Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 10.01.2012; Aktenzeichen 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08)

 

Tenor

I. Der Antrag auf Durchführung eines Spruchverfahrens wird zurückgewiesen.

II. Die Gerichtskosten trägt die Antragsgegnerin.

III. Der Geschäftswert wird auf EUR 200 000,– festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

1. Die Antragsgegnerin zu 2) verfügt als Kommanditgesellschaft auf Aktien über ein Gesamtkapital in Höhe von EUR 11 059 200,–, wobei sich das Gesamtkapital aus dem Kapital A. als Grundkapital und dem Kapital B. als Summe der Kapitalanteile der persönlich haftenden Gesellschafter mit Kapitalanteil zusammensetzt. Das Grundkapital ist in 3 701 588 Stückaktien eingeteilt. Die Aktien der Antragsgegnerin zu 2) waren an der Bayerischen Börse zum amtlichen Handel zugelassen. Der Vorstand der Antragsgegnerin zu 2) beantragte den Widerruf der Zulassung zur Preisfeststellung im amtlichen Markt für die Aktien der Antragsgegnerin zu 2). Der unter dem 6.4.2006 ausgesprochene Widerruf wurde mit Ablauf des 31.5.2006 wirksam. Seit dem 1.6.2006 werden die Aktien der Antragsgegnerin zu 2) in dem Segment M:access der Börse München gehandelt. Die Hauptversammlung der Antragsgegnerin zu 2) stimmte diesem Wechsel von amtlichen Markt in das Segment M:access nicht zu; ein Pflichtangebot über den Kauf der Aktien der Minderheitsaktionäre durch die Antragsgegnerin zu 2) oder die Antragsgegnerin zu 1) als Großaktionäre der Antragsgegnerin zu 2) erfolgte nicht. Die Veröffentlichung des Widerrufs der Zulassung erfolgte in der Börsenzeitung vom 7.4.2006.

2. Die Antragsteller sind der Auffassung, der Wechsel vom amtlichen Markt in den Freiverkehr, zu dem auch das Segment M:access gehöre, eröffne den Anwendungsbereich des Spruchverfahrens. Ein Hauptversammlungsbeschluss müsse in der hier gegebenen Konstellation eines Delisting dem Spruchverfahren nicht vorausgehen. Vor allem aber ergebe sich aus der Wertung des Gesetzes, dass börsennotierte Gesellschaften zu stärken seien und der Handel im Freiverkehr in den Anforderungen an die Notierung dem amtlichen oder geregelten Markt nicht vergleichbar sei. Deshalb gebiete das grundrechtlich geschützte Eigentum entsprechend den vom BGH aufgestellten Grundsätzen die Durchführung eines Spruchverfahrens. Die Frist für die Einleitung des Spruchverfahrens könne erst mit dem Wirksamwerden der Maßnahme zu laufen beginnen und nicht schon mit der Veröffentlichung des Widerrufsbeschlusses. Der Nachweis der Antragsberechtigung müsse nicht innerhalb der 3-Monatsfrist geführt werden.

Die einzelnen Anträge auf Durchführung eines Spruchverfahrens mit dem Ziel der Festsetzung eines angemessenen Abfindungsangebots gingen bei Gericht wie folgt ein:

Antragsteller zu 1) und zu 2): 19.4.2006

Antragsteller zu 3) bis zu 6): 6.7.2006

Antragstellerin zu 7): 21.7.2006

3. Die Antragsgegnerin hält die Anträge auf Durchführung eines Spruchverfahrens für unzulässig. Es fehle bereits der Hauptversammlungsbeschluss mit einem Pflichtangebot; allen gesetzlich geregelten Fällen über die Statthaftigkeit eines Spruchverfahrens – abgesehen vom Sonderfall des Artikel 5 Abs. 1 EGAktG – gehe ein entsprechender Hauptversammlungsbeschluss voraus. Zudem könne erst aus diesem der Gegenstand der Überprüfung im Spruchverfahren zusammen mit dem oder den Zahlungspflichtigen definiert werden. Der Segmentwechsel vom amtlichen Markt in das neu geschaffene Handelssegment M:access stelle kein Delisting im Sinne der Rechtsprechung des BGH dar. Das Regelwerk des M:access schreibe die Einhaltung von Publizitätspflichten vor. Auch bestehe aufgrund des Regelwerks dieses Segments die Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Emittentenberichts. Eine Einschränkung der Verkehrsfähigkeit der Aktien finde nicht statt. Zudem unterliege die Antragsgegnerin zu 1) als Kommanditgesellschaft auf Aktien nur teilweise dem Aktiengesetz, was insbesondere hinsichtlich der Stellung und der Kompetenz der Hauptversammlung deutlich werde. Angesichts dieser Besonderheiten, insbesondere wegen des fehlenden Einflusses der Kommanditaktionäre auf die Geschäftsleitung der Antragsgegnerin zu 2) könne ein Eingriff in deren Vermögenssphäre durch die Vornahme des Segmentwechsels nicht angenommen werden. Die Unzulässigkeit der Anträge resultiere zudem aus dem unterbliebenen Nachweis der Aktionärsstellung innerhalb der Frist von 3 Monaten. Die Antragstellerin zu 7) habe zudem ihren Antrag verfristet bei Gericht eingereicht.

4. Das Gericht hat mit Beschluss vom 25.1.2007 (Bl. 71/73 d.A.) eine amtliche Auskunft der Börse München eingeholt. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Auskunft der Börse München vom 15.2.2007 (Bl. 74/80 d.A.). Am 24.5.2007 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden.

Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des jeweiligen Sachvortrages wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.05.2007 (Bl. 102/105 d.A.).

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Der Antrag ist zurückzuweisen gewesen, weil das Spr...

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