Entscheidungsstichwort (Thema)
Brüsseler Übereinkommen. Anerkennung und Vollstreckung. Versagungsgründe. Begriff der ‚ordnungsgemäßen Zustellung’
Beteiligte
Rockinger Spezialfabrik für Anhängerkupplungen GmbH & Co |
Tenor
Artikel 27 Nummer 2 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der durch das Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, das Übereinkommen vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt der Republik Griechenland, das Übereinkommen vom 26. Mai 1989 über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und das Übereinkommen vom 29. November 1996 über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden geänderten Fassung in Verbindung mit Artikel IV Absatz 1 des diesem Übereinkommen beigefügten Protokolls ist dahin auszulegen, dass, sofern zwischen dem Urteilsstaat und dem Vollstreckungsstaat ein internationales Übereinkommen gilt, die Ordnungsgemäßheit der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks an einen Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, ausschließlich nach den Bestimmungen dieses Übereinkommens zu beurteilen ist, es sei denn, es wird auf die Übermittlungsmethode der unmittelbaren Übersendung zwischen gerichtlichen Amtspersonen gemäß Artikel IV Absatz 2 des Protokolls zurückgegriffen und der Vollstreckungsstaat hat dieser Methode nicht offiziell widersprochen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach dem Protokoll vom 3. Juni 1971 betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen durch den Gerichtshof, eingereicht vom Oberlandesgericht München (Deutschland) mit Entscheidung vom 31. Oktober 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Dezember 2003, in dem Verfahren
Scania Finance France SA
gegen
Rockinger Spezialfabrik für Anhängerkupplungen GmbH & Co.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter) sowie der Richter K. Schiemann, K. Lenaerts, E. Juhász und M. Ilečic,
Generalanwalt: L. A. Geelhoed,
Kanzler: R. Grass,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Scania Finance France SA, vertreten durch Rechtsanwalt W. Hildmann,
- der Rockinger Spezialfabrik für Anhängerkupplungen GmbH & Co., vertreten durch Rechtsanwalt A. Vigier,
- der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch R. Wagner als Bevollmächtigten,
- der Französischen Republik, vertreten durch A. Bodard-Hermant, A. L. Hare und G. de Bergues als Bevollmächtigte,
- der Republik Österreich, vertreten durch E. Riedl als Bevollmächtigten,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A.-M. Rouchaud-Joët und S. Grünheid als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. März 2005
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 27 Nummer 2 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) in der durch das Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland (ABl. L 304, S. 1 und – geänderte Fassung – S. 77), das Übereinkommen vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt der Republik Griechenland (ABl. L 388, S. 1), das Übereinkommen vom 26. Mai 1989 über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik (ABl. L 285, S. 1) und das Übereinkommen vom 29. November 1996 über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden (ABl. 1997, C 15, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen oder EuGVÜ) und Artikel IV des Protokolls zum EuGVÜ.
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits der Scania Finance France SA (im Folgenden: Scania) mit Sitz in Angers (Frankreich) gegen die Rockinger Spezialfabrik für Anhängerkupplungen GmbH & Co. (im Folgenden: Rockinger) mit Sitz in München (Deutschland) wegen der Vollstreckung eines Urteils der Cour d'appel Amiens (Frankreich), mit dem Rockinger zur Zahlung von 615 566,72 FRF an Scania verurteilt wurde, in Deutschland.
Rechtlicher Rahmen
Das Brüsseler Übereinkommen
3 Artikel 20 EuGVÜ, der zu Titel II – Zuständigkeit – gehört, bestimmt:
„Lässt sich der Beklagte, der seinen Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat und der vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaats verklagt wird, auf das Verfahren nicht ein, so hat sich das Gericht von Amts wegen für unzuständig zu erklären, wenn seine Zuständigkeit nicht aufgrund der Bestimmunge...