Leitsatz (amtlich)
1. Es bleibt offen, ob die Angemessenheitsvermutung in § 39a Abs. 3 WpÜG eine Fiktion, eine unwiderlegliche Vermutung oder aber widerleglich ist.
2. Der Markttest ersetzt beim übernahmerechtlichen Squeeze-out alle betriebswirtschaftlichen Bewertungsmethoden zur Ermittlung der vollen Entschädigung.
3. Unterstellt man die Widerleglichkeit der Angemessenheitsvermutung, so kann es im kapitalmarktrechtlichen Squeeze-out-Verfahren gleichwohl nur darum gehen, ob der Markttest ausnahmsweise keine Aussagekraft hat, weil Umstände vorgelegen haben, die die Marktkräfte verfälscht haben.
Normenkette
WpÜG §§ 39a, 39b
Verfahrensgang
Nachgehend
Gründe
I. Die Antragstellerin - eine Anstalt des öffentlichen Rechts - veröffentlichte am 11.11.2007 ihre Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots bezüglich sämtlicher auf den Inhaber lautender Aktien der A (...) - einer börsennotierten Aktiengesellschaft - zum Preis von 36,09 EUR je Stückaktie. Der gewichtete durchschnittliche Börsenkurs der Aktien der Zielgesellschaft während der letzten drei Monate vor der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe des Übernahmeangebots betrug 30,26 EUR je Aktie. Das Grundkapital der A beträgt 80.640.000 EUR und ist in 13.440.000 auf den Inhaber lautende Stückaktien mit einem anteiligen Betrag am Grundkapital von 6 EUR je Aktie eingeteilt. Die Angebotsunterlage, deren Veröffentlichung von der BaFin mit Datum vom 4.12.2007 gestattet worden war, veröffentlichte die Antragstellerin am 5.12.2007. Die Frist für die Annahme des Übernahmeangebots begann am 5.12.2007 und endete am 2.1.2008, 24.00 Uhr MEZ. Bis zu diesem Stichtag wurde das Übernahmeangebot für insgesamt 13.098.931 Aktien angenommen, was einem Anteil von rund 97,462 % des Grundkapitals und der Stimmrechte der Zielgesellschaft entspricht. Der Erwerb von 44,34 Prozent der Aktien (= 5.959.300 Aktien) beruhte auf unwiderruflichen Vereinbarungen (Irrevocable Undertakings) vom 11./12.11.2007 zwischen der Antragstellerin und vier auch namentlich in der Angebotsunterlage genannten Aktionären mit Beteiligungsquoten zwischen 5 und 25 %. In diesen Vereinbarungen hatten sich diese Aktionäre verpflichtet, die ihnen gehörenden Aktien der Antragstellerin bei einem Übernahmeangebot der Antragstellerin zu übertragen. Außerhalb des Angebotsverfahrens erwarb die Antragstellerin am 28.12.2007 weitere 20.153 Stückaktien ebenfalls zu einem Preis von 36,09 EUR je Aktie.
Die Antragstellerin gab unter Aufzählung im Einzelnen am 7.1.2008 bekannt, dass sämtliche Angebotsbedingungen mit Ablauf der Annahmefrist eingetreten waren. Die Übertragung der zum Verkauf eingereichten Aktien der A ist gegen Zahlung des Angebotspreises in bar erfolgt. Am 14.1.2008 gehörten der Antragstellerin 97,612 % des Grundkapitals und der Stimmanteile an der A (= 13.119.084 Stückaktien), wobei die Antragstellerin rund 0,15 % (= 20.153 Stückaktien) durch Parallelerwerb am 28.12.2007 erworben hat und 44,34 % (= 5.959,300 Stückaktien) aufgrund unwiderruflicher Verpflichtungserklärungen.
Mit einer am 15.1.2008 beim LG eingegangenen Antragsschrift hat die Antragstellerin u.a. einen Übertragungsantrag hinsichtlich der Restaktien gem. § 39a WpÜG gestellt. Diesen Antrag hat das LG im elektronischen Bundesanzeiger vom 30.1.2008 bzw. am 22.2.2008 bekannt gemacht.
Die Antragstellerin hat vorgetragen, dass die Voraussetzungen des § 39a WpÜG vorlägen. Sie habe aufgrund des Angebots über 90 % des vom Angebot betroffenen Grundkapitals erworben, wobei bei der Berechnung der 90 %-Grenze auch die Aktien einzubeziehen seien, die sie aufgrund der sog. Irrevocables erhalten habe.
Die Antragstellerin hat zuletzt beantragt, die stimmberechtigten, auf den Inhaber lautenden, nennwertlosen Stückaktien der A (...) (ISIN:..., WKN.), die nicht bereits der B -... - gehören, werden gegen Gewährung einer Abfindung i.H.v. 36,09 EUR je Stückaktie auf die B -... - übertragen; hilfsweise, die stimmberechtigten, auf den auf den Inhaber lautenden, nennwertlosen Stückaktien der A (...) (ISIN:..., WKN.), die nicht bereits der B -... - gehören, werden Zug um Zug gegen Gewährung einer angemessenen, von der B -... - zu zahlenden Abfindung je Stückaktie auf die B übertragen.
Die Antragsgegner haben sich nach der Bekanntmachung im Bundesanzeiger am Verfahren beteiligt und sind den Anträgen mit teilweise unterschiedlichen Argumenten entgegen getreten.
So ist vorgebracht worden, das LG Frankfurt/M. sei für die Entscheidung nicht zuständig. Der Antrag lasse die Rechtsform der Antragstellerin nicht erkennen, was ihn unwirksam mache.
Die §§ 39a ff. WpÜG entsprächen nicht der Übernahmerichtlinie. Diese bestimme in Art. 15: "Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass eine angemessene Abfindung garantiert wird." Es obliege deswegen dem nationalen Gesetzgeber, dafür Sorge zu tragen, dass der Aktionär auf j...