Leitsatz (amtlich)
Zur Haftung des Geldkuriers beim "Phishing".
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 08.01.2009; Aktenzeichen 25 O 292/08) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 8.1.2009 verkündete Urteil des LG Berlin zu 25 O 292/08 abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Beklagte stellte sich auf eine Werbung eines "A.B." von einer "Fa. W." per E-Mail/Internet als "Transfermanagerin" zur Verfügung. Mit Hilfe von durch "Phishing" erlangten Daten überwies eine unbekannte Person vom Konto des Kunden N. bei der V. 5.870 EUR auf das Konto der Beklagten bei der B. Nachdem die Beklagte von der Zahlung Kenntnis genommen hatte, informierte sie telefonisch ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten. Dieser kontaktierte die Staatsanwaltschaft, die ihm nach Rücksprache mit dem LKA mitteilte, dass kein öffentliches Interesse bestehe. Die Beklagte löste ihr Konto auf und transferierte das Geld weisungsgemäß in die Ukraine. Die klagende Versicherung nimmt die Beklagte aus nach ihrer Auffassung übergegangenem Recht wegen eines Schadens der V. in Anspruch.
Das LG hat die Beklagte mit dem am 8.1.2009 verkündeten Urteil, der Beklagten zugestellt am 27.1.2009, zur Zahlung von 5.870 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.2.2008 sowie zur Zahlung vorgerichtlicher Kosten i.H.v. 558,69 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.7.2008 verurteilt. Wegen der Einzelheiten - insbesondere der tatsächlichen Feststellungen - wird auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen. Hiergegen richtet sich die Beklagte mit ihrer am 5.2.2009 eingelegten und am 27.3.2009 begründeten Berufung.
Die Beklagte trägt zur Begründung der Berufung vor:
Das LG habe ohne Einzelrichterbeschluss nicht durch den Einzelrichter entscheiden dürfen. Es sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass die selbst erstellten Unterlagen der Klägerin Beweis für die bestrittene Zahlung an die V. erbringen würden. Das angebotene Zeugnis sei abwegig, da sich der Zeuge niemals an die einzelne Überweisung erinnern könne. Die Klägerin habe das Bestehen eines Versicherungsvertrags sowie dessen etwaigen Inhalt und deshalb eine Verpflichtung zur Zahlung oder eine Kulanzzahlung nicht schlüssig vorgetragen. Geschädigter sei nicht die V. ' sondern Herr N. § 261 StGB sei kein Schutzgesetz, weil es nur auf die Intention des Gesetzgebers ankomme und Schutzzweck der Vorschrift die staatliche Rechtspflege und das Ermittlungsinteresse der Strafverfolgungsbehörden seien. Die Beklagte habe auch nicht leichtfertig gehandelt. Sie habe die Angelegenheit durchaus als dubios empfunden, aber vermutet, dass Herr N. unter einer Decke mit der "w." stecke. Einen anderen Zusammenhang habe sie nicht ersehen können. Von "Phishing" habe sie nichts gehört. Anderenfalls wäre sie selbst nicht Online-Banking-Kundin geworden. Sie habe nur einen höchst vagen Verdacht gehabt, dass es etwas Steuerliches sein könne. Die vom LG angenommene Gefahr des Totalverlusts sei nicht sicher, weil der Anweisende nach der Überweisung erkennen könne, wohin er sein Geld überwiesen habe, und der Empfänger in aller Regel auch nicht unbekannt sei.
Sie sei am 24.8.2006 auf der Fahrt zur S.auf ihrem Handy angerufen und von einem Mann mit russischem Akzent bedroht worden (Beweis: Zeugnis L.S.). Hierdurch und durch die Absage der Strafverfolgungsbehörden, ihr zu helfen, sei sie in die Zwangslage gebracht worden, entweder sich der Gefahr einer Körperverletzung oder Schlimmerem auszusetzen oder den Geldbetrag abzuheben und bei der W...einzuzahlen. Es überzeuge nicht, dann quasi von bewusster Fahrlässigkeit zu sprechen. Es fehle auch an der Ursächlichkeit zwischen Schutzgesetzverletzung und Schaden. Der Schaden sei durch den Computerbetrug verwirklicht worden. Hiermit habe die Beklagte nichts zu tun gehabt. Die Befolgung des Verbots des § 261 StGB hätte den Schadenseintritt nicht verhindern können. Wenigstens sei die Tat gerechtfertigt, §§ 32, 34 StGB und § 228 BGB. Sie sei durch den Drohanruf genötigt worden. Sie habe die Gefahr auch nicht fahrlässig mitverschuldet. Es sei nicht überzeugend, dass ihr hätte einleuchten müssen, dass sie trotz Rücktritts da nicht wieder herauskomme. Mit Drohungen und der Untätigkeit der Behörden habe sie nicht rechnen müssen. Jedenfalls müsse der V. ein Mitverschulden angelastet werden. Von einer Bank könne eine gesteigerte Sorgfaltspflicht verlangt werden. Sie habe keine hinreichenden Sicherungen vorgenommen. Das sei zumindest leichtfertig, wenn nicht billigend in Kauf genommen. Es sei sorgfaltspflichtwidrig, der Provideradresse in den USA nicht na...