Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit einer Mehrabführungsklausel in einem Grundstückskaufvertrag nach dem sog. "Einheimischenmodell"
Leitsatz (amtlich)
1. Vereinbart eine Gemeinde in einem Grundstückskaufvertrag über ein erschlossenes unbebautes Grundstück mit dem ortsansässigen Käufer zur Förderung der Ansiedlung Einheimischer einen Kaufpreis, der unterhalb des Marktwertes liegt (sog. Einheimischenmodell), so ist sie nach § 11 Abs. 2 BauGB grundsätzlich berechtigt, vom Käufer den Mehrerlös zurückzufordern, der sich bei einer vorzeitigen Veräußerung des Grundstücks innerhalb einer bestimmten Frist (hier: 10 Jahre) ergibt. Dieser Mehrerlös kann entweder berechnet werden aus der Differenz zwischen dem An- und dem späteren Verkaufspreis oder aus dem dem Käufer im Zeitpunkt des Ankaufs gewährten Preisnachlass, also der Differenz zwischen Verkehrswert und Ankaufspreis.
2. Unzulässig sind demgegenüber vertragliche Gestaltungen, bei denen die Gemeinde sich einen Mehrerlös versprechen lässt, der zzgl. des bereits entrichteten Kaufpreises zu einer Zahlungsverpflichtung des Erwerbers führt, die oberhalb des Verkehrswertes sowohl zum Zeitpunkt des Ankaufs als auch des Verkaufs liegt. Das gilt insbesondere für Regelungen, die faktisch dazu führen, dass der Erwerber die Erschließungskosten doppelt bezahlen muss, weil der Mehrerlös aus der Differenz zwischen dem Wert des unbebauten erschlossenen Grundstücks im Zeitpunkt der Weiterveräußerung und dem lediglich anteiligen Preis für den unerschlossenen Grund und Boden im Zeitpunkt des Ankaufs besteht, der Erwerber aber beim Ankauf gleichwohl zusätzlich die Erschließungskosten zu bezahlen hat.
Normenkette
BGB § 812; BauGB § 11
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Urteil vom 26.09.2007; Aktenzeichen 8 O 239/07) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 26.9.2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des LG Verden wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Berufung ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einem Rechtsfehler (§ 513 Abs. 1, Alt. 1, § 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1, Alt. 2 ZPO). Den Klägern steht gem. § 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 1 BGB ein Anspruch auf Rückzahlung von 14.370,65 EUR zu, weil der Beklagte ihren diesbezüglichen Anspruch nicht auf die in § 7 Abs. 8 des Vertrages vom 19.8.1999 vereinbarte Mehrerlösabführungsklausel stützen kann.
1. Nach § 11 Abs. 1 S. 1 BauGB können Gemeinden städtebauliche Verträge schließen. Gegenstände eines städtebaulichen Vertrages können insbesondere sein die Förderung und Sicherung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele, insbesondere die Deckung des Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung (§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB). Nach § 11 Abs. 2 BauGB müssen die vereinbarten Leistungen den gesamten Umständen nach angemessen sein. Die Vereinbarung einer vom Vertragspartner zu erbringenden Leistung ist unzulässig, wenn er auch ohne sie einen Anspruch auf die Gegenleistung hätte.
In dem Kaufvertrag vom 19.8.1999 ist in § 7 Abs. 8 vereinbart worden, dass der Käufer sich verpflichtet, bei einem Verkauf des Wohngrundstücks innerhalb von 10 Jahren den Mehrerlös an den Beklagten abzuführen. Mehrerlös ist der Betrag, um den der Richtwert im Zeitpunkt des Verkaufs ggü. dem ursprünglich gezahlten Kaufpreis für Grund und Boden (55 DM/qm) überschritten wird.
Der Käufer soll mithin, auch wenn bereits die sprachliche Formulierung missglückt ist, verpflichtet sein, den Differenzwert zwischen dem Richtwert im Zeitpunkt des Verkaufs und dem im Zeitpunkt des Kaufs gezahlten Kaufpreis von Grund und Boden von 55 DM/qm an den Beklagten abzuführen. Die Klausel wurde aufgenommen im Rahmen des Verkaufs mehrerer Grundstücke durch den Beklagten in einem Baugebiet im Rahmen des sog. Einheimischenmodells (vgl. auch die Verkaufsbedingungen des Beklagten). Durch dieses Einheimischenmodell soll es ortsansässigen Bürgern ermöglicht werden, Grundstücke unterhalb des Verkehrspreises zu erwerben, um Einheimische im Ort zu halten und ihnen gegenüber zahlungskräftigeren auswärtigen Interessenten den Erwerb von Bauland zu erschwinglichen Bedingungen zu ermöglichen. Insoweit ist zwischen den Parteien sowohl dieser Hintergrund der vertraglichen Vereinbarung als auch der Umstand, dass das Grundstück 1999 unter Verkehrswert veräußert wurde, unstreitig. Es handelt sich vorliegend mithin um einen privatrechtlichen Vertrag, der dem Anwendungsbereich des § 11 BauGB unterfällt, weil er der Deckung des Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung dient (vgl. für ähnliche Fälle des Einheimischenmodells BGH NJW 2003, 888; NJW-RR 2007, 962).
Prüfungsmaßstab für die Zulässigkeit der Mehrerlösabführungsklausel ist daher in jedem Fall § 11 Abs. 2 BauGB. Ob daneben noch auf die §§ 305 ff. BGB zurückgegriffen werden kann, ist noch nicht abschließend geklärt. Diese wären vom Grunde her anwendba...