Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeugnisverweigerungsrecht eines Notars

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Notar das Zeugnis verweigern darf, bestimmt sich nach § 383 Abs. 1 Ziff. 6 ZPO, der in Bezug auf Notare eine inhaltliche Verweisung auf § 18 BNotO enthält.

2. Die Verschwiegenheitspflicht nach § 18 Abs. 1 BNotO bezieht sich auf alles, was dem Notar bei Ausübung seines Amtes bekannt geworden ist; es ist nicht notwendig, dass die fragliche Tatsache dem Notar anvertraut wurde.

3. Ausnahmsweise kann der Notar von der Verschwiegenheitspflicht befreit sein, wenn Schadenersatzansprüche gegen ihn im Raum stehen. Dieser Ausnahmetatbestand ist so zu verstehen, dass es dem Notar freisteht, auszusagen oder nicht. Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass er auch verpflichtet ist, auszusagen. Die von ihm selbst getroffene Abwägung ist nicht gerichtlich nachprüfbar.

4. Die Streitwertfestsetzung richtet sich im Zwischenstreit über das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 3 ZPO. Hierbei ist von einem Viertel des Hauptsachewertes auszugehen (in Anlehnung an OLG Köln MDR 1983, 321).

 

Normenkette

ZPO §§ 3, 383 Abs. 1 Ziff. 6; BNotO § 18

 

Verfahrensgang

LG Gießen (Aktenzeichen 3 O 695/95)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 09.12.2004; Aktenzeichen IX ZB 279/03)

 

Tenor

Es wird festgestellt, dass der Zeuge Notar S. nicht verpflichtet ist, zu dem Beweisthema A I aus dem Beweisbeschluss des Senats vom 17.5.2000 auszusagen.

Die Beklagten haben die Kosten des Zwischenstreits zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Streitwert für den Zwischenstreit wird auf 69.812 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Im vorliegenden Rechtsstreit fordert der Kläger als Rechtsanwalt Anwaltsgebühren von den Beklagten als Gesellschafter der ehemaligen S. Grundstücksgesellschaft S. Die Beklagten bestreiten den Anspruch nach Grund und Höhe und haben hilfsweise die Aufrechnung mit einer Schadenersatzforderung wegen behaupteter fehlerhafter Beratung und Vertretung erklärt. Insbesondere stützen sie dies auf den Umstand, dass der Beklagte sie nicht zu dem Notartermin vom 24.2.1995 nach S. begleitet hat und er deshalb dafür verantwortlich sei, dass der am 25.2.1995 durch Notar S. beurkundete Vertrag mit den Investoren (Käufer) nicht die Verpflichtung der Käuferseite enthalte, eine zum Zwecke der Finanzierung benötigte unbeschränkte Bürgschaft auf erstes Anfordern beizubringen, was letztlich dazu geführt habe, dass die Durchführung des Vertrages gescheitert sei und zum Eintritt eines beträchtlichen Schadens geführt habe.

Dem Notar S. ist mit Schriftsatz vom 23.7.1998 der Streit verkündet worden – er ist dem Rechtsstreit nicht beigetreten.

Der Senat hat unter dem 17.5.2000 einen Beweisbeschluss (Bl. 2238 ff. d.A.) verkündet, wonach u.a. Notar S. als Zeuge zu den Umständen der Beurkundung vom 23.2.1995 vernommen werden soll. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beweisbeschluss verwiesen. Während die Beklagten Notar S. von der Pflicht zur Verschwiegenheit entbunden haben, verweigern dies die Investoren. Notar S. hat deshalb mit Schreiben vom 17.8.2000 an den Landgerichtspräsidenten M. um Entscheidung gebeten, ob er berechtigt sei, auszusagen. Mit Schreiben vom 9.1.2000 hat der Landgerichtspräsident M. mitgeteilt, dass Notar S. hinsichtlich der Beweisthemen aus dem Beweisbeschluss vom 17.5.2000 zur Verschwiegenheit verpflichtet sei.

Der Versuch der Beklagten, hiergegen im Rechtsweg nach § 111 BNotO vorzugehen, ist gescheitert. Das OLG Jena und der BGH haben die Anträge der Beklagten als unzulässig zurückgewiesen, weil sie nicht antragsberechtigt seien. Der Zeuge beruft sich nach wie vor auf ein Aussageverweigerungsrecht.

Die Beklagten meinen, die Entscheidung des Landgerichtspräsidenten M. sei rechtswidrig. Für Notar S. bestehe im vorliegenden Rechtsstreit keine Schweigepflicht. Dem Notar sei im vorliegenden Rechtsstreit der Streit verkündet worden. Er sei deshalb berechtigt, auch solche Tatsachen zu offenbaren, die eventuell der Schweigepflicht unterliegen, da dies zur Wahrung seiner eigenen Interessen notwendig sei, und zwar gerade im Hinblick auf einen gegen ihn unter Umständen noch zu führenden Regressprozess. Eine Durchbrechung der Schweigepflicht dürfe auch nicht erst dann infrage kommen, wenn für den Notar eine „notstandsähnliche Situation” vorliege, wie der Landgerichtspräsident M. meine. Die Schweigepflicht beziehe sich zudem nicht auf dasjenige, was offenkundig sei oder seiner Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfe. Werde, wie vorliegend, einem Notar am Tag vor der geplanten Protokollierung eines umfangreichen Vertragswerkes zu einem wichtigen Punkt dieses Vertrages von der Käuferseite mit Fax ein Änderungsverlangen zugeleitet, dann sei dieses schriftliche Änderungsverlangen gerade dazu bestimmt, an den anderen Vertragspartner weitergeleitet zu werden. Ein irgendwie geartetes Geheimhaltungsinteresse der Käuferseite sei dabei naturgemäß völlig ausgeschlossen. Es komme hinzu, dass die Verschwiegenheitspflicht ausschließlich im In...

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