Leitsatz (amtlich)

1. Angesichts der vielfältigen Möglichkeiten zur Umgehung des Gesetzes durch manipulative Gestaltung der Absenderangaben ist ein weiter Versenderbegriff geboten.

2. Normadressat des § 661a BGB ist auch der Unternehmer, der Gewinnzusagen unter dem Namen eines (tatsächlich existierenden) Versandes versendet und die diesbezügliche Korrespondenz mit dem Verbraucher abwickelt, weil der Versand unter der in der Gewinnzusage angegebenen Anschrift keine Büroorganisation unterhält, mit der er selbst unternehmerisch hätte handeln können.

 

Verfahrensgang

LG Limburg a.d. Lahn (Urteil vom 28.03.2003; Aktenzeichen 2 O 454/02)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 09.12.2004; Aktenzeichen III ZR 112/04)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Limburg - 2. Zivilkammer - vom 28.3.2003 - 2 O 454/02 - unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger 38.479,76 Euro nebst Zinsen aus 38.346,89 Euro i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes vom 9.6.1998 seit dem 10.10.2001 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 2) richtet, abgewiesen.

Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Klägers haben der Kläger und die Beklagte zu 1) jeweils die Hälfte zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt sie selbst.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger sowie die Beklagte zu 1) dürfen die Vollstreckung durch

Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die vollstreckende Partei vor Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger erhielt im Juni 2001 einen von einem Dr. A. aus einer vermeintlichen ... Rechtsanwaltskanzlei Dr. A. u.a. unterschriebenen Brief, in dem ihm die "zweite und letzte Chance" eingeräumt wurde, "75.000 DM + 369,86 DM Zinsen abzurufen". Es heißt dann weiter:

Herr E1 (= Kläger, d. Senat) erhält 75.000 DM + 369,86 DM Zinsen, wenn er

1. das Letzte-Chance-Siegel über 75.369,86 DM auf dem Warenanforderungsschein zum Test (unten rechts) einklebt;

2. eine unverbindliche Warenanforderung i.H.v. etwa 150 DM ausfüllt.

Wegen der Einzelheiten der Gestaltung des Schreibens, das in einer unbekannten Vielzahl von Fällen an andere Adressaten zur Versendung gekommen ist, wird auf die Ablichtungen, Bl. 5-7 d.A., verwiesen.

Der Kläger erfüllte die verlangten Bedingungen, erhielt jedoch den zugesagten Geldbetrag nicht. Ausweislich des Briefumschlages war Absender der Gewinnzusage ein B-Versand mit einer Postfachanschrift ("...") in D./Niederlande. Der auf der Gewinnzusage abgebildete Rechtsanwalt Dr. A. existiert ebenso wenig wie die in dem Schreiben benannte Anwaltskanzlei.

Schriftliche Aufforderungen des Klägers gerichtet an die Postfachanschrift zur Auszahlung der Gewinnzusage blieben unbeantwortet. Daraufhin mahnte der Kläger telefonisch die Auszahlung des Geldes an. Er wandte sich dabei an die auf der für die Warenlieferung übersandten Rechnung vom 12.7.2001 und der Mahnung vom 22.10.2001 angegebene Telefonnummer (...). Daraufhin wurde ihm mitgeteilt, Zahlungsaufforderungen hinsichtlich der Auszahlung der Gewinnzusage könnten nur schriftlich entgegengenommen werden und sollten an die angegebene Postfachanschrift in den Niederlanden gerichtet werden; einen Sitz habe der B-Versand dort nicht; es gebe auch keine Straße und Hausnummer, an die entsprechende Schreiben gesandt werden könnten.

Der Klageanspruch ergibt sich der Höhe nach aus der Höhe der Gewinnzusage abzgl. des auf die gelieferte Ware entfallenden Kaufpreises, bezüglich dessen der Kläger mit der Forderung aus der Gewinnzusage aufgerechnet hat.

Inhaber bzw. Mieterin des Postfachs (... in GB D./Niederlande), das sowohl in der Absenderangabe der Gewinnzusage als auch der späteren Korrespondenz (Bl. 9 d.A.) angegeben ist, ist die in Belgien ansässige Beklagte zu 1). Sie übernimmt nach eigener Behauptung (in erster Instanz) "Bring- und Holdienste" für den B-Versand und wickelt für ihn (so die Darstellung in der Berufung, Bd. I Bl. 198) die geschäftliche Korrespondenz über das Postfach ab.

Gesellschafter der Beklagten zu 1) sind die X Y Z, E./Belgien, Frau F. G. in E. sowie die Rechtsanwälte I. J. H. und H. aus M.. Letztere sind bzw. waren gleichzeitig die Geschäftsführer der "H. Versand-GmbH & Co. KG "in M., die ihrerseits wegen Gewinnzusagen in anderen Fällen bereits rechtskräftig zur Zahlung verurteilt wurde. Bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf ist gegen verschiedene Versandhäuser der sog. H-Gruppe ein Ermittlungsverfahren anhängig. Bei einer polizeilichen Durchsuchung der Geschäftsräume der Firma N .... Verwaltungs-GmbH & Co. KG in M. (vormals o.g. H-Versand GmbH & Co. KG) im Jahr 2001 (Bd. II Bl. 269) wurde eine Vielzahl inhaltlich gleicher Versandhandelskataloge mit lediglich untersch...

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