Entscheidungsstichwort (Thema)
Abschlagsdaten
Leitsatz (amtlich)
1. Die Amortisierung der in die Erstellung einer Datenbank investierten (eigenen) Aufwendungen durch ihre kommerzielle Nutzung stellt zwar den wirtschaftlichen Regelfall für die Begründung des gesetzlich vorgesehenen Leistungsschutzrechts dar. Die Schutzfähigkeit der Investitionen in die Datenbankerstellung scheitert aber zumindest in besonders gelagerten Ausnahmefällen in urheberrechtlicher Hinsicht nicht daran, dass der Datenbankhersteller diese Kosten (vorher oder hinterher) von dritter Seite (hier: durch die öffentliche Hand) refundiert erhalten hat. Schutzbegründend ist in erster Linie die Gefährdung bzw. die Nutzlosigkeit, nicht die Vornahme der Investitionen.
2. Der Begriff "wesentlicher Teil einer Datenbank" i.S.v. § 87b Abs. 1 Satz 1 UrhG ist nicht notwendigerweise nutzerbezogen zu verstehen. Auch eine Kumulation der Nutzung von Einzeldatensätzen durch unterschiedliche Nutzer, die durch denselben Anbieter zur Verfügung gestellt werden, kann dieses Merkmal erfüllen.
3. Eine "Öffentliche Wiedergabe" i.S.v. § 19a UrhG kann in besonders gelagerten Fallgestaltungen auch dann anzunehmen sein, wenn nicht derselbe Datensatz, sondern wenn unterschiedliche Datensätze nacheinander von einer Mehrzahl von Personen zur Kenntnis genommen werden.
Normenkette
UrhG § 31 Abs. 5, §§ 87a, 87b Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 06.07.2007; Aktenzeichen 308 O 711/06) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 8, vom 6.7.2007 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagten zu Ziff. I.1. verboten ist,
1. Dritten Mauterhebungsdaten (Transaktionsdaten, Abschlagsdaten) der Klägerin vor Abrechnung der Maut seitens der Beklagten
- zum Online-Abruf zur Verfügung zu stellen,
- als .csv-Datei zur Verfügung zu stellen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 130.000 EUR abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin ist die private Betreiberin des Systems zur Erhebung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen mit schweren Nutzfahrzeugen (Autobahnmaut; Anlage S1).
Im Rahmen ihrer Tätigkeit erhebt die Klägerin über stationäre Mautstellenterminals an Autobahnen sowie mobile Fahrzeuggeräte (on-board-units, OBU) die für die Erfüllung der Mautpflicht erforderlichen Daten auf der Grundlage des Autobahnmautgesetzes (ABMG).
Mautpflichtigen Benutzer erhalten von der Klägerin grundsätzlich einmal im Monat eine Mautaufstellung, die die Summe der in einem Abrechnungszeitraum angefallenen Maut angibt, sowie einen Einzelfartennachweis.
Für die Möglichkeit der Abrechnung der Mautgebühren (Anlage S10) bietet die Klägerin den Mautpflichtigen unterschiedliche Zahlungsweisen an. Gemäß Ziff. 18.1.2 ihrer AGB (Anlage S5) besteht u.a. die Möglichkeit der "Abrechnung über eine Tank- oder Flottenkarte". In diesem Fall zieht die Klägerin ihre Forderung über diese Karte ein.
Die Beklagte ist Emittentin derartiger Tankkarten, über die die Abrechnung gem. Ziff. 20 der AGB der Klägerin erfolgen kann (Anlage S6 und S7). Über dieses Zahlungsmedium - verschiedener Anbieter - wird ein Anteil von ca. 78 % des Gesamtvolumens der Zahlungen abgewickelt.
Die Beklagte ist Gesellschafterin von AGES International GmbH & Co. KG. Dieser Zusammenschluss, der sich ebenfalls mit Abrechnungs- und Zahlungssystemen für Straßenverkehrbenutzungsgebühren befasst, war Wettbewerber der Klägerin bei der Vergabe der Mautabrechnung und dieser im Vergabeverfahren unterliegen. AGES wickelt auf der Grundlage eines zwischen ihr und der Klägerin (bzw. deren Rechtsvorgängerin) geschlossenen Kooperationsvertrages (Anlagen B1+B2) den Zahlungsverkehr über Tankkarten ab und erhält hierfür von der Klägerin eine Provision (eidesstattliche Versicherung C. L. als Anlage S11 in dem Parallelverfahren 5 U 91/07). Zu diesem Zweck erhält AGES täglich - und zwar bereits vor der Abrechnung ggü. dem Benutzer - von der Klägerin die Abrechnungsdaten in einer bestimmten Datensatzstruktur (Anlage S14). Hierbei handelt es sich um sog. "Abschlagsdaten", die mit den endgültigen Abrechnungsdaten nicht notwendigerweise identisch sind. Die Vermittlung der Abschlagsdaten dient zumindest auch dem Zweck, AGES und den ihr angeschlossenen Unternehmen die Überwachung der Verfügungslimits ihrer Kunden zu ermöglichen. Auf Grund zusätzlich übermittelter Informationen ist AGES in der Lage, die Plausibilität der übermittelten Daten zu überprüfen.
Die Beklagte stellt interessierten Nutzern auf ihrer Internetseite www.dkv-euroservice.com einen sog. "DKV Transaktionsmanager" zur Verfügung, mittels dessen sich der Benutzer Transaktionsdaten aller seiner bei der Beklagten registrierten Geschäftsvorgänge und damit auch derjeni...