Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschließlich inländische Kreditinstitute oder inländische Wirtschaftstreuhänder als steuerliche Vertreter von Investment- oder Immobilienfonds

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Republik Österreich hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG und Art. 36 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 verstoßen, dass sie Vorschriften erlassen und beibehalten hat, nach denen nur inländische Kreditinstitute oder inländische Wirtschaftstreuhänder als steuerliche Vertreter von Investment- oder Immobilienfonds bestellt werden können.

2. Die Republik Österreich trägt die Kosten.

 

Normenkette

EGVtr Art. 49; EWR-Abkommen Art. 36

 

Beteiligte

Kommission / Österreich

Europäische Kommission

Republik Österreich

 

Tatbestand

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ‐ Freier Dienstleistungsverkehr ‐ Regelung eines Mitgliedstaats für Investment- und Immobilienfonds ‐ Nachweis ausschüttungsgleicher Erträge ‐ Nachweis im Wege eines steuerlichen Vertreters ‐ ‚Inländische" Kreditinstitute oder Wirtschaftstreuhänder als steuerliche Vertreter“

In der Rechtssache C-387/10

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 2. August 2010,

Europäische Kommission, vertreten durch R. Lyal und W. Mölls als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Republik Österreich, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten D. Šváby, der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) und des Richters T. von Danwitz,

Generalanwalt: J. Mazák,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Rz. 1

Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission die Feststellung, dass die Republik Österreich dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG und Art. 36 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) verstoßen hat, dass sie Vorschriften erlassen und beibehalten hat, nach denen nur inländische Kreditinstitute oder inländische Wirtschaftstreuhänder als steuerliche Vertreter von Investment- oder Immobilienfonds bestellt werden können.

Nationales Recht

Rz. 2

Das Bundesgesetz über Kapitalanlagefonds (Investmentfondsgesetz, BGBl. 532/1993) in seiner auf den vorliegenden Rechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: InvFG) regelt die Tätigkeiten von Kapitalanlagefonds und Kapitalanlagegesellschaften. § 1 dieses Gesetzes definiert den Begriff des Kapitalanlagefonds als ein „aus Wertpapieren und/oder Geldmarktinstrumenten und/oder anderen … liquiden Finanzanlagen bestehendes Sondervermögen, das in gleiche, in Wertpapieren verkörperte Anteile zerfällt, im Miteigentum der Anteilinhaber steht und nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gebildet wird“.

Rz. 3

Nach § 40 Abs. 1 InvFG sind die Ausschüttungen eines Kapitalanlagefonds an die Anteilinhaber bei diesen steuerpflichtige Einnahmen. § 40 Abs. 2 InvFG bestimmt außerdem Folgendes:

„1. Insoweit eine tatsächliche Ausschüttung des im Sinne des Abs. 1 verrechneten Jahresertrages einschließlich der verrechneten Substanzgewinne unterbleibt, gelten mit der Auszahlung der Kapitalertragsteuer … sämtliche nicht ausgeschütteten Gewinne des abgelaufenen Geschäftsjahres an die Anteilinhaber in dem aus dem Anteilsrecht sich ergebenem Ausmaß als ausgeschüttet (ausschüttungsgleiche Erträge). Nicht als ausgeschüttet gelten Substanzgewinne bei in einem Betriebsvermögen gehaltenen Anteilscheinen. …

2. Die ausschüttungsgleichen Erträge sind unter Anschluss der notwendigen Unterlagen nachzuweisen. Der Nachweis ist im Wege eines steuerlichen Vertreters zu erbringen. Steuerlicher Vertreter ist ein inländisches Kreditinstitut oder ein inländischer Wirtschaftstreuhänder. Die Kapitalertragsteuer auf die direkt oder indirekt vereinnahmten Zinserträge … sind durch die Kapitalanlagegesellschaft auf täglicher Basis … zu veröffentlichen. Die Kapitalertragsteuer auf die ausgeschütteten Jahresgewinne sowie auf die ausschüttungsgleichen Erträge im Sinne der Z 1 sind im Zuflusszeitpunkt durch die Kapitalanlagegesellschaft … zu veröffentlichen. Erfolgt der Nachweis der ausschüttungsgleichen Erträge nicht durch den steuerlichen Vertreter, kann der Anteilinhaber die Besteuerungsgrundlagen in gleichartiger Form im Veranlagungswege selbst nachweisen. Das Erfordernis des steuerlichen Vertreters entfällt bei Nachweis durch ein inländisches Kreditinstitut für einen von ihm selbst verwalteten inländischen Kapitalanlagefonds. …

Rz. 4

Das Bundesgesetz über Immobilienfonds (Immobilien-Investmentfondsgesetz, BGBl. I, Nr. 80/2003) in seiner auf den vorliegenden Rechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: ImmoInvFG) definiert in seinem § 1 Abs. 1 den Begriff des Immobilienfonds als „ein überwiegend aus [Immobil...

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