Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussendung. Irreführung. TCM-Antrag. Wettbewerb. Irreführungsquote bei auf Täuschung angelegter Werbung
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn eine Werbung allein auf Täuschung angelegt ist, liegt ein Verstoß gegen § 5 UWG auch dann vor, wenn diese Täuschung nur gegenüber einem geringen Teil des angesprochenen Verkehrs erreicht wird (Hauptsacheverfahren zu 6 U 242/08).
2. Zur Auswechslung des Streitgegenstands bei einem "TCM-Antrag" im Berufungsverfahren (Hauptsacheverfahren zu 6 U 242/08).
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 25.11.2009; Aktenzeichen 3/8 O 100/09) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 25.11.2009 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120.000,- € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, warb für ein von ihr im Internet unterhaltenes Branchenverzeichnis mit einer Aussendung, deren Vorder- und Rückseiten nachfolgend wiedergegeben werden; wegen der Einzelheiten der Farbgestaltung wird auf die Anlage K 1 zur Klageschrift (Bl. 16, 17 d.A.) verwiesen.
(Es folgen Abbildungen, die aus technischen Gründen nicht dargestellt werden kann - die Red.)
Die Klägerin, die das Branchentelefonbuch "Gelbe Seiten" herausgibt, beanstandet diese Aussendung unter mehreren Gesichtspunkten als wettbewerbswidrig: Der Adressat werde über den wahren Charakter der Aussendung getäuscht, da er nach dessen Gesamtaufmachung davon ausgehen könne, es handele sich nur um den Korrekturabzug im Rahmen eines bereits bestehenden Vertragsverhältnisses; darüber hinaus sei die Angabe "Preis p.M. € 89,00" irreführend und mit der Preisangabenverordnung nicht vereinbar. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Unterlassung sowie Erstattung der Kosten für ein Abschlussschreiben nach Beendigung des vorausgegangenen Eilverfahrens in Anspruch.
Das Landgericht hat die Beklagten - abgesehen von einem Teil des Zahlungsantrages, wegen dessen die Klage abgewiesen worden ist - antragsgemäß verurteilt mit der Begründung, die blickfangmäßig hervorgehobene Angabe "Preis p.M. € 89,00" sei irreführend, weil auf die jährliche Vorauszahlungsverpflichtung sowie die Mindestvertragsdauer nicht hinreichend deutlich hingewiesen werde. Gegen dieses Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird (§ 540 I 1 ZPO), wenden sich die Beklagten mit der Berufung.
Im Berufungsverfahren wiederholen und vertiefen beide Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen; wegen der Einzelheiten wird auf die nachfolgenden Ausführungen unter II. sowie die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.
Die Beklagten beantragen,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
II.
Die zulässige Berufung hat (wie bereits im vorausgegangenen Eilverfahren, vgl. Senatsurteil vom 26.3.2009 - 6 U 242/08) in der Sache keinen Erfolg.
Die Klägerin stützt das mit dem Klageantrag begehrte Verbot der konkreten Verletzungshandlung auf mehrere darin verwirklichte Wettbewerbsverstöße. Ein solcher Unterlassungsantrag ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (GRUR 01, 453 - TCM-Zentrum, Rdz. 30) schon dann in vollem Umfang begründet, wenn die Verletzungshandlung nur einen der gerügten Wettbewerbsverstöße enthält; auf die Frage, ob die beanstandete Verletzungshandlung auch im Übrigen wettbewerbswidrig ist, kommt es dann nicht mehr an. Die sich daraus ergebende Möglichkeit des Gerichts, sich gegebenenfalls nur mit einem das Verbot rechtfertigenden Verstoß zu befassen, besteht nach Auffassung des erkennenden Senats auch im Rahmen des Berufungsverfahrens, wobei das Berufungsgericht durch ein in erster Instanz auf einen bestimmten Wettbewerbsverstoß gestütztes Verbot nicht gehindert ist, das ausgesprochene Verbot der konkreten Verletzungshandlung nicht mit dem vom Erstgericht angenommenen, sondern mit einem anderen der gerügten Wettbewerbsverstöße zu begründen. Denn nachdem die genannte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs es dem Kläger im Ergebnis ermöglicht, sein Prozessrisiko dadurch zu begrenzen, dass er das angestrebte Verbot einer konkreten Verletzungshandlung alternativ auf mehrere darin verwirklichte Wettbewerbsverstöße stützen kann, muss ihm diese Möglichkeit auch im Berufungsrechtszug und unabhängig vom Inhalt der erstinstanzlichen Entscheidung erhalten bleiben. Dass durch eine Auswechslung der dem Verbotsausspruch zugrunde liegenden Begründung der Unterlassungstitel einen anderen Inhalt erhalten kann, steht dieser prozessualen Behandlung nicht entgegen.
Es erscheint zweifelhaft, ob die beanstandete Werbeaussendung bereits deshalb als irreführend ...