Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Richtlinie 92/43/EWG -Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen. Artikel 6 Absatz 4. Besonderes Schutzgebiet Castro Verde. Fehlen von Alternativlösungen
Beteiligte
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Tenor
1. Die Portugiesische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 6 Absatz 4 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen in der durch die Richtlinie 97/62/EG des Rates vom 27. Oktober 1997 geänderten Fassung verstoßen, dass sie trotz negativer Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung ein Autobahnprojekt mit Trassenverlauf durch das besondere Schutzgebiet Castro Verde durchführte, ohne nachgewiesen zu haben, dass für diese Trasse keine Alternativlösungen vorhanden waren.
2. Die Portugiesische Republik trägt die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 8. Juni 2004,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. van Beek und A. Caeiros als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Portugiesische Republik, vertreten durch L. Fernandes als Bevollmächtigten im Beistand von J. F. Ganderez und R. Gomes da Silva, advogados, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter R. Schintgen und J. Klučka, der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) und des Richters L. Bay Larsen,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. April 2006,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 27. April 2006
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 In ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 6 Absatz 4 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S. 7) in der durch die Richtlinie 97/62/EG des Rates vom 27. Oktober 1997 (ABl. L 305, S. 42) geänderten Fassung (im Folgenden: Habitatrichtlinie) verstoßen hat, dass sie ein Autobahnprojekt durchgeführt hat, dessen Trasse durch das besondere Schutzgebiet Castro Verde führt, obwohl die Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung negativ und für die Trasse Alternativlösungen vorhanden waren.
Rechtlicher Rahmen
Die Richtlinie 79/409/EWG
2 Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. L 103, S. 1) verpflichtet die Mitgliedstaaten, die Gebiete, die den in diesen Vorschriften festgelegten Kriterien entsprechen, zu Schutzgebieten zu erklären.
3 Artikel 4 Absatz 4 dieser Richtlinie sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten treffen geeignete Maßnahmen, um die Verschmutzung oder Beeinträchtigung der Lebensräume sowie die Belästigung der Vögel, sofern sich diese auf die Zielsetzungen dieses Artikels erheblich auswirken, in den [in den] Absätzen 1 und 2 genannten Schutzgebieten zu vermeiden. Die Mitgliedstaaten bemühen sich ferner, auch außerhalb dieser Schutzgebiete die Verschmutzung oder Beeinträchtigung der Lebensräume zu vermeiden.”
Die Habitatrichtlinie
4 Artikel 6 Absätze 2 bis 4 der Habitatrichtlinie bestimmt:
„(2) Die Mitgliedstaaten treffen die geeigneten Maßnahmen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten.
(3) Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung und vorbehaltlich des Absatzes 4 stimmen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben.
(4) Ist trotz negativer Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art ein Plan oder Projekt durchzuführen und ist eine Alternativlösung nicht vorhanden, so ergreift der Mitgliedstaat alle notwendigen Ausgleichsmaßnahmen, um sicherzustel...