Leitsatz (amtlich)
Der Bauherr muss einer Preisanpassung wegen veränderter Materialkosten zustimmen, wenn diese auf Verzögerungen im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens gem. § 97 Abs. 7 GWB nach Ablauf der ursprünglichen Bindefrist zurückzuführen sind. Diese Verpflichtung folgt aus den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage und der die Bauparteien verbindende Pflicht zur Kooperation.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 15.11.2006; Aktenzeichen 23 O 148/06) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 15.11.2006 verkündete Zwischenurteil der Zivilkammer 23 des LG Berlin - 23 O 148/06 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Bauwerkvertrags Ansprüche wegen erhöhter Stahl- und Zementkosten geltend.
Die Klägerin erhielt in einem Vergabeverfahren auf ihr Vertragsangebot vom Februar/März 2003 von der Beklagten im Juli 2004 den Zuschlag für Los 4 A und 4 B der Bundesautobahn A 113 (Autobahnzubringer Dresden), 23. Bauabschnitt. Die Angebotssumme lautete auf 4.639.587,70 EUR.
Die ursprünglich zum 11.7.2003 laufende Bindefrist für das Vertragsangebot der Klägerin war von beiden Seiten einvernehmlich und kommentarlos zunächst im Hinblick auf die "umfangreiche Prüfung und Wertung der Angebote" bis zum 12.9.2003 (Anlage K 3) verlängert worden. Im Anschluss daran war sie wegen eines im August 2003 durch einen Konkurrenten eingeleiteten Vergabenachprüfungsverfahrens mehrfach weiter verlängert worden, zuletzt bis zum 30.7.2004 (Anlage K 5). Die Stahlpreise waren ab November/Dezember 2003 und weiter bis Juli 2004 massiv gestiegen. Das galt nach der Behauptung der Klägerin auch für die Zementpreise zum 1.9.2003 und 1.2.2004.
Der Zuschlag erfolgte mit Schreiben vom 20.7.2004 ohne weitere Spezifizierung zu den Modalitäten des Vertrags. Die Beklagte erklärte ggü. der Klägerin insoweit unter Bezugnahme auf das Angebot vom 6.3.2003, das Verzeichnis der Nachunternehmer und Bieterangaben vom 15.4.2003 und das Schreiben Bindefristverlängerung vom 19.6.2004:
"Nach Ablauf der Informationsfrist ... erhalten Sie im Namen und für Rechnung der Bundesrepublik Deutschland aufgrund Ihres vorbezeichneten Angebotes den Zuschlag.
Die vorläufige Auftragssumme beträgt 4.639.364,92 EUR...."
Mit Schreiben der Klägerin vom 2.9.2004 und der Beklagten vom 20.9.2004 tauschten sich die Parteien über die Höhe der Auftragssumme aus. Die Beklagte wies abschließend darauf hin, dass ihre Zahl sich ergebe bei Berücksichtigung der Nachweispositionen.
Die Klägerin unterbreitete der Beklagten mit Schreiben vom 5.11.2004 ein Angebot zur Anpassung der Einheitspreise wegen der Veränderung der Stahl- und Betonpreise auf dem Weltmarkt. Die Beklagte lehnte das unter Hinweis auf das ohne Vorbehalte erklärte Einverständnis der Klägerin mit der Bindefristverlängerung ab.
Über einen Terminplan fanden die Parteien keine Einigung. Das Bauvorhaben wurde durchgeführt.
Die Parteien streiten der Höhe nach im Einzelnen darüber, ob bzw. in welchem Umfang Materialpreiserhöhungen eine Erhöhung der Vertragspreise rechtfertigen.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag i.H.v. 466.445,41 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 % über dem Basiszinssatz aus 442.139,35 ERU seit dem 18.5.2006 und aus 36.001,74 EUR seit dem 1.11.2006 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das LG hat in einem Teilurteil die Klage auf der Grundlage einer analogen Anwendung von § 2 Nr. 5 VOB/B für dem Grunde nach für berechtigt erklärt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt, das Zwischenurteil des LG Berlin vom 15.11.2006 - 23 O 148/06 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst dazu eingereichten Anlagen.
II. Die Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO).
In der Sache hat sie keinen Erfolg.
Der Anspruch auf Bezahlung von Mehrkosten für ggü. dem schriftlichen Vertrag erhöhte Preise für Stahl- und Betonmaterial besteht dem Grunde nach. Die Klägerin kann den Anspruch auch im Wege der unmittelbar auf Leistung gerichteten Klage durchsetzen und muss nicht erst auf Vertragsumgestaltung klagen (vgl. MünchKomm/BGB-Roth, 4. Aufl. 2003, § 313 Rz. 87 f., 90 m.N.; Grüneberg in Palandt, BGB, 66. Aufl. 2007, § 313 Rz. 41).
1. Aus dem besonderen Verhältnis zwischen Bauherrn und Bauunternehmer f...