Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiederaufgreifen Verwaltungsverfahren. Grundstücksrestitution. Rittergut. Versorgungswirtschaft SMAD. Enteignung Bodenreform. besatzungshoheitliche Grundlage. Abwicklungshindernis. Begriff Enteignung. Enteignungsverbot. Enteignungsauftrag
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen, unter denen ein die Besatzungszeit überdauernder Enteignungsauftrag der Besatzungsmacht angenommen werden kann.
Die Bewirtschaftung eines Landguts durch die sowjetischen Truppen stand seiner Enteignung im Rahmen der Bodenreform nicht entgegen.
Normenkette
VermG § 1 Abs. 8 Buchst. a; VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
VG Greifswald (Entscheidung vom 12.04.2000; Aktenzeichen 5 (3) A 122/97) |
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 12. April 2000 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Die Kläger beanspruchen das Wiederaufgreifen eines Verwaltungsverfahrens und die Verpflichtung des Beklagten, das ritterschaftliche Landgut A. mit dem Vorwerk Ha. an die Erbengemeinschaft nach Hugo H. zurückzuübertragen. Hugo H. war Eigentümer des rund 3 200 ha großen Landguts mit Vorwerk und einer in W. gelegenen Brennerei.
Den Antrag auf Rückübertragung des Landguts mit Vorwerk lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 3. August 1994 ab, weil die Vermögenswerte auf besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet worden und darum gemäß § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG von der Rückübertragung ausgeschlossen seien. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 29. November 1995 ab; es führte zur Begründung aus, dass das Landgut nebst Vorwerk mit In-Kraft-Treten der Verordnung über die Bodenreform im September 1945 enteignet worden sei.
Nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils beantragten die Kläger beim Beklagten, das Verwaltungsverfahren wiederaufzugreifen; es lägen neue Beweismittel vor, die eine ihnen günstigere Entscheidung herbeigeführt hätten. In ihrem Antrag vom 14. Oktober 1996 bezeichneten sie als neue Beweismittel:
- eine Archivbescheinigung (ohne Datum) des Staatlichen Archivs der Russischen Föderation, der zufolge sich aus den Dokumenten der SMA Mecklenburg-Vorpommern ergebe, „dass sich im Landgut Ahrensberg am 7.2.1946 die Nebenwirtschaft der Handelsabteilung der 2. Gardepanzerarmee befand … Grund: Der Fonds der Sowjetischen Militäradministration des Landes Mecklenburg”;
- einen Bericht der Militärkommandantur des Kreises Neustrelitz vom 7. Februar 1946 an den Chef der Ökonomischen Abteilung der sowjetischen Militärarmee Provinz Mecklenburg und Vorpommern, wonach „das Landgut A., wo sich die Nebenwirtschaft der Handelsabteilung der 2. Gardepanzerarmee befindet, … nicht befreit” ist;
- eine die Brennerei betreffende beabsichtigte Entscheidung des Beklagten vom 17. Juli 1996, wonach das auf der Grundlage des Befehls Nr. 124 sequestrierte Vermögen des Hugo H. gemäß Liste A zum Gesetz Nr. 4 zur Sicherung des Friedens enteignet wurde;
- ein Schreiben des Beklagten vom 2. August 1996, mit dem den Klägern eine die Brennerei betreffende Enteignungsurkunde vom 19. Juni 1947, ein Rechtsträgernachweis vom 15. September 1951 sowie der Beschluss der DWK vom 31. März 1948 zur Beendigung der Sequesterverfahren nach dem Befehl Nr. 124 übermittelt wurde.
Der Beklagte lehnte den Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens mit Bescheid vom 14. April 1997 als unzulässig ab, weil die angegebenen Beweismittel nicht geeignet seien, eine den Klägern günstigere Entscheidung herbeizuführen; insbesondere ergäben sie kein Enteignungsverbot für das Landgut mit Vorwerk.
Bereits im Januar 1997 haben die Kläger beim Verwaltungsgericht Untätigkeitsklage erhoben mit dem Antrag, den Beklagten unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zur Rückübertragung des Landguts A. mit Vorwerk Ha. unter Ausnahme der Brennerei an die Erbengemeinschaft zu verpflichten. Im Laufe dieses Verfahrens stellten sie beim Beklagten weitere Anträge auf Wiederaufgreifen des Verfahrens, in denen als neue Beweismittel bezeichnet wurden:
Antrag vom 14. Mai 1997:
– Schreiben des Amts für Sequestrierung und Beschlagnahme an den Landtag Mecklenburg vom 7. April 1948, wonach auf der Grundlage des Gesetzes Nr. 4 das Vermögen der enteigneten Nazis in das Eigentum des Landes übergegangen und nach den Bestimmungen der Bodenreform behandelt worden sei;
Antrag vom 26. Mai 1997:
– Anordnung des Sekretariats der DWK vom 15. Juni 1949 über die Bildung volkseigener Güter, wonach die im Verlauf der Bodenreform oder aufgrund des SMAD-Befehls Nr. 64 dem Landesbodenfonds überwiesenen Grundstücke, soweit sie noch nicht an werktätige Bodenbewerber aufgeteilt seien, durch Beschluss des Sekretariats zu Volkseigentum hätten erklärt werden können;
– „Rohentwurf” eines Gesetzes des Landes Mecklenburg vom 10. Oktober 1949 zur „Überführung der aus der Bodenreform stammenden Flächen, Anlagen und Baulichkeiten in das Eigentum des Volkes”;
Antrag vom 23. Juni 1997:
– Gutachten des Landesamts zur Regelung offener Vermögensfragen vom 25. Januar 1994 (dem Senat vorgelegt im Verfahren – BVerwG 7 C 50.95 –), wonach die Bodenreform nicht im Wege einer Legalenteignung durchgeführt worden sei;
Antrag vom 20. November 1997:
– Schreiben des Präsidenten der Deutschen Verwaltung für Land- und Forstwirtschaft an den Vorsitzenden der Landeskommission zur Durchführung der Bodenreform bei der Landesregierung Thüringen vom 2. Juni 1947, in dem es heißt: „In einer vor kurzem stattgefundenen Besprechung bei der SMAD wurde mir mitgeteilt, dass die von der Sowjet-Armee freigegebenen Güter sowie sonstige den Länder- oder Provinzialregierungen zur Verfügung gestellten land- und forstwirtschaftlichen Objekte nur dann in den Bodenfonds überführt und aufgeteilt werden dürfen, wenn – in jedem einzelnen Falle – die SMAD hierzu vorher ihre Genehmigung erteilt hat”;
– Schreiben der Verwaltung für Land- und Forstwirtschaft der SMA Deutschland an die Deutsche Verwaltung für Land- und Forstwirtschaft vom 9. August 1947 – Befehl Nr. 364 –, wonach „betreffs der Aufteilung der Ländereien früherer militärischer Objekte alle SMA der Länder die Anweisung erhalten haben, diese Flächen entsprechend dem Gesetz über die Bodenreform dem Bodenreform-Fonds zu übergeben und nach den allgemeinen Grundsätzen aufzuteilen”;
– Protokoll über die Konferenz am 6. Januar 1950 „betr. Übernahme der SMA-Versorgungsgüter in den Besitz der Deutschen Demokratischen Regierung”, aus dem sich die unklare Rechtslage in Bezug auf die zurückgegebenen Versorgungsgüter ergebe;
– Protokoll des Ministeriums für Land- und Forstwirtschaft vom 20. Januar 1950 über die erste Sitzung der zentralen Gutachterkommission, wonach „die auf Anweisung des Chefs der Sowjetischen Kontrollkommission, Herrn Armeegeneral Tschujkow, von den sowjetischen Handelsabteilungen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik übergebenen Güter … gemäß den protokollarisch festgelegten Vorschlägen der Güter-Übernahmekommissionen in einer dem Protokoll als Anlage A beigefügten Liste den darin aufgeführten Rechtsträgern mit dem Stichtag 1.1.1950 zur Bewirtschaftung und Nutzung übergeben (werden und) die von den bisherigen Rechtsträgern durchgeführte treuhänderische Bewirtschaftung und Nutzung der Güter (erlischt)”; nach der Anlage A wurde eine Fläche von 476 ha des Gutes A. mit Ha. der GVVG Waren übergeben;
– Schreiben des Amtsvorstehers des Amts W. vom 29. Mai 1997 an die BVVG, wonach „eindeutig klar (ist), dass das Gut 1945 von der Roten Armee zur Versorgung der Einheiten in der unmittelbaren Umgebung genutzt wurde und erst 1951 an den damaligen Rat des Kreises übergeben wurde”.
Die neuerlichen Anträge wurden, soweit ersichtlich, vom Beklagten nicht beschieden.
Zur Eignung der genannten Beweismittel, die Grundlage des Bescheids vom 3. August 1994 zu erschüttern und eine für sie günstigere Entscheidung herbeizuführen, haben die Kläger vorgetragen: Das Landgut A. mit Vorwerk, die Brennerei und das gesamte sonstige Vermögen ihres Rechtsvorgängers seien nach dessen Flucht nach Westdeutschland im Sinne der Nr. 7 der Instruktion zum Befehl Nr. 124 vom 30. Oktober 1945 herrenlos gewesen. Das Vermögen sei nach dem Einmarsch der Roten Armee im Mai 1945 auf der Grundlage des Befehls Nr. 124 sequestriert worden. Nach Nr. 1 Buchst. a und b der Instruktion zum Befehl Nr. 124 habe die Sequestration das gesamte Grundvermögen des Betroffenen erfasst. Dies habe eine (Teil-)Enteignung im Rahmen der Bodenreform ausgeschlossen. Das Landgut habe darum ausschließlich nach Maßgabe der Vorschriften für das gemäß Befehl Nr. 124 sequestrierte Vermögen enteignet werden können, wie dies mit der Enteignung der Brennerei nach dem Gesetz Nr. 4 geschehen sei. Das als Versorgungsgut der Roten Armee genutzte Landgut sei den deutschen Behörden deshalb nicht übergeben worden, weil es im Sinne des Befehls Nr. 97 vom 29. März 1946 „ein besonderes Kriegspotential” dargestellt habe. Als Gut, das Reparationszwecken gedient habe und für Besatzungszwecke benötigt worden sei, sei es im Sinne der Nr. 5 des Befehls Nr. 154/181 vom 21. Mai 1946 von der Übergabe in deutsche Verfügungsgewalt ausgenommen worden. Hieraus sowie außerdem aus dem Schreiben des Präsidenten der Deutschen Verwaltung für Land- und Forstwirtschaft vom 2. Juni 1947 ergebe sich ein generelles Enteignungsverbot der Besatzungsmacht. Mit der vorgelegten Archivbescheinigung („nicht befreit”) und dem Bericht der Militärkommandantur vom 7. Februar 1946 werde nachgewiesen, dass die Besatzungsmacht zusätzlich ein konkretes Enteignungsverbot erlassen habe. Angesichts seiner Zuordnung zum Fonds der Sowjetischen Militäradministration habe das Landgut nicht enteignet werden dürfen. Vor dem 1. Januar 1951 sei auf das Landgut im Sinne des faktischen Enteignungsbegriffs nicht zugegriffen worden. In einer bestätigten Enteignungsliste für sonstiges Vermögen gemäß Befehl Nr. 64 sei das Landgut nicht verzeichnet gewesen. Es sei auch nicht auf der Grundlage der Richtlinien Nr. 3 zum Befehl Nr. 64 als sonstiges Vermögen enteignet worden. Ebenso wenig sei die Sequestrierung nach diesen Richtlinien aufgehoben worden. Soweit im Zuge der Bodenreform 1945 ein geringer Teil der Gutsfläche (ca. 24 ha) Neubauern zugewiesen worden sei, verzichteten die Kläger auf eine Rückübertragung dieser Flächen. Für die ganz überwiegende Fläche des Landguts fehle es an einer Aufsiedlung und damit an jeglichem Indiz für einen Enteignungszugriff vor Ende der Besatzungszeit. Ein enteignender Zugriff sei frühestens nach der Freigabe des Landguts aus der Sequestration und Übernahme durch die Vereinigung Volkseigener Güter (VVG) am 3. April 1951 erfolgt.
Der Beklagte hat seine Auffassung bekräftigt, dass Wiederaufgreifens-Gründe nicht vorlägen, weil die eingereichten Unterlagen in Bezug auf das Landgut mit Vorwerk kein konkretes oder generelles Enteignungsverbot ergäben und jeglicher Nachweis für die behauptete Beschlagnahme des Landguts auf der Grundlage des SMAD-Befehls Nr. 124 fehle. Mit Blick auf das Urteil des Senats vom 13. Februar 1997 – BVerwG 7 C 50.95 – BVerwGE 104, 84 halte er zwar nicht mehr an der Annahme einer Legalenteignung fest; es sei aber nicht zweifelhaft, dass im Rahmen der Bodenreform im Sinne des faktischen Enteignungsbegriffs auf das Landgut zugegriffen worden sei.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Es könne offen bleiben, zu welchem genauen Zeitpunkt der Rechtsvorgänger der Kläger vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt worden sei. Für eine Enteignung durch die Sowjets beständen keine Anhaltspunkte. Während der bis Ende 1949 andauernden Besetzung durch die Rote Armee habe auf das Landgut nicht zugegriffen werden können. Aus dem Schreiben des Präsidenten der deutschen Verwaltung für Land- und Forstwirtschaft vom 2. Juni 1947 ergebe sich, dass nach einem Befehl der SMAD deren Zustimmung einzuholen gewesen sei, bevor ein besetztes Gut in den Bodenfonds überführt wurde. Das Gericht halte es allerdings für „möglich”, dass das in diesem Befehl zu sehende konkrete Enteignungsverbot erst ausgesprochen worden sei, nachdem die deutschen Stellen bereits die Enteignung im Rahmen der Bodenreform beschlossen und dies durch das Schreiben des Präsidenten des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 26. September 1945 sowie die ihm beigefügte Liste über die als Großbetriebe zu erhaltenden Güter nach außen erkennbar gemacht hätten; unter diesen Umständen liege eine übliche Bodenreform-Enteignung vor, die von der SMAD generell gebilligt und nach dem späteren Enteignungsverbot nicht rückgängig gemacht worden sei.
Die Enteignung sei jedenfalls spätestens am 1. Januar 1950 vollzogen worden. Zu diesem Zeitpunkt sei das Gut an die Gebietsvereinigung volkseigener Güter (GVVG) Waren III als Rechtsträger übergeben worden. Damit sei der Eigentümer erkennbar vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt worden. Diese Enteignung sei der Besatzungsmacht zuzurechnen, weil sie auf einem konkreten, das Ende der Besatzungszeit überdauernden Enteignungsauftrag beruhe. Mit dem Befehl Nr. 364 vom 9. August 1947 habe die SMAD dem Verbot, Enteignungen der Ländereien früherer militärischer Objekte während der Inanspruchnahme durch die Besatzungsmacht durchzuführen, eine über die Besatzungszeit hinausreichende Weisung hinzugefügt, die betroffenen Flächen nach der Freigabe dem Bodenfonds zuzuführen. Der darin zu sehende Auftrag, alle von der Roten Armee freigegebenen landwirtschaftlichen Flächen zu enteignen, begründe den Zurechnungszusammenhang im Sinne des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG.
Gegen dieses Urteil haben die Kläger die vom Senat zugelassene Revision eingelegt, mit der sie ihren Antrag auf Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens und Verpflichtung des Beklagten zur Rückübertragung der nicht aufgesiedelten Flächen des Landguts nebst Vorwerk weiterverfolgen. Der Beklagte tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Das angegriffene Urteil verletzt zwar Bundesrecht (1), stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (2).
1. Das Verwaltungsgericht ist von der Annahme ausgegangen, dass das Landgut erst nach Ende der Besatzungszeit enteignet worden sei. Seine entscheidungstragende Erwägung, dass der Enteignung ein entsprechender Vollzugsauftrag der Besatzungsmacht zugrunde gelegen habe, ist bundesrechtswidrig.
a) Das Verwaltungsgericht entnimmt dem Schreiben der Verwaltung für Land- und Forstwirtschaft der SMAD vom 9. August 1947 – Befehl Nr. 364 – den Auftrag, alle von der Roten Armee in Zukunft freigegebenen landwirtschaftlichen Flächen in den Bodenfonds einzubringen, also zu enteignen. Dieses Verständnis ist mit dem Wortlaut und dem aus den Begleitumständen erkennbaren objektiven Erklärungswert des Schreibens unvereinbar und widerspricht damit den allgemein anerkannten, auch im öffentlichen Recht anwendbaren Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB). Infolgedessen kann der Senat, da weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind, das Schreiben selbst auslegen (vgl. Urteil vom 5. Oktober 2000 – BVerwG 7 C 8.00 – Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 21 m.w.N.).
In dem genannten Schreiben heißt es, „dass betreffs der Aufteilung der Ländereien früherer militärischer Objekte alle SMA der Länder die Anweisung erhalten haben, diese Flächen entsprechend dem Gesetz über die Bodenreform dem Bodenreform-Fonds zu übergeben und nach allgemeinen Grundsätzen aufzuteilen”. Schon aus dem Wortlaut geht klar hervor, dass das Schreiben die von sowjetischen Truppen bewirtschafteten Güter nicht erfasste, weil diese keine militärischen Objekte waren. Es zielte auf die bis zum Kriegsende für militärische Zwecke des Reichs genutzten, durchweg in Staatseigentum stehenden Anlagen. Dazu gehörten namentlich Militärflughäfen, Truppenübungsplätze und Militärsiedlungen. Grund und Boden solcher militärischen Objekte war bereits nach der Ersten Ausführungsbestimmung über die Verordnung zur Bodenreform in Mecklenburg-Vorpommern vom 11. September 1945 (ABl 1946, S. 20; AB–BodRefVO) für den Bodenfonds vorgesehen und zur Aufteilung bestimmt, soweit er nicht von den Besatzungstruppen benötigt wurde (zu Art. II Nr. 4 der VO). Von landwirtschaftlich genutzten Flächen ist in dem Schreiben keine Rede.
Demgemäß bestand in der damaligen Verwaltungspraxis keinerlei Zweifel daran, dass der „Befehl Nr. 364” die Verwendung früheren Militärgeländes der deutschen Wehrmacht betraf. Das ergibt sich aus dem Protokoll der Sitzung der Landesbodenkommission Sachsen-Anhalt vom 12. September 1947 zu Punkt 8 (abgedr. bei Heinz Döring, Von der Bodenreform zu den landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, VEB Deutscher Zentralverlag Berlin, o.J. ≪1953≫, S. 327); danach fielen „ehem. Flugplätze, Militärübungsplätze usw. auf Anordnung der SMA” in den Bodenfonds und durften früheren Eigentümern nur dann zurückgegeben werden, wenn diese nach den Bodenreform-Vorschriften zum Landerwerb berechtigt waren. Dass mit der im Protokoll zitierten Anordnung der SMA auf das Schreiben vom 9. August 1947 – Befehl Nr. 364 – verwiesen wurde, geht schon aus dem zeitlichen Zusammenhang hervor und wird durch den Runderlass des Vorsitzenden der Landesbodenkommission Sachsen-Anhalt vom 29. Oktober 1947 bestätigt (abgedr. bei Döring, a.a.O., S. 355 f.), der auf eine entsprechende Mitteilung des Stellvertreters des Chefs der Verwaltung für Land- und Forstwirtschaft der SMAD vom 6. September 1947 an die Deutsche Verwaltung für Land- und Forstwirtschaft Bezug nahm. Auch die Erläuterung der einschlägigen Vorschriften durch Döring (a.a.O., S. 259 f.) steht der Annahme des Verwaltungsgerichts entgegen, dass der Befehl Nr. 364 von den sowjetischen Truppen genutzte Güter betraf.
Die vorinstanzliche Auslegung des Schreibens vom 9. August 1947 ist auch deshalb nicht haltbar, weil sie der Besatzungsmacht stillschweigend ein offenkundig widersprüchliches Verhalten unterstellt. Hätte nämlich, wie das Verwaltungsgericht meint, der Befehl Nr. 364 die von sowjetischen Truppen genutzten landwirtschaftlichen Güter erfasst, wäre die in dem Schreiben des Präsidenten der Deutschen Verwaltung für Land- und Forstwirtschaft vom 2. Juni 1947 mitgeteilte Weisung der SMAD, die von der Sowjet-Armee freigegebenen Güter nur mit ihrer Genehmigung in den Bodenfonds zu überführen und aufzuteilen, nicht erklärlich. Es gibt keinen Grund für die Annahme, dass die Besatzungsmacht zur Verwendung der freigegebenen Versorgungswirtschaften erst die grundsätzliche Erhaltung als Wirtschaftseinheiten und wenige Wochen später deren Aufteilung angeordnet haben könnte. Demgegenüber löst sich der durch die regelwidrige Auslegung des Verwaltungsgerichts herbeigeführte Widerspruch zwanglos auf, wenn als Regelungsgegenstand des Befehls Nr. 364 entsprechend seinem Wortlaut und der damaligen Verwaltungspraxis allein diejenigen Flächen verstanden werden, die vor Kriegsende für militärische Zwecke des Reichs bestimmt waren.
b) Überdies hat das Verwaltungsgericht die Voraussetzungen verkannt, unter denen ein die Besatzungszeit überdauernder Enteignungsauftrag der Besatzungsmacht angenommen werden kann.
Erst nach dem 7. Oktober 1949 vollendete Enteignungen können ausnahmsweise noch von der Verantwortung der Besatzungsmacht gedeckt sein und deshalb auf besatzungshoheitlicher Grundlage beruhen, wenn sich aus Verlautbarungen oder Handlungen der Besatzungsmacht ein das Ende der Besatzungszeit überdauernder Auftrag der Besatzungsmacht zur Durchführung von Enteignungen ergibt, die von ihr selbst eingeleitet und sowohl gegenständlich wie sachlich vorgeformt waren (Urteil vom 13. Februar 1995 – BVerwG 7 C 53.94 – BVerwGE 98, 1 ≪4 ff.≫ – Liste 3; vgl. auch Urteil vom 30. Mai 1996 – BVerwG 7 C 55.95 – BVerwGE 101, 201 ≪204 f.≫ – Zweigwerk; Urteil vom 27. Juni 1996 – BVerwG 7 C 53.95 – BVerwGE 101, 273 ≪275 f.≫ – Sportvereine; Urteil vom 2. März 2000 – BVerwG 7 C 13.99 – Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 11 – Pachtgrundstück; jeweils m.w.N.).
Hiernach genügt nicht, dass eine nach Gründung der DDR vorgenommene Enteignung den ideologischen Zielen und Eigentumsvorstellungen der Besatzungsmacht entsprach. Ein besatzungshoheitlicher Enteignungsauftrag kommt nur in Betracht, wenn die Besatzungsmacht die Enteignung der betroffenen Vermögenswerte bereits eingeleitet und den deutschen Stellen lediglich den Vollzug überlassen hatte. Einen derart über die Besatzungszeit hinausreichenden konkreten Vollzugsauftrag enthielt der Befehl Nr. 364 selbst für die von ihm erfassten früheren militärischen Anlagen nicht (vgl. Urteil vom 2. Februar 2000 – BVerwG 8 C 15.99 – Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 10). Es kommt daher nicht mehr auf das Revisionsvorbringen der Kläger an, dass ein die Besatzungszeit überdauernder Enteignungsauftrag schon deswegen nicht angenommen werden könne, weil die SMAD bereits mit dem Befehl Nr. 32 vom 12. Februar 1948 die DWK zur eigenverantwortlichen Entscheidung über die Aufteilung des privaten Großgrundbesitzes ermächtigt habe und diese Kompetenz mit dem Gesetz zur Überleitung der Verwaltungsaufgaben der DWK auf die provisorische Regierung der DDR vom 12. Oktober 1949 oder spätestens mit der Erklärung des Vorsitzenden der Sowjetischen Kontrollkommission zur Übergabe von Verwaltungsfunktionen an deutsche Behörden vom 11. November 1949 übertragen worden sei.
2. Gleichwohl hat das Verwaltungsgericht die Klage im Ergebnis zu Recht als unbegründet abgewiesen, so dass die Revision zurückgewiesen werden muss (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens ist unzulässig, weil die Voraussetzungen hierfür nicht schlüssig dargelegt worden sind; denn die Kläger haben keine neuen Beweismittel vorgelegt, die in Verbindung mit ihrem Antragsvorbringen ergeben könnten, dass der Beklagte bei der Ablehnung des Restitutionsantrags von falschen tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen ist und in Kenntnis des richtigen Sachverhalts das Landgut mit Vorwerk zurückübertragen hätte, soweit es nicht im Rahmen der Bodenreform aufgesiedelt worden war.
a) Rechtsgrundlage des Antrags auf Wiederaufgreifen ist die revisible Vorschrift des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG Mecklenburg-Vorpommern (vgl. § 31 Abs. 7 VermG). Danach ist – wie das Bundesverwaltungsgericht zur inhaltsgleichen bundesrechtlichen Bestimmung (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) wiederholt entschieden hat – die Behörde bei nicht grob schuldhaft unterlassener Angabe des Wiederaufgreifens-Grunds in dem früheren Verfahren und bei fristgerechter Antragstellung (§ 51 Abs. 2 und 3 VwVfG M-V) auf Antrag des Betroffenen verpflichtet, ein bestandskräftig abgeschlossenes Verwaltungsverfahren wiederaufzugreifen, wenn ein neues Beweismittel vorliegt, das in Verbindung mit dem Antragsvorbringen geeignet erscheint, zu einer für den Antragsteller günstigeren Entscheidung zu führen. Bei verbesserter Beweislage muss die Behörde den unanfechtbar gewordenen Verwaltungsakt unbeschadet dessen korrigieren, dass er durch rechtskräftiges Urteil bestätigt worden ist. Dabei sind neu auch solche Beweismittel, die während des früheren Verwaltungsverfahrens zwar schon existierten, aber nicht oder nicht rechtzeitig beigebracht werden konnten. Das Beweismittel muss so beschaffen sein, dass es – im Rahmen der den bestandskräftigen Bescheid tragenden Rechtsauffassung – die Richtigkeit der tatsächlichen Entscheidungsgrundlage erschüttert. Es darf sich also nicht in einer neuen Bewertung bekannter Tatsachen erschöpfen. Es muss darauf zielen, dass die Behörde im früheren Verfahren von falschen tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen ist und in Kenntnis des richtigen Sachverhalts zugunsten des Betroffenen entschieden hätte. Der Antrag ist zulässig, wenn die Eignung des neuen Beweismittels für eine günstigere Entscheidung schlüssig dargelegt wird. Ein Schlüssigkeitsmangel im Verwaltungsverfahren kann durch entsprechende Darlegung im Verwaltungsprozess geheilt werden; andernfalls ist die Klage gegen die Ablehnung einer erneuten Sachentscheidung abzuweisen. Maßgeblich für die Schlüssigkeit des Vorbringens ist der im gerichtlichen Verfahren erreichte Stand der Dinge (Urteil vom 21. April 1982 – BVerwG 8 C 75.80 – Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 11; Urteil vom 13. September 1984 – BVerwG 2 C 22.83 – BVerwGE 70, 110; Urteil vom 28. Juli 1989 – BVerwG 7 C 78.88 – BVerwGE 82, 272; Urteil vom 27. Januar 1994 – BVerwG 2 C 12.92 – BVerwGE 95, 86; Beschluss vom 10. August 1995 – BVerwG 7 B 296.95 – Buchholz 428.2 § 2 VZOG Nr. 3; Beschluss vom 3. Mai 2000 – BVerwG 8 B 352.99 – Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 42; jeweils m.w.N.).
b) Die Kläger haben die Eignung der angegebenen neuen Beweismittel für eine ihnen günstigere Entscheidung weder im Verwaltungsverfahren noch im Verwaltungsprozess schlüssig dargelegt. Zwar haben sie ihre tatsächlichen Behauptungen, dass die Bodenreform-Vorschriften keine „Legalenteignung” bewirkt hätten, dass das Landgut während seiner Nutzung für Besatzungszwecke nicht in den Bodenfonds habe überführt sowie nach Freigabe nur mit Genehmigung der SMAD habe aufgeteilt werden dürfen und dass es erst nach Ende der Besatzungszeit von der Besatzungsmacht freigegeben worden sei, durch entsprechende Urkunden belegt; die diesen Urkunden zu entnehmenden tatsächlichen Umstände waren dem Beklagten bei Erlass des Bescheids vom 3. August 1994 wohl auch unbekannt. Die Beweismittel und das entsprechende Antragsvorbringen gehen jedoch allesamt daran vorbei, dass auf das Landgut im Rahmen der Bodenreform enteignend zugegriffen wurde (aa) und dem kein Enteignungsverbot der Besatzungsmacht entgegen stand (bb).
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist der Enteignungsbegriff des Vermögensgesetzes vornehmlich in einem faktischen Sinne zu verstehen. Eine Enteignung setzt hiernach keine bestimmte Form voraus, sondern ist immer dann anzunehmen, wenn der frühere Eigentümer durch hierauf gerichtete staatliche Maßnahmen vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt worden ist. Davon ist auszugehen, wenn die Vermögensentziehung in der Rechtswirklichkeit für den Eigentümer greifbar zum Ausdruck gekommen ist (Urteil vom 13. Februar 1997 – BVerwG 7 C 50.95 – BVerwGE 104, 84 ≪87 f.≫; Urteil vom 2. März 2000 – BVerwG 7 C 13.99 – Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 11; jeweils m.w.N.). Mit dem In-Kraft-Treten der Verordnung über die Bodenreform im Lande Mecklenburg-Vorpommern vom 5. September 1945 (ABl 1946, S. 14; BodRefVO) und der zugehörigen Ausführungsbestimmung vom 11. September 1945 war ein solches Vollzugselement noch nicht verbunden. Diese Vorschriften bedurften daher noch einer weiteren Umsetzung durch staatliche Stellen im Sinne eines tatsächlichen Zugriffs auf den jeweiligen landwirtschaftlichen Betrieb, um die endgültige und vollständige Verdrängung des bisherigen Eigentümers aus seinem Eigentum in der Rechtswirklichkeit deutlich zu machen (Urteil vom 13. Februar 1997 – BVerwG 7 C 50.95 – a.a.O., S. 87).
Das in Rede stehende Landgut war in Vollzug der Bodenreform-Vorschriften einem enteignenden Zugriff ausgesetzt, durch den sich der Eigentümer vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt sehen musste. Das folgt aus den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts in seinem rechtskräftigen Urteil vom 29. November 1995; diese Feststellungen, die durch die neuen Beweismittel der Kläger nicht in Zweifel gezogen werden, sind unabhängig davon beachtlich, dass das Verwaltungsgericht von einer „Legalenteignung” ausgegangen ist.
Der enteignende Zugriff ergibt sich bereits aus der rechtskräftig festgestellten Tatsache, dass die Landesverwaltung Mecklenburg-Vorpommern das Landgut bei der Durchführung der Bodenreform von der Aufteilung freigestellt und dazu bestimmt hat, als staatliche Musterwirtschaft zu dienen. Diese Anordnung beruhte auf Art. IV Nr. 14 BodRefVO, wonach ein Teil des nach Maßgabe des Art. II Nrn. 2 bis 4 BodRefVO in den Bodenfonds übergegangenen Bodens durch Festlegungen der Landesverwaltung „für die Schaffung von Musterwirtschaften und andere wichtige Zwecke abgesondert” werden sollte; die betroffenen Ländereien durften nicht aufgeteilt werden (AB-BodRefVO zu Art. IV Nrn. 7 und 14). Das Landgut war in der Liste der als Großbetriebe zu erhaltenden Güter verzeichnet, die der entsprechenden Weisung des Präsidenten des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 26. September 1945 beigefügt war. Demgemäß ist die Landesgüterverwaltung bis zum Frühjahr 1946 von einer bevorstehenden Verwendung des Landguts als Saatzuchtbetrieb ausgegangen. Damit musste sich der Rechtsvorgänger der Kläger bereits aufgrund der Aufnahme des Landguts in das Verzeichnis der in staatlicher Hand zu bewirtschaftenden Güter vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt sehen.
Die Bestimmung des Landguts zum staatlichen Großbetrieb setzte dessen Enteignung voraus. Der enteignende Zugriff wurde folglich nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Landgut seinem Bestimmungszweck nicht zugeführt werden konnte, solange es von der Besatzungsmacht als Versorgungswirtschaft genutzt wurde. Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass diese Nutzung als „treuhänderische Bewirtschaftung” verstanden wurde, wie dem Protokoll des Ministeriums für Land- und Forstwirtschaft vom 20. Januar 1950 zu entnehmen ist. Die Treuhandbewirtschaftung eines mit der Freistellung von der Aufteilung enteigneten Gutes trug dem Umstand Rechnung, dass der bereits im Rahmen der Bodenreform bestimmten Verwendung als Mustergut, Saat- oder Tierzuchtbetrieb in der Hand des Staates während der Dauer der Nutzung für Zwecke der Besatzungsmacht ein Abwicklungshindernis entgegen stand.
Dem entspricht, dass der Rechtsvorgänger der Kläger mit seinem Betrieb „A./Ha.” und einer Fläche von 406 ha in einer im Juli/August 1946 aufgestellten Liste „Enteignete Grundbesitzer über 100 Hektar im Kreis N.” verzeichnet war, was das Verwaltungsgericht ebenfalls bereits in seinem Urteil vom 29. November 1995 festgestellt hat. Der Umstand, dass diese Flächenangabe nicht der wirklichen Größe des Landguts entsprach, steht nicht der Annahme entgegen, dass mit dem in der Liste verlautbarten Eigentumszugriff zugleich die Verdrängung des bisherigen Eigentümers aus seinem Eigentum manifest wurde (vgl. auch Beschluss vom 26. Juni 1996 – BVerwG 7 B 149.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 81). Darüber hinaus hat sich der enteignende Zugriff auf das Landgut in der Rechtswirklichkeit dadurch gezeigt, dass nach den tatsächlichen Feststellungen in dem rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts das Vorwerk Ha. in Vollzug der Bodenreform aufgesiedelt wurde; das wird durch aktenkundige Dokumente bestätigt, aus denen sich die Aufsiedlung ergibt (Formblatt der Gemeindebodenkommission A. ≪Stand: 1. Januar 1947≫ über „Die Ergebnisse der Durchführung der Bodenreform”; Protokoll über die Grenzanerkennung durch die neuen Eigentümer vom 25. Januar 1948; „Veränderungsnachweis Bodenreform” des Vermessungsamts Neustrelitz vom 31. März 1948; Liste der Grundeigentümer vom 10. November 1949).
Dieser indizielle Nachweis dafür, dass in Vollzug der Bodenreform-Verordnung erkennbar auf das Landgut zugegriffen wurde, entfällt nicht durch den Verzicht der Kläger auf die Rückübertragung der entsprechenden Teilflächen; mit ihrem Hinweis auf das Urteil des Senats vom 13. Februar 1997 – BVerwG 7 C 50.95 – a.a.O., S. 91 verkennen sie, dass jene Entscheidung die Aufsiedlung ausländischen Grundvermögens betraf, das im Gegensatz zu dem Landgut ihres Rechtsvorgängers einem generellen Enteignungsverbot unterlag. Auch wenn die durch Aufsiedlung in Anspruch genommenen Flächen von mindestens 24 ha – den Angaben im Formblatt der Gemeindebodenkommission zufolge 163 ha – nur einen geringen Teil des Landguts betrafen, ist damit der enteignende Zugriff auf das Landgut offenkundig geworden. Unter diesen Umständen stellen sich die nach dem 7. Oktober 1949 hinsichtlich der Restflächen vorgenommenen Eigentumsumschreibungen und Übertragungen des Vermögens an neue Eigentümer als Maßnahmen zur verwaltungstechnischen Abwicklung der bereits zuvor auf besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgten Enteignung dar (vgl. Beschluss vom 26. Juni 1996 – BVerwG 7 B 149.96 – a.a.O.).
bb) Für ein besatzungshoheitliches Enteignungsverbot sind dem Antragsvorbringen der Kläger in Verbindung mit den vorgelegten Beweismitteln keine Anhaltspunkte zu entnehmen. Die vorgetragenen tatsächlichen Umstände sind nicht geeignet, die Richtigkeit der dem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 29. November 1995 zugrunde liegenden Auffassung zu erschüttern, dass das Landgut mit Einverständnis der Besatzungsmacht im Rahmen der Bodenreform enteignet wurde.
Wie das Verwaltungsgericht in dem genannten Urteil zutreffend ausgeführt hat, wurde die von deutschen Stellen durchgeführte Bodenreform von der Besatzungsmacht nicht nur hingenommen, sondern entsprach ihrem erklärten Willen. Das kommt namentlich darin zum Ausdruck, dass die SMAD mit ihrem Befehl Nr. 110 vom 22. Oktober 1945 die bis dahin erlassenen Vorschriften der von ihr eingesetzten Landes- und Provinzialverwaltungen, denen sie förmlich noch keine Rechtsetzungsbefugnis eingeräumt hatte, für gesetzeskräftig erklärt und damit die Vorschriften über die Bodenreform ausdrücklich bestätigt hat (vgl. BVerfGE 84, 90 ≪114≫). Dieser Befehl enthielt zwar die Einschränkung, dass die für gesetzeskräftig erklärten Verordnungen auf den Gebieten der gesetzgebenden, richterlichen und vollstreckenden Gewalt nicht den Gesetzen und Befehlen der sowjetischen Militärverwaltung widersprechen durften. Ein solcher Widerspruch bestand aber nicht. Das hat der Senat in seinem Urteil vom 28. September 1995 – BVerwG 7 C 28.94 – BVerwGE 99, 268 = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 54 im Einzelnen dargelegt; darauf wird verwiesen.
Die Enteignung des Landguts im Rahmen der Bodenreform verletzte kein generelles Enteignungsverbot. Ein solches Verbot ergab sich nicht aus der von den Klägern behaupteten Sequestration auf der Grundlage des Befehls Nr. 124 und der hierzu erlassenen Instruktion. Die Sequestration nach diesen Vorschriften konnte sich nicht auf das Landgut beziehen, wenn dieses bereits beim Einmarsch der sowjetischen Truppen im Mai 1945 für Versorgungszwecke besetzt und beschlagnahmt worden war. Hiervon ist das Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 29. November 1995 ausgegangen; seine nahe liegende Annahme wird durch das Vorbringen der Kläger nicht widerlegt. Unter diesen Umständen wäre eine erneute Sequestration des Landguts als „herrenlose(s) Vermögen” im Sinne der Nr. 2 des Befehls Nr. 124 und der Nr. 7 der Instruktion gegenstandslos gewesen.
Davon abgesehen trifft die Vorstellung der Revision, dass bei einer Sequestration die Enteignung des Landguts mit Vorwerk im Rahmen der Bodenreform untersagt gewesen wäre, nicht zu. Nach Nr. 1 Buchst. a und b der Instruktion zu dem Befehl Nr. 124 unterlag zwar das gesamte „herrenlose” Vermögen der Sequestration und der zeitweiligen Verwaltung. Damit verband sich aber schon wegen der unterschiedlichen Ziele des Befehls Nr. 124 und der Bodenreform-Vorschriften nicht das Verbot, das Landgut mit Vorwerk im Zuge der Bodenreform zu enteignen. Während Nr. 2 des Befehls Nr. 124 herrenloses Vermögen bis zu einer Entscheidung über seine Verwendung und Zuordnung vor besatzungsrechtswidrigen Übergriffen zu schützen suchte, verfolgte die Bodenreform-Verordnung erklärtermaßen das Ziel, den „feudalen, junkerlichen und Großgrundbesitz” zu liquidieren und neue Bauernwirtschaften für landlose und landarme Bauern, Landarbeiter, Kleinpächter, Flüchtlinge und Umsiedler zu schaffen (vgl. Urteil vom 25. Februar 1994 – BVerwG 7 C 32.92 – BVerwGE 95, 170 ≪172≫). Diesem Ziel stand die Inverwaltungnahme herrenlosen Vermögens nicht entgegen.
Entsprechendes gilt für die Nutzung des Landguts als Versorgungswirtschaft für die Rote Armee oder als Verwaltungsgut der SMAD. Diese Nutzung schloss nicht die Bodenreform-Enteignung, sondern lediglich eine Freigabe des Landguts für die bestimmte Verwendung als staatliche Musterwirtschaft aus, soweit und solange es von den sowjetischen Streitkräften und für Verwaltungszwecke der SMAD benötigt wurde. Der Enteignung des Landguts stand auch nicht der Befehl Nr. 154/181 vom 21. Mai 1946 entgegen. Nach dessen Nr. 5 Buchst. a waren „Güter, die Reparationszwecken zu dienen haben oder zu vernichten sind, wie dem Kriegspotential zuzählige, oder die für Besatzungszwecke erforderlich sind”, von der Übergabe sequestrierten Vermögens gemäß Nr. 2 Satz 1 in die Hand der deutschen Verwaltungen ausgenommen. Der Befehl betraf das auf der Grundlage der Befehle Nr. 124 und 126 sequestrierte und konfiszierte Vermögen, also im Wesentlichen das Vermögen des NS-Staates und seiner Organisationen sowie der NSDAP und ihrer führenden Mitglieder und Anhänger. Die Bodenreform-Enteignung des Landguts blieb hiervon unberührt.
Ebenso wenig deutet das Antragsvorbringen auf ein konkretes Enteignungsverbot hin. Die im Schreiben des Präsidenten der Deutschen Land- und Forstwirtschaft vom 2. Juni 1947 erwähnte Anordnung der SMAD sagte zur Besatzungsrechtswidrigkeit einer Enteignung landwirtschaftlicher Großbetriebe im Rahmen der Bodenreform nichts aus. Sie machte die Überführung der von der Besatzungsmacht freigegebenen Güter in den Bodenfonds und deren Aufteilung von einer vorherigen SMAD-Genehmigung abhängig. Damit begründete sie kein Enteignungsverbot für das von der Aufteilung gerade ausgenommene Landgut. Das Verbot der Aufteilung sollte die Übernahme der Versorgungsgüter in Staatshand zur Bewirtschaftung als Mustergut, Saat- oder Tierzuchtbetrieb sicherstellen. Die Besatzungsmacht nahm damit Stellung zu der bei den deutschen Stellen offenbar noch nach Ende der Besatzungszeit umstrittenen Frage, ob die freigegebenen Güter entgegen ihrer Bestimmung als staatliche Musterwirtschaften an Neubauern aufgesiedelt werden durften (vgl. das Protokoll über die Konferenz am 6. Januar 1950 „betr. Übernahme der SMA-Versorgungsgüter in den Besitz der Deutschen Demokratischen Regierung”). Die von der Besatzungsmacht gewünschte Erhaltung der Güter als landwirtschaftliche Großbetriebe hatte zur Folge, dass nicht aufgeteiltes und nach Freigabe regelmäßig volkseigenen Gütern übertragenes Bodenreformland als Volkseigentum behandelt wurde (vgl. Döring, a.a.O., S. 255 f.).
Aus ähnlichen Gründen können auch die in der Archivbescheinigung und dem Bericht der Militärkommandantur vom 7. Februar 1946 wiedergegebenen Tatsachen, dass das Landgut A. mit Blick auf seine Funktion als Versorgungswirtschaft für die sowjetischen Truppen in Deutschland dem „Fonds der Sowjetischen Militäradministration des Landes Mecklenburg” zugeordnet und „nicht befreit” sei, kein Enteignungsverbot für das Landgut begründen. Diese Unterlagen, die der Senat mangels vorinstanzlicher Würdigung selbst auslegen kann, stellen die Bodenreform-Enteignung des Landguts nicht in Frage. Ihnen ist zu entnehmen, dass das Landgut im Jahre 1946 zur Versorgung der Besatzungstruppen genutzt wurde und darum seiner Zweckbestimmung als staatliche Musterwirtschaft nicht zugeführt werden konnte, bevor die Besatzungsmacht es freigegeben hatte. Für den Standpunkt der Kläger, dass das Landgut nach dem Willen der Besatzungsmacht nicht habe enteignet werden dürfen, geben die Dokumente nichts her.
c) Die Annahme der Kläger, dass die Enteignungen auf der Grundlage der Befehle Nrn. 124, 64 und der zugehörigen Ausführungsbestimmungen Ausschluss- oder Vorrangwirkung gegenüber Bodenreform-Enteignungen entfaltet hätten, beruht nicht auf neuen Beweismitteln und stellt sich darum als Angriff auf die rechtliche Grundlage des rechtskräftig bestätigten Bescheids vom 3. August 1994 dar, der eine erneute Prüfung schon aus diesem Grund ausschließt.
Der Senat bemerkt deshalb nur ergänzend, dass nach seiner Rechtsprechung weder eine mit der Enteignung im Zuge der Bodenreform konkurrierende Beschlagnahme aufgrund des Befehls Nr. 124 noch eine Konkurrenz von Enteignungen teils nach den Vorschriften über die Bodenreform, teils nach denjenigen für Unternehmen und sonstiges Vermögen der Anwendung des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG entgegen stehen (vgl. Urteil vom 28. September 1995 – BVerwG 7 C 28.94 – a.a.O.; Urteil vom 28. August 1997 – BVerwG 7 C 22.97 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 121; Urteil vom 10. Dezember 1998 – BVerwG 7 C 34.97 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 166). Hiernach kann ein Vorrang der Enteignungsvorschriften, die für das nach dem Befehl Nr. 124 sequestrierte Vermögen erlassen wurden, gegenüber Bodenreform-Enteignungen angesichts ihrer Zieldifferenz nicht angenommen werden. Die Bodenreform diente, wie bereits erwähnt, vorrangig einer agrarstrukturellen Zielsetzung sowie der ideologisch motivierten Zerschlagung des Großgrundbesitzes; demgegenüber maßen sich die mit dem Befehl Nr. 64 bestätigten Enteignungen einen strafähnlichen Charakter bei (vgl. Urteil vom 28. Januar 1999 – BVerwG 7 C 10.98 – Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 1), der den Bodenreform-Vorschriften nicht notwendigerweise und jedenfalls nicht ausschließlich eigen war. Mit Blick auf den Zweck des Restitutionsausschlusses gemäß § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG, die Sowjetunion hinsichtlich der von ihr als Besatzungsmacht zu verantwortenden Enteignungen von dem die Restitution begleitenden Unrechtsvorwurf freizustellen (Urteil vom 29. April 1994 – BVerwG 7 C 47.93 – BVerwGE 96, 8 ≪11 f.≫), ist für den besatzungshoheitlichen Zurechnungszusammenhang allein maßgebend, ob Enteignungen während der Besatzungszeit auf Anregungen oder Wünsche der Besatzungsmacht zurückgingen oder mit ihrem generellen Einverständnis erfolgten. Soweit die Besatzungsmacht eine Enteignung nicht generell oder im Einzelfall verboten hatte, konnte eine Abweichung von generellen Anordnungen und Befehlen der SMAD, die auf eine Durchführung des Befehls Nr. 124 gerichtet waren, allenfalls einen Enteignungsexzess begründen, der die besatzungshoheitliche Grundlage einer Bodenreform-Enteignung nicht entfallen ließ (vgl. Urteil vom 28. September 1999 – BVerwG 7 C 44.98 – Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 7). Darum ist es für den Restitutionsausschluss ohne Belang, dass das Landgut mit Vorwerk auf der Grundlage der Bodenreform-Verordnung und die offenbar als gewerblicher Betrieb angesehene Brennerei des Rechtsvorgängers der Kläger unabhängig von dem bodenreformrechtlichen Eigentumszugriff nach Befehl Nr. 124 sequestriert, in die Enteignungsliste A der zu enteignenden Betriebe aufgenommen und auf der Grundlage des Gesetzes Nr. 4 zur Sicherung des Friedens enteignet wurde.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Franßen, Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel ist wegen Urlaubs gehindert zu unterschreiben. Dr. Franßen, Kley, Herbert, Neumann
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 02.08.2001 durch Nöpel Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 643181 |
BuW 2001, 955 |
DÖV 2002, 130 |
NJ 2001, 664 |