Entscheidungsstichwort (Thema)
Anderweitig entgangene Anlagezinsen keine Nebenforderung
Leitsatz (amtlich)
1. Als Schadensersatz geltend gemachte anderweitig entgangene Anlagezinsen nach fehlsamem Beitritt zu einer Gesellschaft stellen keine Zinsen, jedenfalls aber keine Nebenforderungen i.S.d. §§ 4 Abs. 1 Satz 2 ZPO, 43 Abs. 1 GKG dar; sie sind als eigenständige Schadenspositionen dem übrigen Streitwert hinzuzurechnen.
2. Verlangt ein aufgrund unzulänglicher Beratung oder mangelnder Aufklärung fehlsam einer Gesellschaft beigetretener Gesellschafter zum einen Schadensersatz im Wege der Rückabwicklung und zum anderen hilfsweise Feststellung der Unwirksamkeit des Beitritts, betreffen die Ansprüche denselben Gegenstand i.S.d. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG.
Normenkette
GKG § 43 Abs. 1, § 45 Abs. 1 S. 3, § 48; ZPO § 4 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 15.03.2010) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Bevollmächtigten des Klägers wird der Beschluss der 21. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. vom 15.3.2010 über die die Festsetzung des Streitwerts 1. Instanz abgeändert.
Der Streitwert wird auf 58.355,01 EUR festgesetzt.
Die Beschwerde der Bevollmächtigten der Beklagten gegen den nämlichen Streitwertbeschluss wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten Rückzahlung seiner Einlage im Umfang von 42.519,03 EUR als atypisch stiller Gesellschafter der Rechtsvorgängerin der Beklagten unter den rechtlichen Gesichtspunkten eines fehlerhaften Emissionsprospekts, einer Formnichtigkeit des Beitritts sowie fehlerhafter Beratung. Des Weiteren begehrt er Schadensersatz i.H.v. 15.835,98 EUR unter dem Gesichtspunkt, dass er den Einlagebetrag - wäre er nicht zum Beitritt veranlasst worden - jedenfalls zu einem Zinssatz von 4 % hätte anderweitig anlegen können. Hilfsweise beantragt er, festzustellen, dass sein Beitritt zur Rechtsvorgängerin der Beklagten wegen Formnichtigkeit unwirksam war. Das LG hat die Klage abgewiesen; es ist Berufung eingelegt.
Mit Beschluss vom 15.3.2010 hat das LG den Streitwert für den vorliegenden Rechtsstreit auf 42.519,03 EUR festgesetzt. Hiergegen wenden sich die Bevollmächtigten der Beklagten und die des Klägers, letztere ausdrücklich aus eigenem Recht, jeweils mit dem Ziel einer höheren Festsetzung des Streitwerts. Die Bevollmächtigten des Klägers sind der Auffassung, der Betrag der entgangenen Anlagezinsen müsse dem Streitwert hinzugerechnet werden, die der Beklagten meinen, der Wert des Hilfsantrags sei bei der Streitwertfestsetzung zusätzlich zu berücksichtigen. Das LG hat den Beschwerden nicht abgeholfen.
II. Die jeweils als sofortige Beschwerde bezeichneten Eingaben der Bevollmächtigten des Klägers und der Bevollmächtigten der Beklagten sind als Beschwerden gem. § 68 GKG i.V.m. § 32 Abs. 2 RVG statthaft, wobei der Senat die Beschwerde der Bevollmächtigten der Beklagten mangels ausdrücklicher Angabe dahin auslegt, dass sie im eigenen Namen erhoben ist; sie sind auch im Übrigen zulässig. Die Beschwerde der Bevollmächtigten des Klägers führt unter Abänderung des Streitwertbeschlusses zu einer um 15.835,98 EUR höheren Festsetzung, die Beschwerde der Bevollmächtigten der Beklagten hat keinen Erfolg.
1. Die Beschwerde der Bevollmächtigten des Klägers hat Erfolg, weil die als entgangen geltend gemachten anderweitigen Anlagezinsen im vorliegenden Rechtsstreit nicht als Nebenforderung im Sinne der in der Regelung identischen Vorschriften des § 43 Abs. 1 GKG und des § 4 Abs. 1, Halbs. 2 ZPO anzusehen sind. Vielmehr macht der Kläger insoweit eine eigenständige Schadensposition geltend.
Ist auf dem Kapitalmarkt ein Anlageinteressent durch unrichtige Prospekte oder Verletzung von Aufklärungspflichten bewogen worden, einer (Anlage-) Gesellschaft beizutreten, kann er - als eine denkbare Möglichkeit des Schadensausgleichs - verlangen, so gestellt zu werden, wie er stehen würde, wie er gestanden hätte, wenn er der Gesellschaft nicht beigetreten wäre. In diesem Fall sind dem Geschädigten seine Einlage und die Vorteile zu ersetzen, die er durch deren anderweitige Anlage hätte erzielen können (BGH, Urt. v. 2.12.1991, NJW 1992, 1223 [juris Rz. 11]). Dies entspricht dem Begehren des Klägers im vorliegenden Rechtsstreit. Er begehrt Rückzahlung der Einlage und Ausgleich für die entgangenen Zinsvorteile; denn ein solcher Zinsschaden ergibt sich typischerweise daraus, dass das Eigenkapital in solcher Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt geblieben, sondern zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt worden wäre (BGH, a.a.O., Rz. 14).
Vor dem Hintergrund dieser rechtlichen Gegebenheiten ist es bereits erheblich zweifelhaft, ob es sich bei dem geltend gemachten Schaden in Gestalt anderweitig entgangener Anlagezinsen um "Zinsen" i.S.d. §§ 43 Abs. 1 GKG, 4 Abs. 1 Satz 2 ZPO handelt. Denn Zinsen im Sinne dieser Vorschriften sind typischerweise das vom Schuldner zu entrichtende Entgelt für die Überlassung von Kapital (vgl. nur Zöller/...