Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesundheitsbezogene Angaben für Lebensmittel
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (hier: Pilzextrakt) mit der Health-Verordnung vereinbar sind, insbesondere über die erforderliche wissenschaftliche Absicherung ihrer Wirkung verfügen.
Normenkette
UWG § 4 Nr. 11; EGV 1924/2006
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 15.07.2010) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 15.7.2010 verkündete Urteil des LG Frankfurt/M. wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe 30.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Zulässigkeit verschiedener Werbeaussagen für "Vital-Pilze", die nach Auffassung des Klägers gegen die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben in Lebensmitteln (ABl. EG Nr. L 404 vom 30.12.2006, S. 9 - sog. Health-Claims-Verordnung, im Folgenden auch "HCV") und teilweise darüber hinaus gegen die Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.1.1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten (ABl. EG Nr. L 43 vom 14.2.1997, S. 1 - 6 - sog. "Novel-Food-Verordnung", im Folgenden auch "NFV") verstoßen und deren Verwendung nach Auffassung des Klägers deshalb wettbewerbswidrig und unzulässig i.S.v. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG ist.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört. Die Beklagte vertreibt "Nahrungsergänzungsmittel" in Gestalt von getrocknetem Pilzpulver, das sie in Kapseln zum Einnehmen anbietet. Für diese warb sie in der Zeitschrift "X", Heft ... (Anlage K 2) sowie auf ihrer Internetseite www ... de (Anlage K 3) - soweit für das Berufungsverfahren noch relevant - mit den aus dem nachstehend wiedergegebenen Tenor des angegriffenen Urteils ersichtlichen Aussagen.
Das LG hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu werben:
2. für das Mittel "Reishi Vitalpilz"
"Zur Unterstützung eines gesunden Herz-Kreislaufs verbessert dieser Vitalpilz die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit bei Stress."
4. für das Mittel "Hericium Vitalpilz"
"Vitalpilz zur Unterstützung einer gesunden Verdauung."
5. für das Mittel "Cordyceps Vitalpilz"
5.1. "zur Unterstützung einer optimalen Leistungsfähigkeit",
5.2. "Der Raupenpilz erhöht die Ausdauer und Leistungsfähigkeit",
5.3. "- eine gesteigerte Lebensqualität und die unterstützende Fähigkeit für eine gesunde Libido sind für den Raupenpilz bekannt!",
6. für das Mittel "Agaricus Vitalpilz"
"Starker Vitalpilz in der effektiven Unterstützung des Immunsystems",
7. für das Mittel "Coriolus Vitalpilz"
"zur Unterstützung eines stabilen Immunsystems",
8. für das Mittel "Auricularia Vitalpilz"
8.1. "Zur Unterstützung einer gesunden Durchblutung",
8.2. "für gesunde Blutgefäße",
8.3. "ist geeignet, um die Blutgefäße gesund zu erhalten",
9. für das Mittel "Coprinus Vitalpilz"
"zur Unterstützung einer gesunden Blutzuckerfunktion",
10. für das Mittel "Polyporus Vitalpilz",
10.1. "Zur Vorbeugung gegen natürlichen Haarausfall",
10.2. "Zur unterstützenden Vorbeugung gegen Wassereinlagerungen",
10.3. "Unter anderem unterstützt dieser Vitalpilz die Neubildung von gesundem kräftigem Haar ...",
wenn dies geschieht wie in Anlage K 3 geschehen.
Es hat dazu die Auffassung vertreten, die Aussagen gemäß den Anträgen 4, 5, 5.1, 5.2, 5.3, 6, 8, 8.1, 8.2, 8.3, 9, 10, 10.1 10.2, 10.3 seien mit der HCV nicht vereinbar. Die Aussagen enthielten Bezüge zu Körperfunktionen i.S.v. Art. 13 Abs. 1 lit. a) HCV, ohne dass die Beklagte den nach Art. 5 Abs. 1 HCV erforderlichen Nachweis der beworbenen positiven physiologischen Wirkung erbracht habe.
In Bezug auf die Aussagen gemäß der Anträge 2. und 7. (Produkte "Reishi Vitalpilz" und "Coriolus Vitalpilz") hat das LG Verstöße gegen die Novel-Food-Verordnung angenommen, weil es sich bei diesen Pilzsorten um Lebensmittel handele, die am Stichtag 15.5.1997 in der Gemeinschaft noch nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet worden seien.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.
In der Berufungsinstanz wiederholen und vertiefen die Parteien ihren erstinstanzlichen Vortrag. Der Kläger hat klargestellt, dass er seine Ansprüche hinsichtlich sämtlicher beanstandeter Aussagen in erster Linie auf einen Verstoß gegen Art. 5, 10 Abs. 1 HCV und hinsichtlich der Aussagen gem. Ziff. 2 und 7 des landgerichtlichen Urteilstenors darüber hinaus hilfsweise auf einen Verstoß gegen die NFV stützt.
Die Beklagte beantragt:
das Urteil des LG Frankfurt/M., Ak...