Entscheidungsstichwort (Thema)

Ansatz zu niedriger Streitwerte bei Wirtschaftsverfahren

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Beschluss vom 16.12.2010)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Streitwertbeschluss der 4a. Zivilkammer des LG Düsseldorf vom 16.12.2010 wird zurückgewiesen.

II. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

III. Die Klägerin und ihre Prozessbevollmächtigten erhalten Gelegenheit, binnen 3 Wochen zu dem gegen sie bestehenden Verdacht eines gemeinschaftlichen versuchten Betruges zu Lasten der Landeskasse Stellung zu nehmen.

 

Gründe

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Streitwertbeschluss des LG, mit der sie eine Herabsetzung des vom LG auf 30.000.000,- EUR festgesetzten Streitwertes auf einen Betrag von 11.150.000,- EUR begehrt, ist gem. § 68 Abs. 1 GKG statthaft und auch ansonsten zulässig. In der Sache bleibt die Streitwertbeschwerde jedoch ohne Erfolg.

I.1. Der Streitwert ist vom Gericht gem. § 51 Abs. 1 GKG nach freiem Ermessen festzusetzen. Maßgeblich ist das wirtschaftliche Interesse, das der Kläger mit seiner Klage objektiv verfolgt, wobei es für die erste Instanz auf die Verhältnisse bei Klageeinreichung und für die zweite Instanz auf die Verhältnisse bei Berufungseinlegung ankommt (§ 40 GKG).

Ist Gegenstand des Verfahrens - wie meist - ein Unterlassungsanspruch, ist entscheidend, mit welchen Nachteilen der Kläger bei einer Fortsetzung des beanstandeten patentverletzenden Verhaltens rechnen muss. Die Streitwertfestsetzung hat insoweit dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das Rechtsschutzziel nicht in einer Sanktion für den oder die bereits vorliegenden, die Wiederholungsgefahr begründenden Verstöße besteht, sondern dahin geht, den Kläger vor künftigen Verletzungshandlungen zu bewahren. Das Interesse an der Rechtsverfolgung richtet sich demgemäß weniger nach dem mit der begangenen Zuwiderhandlung verbundenen wirtschaftlichen Schaden der Partei; ausschlaggebend ist vielmehr das wirtschaftliche Interesse an einer Abwehr der mit weiteren Verstößen verbundenen Nachteile. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang zunächst die bei Klageerhebung noch gegebene Restlaufzeit des Klagepatents. Zu berücksichtigen sind darüber hinaus einerseits die Verhältnisse beim Kläger (wie dessen Umsatz, Größe und Marktstellung), die Aufschluss über den voraussichtlich drohenden Schaden geben, andererseits Art, Ausmaß und Schädlichkeit der Verletzungshandlung sowie die Intensität der Begehungs- oder Wiederholungsgefahr. Werden mit der Klage außerdem Ansprüche auf Rechnungslegung, Entschädigung und Schadenersatz geltend gemacht, so ist der in der Vergangenheit (bis zur Einreichung der Klage) bereits entstandene Kompensationsanspruch überschlägig zu schätzen und der entsprechende Betrag dem Streitwert für den Unterlassungsanspruch hinzuzurechnen, um einen Gesamtstreitwert zu bilden.

Rechnerisch kann zu diesem Zweck eine über die restliche Laufzeit des Patents angestellte Lizenzbetrachtung angestellt werden, indem diejenigen Lizenzgebühren ermittelt werden, die dem Kläger mutmaßlich zustehen würden, wenn die Verletzungshandlungen bis zum Ablauf des Klagepatents fortgesetzt werden. Unterhalb des sich hiernach ergebenden Betrages wird der Streitwert für die auch auf Unterlassung gerichtete Klage nicht festgesetzt werden können (Senat, InstGE 12, 7, 8 - Du sollst nicht lügen!). Die Lizenzberechnung stellt hierbei keinen Höheprozess dar; vielmehr hat eine bloß überschlägige Ermittlung stattzufinden, wobei allerdings regelmäßig ein Lizenzsatz am obersten denkbaren Rahmen anzusetzen ist. Letzteres trägt insbesondere der Tatsache Rechnung, dass die Lizenzanalogie erfahrungsgemäß nur den geringstmöglichen Schadenersatzbetrag ergeben wird, der von dem herauszugebenden Verletzergewinn oder dem zu ersetzenden entgangenen eigenen Gewinn (die mangels Kenntnis von den berechnungsrelevanten Geschäftsdaten für die Streitwertbemessung nicht zur Verfügung stehen werden) - ggf. deutlich - übertroffen werden wird.

2. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze ist die vom LG vorgenommene Streitwertfestsetzung auf 30.000.000,- EUR nicht zu beanstanden.

a) Die Klägerin hat in ihrer Klageschrift vom 7.1.2009 den Streitwert mit 5.000.000 EUR angegeben. Diese Wertangabe ist schon nach ihren eigenen Darlegungen in der Beschwerdeinstanz deutlich zu niedrig bemessen. Den maßgeblichen Gesamtumsatz der Beklagten in der Zeit von 2006 bis zum voraussichtlichen Ablauf des Klagepatents am 30.6.2012 gibt die Klägerin nach Auswertung verschiedener von ihr herangezogener Quellen selbst mit 2.028.000.000 EUR an, wobei auf die Jahre 2006 bis 2010 ein Umsatz von 1.162.000.000 EUR und auf die Zeit von 2011 bis zum Ablauf des Klagepatents ein prognostizierter Umsatz von 866.000.000 EUR entfällt. Auf diese Beträge ist - wie die Klägerin einräumt - ein von ihr den Beklagten selbst vorgerichtlich im Rahmen eines Vergleichsangebotes unterbreiteter Lizenzsatz von (mindestens) 0,5 % anzuwenden, was einen Strei...

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