Entscheidungsstichwort (Thema)
Entbehrlichkeit der Abnahme als Fälligkeitsvoraussetzung für Werklohnanspruch bei Minderungserklärung des Auftraggebers. Geltendmachung der Mängelrechte vor Abnahme. Ausschluss der durch den Auftraggeber erklärten Minderung gegenüber dem Schadensersatzanspruch statt der Leistung. Schadensminderungspflicht des Auftraggebers
Leitsatz (amtlich)
- Erklärt der Auftraggeber im Rahmen eines Werklohnprozesses wegen von ihm behaupteter Mängel der Werkleistung des Auftragnehmers die Minderung in Höhe des restlichen Vergütungsanspruches, wird hierdurch das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis umgewandelt mit der Folge, dass die Abnahme als Fälligkeitsvoraussetzung für den Werklohnanspruch entbehrlich ist.
- Hat der Auftraggeber mit Blick auf von ihm behauptete Mängel sein Minderungsrecht gegenüber dem Werklohnanspruch des Unternehmers ausgeübt und die Höhe der Minderung primär mit dem Vortrag begründet, die zur Minderung berechtigenden Mängel führten dazu, dass das Werk völlig wertlos sei und damit eine Minderung auf "Null" gerechtfertigt sein, ist es für die Auslegung der Minderungserklärung ohne Belang, wenn sich zeitlich nach der Minderungserklärung herausstellt, dass das Werk noch (weitere) gravierendere Mängel aufweist bzw. die für die Minderung angeführten Mängel schwerwiegender sind als zunächst angenommen.
- Ausnahmsweise können ohne vorherige Abnahme der Werkleistung Vorschuss-oder Aufwendungsersatzansprüche nach § 637 BGB oder die Minderung nach § 638 BGB geltend gemacht werden, wenn eine Erfüllung des Vertrages nicht mehr in Betracht kommt, wovon auszugehen ist, wenn der Auftragnehmer das an ihn vor Abnahme gerichtete Begehren des Auftraggebers nach Mängelbeseitigung endgültig abgelehnt und daraufhin der Auftraggeber die Abnahme endgültig verweigert hat.
- Der mangelbedingte Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach §§ 634 Nr. 4, 636, 281 BGB gerichtet auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten ist ausgeschlossen, wenn der Auftraggeber wegen derselben Mängel bereits die Minderung nach § 634 Nr. 3 Alt. 2, 638 BGB erklärt hat.
- Durch die Ausschlusswirkung der Minderung gegenüber Schadensersatzansprüchen statt der Leistung wird die Geltendmachung des Schadensersatzes neben der Leistung nicht betroffen.
- Der Geltendmachung von Nutzungsausfallschäden in Form des entgangenen Gewinns durch den Auftraggeber kann der in Anspruch genommene Werkunternehmer einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht nicht entgegenhalten, wenn der Auftragnehmer die eine Nutzbarkeit bzw. Vermietbarkeit entgegenstehenden Mängel wegen noch nicht abgeschlossener sachverständiger Feststellungen im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens bzw. im Rahmen eines gerichtlichen Prozesses nicht selber beseitigt hat.
- Auch nach beweiskräftiger Feststellung der Mängel und Mängelursachen besteht eine Schadensminderungspflicht durch Eigenbeseitigung des Mangels nicht, wenn der Auftraggeber nicht über die finanziellen Mittel verfügt, um die Mängelbeseitigung durchzuführen.
Normenkette
BGB §§ 633-634, 636-638, 280-281, 254
Verfahrensgang
LG Duisburg (Urteil vom 22.11.2013; Aktenzeichen 10 O 236/04) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 22.11.2013 verkündete Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des LG Wuppertal abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Widerklageantrag der Beklagten ist dem Grunde gerechtfertigt, soweit die Beklagte mit der Widerklage Schadensersatz neben der Leistung in Form von
- Grundbesitzabgaben
- Heizkosten
- Mietausfall bzw. Nutzungsausfall
- Sachverständigenkosten
- Kosten wegen des vorzeitigen Darlehenskündigung
- Wiederaufbaukosten, soweit es um die Kosten für Ausbauarbeiten geht, die außerhalb des Leistungsumfanges des Klägers liegen, und schließlich
- Kosten für die Wiederherstellung der Außentreppe
geltend macht
Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Die weiter gehenden Berufungen des Klägers, der Streithelfer und der Beklagten werden zurückgewiesen.
Die Revision wird im Hinblick auf die Fragen zugelassen,
- ob durch die von der Beklagten erklärte Minderung ein von ihr nachfolgend geltend gemachter Schadensersatz statt der Leistung ausgeschlossen wird und
- ob trotz noch nicht erfolgter Abnahme eine wirksame Minderung bei durch den Auftragnehmer erklärter ernsthafter Weigerung der Mängelbeseitigung und nachfolgend endgültiger Abnahmeverweigerung durch den Auftraggeber erfolgen kann.
Tatbestand
A) Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung restlichen Werklohns in Anspruch; mit der Widerklage verlangt die Beklagte vom Kläger den Ersatz von Mängelbeseitigungskosten, von nutzlos gewordenen Aufwendungen sowie Miet- und Nutzungsausfall.
Die Beklagte beauftragte den Kläger mit der Erstellung eines Anbaus an ein Zweifamilienhaus auf dem Grundstück B. Straße 64 in O. Nach dem Tatbestand des angefochtenen Urteils ist Eigentümer dieses Grundstücks der Ehemann der Beklagten, der Zeuge B. Der Streithelfer L. plante das Bauvorhaben der...