Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfolgungsverjährung

 

Leitsatz (amtlich)

Ist die zweijährige Frist der Verfolgungsverjährung abgelaufen, muss ein vor Eintritt der Verjährung erstinstanzlich festgesetztes, jedoch nicht rechtskräftig gewordenes Ordnungsmittel im Beschwerdeverfahren aufgehoben werden.

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 06.08.2001; Aktenzeichen 3/8 O 187/97)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 05.11.2004; Aktenzeichen IXa ZB 18/04)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert. Der Vollstreckungsantrag vom 3.1.2002 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Vollstreckungsverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Beschwerdewert: 22.500 Euro.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Den Antragsgegnerinnen ist es durch Beschluss – einstweilige Verfügung – des LG Frankfurt am Main vom 13.1.1998 untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken unverbindliche Preisempfehlungen des Herstellers anzugeben, soweit diese nicht oder nicht mehr in der angegebenen Höhe bestehen.

Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 3.1.2002 hat die Antragstellerin die Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 890 ZPO gegen die Antragsgegnerinnen wegen zweier Werbeaussagen beantragt, die am 14.10.2001 und am 21.10.2001 erschienen sind. Das LG hat vor der Entscheidung über den Vollstreckungsantrag den Ausgang eines zwischen anderen Parteien geführten Vollstreckungsverfahrens, das dieselbe Zuwiderhandlung zum Gegenstand hatte, abgewartet. Mit Beschluss vom 6.8.2003 hat das LG gegen die Antragsgegnerinnen Ordnungsgelder i.H.v. jeweils 7.500 Euro, ersatzweise für je 500 Euro Ordnungsgeld einen Tag Ordnungshaft, festgesetzt. Hiergegen haben die Antragsgegnerinnen fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 11.9.2003 hat das LG der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem erkennenden Senat zur Entscheidung vorgelegt. Der Senat hat dem Antragsgegnervertreter auf dessen Antrag am 10.10.2003 die Akte für drei Tage zur Akteneinsicht übersandt. Die Akte wurde trotz mehrfacher telefonischer Aufforderungen durch die Geschäftsstelle des Senats erst am 25.11.2003 zurückgegeben.

Mit der am 13.11.2003 eingereichten Beschwerdebegründung berufen sich die Antragsgegnerinnen u.a. auf den Eintritt der Verfolgungsverjährung nach Art. 9 Abs. 1 EGStGB. Die Antragstellerin macht hierzu geltend, die Verfolgungsverjährung sei durch den angefochtenen Beschluss des LG nach § 890 ZPO rechtzeitig gehemmt worden.

II. Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Vollstreckungsantrag gem. § 890 ZPO vom 3.1.2002 ist unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zurückzuweisen, da während des Beschwerdeverfahrens Verfolgungsverjährung (Art. 9 Abs. 1 EG-StGB) eingetreten ist.

Die Handlungen, die mit dem Vollstreckungsantrag vom 3.1.2002 nach § 890 ZPO geahndet werden sollen, sind am 14.10.2001 und am 21.10.2001 durch Veröffentlichung der als Anlagen JS 1 und JS 3 zum Vollstreckungsantrag vorgelegten Werbeanzeigen beendet worden; eine Fortsetzung der Werbung über die genannten Zeitpunkte hinaus hat die Antragstellerin jedenfalls nicht vorgetragen. Da die mit Beendigung der Handlung in Lauf gesetzte zweijährige Verjährungsfrist (Art. 9 Abs. 1 S. 2, 3 EGStGB) inzwischen abgelaufen ist, ist gem. Art. 9 Abs. 1 S. 1 EGStGB eine Festsetzung von Ordnungsmitteln ausgeschlossen. Daraus folgt auch, dass ein vor Eintritt der Verjährung erstinstanzlich festgesetztes, jedoch nicht rechtskräftig gewordenes Ordnungsmittel im Beschwerdeverfahren aufgehoben werden muss. Der erkennende Senat folgt insoweit in vollem Umfang den überzeugenden Ausführungen im Beschluss des OLG Düsseldorf vom 27.12.1999 (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.12.1999, WRP 2002, 464). Denn ungeachtet des Wortlauts von Art. 9 Abs. 1 EGStGB, wonach der Verjährungseintritt die „Festsetzung” von Ordnungsmitteln ausschließt, folgt aus dem strafähnlichen Charakter der Ordnungsmittel gem. § 890 ZPO, dass – wie im Strafrecht (BGHSt 20, 198 [200]) – auch hier die Verfolgungsverjährung erst mit der Rechtskraft des verurteilenden Erkenntnisses endet. Demgegenüber enthält Art. 9 Abs. 1 EGStGB keine dem § 78b StGB entspr. Regelung, wonach eine im ersten Rechtszug erfolgte Festsetzung von Ordnungsmitteln den Ablauf der Verjährungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens hemmt.

Soweit das OLG Nürnberg abweichend von der hier vertretenen Auffassung in einer Entscheidung vom 19.8.1998 (OLG Nürnberg v. 19.8.1998, WRP 1999, 1184 [1187]) angenommen hat, nach einer erstinstanzlich erfolgten, noch nicht rechtskräftigen Festsetzung von Ordnungsmitteln könne eine Verfolgungsverjährung nicht mehr eintreten, beruhte dies auf der Erwägung, dass die sofort vollstreckbare erstinstanzliche Entscheidung die Vollstreckungsverjährung nach Art. 9 Abs. 2 EGStGB in Lauf setzte, neben der eine Verfolgungsverjährung nicht mehr möglich sei. Dieser Annahme ist jedoch inzwischen jedenfalls dadurch die Grundlage entzogen worden, dass gem. § 570 Abs. 1 ZPO in der seit 1.1.2002...

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