Entscheidungsstichwort (Thema)
Straßenbaubeitrag. Beitrag. Vorteil. Möglichkeit der Inanspruchnahme. Steigerung des Gebrauchswertes. öffentliche Güter. Straßen im Gemeingebrauch. Vorteils- und Nutzenzurechnung. Äquivalenzprinzip
Leitsatz (amtlich)
Der Einwand, der Nutzen des Einzelnen sei bei vom Gemeinwesen bereit gestellten Gütern, namentlich bei Straßen im Gemeingebrauch, nicht praktikabel messbar und individuell zurechenbar, vermag angesichts des Standes der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung einen bundes(verfassungs)rechtlichen Klärungsbedarf zum Begriff des Vorteils im Straßenbaubeitragsrecht (hier: § 8 KAG S…-H…) und zur (behaupteten) Erforderlichkeit einer strengeren Interpretation des Äquivalenzprinzips nicht zu begründen.
Normenkette
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1, § 137 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1; KAG S-H § 8
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Urteil vom 19.05.2010; Aktenzeichen 2 KN 2/09) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 19. Mai 2010 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde kann keinen Erfolg haben.
Rz. 2
Die Beschwerde hält folgende Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig:
“Grundsatzfrage 1:
Ist die Möglichkeit, von einem Grundstück eine Zugangs- oder Abfahrtsmöglichkeit zu einer vorhandenen Straße, einem Weg oder Platz zu haben, nach deren Ausbau ein “Vorteil”, der eine Gemeinde berechtigt bzw. berechtigen kann, nur von den Eigentümern dieser Grundstücke (Anliegergrundstücke) und nicht sonstigen Nutzern einen Beitrag (Straßenausbaubeitrag) zu verlangen?
Ist eine gemeindliche Straßenbaubeitragssatzung, die durch ein Landeskommunalabgabengesetz dazu berechtigt und/oder verpflichtet wird, mit dem Grundgesetz (Gleichheitssatz/Äquivalenzprinzip) vereinbar?
Ist das entsprechende Landeskommunalabgabengesetz mit dem Grundgesetz vereinbar?
Grundsatzfrage 2:
Schließt Artikel 3 GG i.V.m. Artikel 1, Artikel 2, Artikel 14, Artikel 20 GG es aus, dass – gestützt auf ein Landesgesetz – hier § 8 KAG-SH – eine gemeindliche Straßenbaubeitragssatzung über die Deckung des Aufwandes für den Ausbau, die Erneuerung und den Umbau von vorhandenen Ortsstraßen i.S.d. § 242 BauGB, die Gemeinde berechtigt, für den Ausbau, die Erneuerung und den Umbau von vorhandenen Ortsstraßen i.S.d. § 242 BauGB Beiträge von Grundeigentümern zu erheben, denen der Ausbau, die Erneuerung und/oder der Umbau solche ‘Vorteile’ bringen soll?
Grundsatzfrage 3:
Schließt Artikel 3 GG i.V.m. Artikel 1, Artikel 2, Artikel 14, Artikel 20 GG das Recht einer Gemeinde aus, aufgrund einer Straßenbaubeitragssatzung i.V.m. einem Kommunalabgabengesetz, von Grundeigentümern, deren Grundstücke an vorhandenen Ortsstraßen gelegen sind, Beiträge für Vorteile dafür zu verlangen, dass die Straßen ausgebaut werden und aufgrund der räumlich engen Beziehung der Grundstücke zur Straße erfahrungsgemäß angenommen werden könne, dass von ihnen aus die Straße in stärkerem Umfang in Anspruch genommen werden könne, als von anderen Grundstücken und dies zu einer Steigerung ihres Gebrauchswertes führe?
Grundsatzfrage 4:
Schließt Artikel 3 GG i.V.m. Artikel 1, Artikel 2, Artikel 14, Artikel 20 GG es aus, dass eine Rechtsprechung die Gemeinden berechtigt, für den Ausbau, für die Erneuerung und den Umbau von vorhandenen Ortsstraßen i.S.d. § 242 BauGB aufgrund einer Satzung der Gemeinde i.V. gestützt auf ein Landesgesetz, Beiträge von Grundeigentümern für einen Vorteil zu verlangen, wenn der Vorteil nur darin besteht, dass die Grundstückseigentümer die Möglichkeit haben, die ausgebaute, erneuerte oder umgebaute Straße im Rahmen des Gemeingebrauchs zu nutzen, wie alle anderen Nutzer auch?
Grundsatzfrage 5:
Schließt Artikel 3 GG i.V.m. Artikel 1, Artikel 2, Artikel 14, Artikel 20 GG es aus, dass eine gemeindliche Straßenbaubeitragssatzung i.V.m. einem Kommunalabgabengesetz eines Landes das Recht begründet, Beiträge für die Nutzung bzw. die Möglichkeit einer Nutzung einer ausgebauten, erneuerten oder umgebauten Straße allein von den Grundeigentümern zu verlangen, von deren Grundstücken die Möglichkeit der Zu- und Abfahrt zu der Straße besteht, wenn der Vorteil allein darin besteht, dass die Grundstückseigentümer die Möglichkeit haben, die ausgebaute, erneuerte oder umgebaute Straße im Rahmen des Gemeingebrauchs zu nutzen, wie alle anderen Nutzer auch?
Grundsatzfrage 6:
Schließt Artikel 3 GG i.V.m. Artikel 1, Artikel 2, Artikel 14, Artikel 20 GG es aus, im Straßenausbaubeitragsrecht einen Beitrag für einen Vorteil zu verlangen, der dem Grundstück durch den Ausbau der öffentlichen Einrichtung Straße deshalb zuwachsen soll, weil es zur Straße in einer besonderen räumlich engen Beziehung steht und diese bestimmten Grundstücke sich von allen anderen darin unterscheiden, dass aufgrund ihrer räumlich engen Beziehung zur Einrichtung erfahrungsgemäß angenommen werden könne, dass von ihnen aus die Verkehrseinrichtung in stärkerem Umfang in Anspruch genommen werden könne, als von anderen Grundstücken und dass dies zu einer Steigerung ihres Gebrauchswertes führt, obwohl die nicht messbar ist?
Grundsatzfrage 7:
Darf die Verwaltungsrechtsprechung von den Erkenntnissen der Finanzwissenschaft und der Steuerrechtswissenschaft, die für die Gestaltung und die rechtliche Ausgestaltung des öffentlichen Abgabesystems (primär) zuständig sind, abweichen? Darf sie die Regeln und Prinzipien, die der gerechten Belastung der Bürger dienen, hier insbesondere das Äquivalenzprinzip, eigenmächtig ausweiten, wenn das aus der Sicht der Finanzwissenschaftler und Steuerrechtler zu willkürlich erhobenen Beiträgen führt?
Grundsatzfrage 8:
Schließen das Äquivalenzprinzip und damit Artikel 3 GG es aus, Beiträge zu erheben, wenn ein fiktiver Vorteil behauptet wird, der aus einer räumlich engen Beziehung der Grundstücke zur Straße bestehe, die zu einer stärkeren Inanspruchnahme der Straße führe, obwohl der Straßenausbau die Häufigkeit der Nutzung der Straße nicht beeinflusst?
Grundsatzfrage 9:
Schließen das Äquivalenzprinzip i.V.m. Artikel 3 GG es aus, Beiträge zu erheben, wenn ein fiktiver Vorteil aus einem Vergleich der Grundstücke an einer ausgebauten Straße mit Grundstücken abgeleitet wird, die vom Ausbau nicht betroffen sind?”
Rz. 3
Der vorstehende Katalog von – überwiegend inhaltsgleichen, sich lediglich in der Akzentuierung von Begründungselementen unterscheidenden – Fragen und die umfängliche Beschwerdebegründung können dahingehend zusammengefasst werden, dass die Beschwerde die Frage geklärt haben will, ob die vorgenannten Bestimmungen des Grundgesetzes, namentlich Art. 3 Abs. 1 GG, und das Äquivalenzprinzip die Erhebung von Ausbaubeiträgen mangels eines zurechenbaren und messbaren Vorteils der Anlieger ausschließen. Die Beschwerde zielt auf den Vorteilsbegriff. Sie verneint bereits dem Grunde nach, dass einem Straßenanlieger durch eine Straßenausbaumaßnahme ein die Beitragserhebung legitimierender Vorteil zuteil wird. Sie hält einen solchen Vorteil für “rein fiktiv” und “konstruiert”, zum einen weil er aus einem unzulässigen Vergleich mit Grundstücken (an anderen Straßen) abgeleitet werde, die von dem Ausbau nicht betroffen seien; zum anderen fehle es an einer häufigeren Nutzung und damit an einer gesteigerten Inanspruchnahme der Straße durch die Beitragspflichtigen sowie an einer Steigerung des Gebrauchswertes. Gestützt auf Stimmen aus der Finanzwissenschaft und Steuerrechtslehre vertritt die Beschwerde die Ansicht, dass bei öffentlichen Gütern, zu denen auch Straßen im Gemeingebrauch zählten, eine messbare Vorteils- und Nutzungszurechnung nicht möglich sei (Beschwerdebegründung S. 36 f.). Deshalb sei eine strengere Interpretation des Äquivalenzprinzips erforderlich (Beschwerdebegründung S. 38).
Rz. 4
Damit wird eine grundsätzlich klärungsbedürftige Frage des Bundesrechts nicht in der erforderlichen Weise dargetan (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Rz. 5
1. Der in § 8 des Kommunalabgabengesetzes des Landes Schleswig-Holstein (KAG S…-H…) – wie auch in vergleichbaren Landesgesetzen – enthaltene Begriff des “Vorteils”, der eine Beitragspflicht der Anlieger zu einem Straßenausbau begründet, gehört dem gemäß § 137 Abs. 1 VwGO nichtrevisiblen Landesrecht an. Eine Zulassung der Revision zur Klärung von Fragen zum kommunalabgabenrechtlichen Vorteilsbegriff kommt daher grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. Beschlüsse vom 28. Januar 1976 – BVerwG 7 B 1.76 – Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 7 S. 7 ≪zu § 8 KAG S…-H…≫ und vom 14. Februar 1977 – BVerwG 7 B 161.75 – Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 9 S. 10 ≪zu § 8 KAG NRW≫).
Rz. 6
2. Die von der Beschwerde formulierten Fragen gewinnen auch nicht dadurch grundsätzliche Bedeutung und werden nicht dadurch zu solchen des revisiblen Rechts, dass die Beschwerde die Vereinbarkeit der genannten landesrechtlichen Norm (teilweise unter Hinweis auf ihre Ergänzung durch kommunales Satzungsrecht und die hierzu ergangene Rechtsprechung) mit dem Grundgesetz in Zweifel zieht.
Rz. 7
Wird im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde die Unvereinbarkeit von Landesrecht (in der für das Revisionsgericht maßgeblichen Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht) mit Bundes(verfassungs)recht gerügt, so kann sich daraus ein Bedarf an revisionsgerichtlicher Klärung nur ergeben, wenn die Auslegung der bundes(verfassungs)rechtlichen Maßstabsnorm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft, nicht aber, wenn allenfalls das Landesrecht klärungsbedürftig ist (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 15. Dezember 1989 – BVerwG 7 B 177.89 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 277 S. 20 und vom 14. September 2006 – BVerwG 9 B 2.06 – Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 44 Rn. 5 m.w.N.). Dem hieran auszurichtenden Darlegungserfordernis wird nicht schon dadurch genügt, dass die maßgeblichen Vorschriften des irrevisiblen Landesrechts als verfassungsrechtlich bedenklich angesehen werden. Vielmehr ist im Einzelnen darzulegen, gegen welche Verfassungsnormen verstoßen wird und inwiefern sich bei der Auslegung dieser bundes(verfassungs)rechtlichen Maßstabsnorm Fragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen, die sich nicht auf der Grundlage bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung beantworten lassen (Beschluss vom 2. Februar 2011 – BVerwG 6 B 37.10 – NVwZ 2011, 507 Rn. 4 m.w.N.).
Rz. 8
a) Was die von der Beschwerde angeführten Maßstäbe des Bundes(verfassungs)rechts betrifft, ist vorab festzuhalten:
Rz. 9
aa) Es ist höchstrichterlich geklärt, dass es keinen einheitlichen, bundes(verfassungs)rechtlich vorgegebenen Begriff des Beitrags gibt, an den die Bundes- oder Landesgesetzgebung gebunden wäre (Urteil vom 14. April 1967 – BVerwG 4 C 179.65 – BVerwGE 26, 305 ≪309≫ = Buchholz 401.80 Preuß. Verwaltungsgebührengesetz ≪1923≫ Nr. 1 S. 7 und Beschluss vom 14. Februar 1977 a.a.O.). Allerdings ist der kommunale Beitrag durch bestimmte Tatbestandsmerkmale gekennzeichnet: Maßgebend ist der Gesichtspunkt der Gegenleistung: Das Gemeinwesen stellt eine besondere Einrichtung zur Verfügung. Wer davon besonderen wirtschaftlichen Nutzen hat, soll zu den Kosten ihrer Errichtung und Unterhaltung beitragen. Hiernach ist der Gedanke der Gegenleistung, des Ausgleichs von Vorteilen und Lasten, der den Beitrag abgaben-, aber auch verfassungsrechtlich legitimierende Gesichtspunkt. Dies bestimmt auch die rechtliche Gestaltung, vor allem die Abgrenzung des Kreises der Beitragspflichtigen und den Veranlagungsmaßstab. Beitragspflichtig können nur diejenigen sein, die besondere Vorteile von der gemeindlichen Einrichtung haben (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20. Mai 1959 – 1 BvL 1, 7/58 – BVerfGE 9, 291 ≪297 f.≫, vom 16. Oktober 1962 – 2 BvL 27/60 – BVerfGE 14, 312 ≪317≫ und vom 26. Mai 1976 – 2 BvR 995/75 – BVerfGE 42, 223 ≪228≫; ähnlich bereits Beschluss vom 4. Februar 1958 – 2 BvL 31, 33/56 – BVerfGE 7, 244 ≪254 ff.≫). Dabei reicht die bloße Möglichkeit der Inanspruchnahme (potentielle Inanspruchnahme) der Einrichtung durch die Beitragspflichtigen aus (BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 1995 – 1 BvL 18/93 und 5, 6, 7/94, 1 BvR 403, 569/94 – BVerfGE 92, 91 ≪115≫).
Rz. 10
bb) In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist weiter geklärt, dass der von der Beschwerde thematisierte allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und das ebenso angesprochene Äquivalenzprinzip als auf den Beitrag bezogener Ausdruck des allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (vgl. Urteil vom 24. September 1987 – BVerwG 8 C 28.86 – NVwZ 1988, 159 ≪160≫) dem Satzungsgeber bei der Erhebung und Bemessung von Beiträgen nur sehr weite Grenzen setzen, die insbesondere nicht mit denjenigen des von der Beschwerde hervorgehobenen Vorteilsprinzips identisch sind (Beschlüsse vom 30. April 1996 – BVerwG 8 B 31-32.96 – Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 37 S. 5 und vom 22. März 2007 – BVerwG 10 BN 5.06 – Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 49 Rn. 9). Dabei besagt das Äquivalenzprinzip lediglich, dass der Beitrag nicht in einem Missverhältnis zu dem von der Verwaltung erbrachten Vorteil stehen darf und nur bei einer gröblichen Störung des Ausgleichsverhältnisses zwischen Beitrag und dem einem Grundstück vermittelten Vorteil verletzt ist (Urteil vom 24. September 1987 a.a.O.).
Rz. 11
cc) In ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung anerkannt ist weiter, dass es dem Normgeber (Satzungsgeber) gestattet ist, abgabenrechtliche Regelungen in der Weise zu verallgemeinern und zu pauschalieren, dass an Regelfälle eines Sachbereichs angeknüpft wird (vgl. etwa Urteil vom 25. August 1982 – BVerwG 8 C 54.81 – Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 20 S. 4). Dabei kann er sich auch auf Erfahrungstatsachen stützen und mit Wahrscheinlichkeitsmaßstäben arbeiten. Geklärt ist schließlich, dass derartige Pauschalierungen und Typisierungen unter den Maßgaben der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht dem Grundsatz der Abgabengerechtigkeit widersprechen (vgl. Beschluss vom 30. April 2009 – BVerwG 9 B 60.08 – Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 57 Rn. 4 f.).
Rz. 12
b) Hiervon ausgehend genügt die Beschwerde und ihre Begründung in mehrfacher Hinsicht nicht den Anforderungen an die Darlegung eines bundesrechtlichen Klärungsbedarfs.
Rz. 13
Dafür reicht es nicht aus, in Frage zu stellen, ob die landes- und satzungsrechtlich begründete Beitragspflicht für Straßenausbaumaßnahmen “mit dem Grundgesetz vereinbar” ist (Frage 1 a.E.), oder eine Kette von Grundgesetz-Artikeln aneinanderzureihen (Fragen 2 bis 6). Damit wird nicht aufgezeigt, inwieweit hinsichtlich der von der Beschwerde angeführten bundes(verfassungs)rechtlichen Maßstabsnormen über den bislang erreichten Stand höchstrichterlicher Rechtsprechung hinaus weiterer Klärungsbedarf besteht. Das gilt auch, soweit die Beschwerde Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtfertigung nichtsteuerlicher Abgaben (Beschwerdebegründung S. 25 f.) und zum allgemeinen Gleichheitssatz anführt (Beschwerdebegründung S. 27). Vielmehr erschöpft sich die Beschwerdebegründung – nach Darstellung des Ablaufs des Normenkontrollverfahrens (Beschwerdebegründung S. 3 bis 12), der Begründung des angefochtenen Urteils (Beschwerdebegründung S. 12 bis 16), der Auflistung der Grundsatzfragen (Beschwerdebegründung S. 17 bis 19) sowie der Rechtsprechung und Literatur zum Vorteilsbegriff im Straßenausbaubeitragsrecht (Beschwerdebegründung S. 20 bis 23) – nach Art eines zulassungsfreien oder zugelassenen Rechtsmittels in einer allgemeinen Kritik der Ausbaubeitragspflicht von Anliegergrundstücken (Beschwerdebegründung S. 24, 28 bis 40). Der Kern dieser Kritik ist oben (Rn. 3 dieses Beschlusses) zusammengefasst. Diese Kritik betrifft indes Landesrecht, nämlich die Annahme eines die Beitragserhebung legitimierenden Vorteils und die zutreffende Bestimmung des Kreises der Beitragspflichtigen sowie des Beitragsmaßstabs durch die jeweilige Satzung. Ein Klärungsbedarf hinsichtlich der erwähnten bundesrechtlichen Maßstabsnormen wird damit nicht dargetan.
Rz. 14
Namentlich wird damit nicht aufgezeigt, warum Art. 3 Abs. 1 GG eine strengere Interpretation des Äquivalenzprinzips erfordere. Das Oberverwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil ausgeführt (vgl. KStZ 2010, 211 = NordÖR 2011, 174), dass im Ausbaubeitragsrecht aufgrund der “räumlich engen Beziehung” der Grundstücke zu der auszubauenden Straße “erfahrungsgemäß angenommen werden kann, dass von ihnen aus die Verkehrseinrichtung in stärkerem Umfang in Anspruch genommen werden kann als von anderen Grundstücken und dass dies zu einer Steigerung ihres Gebrauchswertes führt, die für die anderen Grundstücke nicht in vergleichbarer Weise eintritt” (UA S. 9 unten). Es hat die von der Beschwerde verlangte “Konkretisierung des Vorteilsbegriffs” – in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung – damit zurückgewiesen, dass dem Satzungsgeber ein Gestaltungsspielraum zukomme, nach welchen Maßgaben im Einzelnen die Anliegervorteile zu bemessen und wie diese von den Vorteilen der Allgemeinheit abzugrenzen seien. Dieser Gestaltungsspielraum sei nur mit Blick auf die Vorgaben des Kommunalabgabengesetzes sowie allgemeiner verfassungsrechtlicher Prinzipien, etwa die aus Art. 3 GG abzuleitenden Gebote der Abgabengerechtigkeit und Abgabengleichheit zu überprüfen (UA S. 10 Mitte). Dieser Prüfung hat das Oberverwaltungsgericht die angefochtene Satzung im Einzelnen unterzogen (UA S. 10 bis 15). Auf diese “Feinprüfung”, die den erwähnten Prinzipien gerade gerecht werden soll, geht die Beschwerde mit keinem Wort ein.
Rz. 15
Die Kritik der Beschwerde erschöpft sich letztlich darin, dass sie dem auf einer typisierenden Betrachtung (“erfahrungsgemäß”) beruhenden Vorteilsbegriff des § 8 KAG S…-H… in der für das Revisionsgericht bindenden Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht (Möglichkeit der gesteigerten Inanspruchnahme und Gebrauchswertsteigerung der Anliegergrundstücke aufgrund ihrer engen räumlichen Beziehung zur Straße) ihre gegenteilige Ansicht entgegensetzt, wonach bei Straßen im Gemeingebrauch eine derartige Vorteils- oder Nutzenzurechnung nicht möglich sei. Dies ist kein tauglicher Weg, um eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu erreichen. Mit ihrer These von der Unmöglichkeit der Vorteils- oder Nutzenzurechnung im Straßenbaubeitragsrecht geht die Beschwerde von tatsächlichen Annahmen aus, zu denen keine entsprechenden Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht angenommen, dass der Vorteil der Beitragspflichtigen “nur darin besteht, dass die Grundstückseigentümer die Möglichkeit haben, die ausgebaute (…) Straße im Rahmen des Gemeingebrauchs zu nutzen, wie alle anderen Nutzer auch” (Frage 4). Es hat vielmehr den die Beitragserhebung legitimierenden Vorteil auch in der mit dem Straßenausbau verbundenen Steigerung des Gebrauchswerts des Grundstücks gesehen. Es hat auch nicht festgestellt, dass diese Steigerung des Gebrauchswertes “nicht messbar” sei (Frage 6 a.E.).
Rz. 16
Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beschwerde sich zur Begründung ihrer These auf Meinungen in der Finanzwissenschaft und Steuerrechtslehre stützt (Beschwerdebegründung S. 36 bis 38). Es trifft schon im Ausgangspunkt nicht zu, wenn die Beschwerde die Finanzwissenschaft und Steuerrechtslehre als “für die Gestaltung und die rechtliche Ausgestaltung des öffentlichen Abgabensystems (primär) zuständig” bezeichnet (Frage 7). Dies sind sie nicht. Diese Aufgabe kommt nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes allein dem dafür demokratisch legitimierten Normgeber (auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene) zu. Dessen normative Festlegungen (hier: das Vorteilserfordernis als Voraussetzung einer Beitragserhebung) sind im Falle eines Rechtsstreits, sofern die Normen auslegungsbedürftig sind, von den Gerichten ggf. näher zu konkretisieren. Der Finanzwissenschaft und Steuerrechtslehre kommt hierbei nicht mehr und nicht weniger als eine dienende, Gesetzgebung und Rechtsprechung im besten Falle bereichernde Rolle zu. Soweit also in der von der Beschwerde zitierten Literatur die Ansicht vertreten wird, dass der Nutzen des Einzelnen bei vom Gemeinwesen bereit gestellten öffentlichen Gütern, namentlich bei Straßen im Gemeingebrauch, “nicht praktikabel messbar und individuell zurechenbar” sei (Beschwerdebegründung S. 38), so ist dies gewiss eine (beachtliche) Meinung. Dies ändert für die hier in Rede stehende Frage der Zulassung der Revision aber nichts daran, dass hierzu keinerlei Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts vorliegen. Auch wird von der Beschwerde mit keinem Wort erwogen, ob die von ihr angezweifelte Vorteils- und Nutzenzurechnung mit Blick auf den weiten Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum des Normgebers (Satzungsgebers) und dessen Befugnis zur Typisierung und Pauschalierung von Lebenssachverhalten nicht gleichwohl verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein kann.
Rz. 17
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Dr. Storost, Domgörgen, Buchberger
Fundstellen
Gemeindehaushalt 2011, 213 |
BayVBl. 2012, 121 |