Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsmittel. Wettbewerb. Kartelle. Sektor der Industriesäcke aus Kunststoff. Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung der Tochtergesellschaft gegenüber der Muttergesellschaft. Gesamtschuldnerische Haftung der Muttergesellschaft für die gegen die Tochtergesellschaft festgesetzte Geldbuße. Überlange Dauer des Verfahrens vor dem Gericht. Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes

 

Beteiligte

Kendrion / Kommission

Europäische Kommission

Kendrion NV

 

Tenor

1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2. Die Kendrion NV trägt die Kosten des Rechtsmittelverfahrens.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 26. Januar 2012,

Kendrion NV mit Sitz in Zeist (Niederlande), vertreten durch P. Glazener und T. Ottervanger, advocaten,

Rechtsmittelführerin,

andere Partei des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch F. Castillo de la Torre und S. Noë als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten M. Ilešič, L. Bay Larsen und M. Safjan, der Richter J. Malenovský, E. Levits, A. Ó Caoimh, J. C. Bonichot, A. Arabadjiev und D. Šváby sowie der Richterin M. Berger (Berichterstatterin),

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: V. Tourrès, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Februar 2013,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 30. Mai 2013

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Kendrion NV (im Folgenden: Kendrion oder Rechtsmittelführerin) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 16. November 2011, Kendrion/Kommission (T-54/06, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem ihre Klage auf Teilnichtigerklärung der Entscheidung K(2005) 4634 endg. der Kommission vom 30. November 2005 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] (Sache COMP/F/38.354 – Industrielle Sackverpackungen) (im Folgenden: streitige Entscheidung) abgewiesen worden ist, sowie die Aufhebung oder, hilfsweise, die Herabsetzung der mit dieser Entscheidung gegen sie verhängten Geldbuße.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 2

Die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1), die die Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), ersetzt hat, bestimmt in Art. 23 Abs. 2 und 3, der an die Stelle von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 getreten ist:

„(2) Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen verhängen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig

a) gegen Artikel 81 [EG] oder Artikel 82 [EG] verstoßen …

Die Geldbuße für jedes an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen oder jede beteiligte Unternehmensvereinigung darf 10 % seines bzw. ihres jeweiligen im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen.

(3) Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen.”

Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitige Entscheidung

Rz. 3

Kendrion ist eine Gesellschaft niederländischen Rechts.

Rz. 4

Am 8. Juni 1995 übernahm die Kredest Beheer BV, eine 100%ige Tochtergesellschaft der Combattant Holding BV, die wiederum eine 100%ige Tochtergesellschaft von Kendrion ist, die Aktiva und das Geschäft der Fardem-Gruppe in Edam (Niederlande) und in Beerse (Belgien) von der DSM NV.

Rz. 5

Im November 1995 verkaufte die Rechtsmittelführerin das Geschäft der Fardem-Gruppe in Belgien. Im Dezember 1995 wurde die Tochtergesellschaft Kredest Beheer BV in Fardem Holding BV umbenannt. Diese wurde im September 2001 mit der Fardem Packaging BV und der CAT International BV zusammengeschlossen. Bei dieser Gelegenheit wurde der Name Fardem Holding in Fardem Packaging BV (im Folgenden: Fardem Packaging) geändert.

Rz. 6

Im Jahr 2001 unterrichtete die British Polythene Industries plc die Kommission von der Existenz eines Kartells im Industriesacksektor.

Rz. 7

Nachdem die Kommission im Juni 2002 Nachprüfungen vorgenommen und Fardem Packaging in den Jahren 2002 und 2003 um Auskünfte ersucht hatte, leitete sie am 29. April 2004 das Verwaltungsverfahren ein und erließ gegen mehrere Unternehmen, u. a. gegen Fardem Packaging und Kendrion, eine Mitteilung der Beschwerdepunkte.

Rz. 8

Zwischenzeitlich hatte Kendrion im September 2003 Fardem Packaging an deren leitende Angestellte verkauft.

Rz. 9

Am 30. November 2005 erließ die Kommission die streitige Entscheidung, nach deren Art. 1 Abs. 1 Buchst. d Fardem Packaging und Kendrion dadurch gegen Art. 81 EG verstoßen haben, dass sie vom 6. Januar 1982 bis zum 2...

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