzung des Art. 6 EMRK wegen der Verfahrensdauer geltend gemacht, so muss in der Beschwerdebegründung auch dargelegt werden, dass und wie die überlange Verfahrensdauer den Inhalt der Entscheidung beeinflusst hat. Daran fehlt es hier ebenso wie an einer Darlegung der Verletzung des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Antragsteller bezweifelt, dass sich das Normenkontrollgericht seine Überzeugung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens habe bilden können, denn wegen der langen Zeitspanne zwischen mündlicher Verhandlung und Urteilszustellung sei nicht mehr gewährleistet gewesen, dass die im Verhandlungstermin gewonnenen Erkenntnisse bei der Entscheidungsfindung hätten berücksichtigt werden können. Er lässt indes außer Acht, dass die Entscheidung des Normenkontrollgerichts nicht auf der Grundlage der mündlichen Verhandlung vom 16. Juli 2007 ergangen ist. Vielmehr hat das Normenkontrollgericht „ohne mündliche Verhandlung” entschieden. Im schriftlichen Verfahren aber spielt das Mündlichkeitsprinzip, das sonst den Verwaltungsprozess beherrscht, keine Rolle (Beschlüsse vom 19. Dezember 2001 – BVerwG 1 B 120.01 – Buchholz 310 § 116 VwGO Nr. 27 S. 5 und vom 14. Februar 2003 – BVerwG 4 B 11.03 – Buchholz 310 § 101 VwGO Nr. 30 S. 6). Für die Überzeugungsbildung maßgeblich ist der Inhalt der Akten. Das Gericht entscheidet auf der Grundlage der Erkenntnisse, die ihm hierdurch vermittelt werden. Nach § 128 Abs. 2 Satz 3 ZPO ist eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zwar unzulässig, wenn seit der Zustimmung der Parteien mehr als drei Monate verstrichen sind. Diese Bestimmung ist im Verwaltungsprozess jedoch nicht über § 173 VwGO entsprechend anwendbar. § 101 Abs. 2 VwGO enthält insoweit eine abschließende Regelung, der eine zeitliche Bindung des Gerichts nach Verzicht auf (weitere) mündliche Verhandlung fremd ist (Beschlüsse vom 15. Februar 1980 – BVerwG 2 CB 19.79 – Buchholz 310 § 101 VwGO Nr. 9, vom 10. Juni 1994 – BVerwG 6 B 45.93 – Buchholz 310 § 101 VwGO Nr. 20, vom 19. Dezember 2001 a.a.O., vom 14. Februar 2003 a.a.O. S. 7 f. und vom 1. März 2006 – BVerwG 7 B 90.05 – juris Rn. 16). Auch soweit die Beschwerde unter Bezugnahme auf – mit dem Berichterstatter geführte – Telefongespräche mit Nachfragen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorträgt, die Angaben zum Beratungs- und Bearbeitungsstand hätten sich im Laufe der Zeit als unwahr erwiesen und der Antragsteller fühle sich angesichts der Ankündigung einer zeitnahen Entscheidung getäuscht, wird der Sache nach nur geltend gemacht, das Normenkontrollgericht habe bei seiner Entscheidung einer zeitlichen Bindung unterlegen. Soweit mit dem weiteren Vorwurf, es dränge sich auf, dass das Urteil nicht vom Eindruck der mündlichen Verhandlung, sondern vorrangig von einer persönlichen Verärgerung des Berichterstatters über die Tatsache seiner erzwungenen Befassung mit der Sache getragen sei (Beschwerdebegründung S. 40), sinngemäß die Unparteilichkeit des Berichterstatters in Zweifel gezogen und die Besorgnis der Befangenheit geltend gemacht werden sollte, fehlt es jedenfalls an der Darlegung, warum sich der Antragsteller gehindert gesehen hat, einen entsprechenden Befangenheitsantrag gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO zu stellen.
Rz. 28
3.2. Als weiteren Verfahrensfehler macht der Antragsteller geltend, das Normenkontrollgericht habe einen aktenwidrigen Sachverhalt zugrunde gelegt, da das Plangebiet nicht an der Nahtstelle zum Gewerbegebiet W. liege. Um die Aktenwidrigkeit tatsächlicher Feststellungen darzulegen, muss der Beschwerdeführer schlüssig vortragen, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt sei ein Widerspruch gegeben. Der Widerspruch muss offensichtlich, also „zweifelsfrei” sein. Es bedarf daher einer genauen Darstellung des Verstoßes, und zwar durch konkrete Angaben von Textstellen aus dem vorinstanzlichen Verfahren, aus denen sich der Widerspruch ergeben soll. Diese Voraussetzungen sind erforderlich, da eine Kritik an der tatrichterlichen Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung als solche nicht als Verfahrensmangel rügefähig ist (stRspr, vgl. nur Beschlüsse vom 2. November 1999 – BVerwG 4 BN 41.99 – UPR 2000, 226 und vom 4. Juli 2001 – BVerwG 4 B 51.01 –). Diesen Anforderungen wird die Rüge nicht gerecht: Allein aus dem Hinweis auf eine „Ortsgleichheit” (Beschwerdebegründung S. 42) bzw. einem fälschlich unterstellten Standort „Nahtstelle zum Gewerbegebiet-Ost” (Beschwerdebegründung S. 43) erschließt sich die behauptete Aktenwidrigkeit nicht. Abgesehen davon legt die Beschwerde auch nicht dar, dass die angefochtene Entscheidung auf dem behaupteten Verfahrensfehler beruhen könnte. Dass nach dem Rahmenkonzept – wie das Normenkontrollgericht ausgeführt hat – in L. ein Markt zur Nahversorgung angesiedelt werden soll, wird von der Beschwerde nicht in Abrede gestellt. Darüber hinaus wird nicht beachtet, dass das Normenkontrollgericht seine Einschätzung auch darauf gestützt hat, dass „zentrenrelevante Randsortimente großflächiger Betriebe mit nicht zentrenrelevantem Hauptsortiment” auch nach dem Rahmenkonzept nicht gänzlich ausgeschlossen seien (UA S. 15 Rn. 35), und davon ausgeht, dass es sich allenfalls um eine geringfügig über das Rahmenkonzept hinausgehende Aufweitung der zulässigen Durchbrechungen des Schutzkonzepts zugunsten der Innenstadt handele (UA S. 15 Rn. 36). Der Einwand der Beschwerde, auch diese Wertung sei Folge der falschen Sachverhaltsannahme (Beschwerdebegründung S. 43), erweist sich der Sache nach als schlichte Urteilskritik.
Rz. 29
3.3 Zum Verfahrensfehler im Zusammenhang mit der Alternativenprüfung, mit dem eine „unvollständige Wiedergabe des entscheidungserheblichen Tatbestandes gerügt wird (Beschwerdebegründung S. 43-45), wird auf die Ausführungen unter 1.8 verwiesen.
Rz. 30
3.4 Die unter 4.3.4 erhobene Verfahrensrüge mangelnder Fachkompetenz und unterlassener Beweiserhebung (Beschwerdebegründung S. 45-46) scheitert schon daran, dass die Beschwerde nicht aufzeigt, dass die vom Normenkontrollgericht zugrunde gelegten Untersuchungen zur Beurteilung der fachlichen Fragen nicht ausreichend waren. Ebenso wenig wird dargelegt, warum sich der Antragsteller gehindert gesehen hat, durch Stellung von Beweisanträgen auf die aus seiner Sicht mangelnde Sachverhaltsaufklärung hinzuwirken.
Rz. 31
3.5 Soweit der Antragsteller im Zusammenhang mit der Grundsatzrüge unter 4.1.1.9 (Beschwerdebegründung S. 26) „nur am Rande” anmerkt, die Feststellung des Normenkontrollgerichts, nur am Standort sowie im Gewerbegebiet H. stünden überhaupt geeignete Entwicklungsflächen zur Verfügung, sei eine Behauptung, die weder vom Akteninhalt noch von sonstigen Sachverhaltsfeststellungen getragen sei und zudem im Widerspruch zu den substantiierten Ausführungen des Antragstellers stünde, versteht der Senat diesen Vortrag nicht als Verfahrensrüge i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Denn der Antragsteller verzichtet darauf, diesen Vorwurf im Rahmen der von ihm ausdrücklich erhobenen Verfahrensrügen zu vertiefen.
Rz. 32
4. Die unter 5. beantragte Vorlage an den Europäischen Gerichtshofs (Beschwerdebegründung S. 46-48) ist bereits deswegen nicht veranlasst, weil kein Klärungsbedarf aufgezeigt wurde.
Rz. 33
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Dr. Gatz, Dr. Bumke
Fundstellen
Haufe-Index 2241524 |
BauR 2010, 205 |
ZfBR 2010, 67 |
BBB 2010, 61 |