Entscheidungsstichwort (Thema)
Heilung eines Zustellungsmangels: Übermittlung einer Urteilskopie vom unrichtigen an den richtigen Adressaten
Leitsatz (amtlich)
Bei fehlerhafter Zustellung des Gerichts an einen nicht mehr bevollmächtigten Rechtsanwalt einer Partei wird der Zustellungsmangel geheilt, wenn der Rechtsanwalt eine Kopie an den Prozessvertreter der Partei weiterleitet und das Original der beglaubigten Abschrift behält.
Normenkette
ZPO §§ 189, 233, 520 Abs. 2, § 522 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Beschluss vom 17.08.2016; Aktenzeichen 1 O 17/16) |
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am 17.08.2016 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Wiesbaden - 1 O 17/16 - wird als unzulässig verworfen.
Die Kläger haben die Kosten der Berufung zu tragen.
Gründe
I. Die Kläger haben sich erstinstanzlich zunächst durch die Rechtsanwaltskanzlei A vertreten lassen. Diese hat dem LG gegenüber mit am 21.03.2016 eingegangenem Schriftsatz angezeigt, die Kläger nicht mehr anwaltlich zu vertreten. Spätestens in der mündlichen Verhandlung vom 08.06.2016 hat der nunmehrige Klägervertreter die Vertretung der Kläger übernommen. Das am 17.08.2016 verkündete Urteil des LG hat dieses jedoch an die Kanzlei A zugestellt, das dortige Empfangsbekenntnis datiert vom 24.08.2016.
Mit Schreiben vom 25.08.2016 hat Rechtsanwalt A das Urteil des LG in Kopie an den Klägervertreter übersandt.
Dieser hat am 26.09.2016 Berufung gegen das Urteil eingelegt. Am 23.11.2016 ist die vom 11.10.2016 datierende Berufungsbegründung der Kläger eingegangen.
Der Senat hat die Kläger darauf hingewiesen, dass eine Prüfung der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist nicht möglich sei, wobei maßgeblich für deren Beginn die Weiterleitung der beglaubigten Urteilsabschrift an den Klägervertreter sei. Hierauf haben die Kläger mitgeteilt, der Klägervertreter habe eine Kopie des erstinstanzlichen Urteils am 30.08.2016 erhalten.
Nach weiterem Hinweis des Senats, dass beabsichtigt sei, die Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu verwerfen, machen die Kläger geltend, die beglaubigte Urteilsabschrift nicht, die Kopie erst am 30.10.2016 erhalten zu haben. Eine Heilung des in der Zustellung an den ehemaligen Prozessbevollmächtigten der Kläger liegenden Zustellungsmangels über § 189 ZPO komme nicht in Betracht. Die Norm sei auf den Fall der falschen Zustellungsart nicht anwendbar, was sich aus der Entscheidung des BGH vom 19.05.2010 zu Az. IV ZR 14/08 ergebe. Hilfsweise beantragen die Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
II. Die Berufung ist nach § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Sie ist nicht rechtzeitig innerhalb der zweimonatigen Berufungsbegründungsfrist begründet worden.
1. Die Frist, die nach § 520 Abs. 2 ZPO mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils beginnt, lief bereits am 31.10.2016, einem Montag, ab. Die Berufungsbegründung ging erst nach Fristablauf am 23.11.2016 ein.
a) Der Fristlauf wurde nicht bereits mit Zustellung des erstinstanzlichen Urteils an die Kanzlei A in Gang gesetzt. Denn nach § 172 ZPO hat die Zustellung in einem anhängigen Verfahren an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten zu erfolgen. Ein Verstoß macht die Zustellung unwirksam. Die Kanzlei A war zum Zeitpunkt der Zustellung nicht mehr Prozessbevollmächtigte der Kläger. Vielmehr wurden die Kläger bereits durch ihren jetzigen Bevollmächtigten vertreten.
b) Der Zustellungsmangel ist jedoch nach § 189 ZPO durch Übersendung der Kopie der beglaubigten Urteilsabschrift an den Klägervertreter geheilt worden.
aa) Der Senat ist davon überzeugt, dass der Klägervertreter die Urteilskopie bereits entsprechend seinem ursprünglichen Vortrag am 30.08.2016 und nicht - wie zuletzt behauptet - erst am 30.10.2016 erhalten hat.
Der Eingang Ende August passt zunächst zu dem Übersendungsschreiben des Rechtsanwalts A vom 25.08.2016. Dass dieses Schreiben nebst Anlagen erst über zwei Monate nach seiner Datierung eingegangen sein soll, ist nicht plausibel. Darüber hinaus trägt die Berufungsbegründung das Datum 11.10.2016. Dies ist mit einem Eingang der Urteilskopie Ende Oktober nicht zu vereinbaren, weil der Klägervertreter die Berufungsbegründung dann hätte verfassen müssen, bevor er vom Inhalt des Urteils überhaupt Kenntnis hatte. Die Kläger erklären zudem mit keinem Wort, aus welchem Grunde zuletzt ein vom vorherigen Zugangsdatum abweichendes Datum vorgetragen wurde.
bb) Der Zugang der Kopie des Urteils bei dem Klägervertreter war für eine Heilung des Zustellungsmangels ausreichend.
(1) Zunächst können sich die Kläger für ihre gegenteilige Ansicht nicht auf das von ihnen in Bezug genommene Urteil des BGH zu Az. IV ZR 14/08 berufen. Die Entscheidung betraf die Frage, ob § 189 ZPO auch dann Anwendung findet, wenn die vorgeschriebene Amtszustellung überhaupt nicht stattgefunden hat, sondern das fragliche Dokument im Parteibetrieb zugestellt wurde. Dies ist jedoch für die hiesige Entscheidung ohne Relevanz, weil eine Amtszustellung - we...