Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 14.07.2010; Aktenzeichen 9 S 2207/09) |
Tenor
Auf die Revisionen des Klägers und des beklagten Landes wird das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 14. Juli 2010 in vollem Umfang aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I
Rz. 1
Der Kläger begehrt weitere staatliche Förderung für eine private Ersatzschule.
Rz. 2
Der Kläger ist ein von Eltern getragener gemeinnütziger Verein. Er betreibt in N… eine Freie Waldorfschule, die als Ersatzschule anerkannt ist. Auf Antrag des Klägers gewährte ihm das Oberschulamt Stuttgart für das Rechnungsjahr 2003 nach den Vorschriften des Privatschulgesetzes (PSchG) einen Zuschuss in Höhe von 1 523 660,25 €.
Rz. 3
Der Kläger legte Widerspruch ein: Die staatliche Förderung sichere nicht mehr das Existenzminimum des Schultyps der Freien Waldorfschule. Trotz seines erheblichen finanziellen Engagements und obwohl er verfassungswidrig hohe Schulgelder erhebe, erwirtschafte die Schule seit Jahren ein erhebliches Defizit.
Rz. 4
Nach Zurückweisung seines Widerspruchs hat der Kläger Klage erhoben und beantragt, das beklagte Land zu verpflichten, über seinen Antrag auf höhere Förderung für das Rechnungsjahr 2003 neu zu entscheiden.
Rz. 5
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen: Das Ersatzschulwesen sei in Baden-Württemberg in seinem Bestand nicht evident gefährdet. Sowohl die Zahl der Privatschulen als auch die Zahl der Schüler an diesen Schulen hätten in den letzten Jahren stetig zugenommen.
Rz. 6
Der Kläger hat Berufung eingelegt. Der Verwaltungsgerichtshof hat in der mündlichen Verhandlung Sachverständige zu der Frage gehört, wie im Jahr 2003 ein zumutbares Schulgeld zu bestimmen gewesen sei, das eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht fördere.
Rz. 7
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch das angefochtene Urteil das beklagte Land verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Gewährung weiterer Zuschüsse unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts insoweit erneut zu entscheiden, als ein Ausgleich für die vom Kläger gewährte Schulgeldbefreiung abgelehnt worden war. Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof die Berufung des Klägers zurückgewiesen: Die vom beklagten Land gewährten Zuschüsse nach § 18 Abs. 2 PSchG sicherten das verfassungsrechtlich gewährleistete Existenzminimum der Freien Waldorfschulen in Baden-Württemberg nicht hinreichend. Als Vergleichsmaßstab seien die Kosten an öffentlichen Schulen heranzuziehen, die auf der Basis des Bruttokostenmodells nach § 18a PSchG zu berechnen seien. Hieraus ergäben sich durch die gewährten Zuschüsse nicht gedeckte Kosten je Schüler und Monat für die Klassen 1 bis 4 in Höhe von 94,77 €, für die Klassen 5 bis 12 in Höhe von 89,64 € und für die Klasse 13 in Höhe von 92,90 €. Diese Kosten müsse die Privatschule durch die Erhebung von Schulgeldern decken, die aber nicht zu einer Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern führen dürften. Sozialverträglich in diesem Sinne seien nur Schulgelder bis zu einer Höhe von rund 70 €. Das verbleibende Defizit könne jedoch durch Ansprüche nach Art. 14 Abs. 2 Satz 3 der Landesverfassung (LV) gemindert werden. Diese Vorschrift räume den Trägern von Privatschulen einen verfassungsunmittelbaren Anspruch als Ausgleich für den Verzicht auf die Erhebung von Schulgeldern ein, der bei der Gewährung von Zuschüssen berücksichtigt werden müsse und im Falle des Klägers zu einem Ausgleichsanspruch führe. Damit erweise sich das Fördersystem des beklagten Landes für die laufenden Betriebskosten im Jahre 2003 gegenwärtig noch nicht als verfassungswidrig. Die Zuschüsse, die den Freien Waldorfschulen für den laufenden Betrieb gewährt würden, unterschritten das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum jedenfalls nicht dergestalt, dass bei einer Gesamtschau der weitere Bestand dieses Ersatzschultyps ernsthaft gefährdet wäre. Soweit der Kläger geltend mache, die Investitionskosten seien bei der Förderung unzureichend berücksichtigt, sei dies unerheblich. Sein Förderantrag habe sich nur auf die laufenden Betriebskosten bezogen. Zuschüsse zu Baukosten würden hingegen projektbezogen gewährt.
Rz. 8
Gegen dieses Urteil haben sowohl der Kläger als auch das beklagte Land die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Revision eingelegt.
Rz. 9
Der Kläger begehrt mit seiner Revision, das beklagte Land zu verpflichten, über seinen Antrag auf höhere Förderung für das Rechnungsjahr 2003 über den vorzunehmenden Ausgleich für gewährte Schulgeldbefreiungen hinaus unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts insgesamt erneut zu entscheiden: Der Verwaltungsgerichtshof habe zutreffend begründet, warum die Zuschüsse nach § 18 Abs. 2 PSchG das verfassungsrechtlich gewährleistete Existenzminimum nicht sicherten und die Schulen unter Berücksichtigung ihrer zumutbaren Eigenleistungen die verbleibende Deckungslücke nur durch Kredite finanzieren könnten. In Widerspruch dazu und zu jeder Lebenserfahrung sowie unter Verletzung der Denkgesetze nehme der Verwaltungsgerichtshof im Weiteren an, die Institution des Ersatzschulwesens sei damit noch nicht ernsthaft (evident) gefährdet. Eine solche Gefährdung liege vor, wenn es den Schulträgern wegen der defizitären Förderung strukturell unmöglich sei, die Anforderungen an die Genehmigung der Schule nach Art. 7 Abs. 4 Satz 3 und 4 GG auf Dauer zu erfüllen. Könnten sie diesen Anforderungen nur durch Aufnahme weiterer Kredite nachkommen, liege eine strukturelle Unmöglichkeit vor, die verfassungsrechtlich mit einer evidenten Gefährdung des Ersatzschulwesens gleichzusetzen sei. Verfahrensfehlerhaft und in der Sache unrichtig sei die Behauptung des Verwaltungsgerichtshofs, die unzureichende Förderung der Freien Waldorfschulen verursache nur ein geringfügiges Defizit. Verfahrensfehlerhaft und zudem rechtlich unerheblich sei dabei die Überlegung, dem Gesetzgeber sei erst durch die Ermittlungen des Gerichts in diesem Verfahren die verfassungsrechtlich zulässige Höhe eines Schulgeldes und damit die Unmöglichkeit bewusst geworden, die Lücke zwischen dem notwendigen Aufwand und der staatlichen Förderung durch Schulgelder zu schließen. Eine ernsthafte Gefährdung des Schultyps der Freien Waldorfschule scheide nicht deshalb aus, weil ihnen für gewährte Schulgeldbefreiungen ein Anspruch auf Ausgleich nach Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV zustehe. Der Verwaltungsgerichtshof habe nicht aufgeklärt, ob der Ausgleich der Höhe nach überhaupt geeignet sei, das Defizit nennenswert zu vermindern. Seine Argumentation verstoße zudem gegen die Denkgesetze, weil er einen Ausgleich nur für Ermäßigungen des Schulgeldes unterhalb der als verfassungsgemäß ermittelten Obergrenze von 70 € zulasse, der oberhalb dieser Grenze liegende Finanzbedarf deshalb weiterhin durch die tatsächlich in dieser Höhe nicht gewährten Zuschüsse des Landes gedeckt sein müsste. Der Verwaltungsgerichtshof hätte Zins- und Tilgungslasten aus den Investitionen zur Errichtung der Schule bei der Frage berücksichtigen müssen, ob die Förderung nach § 18 Abs. 2 PSchG das Existenzminimum sichere. Soweit Zinsen und Tilgungen von Darlehen, die der Schulträger in der Gründungsphase aufgenommen habe, den laufenden Betrieb noch belasteten, gehörten sie zu den Betriebskosten, die förderungsfähig seien und notwendig gefördert werden müssten. Sie seien von seinem Förderungsantrag deshalb erfasst. Soweit der Verwaltungsgerichtshof einen Verfassungsverstoß ausschließe, weil der Gesetzgeber die Zuschüsse inzwischen erhöht habe und damit nicht untätig geblieben sei, habe er nicht aufgeklärt, ob durch die Verbesserung der Förderung die bestehenden Defizite beseitigt oder wenigstens wesentlich verringert worden seien. Die Förderung Freier Waldorfschulen verstoße sowohl im Vergleich mit anderen Schulen in freier Trägerschaft als auch im Vergleich mit öffentlichen Schulen gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die §§ 17, 18 PSchG seien mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar. Der Gesetzgeber sei bei ihrem Erlass seiner Pflicht nicht nachgekommen, zur Bemessung des Existenzminimums ein im Grundsatz taugliches Berechnungsverfahren zu wählen, die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend zu ermitteln und sich in allen Berechnungsschritten mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb des gewählten Verfahrens und dessen Strukturprinzipien zu bewegen.
Rz. 10
Das beklagte Land verfolgt mit seiner Revision das Ziel, dass die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang zurückgewiesen wird: Die Förderung von Privatschulen nach dem Privatschulgesetz sei verfassungsgemäß. Der Verwaltungsgerichtshof habe nicht ausreichend dargelegt, dass der Bestand des Privatschulwesens als Institution in Baden-Württemberg im maßgeblichen Zeitpunkt ohne eine Förderung, die über die Regelungen des Privatschulgesetzes hinausginge, evident gefährdet gewesen sei. Soweit die Kosten durch die Förderung des Landes nicht gedeckt seien, könnten sie durch die Erhebung von Schulgeldern finanziert werden. Dabei sei für das Jahr 2003 ein Schulgeld von 120 € mit dem verfassungsrechtlichen Verbot vereinbar, eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern zu fördern. Der Verwaltungsgerichtshof habe die von ihm angenommene Grenze von 70 € nicht nachvollziehbar begründet und dabei zudem gegen die Pflicht zur Amtsermittlung sowie gegen die Grundsätze der freien Beweiswürdigung und des rechtlichen Gehörs verstoßen. Die herangezogenen Stellungnahmen der Gutachter seien für die Ermittlung dieser Grenze ungeeignet. Sie beruhten auf einem rechtlich fehlerhaften Ansatz. Maßgeblich seien nicht die subjektiven Ausgabepräferenzen der Eltern, sondern deren objektive Leistungsfähigkeit. Zudem könne der Schulträger durch eine Staffelung des Schulgeldes nach den Einkommensverhältnissen der Eltern sowie durch Stipendien und Nachlässe für Schüler einkommensschwacher Eltern einer Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern entgegenwirken. Darüber hinaus dürfe der Landesgesetzgeber neben dem Schulgeld der Eltern Eigenleistungen des Schulträgers zur Finanzierung des laufenden Betriebs, auch in Form von Krediten, ansetzen. Er müsse die Zinsen und Tilgungen, soweit sie auf Verbindlichkeiten für Investitionen in den Schulbau beruhten, nicht bei den förderfähigen laufenden Kosten berücksichtigen, sondern könne sich darauf beschränken, einen Zuschuss zu den Kosten eines konkreten Bauprojekts zu gewähren. Die Förderung nach den §§ 17, 18 PSchG und das ihr zugrunde liegende Bemessungskonzept seien hinreichend transparent und realitätsgerecht. Der Verwaltungsgerichtshof habe nicht stattdessen das Bruttokostenmodell des § 18a PSchG heranziehen dürfen, denn diese Vorschrift sei erst im Jahr 2006 in Kraft getreten und deshalb für das Jahr 2003 nicht anwendbar. Zu Unrecht habe der Verwaltungsgerichtshof dem Kläger einen Anspruch auf Ausgleich gewährter Schulgeldbefreiungen aus Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV zugesprochen. Die Auslegung dieser Verfassungsbestimmung sei rechtlich unzutreffend und willkürlich. Ihre Entstehungsgeschichte spreche nicht für, sondern gegen einen Ausgleichsanspruch, der den Privatschulträgern aus dieser Vorschrift unmittelbar erwachse.
Entscheidungsgründe
II
Rz. 11
Die Revision des Klägers und die ebenfalls zulässige Revision des beklagten Landes sind begründet.
Rz. 12
1. Soweit der Verwaltungsgerichtshof die Berufung des Klägers zurückgewiesen und damit das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts bestätigt hat, verletzt seine Entscheidung Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) und erweist sich auch nicht im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).
Rz. 13
a) Der Verwaltungsgerichtshof hat verfahrensfehlerhaft angenommen, der Kläger habe keinen Anspruch darauf, dass das beklagte Land über seinen Antrag erneut entscheidet, ihm für das Rechnungsjahr 2003 eine höhere als die bisher geleistete Förderung nach Maßgabe noch zu erlassender verfassungsmäßiger Regelungen über die Finanzhilfe zugunsten privater Ersatzschulen im Land Baden-Württemberg zu gewähren.
Rz. 14
aa) Aus Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG folgt kein verfassungsunmittelbarer Anspruch auf Gewährung staatlicher Finanzhilfe, gar noch in bestimmter Höhe. Der grundrechtliche Schutzanspruch des einzelnen Ersatzschulträgers ist nur darauf gerichtet, dass der Gesetzgeber diejenigen Grenzen und Bindungen beachtet, die seinem politischen Handlungsspielraum durch die Schutz- und Förderpflicht zu Gunsten des Ersatzschulwesens als Institution gesetzt sind. Der gerichtliche Rechtsschutz bezieht sich unter diesen Umständen auf die Prüfung einer Untätigkeit, einer groben Vernachlässigung und eines ersatzlosen Abbaues getroffener Maßnahmen (BVerfG, Beschluss vom 9. März 1994 – 1 BvR 682, 712/88 – BVerfGE 90, 107 ≪117≫). Der Gesetzgeber vernachlässigt seine Schutz- und Förderpflicht gröblich, wenn bei weiterer Untätigkeit der Bestand des Ersatzschulwesens evident gefährdet wäre. Ob und wann eine solche Situation eingetreten ist, lässt sich letztlich nur aufgrund einer Gesamtschau aller maßgeblichen Umstände beurteilen (Beschluss vom 18. Dezember 2000 – BVerwG 6 B 15.00 – Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 128 S. 32).
Rz. 15
bb) Eine solche Gefährdung hat der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich nicht festgestellt. In die hierfür maßgebliche Gesamtschau hat er aber einen Umstand eingestellt, dessen Heranziehung gegen die Denkgesetze verstößt. Da die Gesamtschau aller maßgeblichen Umstände die Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts betrifft, stellt die hierauf bezogene Verletzung der Denkgesetze einen Verfahrensfehler dar (Beschluss vom 3. April 1996 – BVerwG 4 B 253.95 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 269 S. 28). Der Kläger hat ihn gemäß § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO in seiner Revisionsbegründung gerügt.
Rz. 16
Der Verwaltungsgerichtshof hat entscheidungstragend angenommen, die Regelungen zur Förderung von Ersatzschulen in freier Trägerschaft hätten im Rechnungsjahr 2003 zwar nicht ausgereicht, das verfassungsrechtlich gewährleistete Existenzminimum der Freien Waldorfschulen in Baden-Württemberg zu sichern, bei einer Gesamtschau sei das Fördersystem aber dennoch nicht verfassungswidrig gewesen, weil der Bestand des Ersatzschulwesens als Institution durch die Unterschreitung des Existenzminimums nicht evident gefährdet gewesen sei und eine weitergehende Handlungspflicht des Staates nicht bestanden habe. In diese Gesamtschau hat der Verwaltungsgerichtshof mehrere Umstände einbezogen: Die gewährte Förderung weiche nur geringfügig von der an sich erforderlichen Höhe ab. Das Defizit werde durch einen Ausgleichsanspruch nach Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV gemildert, der dem Kläger wegen von ihm gewährter Schulgeldbefreiungen zustehe. Das Defizit beruhe auf der Annahme einer verfassungsrechtlichen Obergrenze für zulässige Schulgelder, die erst jetzt durch sachverständige Bewertungen ermittelt worden sei. Der Gesetzgeber sei nicht untätig geblieben, sondern habe die Zuschüsse inzwischen erhöht.
Rz. 17
Das Urteil verstößt insoweit gegen die Denkgesetze, als der Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen ist, der Ersatzschultyp der Freien Waldorfschule sei im Jahre 2003 unter anderem deshalb nicht in seinem Bestand evident gefährdet gewesen, weil die Unterschreitung des Existenzminimums durch noch zu gewährende Ausgleichsleistungen nach Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV verringert werde. Er hat seiner Berechnung ein verfassungsrechtlich zulässiges Schulgeld von höchstens 70 € je Monat und Schüler zugrunde gelegt und ausgehend hiervon sowie von den staatlichen Förderleistungen einerseits, den von ihm ermittelten Vergleichskosten des öffentlichen Schulwesens andererseits eine Unterdeckung des Existenzminimums in Höhe von etwa 20 € angenommen. Gleichzeitig hat der Verwaltungsgerichtshof aber Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV dahin ausgelegt, die danach geschuldete Leistung beschränke sich auf den Betrag, um den die Privatschulen das verfassungsrechtlich höchstzulässige Schulgeld ermäßigen oder hiervon befreien. Nach dieser für den Senat verbindlichen Auslegung des landesrechtlichen Ausgleichsanspruchs können die Privatschulen nach § 14 Abs. 2 Satz 3 LV nur den Betrag beanspruchen, um den sie das verfassungsrechtlich zulässige Schulgeld in Höhe von 70 € monatlich unterschritten haben. Der Verwaltungsgerichtshof ist erkennbar nicht davon ausgegangen, dass sich der Ausgleichsanspruch auf die Differenz zwischen dem verfassungsrechtlich zulässigen Schulgeld und dem Schulgeld bezieht, das die Privatschulen darüber hinaus zur Deckung des Existenzminimums verlangen müssten, auf das sie aber zur Vermeidung einer Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern verzichten. Ausgehend von diesem Verständnis des Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV kann der Ausgleich von Schulgeldbefreiungen nicht die Deckungslücke zwischen dem höchstzulässigen Schulgeld und den Kosten mildern, sondern nur verhindern, dass diese Deckungslücke noch größer wird.
Rz. 18
Die Aussagen des Verwaltungsgerichtshofs beziehen sich nicht, jedenfalls nicht in erster Linie, auf die konkrete finanzielle Lage des Klägers im Rechnungsjahr 2003. Er erhielte zwar unter Berücksichtigung des ihm zugesprochenen Ausgleichs nach Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV tatsächlich höhere staatliche Mittel, als sie ihm auf der Grundlage des Privatschulgesetzes ausgezahlt worden sind. Unter Berücksichtigung eines Ausgleichs nach Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV stellt sich seine konkrete finanzielle Lage mithin faktisch in einem günstigeren Lichte dar. Auf die konkrete Schule kommt es indes nicht an. Der Verwaltungsgerichtshof hat ein abstraktes Rechenmodell für die Freien Waldorfschulen als Privatschultyp entwickelt. Innerhalb dieses Rechenmodells bewegt er sich auch, wenn er die dort festgestellte Unterschreitung des Existenzminimums durch den Ausgleich nach Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV gemildert ansieht. In diesem Modell ist der Ausgleich aber rechnerisch ungeeignet, das Defizit zu vermindern. Seine gleichwohl vorgenommene Verwendung als Rechenposten ist unschlüssig.
Rz. 19
b) Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden und der Klage stattgeben (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Dass aus der Gesamtschau ein zu Lasten des Klägers berücksichtigter Umstand herauszunehmen ist, bedeutet noch nicht umgekehrt, aufgrund der im Übrigen verbleibenden Umstände sei nunmehr von einer evidenten Gefährdung des Ersatzschulwesens im Rechnungsjahr 2003 auszugehen. Ebenso wenig kann der Senat abschließend beurteilen, ob sich das angefochtene Urteil im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO). Allerdings ist insoweit bereits die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs nicht frei von Rechtsfehlern, die Regelungen zur Förderung von Ersatzschulen in freier Trägerschaft hätten im Rechnungsjahr 2003 nicht ausgereicht, das verfassungsrechtlich gewährleistete Existenzminimum der Freien Waldorfschulen in Baden-Württemberg zu sichern. Die Feststellung solcher rechtlichen Mängel ermöglicht aber nicht ohne weitere tatsächliche Feststellungen den Schluss, aufgrund einer Gesamtschau aller maßgeblichen Umstände sei auch bei weiterer Untätigkeit des Gesetzgebers der Bestand des Ersatzschulwesens nicht evident gefährdet gewesen. Vielmehr bedarf es einer neuen Gesamtschau aller maßgeblichen Umstände, die den Kern der Sachverhaltswürdigung ausmacht und deshalb dem Tatsachengericht vorbehalten ist.
Rz. 20
aa) Der Verwaltungsgerichtshof hat für seine Gesamtschau im Ausgangspunkt auf die vergleichbaren Kosten des öffentlichen Schulwesens abgestellt. Insoweit kann ihm im Ergebnis mit der Maßgabe gefolgt werden, dass die Kosten, die er nach dem Bruttokostenmodell des § 18a PSchG ermittelt hat, einen brauchbaren Anhalt für die Kosten abgeben, die die Privatschulen aufwenden müssen, um die Genehmigungserfordernisse des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 und 4 GG zu erfüllen.
Rz. 21
Der Bestand des Ersatzschulwesens hängt davon ab, dass die Träger der Ersatzschulen im Stande sind, die Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 und 4 GG gleichzeitig und auf Dauer zu erfüllen. Dieses Existenzminimum der Institution Ersatzschule muss sichergestellt sein. Art. 7 Abs. 4 GG gebietet aber keine vollständige Übernahme der Kosten, die den Ersatzschulen durch die Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen entstehen. Der Staat ist nur verpflichtet, einen Beitrag bis zur Höhe dieses Existenzminimums zu leisten (BVerfG, Urteil vom 8. April 1987 – 1 BvL 8, 16/84 – BVerfGE 75, 40 ≪68≫).
Rz. 22
Soll die staatliche Förderung ihrem Umfang nach sicherstellen, dass die Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 und 4 GG auf Dauer erfüllt werden, ist es zunächst Aufgabe des Gesetzgebers, selbst eine Bewertung der Kostensituation vorzunehmen. Der Gesetzgeber kann sich an den Kosten des öffentlichen Schulwesens orientieren und seine Hilfe danach ausrichten (BVerfG, Urteil vom 8. April 1987 a.a.O.). Dies hat der Landesgesetzgeber im Privatschulgesetz getan, mit dessen §§ 17, 18 PSchG er nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs eine Förderung in Höhe von 80 v.H. der vergleichbaren Kosten öffentlicher Schulen anstrebt.
Rz. 23
Orientiert der Gesetzgeber sich an den Kosten des öffentlichen Schulwesens, liegt es im Rahmen der ihm eingeräumten weitgehenden Gestaltungsfreiheit (BVerfG, Urteil vom 8. April 1987 a.a.O. S. 66 f.), den privaten Schulträgern eine Förderung nach einem festen Vomhundertsatz der vergleichbaren Personalkosten öffentlicher Schulen zu gewähren (Beschluss vom 26. Juli 2005 – BVerwG 6 B 24.05 – Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 129 S. 35). Ebenso kann der Landesgesetzgeber an den Vomhundertsatz einer bestimmten Besoldungsstufe eines beamteten Lehrers anknüpfen, um den von ihm gewollten Förderbetrag auszudrücken, wie es in § 18 Abs. 2 PSchG geschehen ist. Er erreicht damit zugleich, dass diese Förderung entsprechend dem Anstieg der Personalkosten infolge von Besoldungserhöhungen im öffentlichen Dienst steigt. Der auf die Personalkosten oder eine Lehrerbesoldung bezogene Vomhundertsatz muss allerdings so bemessen sein, dass auch in Ansehung der sonstigen, die privaten Schulträger treffenden Kosten, namentlich der Sachkosten, die Existenz des Ersatzschulwesens als Institution nicht evident gefährdet ist (Beschluss vom 26. Juli 2005 a.a.O.).
Rz. 24
Allerdings weist ein Vomhundertsatz, der auf die Besoldung eines staatlichen Beamten bezogen ist, keinen unmittelbar ablesbaren Bezug zu den Kosten auf, die der Privatschulträger für die Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 und 4 GG aufwenden muss. Zutreffend ist insoweit der Einwand des Verwaltungsgerichtshofs, einem Vomhundertsatz, der auf eine Lehrerbesoldung bezogen ist, könne als solchem nicht entnommen werden, bis zu welchem Umfang er zur Deckung der Vergleichskosten des öffentlichen Schulwesens und damit zu den Kosten beiträgt, die zur Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen aufgewendet werden müssen. Insoweit bedarf es einer Umrechnung. Ebenso lässt die Anbindung der Fördersätze an die Entwicklung der Lehrergehälter sowohl die Entwicklung der Sachkosten als auch die Entwicklung der Lehrer-Schüler-Relation außer Betracht.
Rz. 25
Daraus kann aber noch nicht der Schluss gezogen werden, die Regelung der Ersatzschulförderung sei schon deshalb verfassungswidrig, mit der Folge, dass ein Anspruch auf Nachbesserung durch den Gesetzgeber besteht, weil der Gesetzgeber mit dem bestehenden Regelwerk die existenznotwendigen Aufwendungen nicht in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, und damit realitätsgerecht, bemessen habe. Die Notwendigkeit eines solchen Verfahrens lässt sich aus Art. 7 Abs. 4 GG nicht herleiten. Dieser Verfassungsbestimmung lässt sich insbesondere nicht entnehmen, dass der Landesgesetzgeber die Kosten des öffentlichen Schulwesens, die er als Vergleichsgröße für die Bemessung seiner Förderung heranziehen will, zwingend nach dem Bruttokostenmodell oder einem vergleichbaren Modell ermitteln muss, wie es nunmehr in § 18a PSchG geregelt ist.
Rz. 26
Für eine solche Pflicht des Gesetzgebers, zudem mit der Folge, dass allein ihre Nichterfüllung zur Verfassungswidrigkeit der bestehenden Regelung und einem Nachbesserungsanspruch der einzelnen Schule führt, gibt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nichts her, auf die der Kläger sich in diesem Zusammenhang bezieht (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1, 3, 4/09 – BVerfGE 125, 175). Das Bundesverfassungsgericht hat dort einerseits aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums hergeleitet, das jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zusichert, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind. Es hat andererseits verlangt, zur Ermittlung des Anspruchsumfangs habe der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsgrundlagen zu bemessen. Diese Grundsätze können nicht auf das Recht der Privatschulfinanzierung übertragen werden. Sie sind nicht allgemein aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet, sondern folgen als spezifisch hierauf bezogene Vorgaben aus dem Grundrecht auf Menschenwürde. Mit seiner Privatschulfinanzierung hat der Gesetzgeber das Existenzminimum nicht allein sicherzustellen; er leistet nur einen Beitrag hierzu, der zudem nicht auf die Existenz der einzelnen Schule, sondern der Institution Privatschule abzustellen ist. Soweit der Gesetzgeber in anderen Bereichen als der Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums staatliche Leistungen, sei es auch in Erfüllung einer anderweitigen Verfassungspflicht, gewährt, muss nur das Ergebnis seiner gesetzlichen Regelung der jeweils einschlägigen Verfassungsnorm genügen, auch wenn die gesetzliche Regelung nicht aus sich selbst heraus verständlich ist, sondern erst mit Hilfe weitergehender Überlegungen und Berechnungen Plausibilität gewinnt.
Rz. 27
Ungeachtet der mangelnden rechtlichen Anwendbarkeit des § 18a PSchG schon für das Rechnungsjahr 2003 können die für dieses Jahr auf seiner Grundlage ermittelten Vergleichskosten des öffentlichen Schulwesens, auf die der Landesgesetzgeber seine Förderung der Privatschulen bezieht, als tatsächlicher Anhalt für die Größenordnung herangezogen werden, in der dem Privatschulwesen Aufwand für die Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 und 4 GG entsteht. Mit dieser Maßgabe durfte auch der Verwaltungsgerichtshof sie der Prüfung zugrunde legen, ob die in den getroffenen Regelungen zutage tretende Sicht des Gesetzgebers in Ansehung der für die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen maßgeblichen tatsächlichen Umstände vertretbar oder eindeutig fehlerhaft und widerlegbar ist (Urteil vom 17. März 1988 – BVerwG 7 C 99.86 – BVerwGE 79, 154 ≪162≫ = Buchholz 11 Art. 7 Abs. 4 GG Nr. 28 S. 9 f.).
Rz. 28
Die sich daraus ergebenden Vergleichskosten des öffentlichen Schulwesens sind nicht deshalb ungeeignet, den Aufwand der Privatschulen für die Erfüllung der Genehmigungsanforderungen des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 und 4 GG abzubilden, weil sie um die laufenden Kosten für Investitionen bereinigt sind, nämlich um Zinsen und Tilgungen für zu diesem Zweck aufgenommene Kredite. Der Staat darf zwar die Kosten, die den Trägern privater Ersatzschulen für die Beschaffung des erforderlichen Schulraums entstehen, als Faktor für die Bemessung des Bedarfs, an dem sich die Zuschüsse ausrichten, nicht vollständig unberücksichtigt lassen. Ihm steht aber bei der Ausgestaltung der Förderung ein weiter Spielraum zu. Der Gesetzgeber kann Zuschüsse unmittelbar zu den konkreten Baukosten eines zuvor geprüften Bauvorhabens geben. Er kann aber auch die Beschaffung der notwendigen Schulräume pauschal fördern, beispielsweise orientiert an den Kosten der Anmietung geeigneter Räume. Denkbar ist ferner, als Förderung einen bestimmten Betrag je Schüler auszuwerfen, der sich an den Kosten vergleichbarer öffentlicher Schulen orientiert, und in diese Kosten ganz oder teilweise die Kosten der öffentlichen Schulträger einzubeziehen. Der Gesetzgeber kann schließlich den privaten Schulträgern einen festen Vomhundertsatz der Personalkosten erstatten und diesen Satz so wählen, dass er deutlich über das hinausgeht, was der Staat verengt auf die Personalkosten mindestens zur Existenzsicherung beisteuern müsste (BVerfG, Beschluss vom 9. März 1994 – 1 BvR 1369/90 – BVerfGE 90, 128 ≪144≫). Der Landesgesetzgeber hat sich hier dafür entschieden, Investitionen durch einen Zuschuss zu den Kosten eines konkreten Projektes zu fördern. Diese Kosten sind dann nicht zusätzlich in die Zuschüsse einzubeziehen, die bestimmungsgemäß für den laufenden Betrieb gewährt werden. Soweit neben dem staatlichen Zuschuss für ein konkretes Bauprojekt Kredite für die hierdurch nicht gedeckten Kosten aufgenommen werden mussten und insoweit nunmehr Zinsen und Tilgungen aufzubringen sind, gehört der Aufwand hierfür zu den Eigenleistungen, die jeder Ersatzschulträger erbringen muss. Ob die Investitionskosten mit dem Zuschuss nach § 18 Abs. 7 PSchG in einer Weise berücksichtigt sind, die das Existenzminimum sicherstellt und eine evidente Gefährdung des Privatschulwesens ausschließt, kann im Zusammenhang mit den Zuschüssen nach § 18 Abs. 2 PSchG für den laufenden Betrieb nicht gerichtlich überprüft werden, weil der Gesetzgeber sich für ein anderes System der Förderung entschieden hat. Diese Frage könnte deshalb nur dann entscheidungserheblich werden, wenn ein Baukostenzuschuss nach § 18 Abs. 7 PSchG streitig wäre.
Rz. 29
bb) Auf der Grundlage der von ihm herangezogenen Vergleichskosten des öffentlichen Schulwesens und der gewährten Zuschüsse nach § 18 Abs. 2 PSchG ist der Verwaltungsgerichtshof für den Privatschultyp der Freien Waldorfschule von Aufwendungen je Schüler und Monat in einer Größenordnung von 94,77 € (Klassen 1 bis 4), von 89,64 € (für die Klassen 5 bis 12) und von 92,90 € (Klasse 13) ausgegangen, die durch Eigenmittel der Schulträger, insbesondere durch Schulgelder aufgebracht werden müssten. Er hat angenommen, dass Deckungslücken in dieser Größenordnung nicht mehr allein durch Schulgelder geschlossen werden können, weil diese eine Höhe erreichen müssten, die entgegen Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern fördert.
Rz. 30
Dieser Annahme liegt zum einen eine Erwägung zugrunde, die mit Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG nicht vereinbar ist. Der Verwaltungsgerichtshof beachtet zum anderen nicht hinreichend den Prognosespielraum des Gesetzgebers.
Rz. 31
(1) Der Verwaltungsgerichtshof hält Schulgelder, die nach den Einkommensverhältnissen der Eltern gestaffelt sind, ebenso wie Stipendiensysteme für grundsätzlich ungeeignet, eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern zu vermeiden. Das lässt sich aus dem Sonderungsverbot des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG indes nicht herleiten.
Rz. 32
Zwar reicht es nicht aus, wenn der Schulträger nur in Ausnahmefällen für besonders begabte oder besonders arme Kinder Schulgeldstipendien gewährt (BVerfG, Urteil vom 8. April 1987 a.a.O. S. 63). In ihrer Auswirkung auf die allgemeine Zugänglichkeit der Schule damit nicht vergleichbar ist aber beispielsweise eine allgemeine Staffelung der Schulgelder nach den Einkommensverhältnissen der Eltern. Das Sonderungsverbot verbietet nicht, an die Einkommensverhältnisse der Eltern anzuknüpfen, wenn gerade dadurch die Zugänglichkeit der Schule offen gehalten wird. Allerdings kann eine Staffelung der Schulgelder nach den Einkommensverhältnissen der Eltern an Grenzen stoßen, die durch das Sonderungsverbot gezogen werden. Das durchschnittlich zu erreichende Schulgeld kann eine Höhe annehmen, die einerseits zahlreiche und erhebliche Nachlässe erforderlich macht, um die allgemeine Zugänglichkeit der Schule zu gewährleisten, während andererseits sich nur noch wenige Eltern finden, die ein Schulgeld über der durchschnittlich zu erzielenden Höhe aufbringen und damit die Ermäßigungen auf der anderen Seite finanzieren können. Der Verwaltungsgerichtshof hält ein Schulgeld von höchstens 70 € je Kind und Monat für zulässig, um eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern zu vermeiden. Nach dem Zusammenhang der Entscheidungsgründe geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, ein höheres Schulgeld sei für Eltern nicht mehr sozialverträglich und halte sie deshalb davon ab, ihre Kinder eine Privatschule besuchen zu lassen, soweit die Eltern den untersten 20 v.H. der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Haushalte nach Herausnahme der Empfänger von Leistungen der Sozialhilfe angehören. Andererseits geht der Verwaltungsgerichtshof je nach Schulstufe von zu deckenden Kosten zwischen 94,77 € und 89,64 € aus. Es ist nicht ausgeschlossen, dass bei Berücksichtigung der gesamten Einkommensbreite, wie sie in der Elternschaft vertreten ist, um einen Betrag dieser Größenordnung herum eine Staffelung nach den Einkommensverhältnissen möglich ist, die das Verbot der Sonderung einhält.
Rz. 33
Im Übrigen ist der Verwaltungsgerichtshof früher bezogen auf das Jahr 2000 von einem unbedenklichen Schulgeld von 120 € ausgegangen. Er verweist auf die Einschätzung des beklagten Landes, das für das Jahr 2003 ein durchschnittliches Schulgeld in vergleichbarer Höhe zwischen 112 € bis 120 € für zulässig hält. Wie sich den weiteren Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs entnehmen lässt, haben die Schulen in der Praxis Schulgelder in derartiger Höhe tatsächlich erhoben. Dass dies in der Aufnahmepraxis der Schulen zu einer Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern geführt hat, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt und ist auch von niemandem behauptet worden.
Rz. 34
(2) Der Festsetzung der Förderung in § 18 Abs. 2 PSchG liegt eine Einschätzung des Gesetzgebers zugrunde, welche Eigenleistungen den Privatschulträgern möglich und zumutbar sind, ohne die Existenz des Privatschulwesens zu gefährden. Die Kontrollaufgabe des Gerichts beschränkt sich darauf nachzuprüfen, ob die in der getroffenen Regelung zutage tretende Sicht des Gesetzgebers in Ansehung der für die Verfassungsmäßigkeit der Regelung maßgeblichen tatsächlichen Umstände vertretbar oder eindeutig fehlerhaft und widerlegbar ist (Urteil vom 17. März 1988 a.a.O.).
Rz. 35
Schon weil der Verwaltungsgerichtshof die naheliegende Möglichkeit nicht berücksichtigt hat, das Schulgeld nach den Einkommensverhältnissen der Eltern zu staffeln, sind seine Überlegungen nicht geeignet, die Prognose des Gesetzgebers als eindeutig fehlerhaft und widerlegbar zu erweisen. Das gilt zumal deshalb, weil die Annahme eines höchst zulässigen Schulgeldes von 70 € nicht mehr als einen groben Anhalt darstellt. Dass ein Schulgeld jenseits der Grenze von 70 € generell nicht mehr sozialverträglich ist, beruht nach dem eigenen Eingeständnis des Verwaltungsgerichtshofs auf unsicheren Annahmen. Er kommt jedenfalls zu dem Ergebnis, eine präzisere, speziell auf den Bereich des Landes zugeschnittene und methodisch auf eine breitere Datenbasis gestützte Ermittlung des für Baden-Württemberg zumutbaren Schulgeldes müsse einer Untersuchung vorbehalten bleiben, die im Rahmen der künftigen Gesetzgebung zu veranlassen sei. Nach diesem Eingeständnis des Verwaltungsgerichtshofs kann aber von dem Gesetzgeber nicht verlangt werden, dass er den Betrag von 70 € ohne Weiteres seiner Einschätzung der möglichen Eigenleistungen der Schulträger und spiegelbildlich damit den notwendigen ergänzenden Förderleistungen des Staates zugrunde legt. Erst recht kann auf einer solchen Grundlage die Prognose des Gesetzgebers noch nicht als widerlegt angesehen werden.
Rz. 36
cc) Mit Art. 7 Abs. 4 GG nicht vereinbar ist die weitere Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, über Schulgeldeinnahmen hinaus könnten keine weiteren Eigenleistungen der Schulträger zur Finanzierung des laufenden Betriebes erwartet werden.
Rz. 37
Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG geht von dem herkömmlichen Bild der Privatschule aus. Sie verdankt ihre Existenz dem ideellen und materiellen Engagement ihrer Gründer und Träger. Diese füllen einen ihnen eingeräumten Freiheitsraum in eigener Initiative aus, die auch die wirtschaftlichen Grundlagen einschließt; sie müssen bereit sein, die damit verbundenen Risiken in Kauf zu nehmen. Der Staat darf erwarten, dass der Schulträger seinem Interesse an der Verwirklichung eigener Ziele und Vorstellungen im schulischen Bereich eigenes finanzielles Engagement folgen lässt. Er beteiligt sich nur an diesem zuvörderst privaten Engagement (BVerfG, Beschluss vom 9. März 1994 a.a.O. S. 117 f.). Soweit Eltern, etwa zusammengefasst in einem Verein, eine Schule gründen und tragen, müssen sie bereit sein, über das Schulgeld hinausgehende Beiträge zur Eigenleistung und die damit verbundenen finanziellen Opfer zu erbringen (BVerfG, Beschluss vom 9. März 1994 a.a.O. S. 119 f.). Als derartige Beiträge zur Eigenleistung kommen beispielsweise Spenden, Zuschüsse finanzstarker Kräfte, die hinter dem Schulträger stehen und die Schule in einem weiteren Sinne tragen, aber auch die Aufnahme von Krediten in Betracht. Um die Erschließung solcher Finanzmittel muss der Schulträger sich bemühen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. März 1997 – 1 BvL 26, 27/96 – juris Rn. 29). Derartige Eigenleistungen sind nicht nur für die Anfangsfinanzierung und die Investitionskosten aufzubringen (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. April 1987 a.a.O. S. 68; BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2000 a.a.O.).
Rz. 38
Danach reichen die bisherigen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht aus, die Annahme des Gesetzgebers zu widerlegen, die Förderung nach § 17 Abs. 1, § 18 Abs. 2 PSchG decke zusammen mit den zumutbaren Eigenleistungen des Schulträgers den Aufwand, der den privaten Ersatzschulen zur Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 und 4 GG entsteht. Ob sich dies unter Berücksichtigung auch des weitergehenden Sachvortrags des Klägers im Klage- und Berufungsverfahren anders darstellt, kann der Senat nicht prüfen.
Rz. 39
dd) Bei Annahme eines rechnerisch möglichen Defizits ist andererseits im Grundsatz nicht zu beanstanden, wenn der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen einer Gesamtschau aller maßgeblichen Umstände berücksichtigt, dass der Gesetzgeber nicht untätig geblieben ist, sondern in der Folgezeit die Zuschüsse erhöht hat. Die Genehmigungsanforderungen müssen auf Dauer erfüllt werden können. Die Möglichkeit des Ersatzschulträgers, vorübergehend Kredite aufzunehmen, kann berücksichtigt werden (Beschluss vom 18. Dezember 2000 a.a.O.).
Rz. 40
ee) Bei der erforderlichen Gesamtschau kann ferner die tatsächliche Entwicklung des Privatschulwesens herangezogen werden. Sie ist geeignet, eine Einschätzung zu bestätigen, die sich aus der rein rechnerischen Betrachtung nicht zwingend ablesen lässt, von ihr aber nahegelegt wird.
Rz. 41
Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch nicht festgestellt, wie sich das Privatschulwesen in Baden-Württemberg in der hier maßgeblichen Zeit tatsächlich entwickelt hat. Soweit die insoweit erheblichen statistischen Angaben allgemeinkundig sind, können sie zwar vom Revisionsgericht herangezogen werden (Urteil vom 20. Oktober 1992 – BVerwG 9 C 77.91 – BVerwGE 91, 104 = Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 157). Danach hat die Zahl der Schüler an Freien Waldorfschulen in Baden-Württemberg seit Beginn der 1990er Jahre stetig zugenommen und sich bei weiterhin leichten Zunahmen auf dem erreichten hohen Niveau gefestigt (Antwort der Landesregierung auf eine Große Anfrage, LTDrucks 13/798 S. 19 Anlage 5). Nach den Zahlen, die das Institut für Bildungsökonomie der Freien Hochschule Mannheim veröffentlicht hat, stieg die Zahl der Waldorfschulen in Baden-Württemberg von drei Schulen im Jahre 1945 auf 35 Schulen im Jahre 1991 und 56 Schulen im Jahre 2010 kontinuierlich an, wobei nach diesen Zahlen der Anstieg gerade in den letzten zwanzig Jahren besonders stark war. Das stimmt mit den Zahlen des Statistischen Landesamtes überein (Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 6/2011 S. 18).
Rz. 42
Jedoch erschöpft sich die Gesamtschau nicht in der Heranziehung statistischer Daten, sondern erfordert auch deren Bewertung. Sie sind in der erforderlichen Gesamtschau zu anderen Umständen in Beziehung zu setzen. Inwieweit ihnen in einem solchen Zusammenhang ein Aussagegehalt für die Gefährdung des Privatschulwesens zukommt, ist Kern der Sachverhaltswürdigung, die dem Tatsachengericht aufgetragen ist (vgl. Urteil vom 20. Februar 2001 – BVerwG 9 C 20.00 – BVerwGE 114, 16 ≪25 f.≫ = Buchholz 11 Art. 16a GG Nr. 34 S. 39).
Rz. 43
2. a) Die Revision des beklagten Landes ist zulässig. Die Revisionsbegründung genügt den formellen Anforderungen, die § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO an eine Revisionsbegründung stellt.
Rz. 44
Die Revisionsbegründung muss die verletzte Rechtsnorm angeben. Soweit der Revisionskläger seine Revision auf die Verletzung materiellen Rechts stützt, macht dies den Kern der Revisionsbegründung aus. Die Angabe der verletzten Rechtsnorm erfordert mehr als nur die Benennung einer Vorschrift und die Behauptung, diese sei verletzt. Die Revisionsbegründung muss die entscheidungserheblichen Gesichtspunkte aufbereiten und sich hierzu mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Dass die bezeichnete Rechtsnorm verletzt ist, muss der Revisionskläger deshalb in Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil darlegen (Beschluss vom 12. Juni 2006 – BVerwG 5 C 26.05 – NJW 2006, 3081).
Rz. 45
Das beklagte Land hat sich in seiner Revisionsbegründung mit dem Teil des angefochtenen Urteils auseinandergesetzt, durch den der Verwaltungsgerichtshof der Klage teilweise stattgegeben hat und gegen den die Revision des beklagten Landes sich deshalb wendet. Es hat dargelegt, dass die Auslegung des Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV fehlerhaft sei und warum dadurch zugleich nach seiner Auffassung Bundesrecht (Art. 100 GG) verletzt sei. Für die formale Begründungspflicht des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO ist unerheblich, ob die Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil aus der Sicht des Revisionsgerichts überzeugend oder zumindest vertretbar ist. Dies ist erst eine Frage der Begründetheit der Revision, nicht schon ihrer Zulässigkeit. Für die Zulässigkeit der Revision ist es deshalb im Übrigen auch unerheblich, ob die als verletzt bezeichnete Rechtsnorm überhaupt revisibel ist (Urteil vom 9. Oktober 1996 – BVerwG 6 C 11.94 – BVerwGE 102, 95 ≪99≫ = Buchholz 251.8 § 122 RhPPersVG Nr. 2 S. 7).
Rz. 46
b) Die Revision des beklagten Landes ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verletzt Bundesrecht, soweit der Verwaltungsgerichtshof das beklagte Land verpflichtet hat, über Ausgleichsansprüche des Klägers wegen Schulgeldbefreiungen erneut zu entscheiden.
Rz. 47
Rechtsgrundlage für mögliche Ausgleichsansprüche ist zwar allein Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV, und damit eine Vorschrift des irrevisiblen Landesrechts. Der Verwaltungsgerichtshof hält jedoch eine verfassungskonforme Auslegung der ebenfalls irrevisiblen Vorschrift des § 17 Abs. 2 PSchG für erforderlich, und zwar unter einer Voraussetzung, die sich allein aus Bundesrecht ergibt. Nach § 17 Abs. 2 PSchG ist in der allgemeinen Zuschussgewährung nach § 17 Abs. 1 PSchG auch der Ausgleich nach Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV enthalten. Diese Anrechnungsvorschrift hält der Verwaltungsgerichtshof solange für unproblematisch, als die nach § 17 Abs. 1 PSchG gewährte Förderung über die verfassungsrechtlich begründeten Ansprüche hinausgeht. Anders gestalten sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs die Dinge dann, wenn die Regelförderung hinter den verfassungsrechtlichen Kompensationsansprüchen zurückbleibt. In dieser Konstellation ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs zur Vermeidung eines mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht vereinbaren Ergebnisses daher einer anderen Auslegung des § 17 Abs. 2 PSchG der Vorzug zu geben. Soweit der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang von verfassungsrechtlich begründeten Ansprüchen, verfassungsrechtlichen Kompensationsansprüchen sowie verfassungsrechtlichen Vorgaben spricht, meint er damit Ansprüche und Vorgaben aus Art. 7 Abs. 4 GG.
Rz. 48
Ein Zurückbleiben der Regelförderung hinter den bundesverfassungsrechtlichen Kompensationsansprüchen hat der Verwaltungsgerichtshof hier angenommen. Er hat damit die Anwendung des Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV zu Gunsten des Klägers von der Entscheidung einer bundesrechtlichen Vorfrage abhängig gemacht. Die Antwort auf diese Vorfrage ist indes, wie dargelegt, nicht frei von Rechtsfehlern getroffen worden, ohne dass die richtige Antwort im Revisionsverfahren gegeben werden könnte. Deshalb ist die Sache auch insoweit an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen.
Unterschriften
Neumann, Büge, Dr. Möller, Hahn, Prof. Dr. Hecker
Fundstellen