Entscheidungsstichwort (Thema)
Barunterhaltspflicht gegenü.ber Kindern aus erster Ehe trotz Betreuung eines minderjährigen Kindes aus zweiter Ehe
Leitsatz (amtlich)
Betreut ein barunterhaltspflichtiger Elternteil sein minderjähriges Kind aus zweiter Ehe und bezieht Erziehungsgeld, ist er gleichwohl zur Zahlung von Barunterhalt an seine weiteren bei der Mutter lebenden minderjährigen Kinder aus erster Ehe verpflichtet. Ihm kann, soweit er das Erziehungsgeld für den eigenen Bedarf benötigt, auch die Ausübung einer Nebentätigkeit zumutbar sein, wenn die Betreuung des Kindes gesichert ist und ein Hinzuverdienst aufgrund, des Gesamteinkommens der Ehegatten die Gewährung von Erziehungsgeld nicht in Frage stellt (§§ 5, 6 BErzGG).
Normenkette
BGB § 1603 Abs. 2, § 1609
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Aktenzeichen 157a F 14133/00) |
Tenor
Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird zurückgewiesen.
Gründe
Der Beklagte beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung gegen das am 22.2.2001 verkündete Urteil des AG. Er stützt seine Berufung im Wesentlichen auf die Begründung, das AG habe es zu Unrecht für zumutbar gehalten, dass er das Erziehungsgeld für die Kläger zur Verfügung stellen müsse und eine Nebentätigkeit ausübe. Das Erziehungsgeld benötige er für seinen Unterhalt, da seine Ehefrau nicht in der Lage sei, ihn vollständig aus eigenen Mitteln zu unterhalten. Sie habe eine monatliche Ratenzahlungsverpflichtung i.H.v. 750 DM, die sie auch nicht deshalb verringern müsse, um für seinen Unterhalt aufzukommen. Auch sei zu Unrecht seine Leistungsfähigkeit unterstellt worden, denn es lägen nicht die Voraussetzungen für die Zurechnung eines fiktiven Einkommen vor, weil ihm ein unterhaltsrechtlich vorwerfbares Verhalten nicht anzulasten sei. Der Nachhilfemarkt werde von größeren Firmen abgedeckt und er habe dort keine Beschäftigungschance.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kommt nicht in Betracht, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 ZPO).
Der Beklagte schuldet seinen minderjährigen Kindern gleichmäßig Unterhalt, so dass er sich nicht seiner Barunterhaltspflicht ggü. den Klägern, die von der Mutter betreut werden, dadurch entziehen kann, dass er sich auf die Betreuung des in seinem Haushalt lebenden Kindes beschränkt und sich auf mangelnde Leistungsfähigkeit wegen fehlender Einkünfte aus Erwerbstätigkeit beruft. Da alle minderjährigen Kinder gleichberechtigt Unterhalt von dem Beklagten verlangen können (§ 1609 BGB), ist auch der Unterhaltspflichtige, der in einer neuen Ehe die Kinderbetreuung und Haushaltsführung übernommen hat, weiterhin gehalten, für den Barunterhalt der nicht von ihm betreuten Kinder aus der ersten Ehe aufzukommen. Reichen die ihm zur Verfügung stehenden Mittel, wie z.B. das Erziehungsgeld, das grundsätzlich auch zu diesem Zwecke einsetzbar wäre, da es bei Unterhaltsverpflichtungen ggü. minderjährigen Kindern als Einkommen gilt (§ 9 S. 2 BErzGG), dafür nicht, weil sie für den eigenen Bedarf benötigt werden, ist er gehalten, einer Nebentätigkeit nachzugehen, um den Unterhalt der Kinder zu sichern. Es entspricht einer gefestigten Rechtsprechung des BGH, dass den wiederverheirateten Ehegatten ungeachtet seiner Pflichten aus der neuen Ehe die Obliegenheit trifft, durch Aufnahme zumindest eines Nebenerwerbs zum Unterhalt von minderjährigen, unverheirateten Kindern aus früheren Ehen beizutragen (BGH NJW-RR 361–363). Eine solche Tätigkeit ist dann zumutbar, soweit der Unterhaltspflichtige im Verhältnis zu den gleichrangig Unterhaltsberechtigten nicht unverhältnismäßig belastet wird (BGH v. 3.12.1980 – IVb ZR 532/80, FamRZ 1981, 341 [343]; 1982, 25 [27]; FamRZ 1996, 1815; OLG Hamm, Urt. v. 7.3.1996 – 3 UF 334/95, FamRZ 1996, 1493; OLG Köln FamRZ 1999, 1076).
Dem Beklagten ist die Ausübung einer Nebentätigkeit ohne weiteres zumutbar, zumal in seinem Haushalt nicht nur die Ehefrau für die Betreuung des Säuglings nach Beendigung ihrer Arbeit ab dem späten Nachmittag zur Verfügung steht, sondern auch noch die beiden anderen Kinder seiner Ehefrau, die 22 Jahre und 13 Jahre alt sind. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass er keine Chance hat, in seinem Lehrfach Mathematik Nachhilfeunterricht zu geben, denn nach Kenntnis des Senats wird nach wie vor Nachhilfe auch durch Privatlehrer abgedeckt, die nicht für größere Unternehmen tätig sind. Dies lässt sich ohne weiteres aus der Tageszeitung ersehen. Letztlich kommt es aber nicht darauf an, ob der Beklagte Chancen hat, Nachhilfe in Mathematik zu geben, da ihm auch nicht qualifizierte Tätigkeiten zumutbar sind, wie das Zeitungsaustragen. Denn ihm obliegt ggü. den Klägern eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit i.S.v. § 1603 Abs. 2 BGB, bei deren Vorliegen von ihm auch die Aufnahme einer berufsfremden Tätigkeit unabhängig von der beruflichen Qualifikation erwartet werden kann. Schließlich ändert vorliegend auch nicht die Inanspruc...