Verfahrensgang

AG Berlin-Charlottenburg (Beschluss vom 20.10.2014; Aktenzeichen 60 VI 318/09)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 3. November 2014 wird der Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 20. Oktober 2014 aufgehoben.

Die Tatsachen für die Erteilung des von der Antragstellerin beantragten Erbscheins werden für festgestellt erachtet.

Das Nachlassgericht wird angewiesen,

a) der Antragstellerin den gemäß notarieller Urkunde Nr. S380/209 des Notars ... in Berlin vom 16. September 2009 beantragten Erbschein zu erteilen,

b) die gemeinschaftlichen Teilerbscheine vom 14. Februar 2012 und 30. August 2012, die die Beteiligten zu 2. - 5. als Alleinerben ausweisen, einzuziehen.

 

Gründe

I. Die Beschwerdeführerin ist nach dem hiermit in Bezug genommenen Beschluss des Kammergerichts vom 3. Juni 2014 - 3 UF 37/13 - (Bl. 60 - 69 Bd. II d. A.) das am 13. Januar 1928 nicht ehelich geborene, einzige Kind des am 13. Juni 1993 verstorbenen Erblassers, der sein Leben lang ledig war. Er wurde im Jahr 1928 von dem Amtsgericht Charlottenburg verurteilt, Unterhalt an die nicht in seinem Haushalt lebende Antragstellerin zu leisten. Diese hatte vor dem Ende des zweiten Weltkriegs das letzte Mal im Alter von etwa 14 1/2 Jahren Kontakt zu dem Erblasser. Nach dem zweiten Weltkrieg war die Antragstellerin in einem Ministerium der ehemaligen DDR tätig. Aus diesem Grund war ihr die Kontaktaufnahme zu dem auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland lebenden Erblasser untersagt. Nach dem Fall der Berliner Mauer versuchte die Antragstellerin, den Erblasser wieder zu finden, was ihr im Jahr 1991 gelang. Mit Schreiben vom 14. März 1992 erklärte der Erblasser "eidesstattlich", dass die Antragstellerin seine leibliche Tochter sei. Die Antragstellerin besuchte den Erblasser im Seniorenheim, war Ansprechpartnerin für seine Ärzte und wurde nach seinem plötzlichen Tod um die Zustimmung zur Obduktion seines Leichnams gebeten. Sie kümmerte sich auch um das Begräbnis des Erblassers. Nach seinem Tod wurde sie als dessen einzige bekannte Angehörige vom Nachlassgericht benachrichtigt und um Informationen zu dem Erbfall gebeten. Da sich keine weiteren als Erben in Betracht kommenden Personen bei dem Nachlassgericht meldeten, stellte das Nachlassgericht im April 1996 fest, dass ein anderer Erbe als das Land Berlin nicht vorhanden sei.

Knapp vier Monate nach dem Erlass des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) vom 28. Mai 2008 zur Konventionswidrigkeit der erbrechtlichen Ungleichbehandlung von ehelichen und nichtehelichen Kindern in der Rechtssache Brauer ./. Deutschland (ZEV 2009, 510) beantragte die Antragstellerin mit notarieller Erbscheinsverhandlung vom 16. September 2009 (Bl. 75 - 79 Bd. I d. A.) die Erteilung eines sie als Alleinerbin ausweisenden Erbscheins.

Das Amtsgericht Charlottenburg hat diesen Antrag durch Beschluss vom 5. Mai 2010 (Bl. 131, 132 Bd. I d. A.) und das Kammergericht die hiergegen gerichtete Beschwerde durch Beschluss vom 22. Dezember 2011 (Bl. 223 - 227 Bd. I d. A.) zurückgewiesen.

Unter dem 14. Februar 2012 erteilte das Amtsgericht Charlottenburg einen ersten gemeinschaftlichen Teilerbschein (Bl. 2 Bd. II d. A.) zugunsten des Beteiligten zu 2) und seiner nachverstorbenen Schwester (einen Neffen und eine Nichte des Erblassers) und unter dem 30. August 2012 einen zweiten und letzten gemeinschaftlichen Teilerbschein (Bl. 29 Bd. II d. A.) zugunsten der Beteiligten zu 3) bis 5) (eine Großnichte, eine Nichte und einen Neffen des Erblassers).

Nachdem durch den vorgenannten Beschluss des Kammergerichts vom 3. Juni 2014 festgestellt worden war, dass der Erblasser der Vater der Beteiligten zu 1) ist, hat sie unter dem 29. August 2014 erneut beantragt, ihr einen Erbschein zu erteilen und die oben genannten Teilerbscheine vom 14. Februar und 30. August 2012 einzuziehen. Diesen Antrag hat das Amtsgericht Charlottenburg - Nachlassgericht - durch Beschluss vom 20. Oktober 2014 (Bl. 70, 71 Bd. II d. A.) zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 5. November 2014 eingegangene Beschwerde vom 3. November 2014, der das Nachlassgericht durch Beschluss vom 11. November 2014 nicht abgeholfen, sondern sie dem Kammergericht zur Entscheidung vorgelegt hat.

Durch hiermit in Bezug genommenen Beschluss vom 16. Januar 2015 (Bl. 86 - 91 Bd. II d. A.) hat der Senat die Beschwerde mit der Begründung zurückgewiesen, dass nach Artikel 12 § 10 Abs. 2 NEhelG a. F. vor dem 1. Juli 1949 nichtehelich geborenen Kindern für vor dem Stichtag 29. Mai 2009 erfolgte Erbfälle weiterhin kein gesetzliches Erbrecht nach dem Vater zustehe.

Auf die - von dem Senat zugelassene - Rechtsbeschwerde hat der Bundesgerichtshof durch Beschluss vom 12. Juli 2017 den Beschluss des Senats vom 16. Januar 2015 und das Verfahren aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Kammergericht zurück verwiesen.

Der Senat hat den Beteiligten zu 2) - 5) mit Schreiben vom 31. August 2017 (Bl. 66, 67 Bd. III d. A.) ...

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