Leitsatz (amtlich)
1. Im Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer ist das aus § 14 Nr. 1 WEG fließende Rücksichtnahmegebot die Grundlage für die Interessenabwägung der Beteiligten im Hinblick darauf, welche Abstände Anpflanzungen zur Grenze einer Sondernutzungsfläche einzuhalten haben.
2. Im Rahmen dieser Abwägung können die Vorschriften des landesrechtlichen Nachbarrechtsgesetzes im Sinne einer Mindestvorgabe wertend einbezogen werden.
3. Die materielle Ausschlussfrist des § 47 NachbG NW findet im Verhältnis der Wohnungseigentümer keine Anwendung. Ein Beseitigungsanspruch kann vielmehr nur aufgrund des bundesrechtlichen Rechtsinstituts der Verwirkung (§ 242 BGB) ausgeschlossen sein.
Normenkette
WEG § 14 Nr. 1; NachbG NW §§ 41, 47
Verfahrensgang
AG Essen-Borbeck (Aktenzeichen 19 II 47/00 WEG) |
LG Essen (Aktenzeichen 2 T 135/01) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung auch über die Gerichtskosten und die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde an das LG zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf bis zu 1.800 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 1) bis 8) bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft … 19/…weg 1 in E., deren Verwalterin die Beteiligte zu 9) ist. Die Beteiligten zu 1) erwarben die im Erdgeschoss des Hauses M.weg 1 gelegenen Wohnungen Nr. 5 und 6 des Aufteilungsplans etwa im Jahre 1982. Dem Sondereigentum an diesen Wohnungen sind in der Teilungserklärung vom 30.7.1981 Terrassenflächen zugeordnet, die im rückwärtigen Bereich des Grundstücks an eine Gartenfläche angrenzen, an der ein Sondernutzungrecht für den jeweiligen Eigentümer der Wohnung Nr. 1 des Aufteilungsplans begründet ist; diese Wohnung haben die Beteiligten zu 2) im Jahre 1989 erworben. Bereits im Jahre 1982 befand sich nahe der Terrasse eine junge Magnolie. Diese ist inzwischen auf eine Höhe von ca. 6 m herangewachsen. Die Beteiligten zu 1) fühlen sich in der Nutzung der Terrasse durch den Schattenwurf der Magnolie beeinträchtigt.
Die Beteiligten zu 1) haben bei dem AG beantragt, die Beteiligten zu 2) zur Beseitigung der Magnolie, hilfsweise dazu zu verpflichten, die Magnolie soweit in der Krone auszulichten und zu beschneiden, dass keine Äste in den Luftraum über der Terrasse hineinragen und die Terrasse nicht mehr von der Magnolie beschattet wird, des Weiteren nach Beseitigung des der Magnolie anhaftenden Wolllausbefalls es in Zukunft sicherzustellen, dass Exkremente der die Magnolie befallenden Wollläuse nicht mehr auf die Terrasse gelangen. Das AG hat durch Beschluss vom 25.5.2001 ohne Vorliegen entspr. Erklärungen der Beteiligten zu 1) und 2) die Erledigung der Hauptsache festgestellt, soweit die Beteiligten zu 1) mit dem Hilfsantrag die Entfernung in den Luftraum über der Terrasse hineinragender Äste verlangt haben. Im Übrigen hat es die Anträge der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss haben die Beteiligten zu 1) mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 25.5.2001 rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie ihre bisherigen Anträge weiter verfolgt haben. Das LG hat in öffentlicher Sitzung vom 8.11.2001 vor der vollbesetzten Zivilkammer mit den Beteiligten mündlich verhandelt. Durch am Schluss der Sitzung verkündeten Beschluss hat das LG in Abänderung der Entscheidung des AG und unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels auf den letztgenannten Hilfsantrag die Beteiligten zu 2) verpflichtet sicherzustellen, dass zukünftig keine Exkremente von in der Magnolie lebenden Wollläusen auf die Terrasse der Beteiligten zu 1) fallen können.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1), die sie mit einem am 7.2.2002 bei dem LG eingegangenen Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom selben Tage eingelegt haben und mit der sie den auf Beseitigung der Magnolie gerichteten Hauptantrag weiter verfolgen.
Die Beteiligten zu 2) beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II. Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 45 Abs. 1, 43 WEG, 27, 29 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) folgt bereits daraus, dass ihre Erstbeschwerde bezogen auf den von ihnen gestellten Hauptantrag ohne Erfolg geblieben ist.
In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg, weil die Entscheidung des LG auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 FGG. Die sofortige weitere Beschwerde führt zur Zurückverweisung der Sache an das LG.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das LG zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1) ausgegangen.
In der Sache hat das LG ausgeführt, dass es einer näheren Prüfung eines sich aus § 1004 BGB möglicherweise ergebenden Abwehranspruches nicht bedürfe. Selbst wenn von der Magnolie relevante störende Einflüsse auf das Sondereigentum der Beteiligten zu 1) ausgingen, sei ein Beseitigu...