Leitsatz (amtlich)

1. Zur Einhaltung der Frist des § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO sind die Ablehnungsgründe nicht binnen einer kalendermäßigen Frist, sondern grundsätzlich unverzüglich (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB) nach ihrem Bekanntwerden geltend zu machen. Diese Frist wird schuldhaft versäumt, wenn eine Partei in Kenntnis möglicher Ablehnungsgründe ihr Ablehnungsgesuch mehrere Wochen zurückstellt, um die Stellungnahme der Gegenseite zu einem unterbreiteten Vergleichsangebot abzuwarten.

2. Ein Sachverständiger kann nicht bereits deshalb wegen der Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt werden, weil er in seiner schriftlichen Stellungnahme zu dem gegen ihn gerichteten Ablehnungsgesuch (überflüssigerweise) Rechtsausführungen vornimmt, wenn er diese sachlich abgefasst hat.

 

Normenkette

ZPO §§ 406, 42; BGB § 121

 

Verfahrensgang

LG Münster (Beschluss vom 13.12.2012; Aktenzeichen 15 O 49/12)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 27.12.2012 gegen den Beschluss der 15. Zivilkammer des LG vom 13.12.2012 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 6.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt im vorliegenden Rechtsstreit Schadensersatz und Herausgabe seines Fahrzeugs, eines instandsetzungsbedürftigen Oldtimers, mit dessen

Restaurierung er den Beklagten beauftragt hatte. Er behauptet u.a., der Beklagte habe mangelhaft gearbeitet und überhöht abgerechnet.

Zu den vom Kläger behaupteten Mängeln und der vom Beklagten behaupteten Erforderlichkeit abgerechneter Arbeiten hat das LG gemäß Beweisbeschluss vom 16.8.2012 ein Gutachten des Sachverständigen B eingeholt.

Nach zwei am 9.10.2012 und 23.10.2012 abgehaltenen Ortsterminen hat der Sachverständige unter dem 19.11.2012 sein schriftliches Gutachten erstattet. Mit Verfügung vom 22.11.2012 hat das LG den Parteien das Gutachten mit einer Fristsetzung gem. § 411 Abs. 4 ZPO zur Stellungnahme übersandt.

Mit Schriftsatz vom 22.11.2012 hat der Kläger den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zu dem Befangenheitsgesuch hat sich der Sachverständige mit einer am 4.12.2012 übermittelten schriftlichen Stellungnahme geäußert. Diese hat der Kläger zum Anlass genommen, mit Schriftsatz vom 11.12.2012 den Sachverständigen auch wegen seiner schriftlichen Äußerungen als befangen abzulehnen.

Mit Beschluss vom 13.12.2012 hat das LG den Ablehnungsantrag zurückgewiesen. Das Gesuch vom 22.11.2012 sei wegen Nichteinhaltung der Zwei-Wochen-Frist des § 406 Abs. 2 ZPO bereits unzulässig. Soweit der Kläger in seinem Schriftsatz vom 11.12.2012 weitere Befangenheitsgründe aufführe, sei sein Gesuch unbegründet. Wegen der Einzelheiten in der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss vom 13.12.2012 verwiesen.

Gegen die dem Kläger am 17.12.2012 zugestellte landgerichtliche Entscheidung richtet sich seine per Fax am 27.12.2012 übermittelte sofortige Beschwerde. Der Kläger vertritt die Ansicht, dass sein Ablehnungsgesuch vom 22.11.2012 nicht verspätet sei und seine Gesuche im Übrigen begründet seien. In der Sache wiederholt und intensiviert der Kläger sein bisheriges Vorbringen.

Nachdem das LG der Beschwerde mit Beschluss vom 7.1.2013 nicht abgeholfen hat, hat der Senat über diese zu befinden.

II. Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 406 Abs. 5, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.

Das LG hat das Gesuch vom 22.11.2012 zu Recht als unzulässig beurteilt, weil der Kläger die Frist des § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO versäumt hat (1.).

Mit seinem weiteren Gesuch vom 11.12.2012 zeigt der Kläger keine Gründe auf, die geeignet sind, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Sachverständigen zu begründen. Auch das ist vom LG zutreffend beurteilt worden (2.).

Mit den im Gesuch vom 22.11.2012 vorgetragenen Ablehnungsgründen ist der Kläger gem. § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO ausgeschlossen.

Nach § 406 Abs. 2 S. 1 ZPO ist der Ablehnungsantrag grundsätzlich spätestens binnen zwei Wochen nach der Zustellung des Beschlusses über die Ernennung des Sachverständigen anzubringen. Ergeben sich die Gründe, auf die die Ablehnung des Sachverständigen gestützt wird, aus dessen weiterer Tätigkeit, ist die Frist des § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO maßgebend. Die Ablehnungsgründe sind in diesem Falle nicht binnen einer kalendermäßigen Frist, sondern grundsätzlich unverzüglich (§ 121 Abs. 1 Nr. 1 BGB) nach Kenntnis des Ablehnungsgrundes geltend zu machen. Das bedeutet, dass der Ablehnungsantrag zwar nicht sofort, wohl aber ohne schuldhaftes Zögern, das heißt innerhalb einer den Umständen des Einzelfalls angepassten Prüfungs- und Überlegungsfrist anzubringen ist (vgl. BGH Beschl. v. 15.3.2005 - VI ZB 74/04, zit. über Juris, Tz. 7). Sinn der Fristenbindung des § 406 Abs. 2 ZPO ist es, eine Entscheidung über eine etwaige Befangenheit des Sachverständigen herbeizuführen, bevor dieser kostenträchtige Aktivitäten zur Erfüllung seines Gutachterauftrages entfaltet hat. Der Aufwand an Arbeitskraft und Kosten der Begutachtung soll möglichst rationell eingesetzt werden (v...

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